Aktuelle Stunde zum Bombodrom-Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Nach 15-jährigem Rechtsstreit hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 27. März 2009 entschieden, dass der Luft-Boden-Schießplatz der Luftwaffe in der Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg, das so genannte Bombodrom, auch künftig für Tiefflugübungen gesperrt bleibt. In einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktion Die Linke setzte sich der Bundestag am Mittwoch, dem 22. April 2009, mit den Konsequenzen aus diesem Urteil auseinander. Das Verteidigungsministerium hatte erreichen wollen, dass auf dem Truppenübungsplatz bei Wittstock Tiefflüge mit Tornado-Flugzeugen trainiert und Übungsbomben abgeworfen werden dürfen.
Der Abgeordnete Bernd Siebert und der Parlamentarische
Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Christian
Schmidt (beide CDU/CSU), wiesen darauf hin, dass erst die
schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden müsse,
ehe Konsequenzen gezogen werden können.
Siebert machte allerdings deutlich, dass die Zeit reif sei für eine Entscheidung, und dies könne nur ein Kompromiss zwischen den berechtigten Interessen aller Betroffenen sein. Eine weitere Ungewissheit sei ihnen nicht zuzumuten. Das Bundesverteidigungsministerium werde sich für ein Konzept einsetzen, das die Ausbildung der Soldaten langfristig gewährleistet, aber auch die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt, wobei auch die europäischen Partner einzubeziehen seien.
Schmidt betonte, dass der Bundestag 1993 dem
Truppenübungsplatzkonzept zugestimmt und dessen weitere
militärische Nutzung als notwendig eingestuft habe. Die
Belastungen zwischen den Luft-Boden-Schießplätzen in
Nordhorn (Niedersachsen), Siegenburg (Bayern) und Wittstock
müssten ausgewogen verteilt werden. Solange Bundeswehrsoldaten
in gefährliche Auslandseinsätze geschickt würden,
stehe für die Bundeswehr die Verantwortung für deren
Ausbildung an erster Stelle.
Aus Sicht von Winfried Nachtwei (Bündnis 90/Die Grünen) gilt es abzuwägen zwischen dem Übungsbedarf der Luftwaffe und den Belangen der Bevölkerung. Wittstock sei zwar für die Luftwaffe wünschenswert, die Frage sei aber, ob es auch militärisch unverzichtbar ist. Das Verteidigungsministerium habe auf die Einwände „schludrig“ reagiert. Auch ohne Wittstock sei keine fehlende Einsatzfähigkeit der Luftwaffe gemeldet worden.
Das Gericht habe bemängelt, dass im planungsrechtlichen
Verfahren keine Abwägung zwischen wichtigen und kleineren
Bedürfnissen auf Seiten der Bundeswehr stattgefunden habe.
Politisch werde um Wittstock seit 17 Jahren, juristisch seit 15
Jahren gestritten.
Dr. Kirsten Tackmann von der Linksfraktion sprach von einer „schallenden Ohrfeige“ für die Bundesregierung. Das Urteil erzwinge einen Verzicht auf das Bombodrom. Juristisch stehe die Regierung mit dem „Rücken an der Wand“. Die mündliche Urteilsbegründung lasse keinen Interpretationsspielraum. Weitere juristische Schritte würden die Blockade einer Entwicklung der Region verlängern. Tackmann nannte dies „inakzeptabel“.
Zugleich zollte sie dem „bürgerschaftlichen
Engagement“ vor Ort „hohe gesellschaftliche
Anerkennung“. Das Bombodrom sei militärisch nicht
notwendig, die Bundeswehr nutze ihre vorhandenen Kapazitäten
nicht einmal. „Nur eine Entscheidung vor der Wahl ist
verlässlich“, so die Linke-Politikerin.
Andreas Weigel (SPD) ging auf das Konzept der Bundeswehr für die Nutzung von Luft-Boden-Schießplätzen 2008 und auf einen Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofes von 2007 ein. Darin habe der Rechnungshof die Argumente der Bundeswehr für den Schießplatz widerlegt. Von der Notwendigkeit, die Lasten gerecht zu verteilen, könne nicht die Rede sein.
Dem Verteidigungsministerium sei es nicht gelungen, den
Rechnungshofbericht zu widerlegen. Richtig sei, dass das
Bundesverteidigungsministerium nicht weiter prozessiere. Gefragt
werden müsse, wie ein realistischer Übungsbedarf
aussieht, so Weigel.
Für die FDP hielt Birgit Homburger der Linken entgegen, sie solle nicht mit den Ängsten und Sorgen der Menschen spielen. Als die Rote Armee den Übungsplatz genutzt habe, habe die SED Proteste massiv unterdrückt. Auch die Grünen seien nicht wirklich glaubwürdig, da sie das Konzept in der rot-grünen Regierungszeit hätten ändern können. Stattdessen hätten sie es unterstützt.
Das Verteidigungsministerium habe es nicht geschafft zu
begründen, warum Wittstock gebraucht wird. Es habe keinen
politischen Kompromiss gesucht. Die Ängste und
Befürchtungen vor Ort müssten jedoch ernst genommen
werden, sagte Homburger. Nicht nur, dass das
Verteidigungsministerium keine gute Figur mache, die
Wittstock-Geschichte sei auch ein „Armutszeugnis für die
Bundeswehr“.