Interview mit Holger Haibach zur Europarat-Parlamentarierversammlung
Länder wie Armenien und Georgien sollen auch im Falle der Verhängung eines Ausnahmezustands die Grundrechte der Bürger achten. Vor allem im Kaukasus und in Russland ist es nötig, Übergriffe gegen Menschenrechtsgruppen zu bekämpfen. Die Diskussion solcher Forderungen, die der CDU-Bundestagsabgeordnete Holger Haibach in zwei Berichten formuliert hat, gehört zu den Schwerpunkten der Frühjahrssession der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 27. bis zum 30. April 2009. Haibach, der in Straßburg dem Rechtsausschuss angehört und Obmann der Union im Menschenrechtsausschuss des Bundestags ist, äußert sich im Interview zur Frühjahrssession.
Anders als etwa im Nahen Osten verhängt in Europa doch kaum ein Staat den Ausnahmezustand. Wieso befasst sich die Parlamentarische Versammlung mit diesem Thema?
Das kommt in der Tat sehr selten vor. Georgien und Armenien haben dies jedoch mehrfach getan, und zwar aus innenpolitischen Gründen wegen oppositioneller Proteste. In Armenien wurden nach einer Präsidentschaftswahl sogar Demonstranten von der Polizei erschossen.
Welche Grundrechtsverletzungen rügen Sie denn?
Während des Ausnahmezustands in den Kaukasusländern kam es zu Einschränkungen der Pressefreiheit, TV- und Radiostationen wurden geschlossen. Gegen Demonstranten ging die Polizei mit harter Gewalt vor. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wurde massiv beschnitten.
Welche Regeln sollten im Falle eines Ausnahmezustands
gelten?
Zunächst ist festzustellen, dass es aufgrund eines echten Notstands durchaus Gründe für einen solchen Schritt geben kann. Die damit verbundenen Eingriffe in die Grundrechte müssen jedoch auf das absolut erforderliche Maß beschränkt werden. Der Ausnahmezustand muss zeitlich befristet werden, diese Phase darf nicht länger als unbedingt nötig dauern. Zudem ist eine parlamentarische Kontrolle sicherzustellen, die Abgeordneten müssen einen Ausnahmezustand auch abbrechen und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen können.
Hat denn Straßburg die Macht, solche Forderungen
gegenüber nationalen Regierungen durchzusetzen?
Der Generalsekretär des Staatenbunds soll die Möglichkeit erhalten, im Falle eines Ausnahmezustands in dem betreffenden Land Untersuchungen vorzunehmen. Die Parlamentarische Versammlung kann einer Regierung für den Fall inakzeptabler Grundrechtsverstöße mit dem Entzug des Stimmrechts drohen, was nach aller Erfahrung eine große Wirkung entfaltet. Überdies können Demonstranten oder Journalisten, die etwa von willkürlichen Inhaftierungen oder Zensur betroffen sind, vor dem Menschenrechtsgerichtshof klagen.
In Ihrem zweiten Bericht appellieren Sie an die
Regierungen, das freie Engagement von Menschenrechtsaktivisten zu
garantieren. Solche Gruppen haben aber doch bereits einen
prägenden Einfluss in Politik und Medien, auch beim
Europarat.
Das stimmt im Prinzip. Die Situation ist in den einzelnen Mitgliedsnationen jedoch sehr unterschiedlich. Vor allem in der Kaukasusregion und in Russland leiden Bürgerrechtler oft unter massiven Repressalien. Ich erinnere etwa an die Ermordung von Journalisten in Russland oder an die Tötung des armenischen Schriftstellers Hrant Dink in der Türkei. Die Parlamentarier des Europarats haben viele Gründe, dieses Thema aufzugreifen.
Wie sehen denn die Repressalien konkret aus?
Es kann sein, dass der Staat Übergriffe duldet, die aus der Gesellschaft heraus gegen Bürgerrechtler stattfinden. Es kann aber auch sein, dass der Staat selbst Verfolgungen inszeniert. Aktivisten werden schon mal bedroht, zusammengeschlagen, entführt oder willkürlich festgenommen und inhaftiert. Im schlimmsten Fall wird jemand ermordet. Manchmal werden Menschenrechtler auch mit rechtstaatlich fragwürdigen Prozessen überzogen. In Warschau und Moskau verboten Behörden Demonstrationen von Homosexuellen, auch solche Einschränkungen des Versammlungsrechts gehören zum Arsenal.
Was kann der Europarat tun?
Wir sollten den Straßburger Menschenrechtskommissar mit mehr Personal und Geld ausstatten, um ihm eine verstärkte Präsenz vor Ort in heiklen Situationen zu ermöglichen. Drangsalierte Bürgerrechtler brauchen zur Unterstützung vor allem eine kritische internationale Öffentlichkeit, da sollte auch die Parlamentarische Versammlung noch aktiver werden. In den Europaratsstaaten muss das Bewusstsein wachsen, dass Bürgerrechtler keine Gegner, sondern Partner sind. Wer Skandale aufdeckt, darf nicht als Störenfried hingestellt werden.