Bundestag beriet über den Koalitionsentwurf gegen Steuerhinterziehung
Der Bundestag beschäftigte sich in seiner Sitzung am Donnerstag, 7. Mai 2009, mit einem Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen, der Steuerhinterziehung verhindern soll. In der Debatte spielten auch Äußerungen von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gegenüber so genannten Steueroasen eine Rolle.
Lothar Binding von der SPD-Fraktion verteidigte den von CDU/CSU und
SPD eingebrachten Gesetzentwurf (
16/12852), dass damit "Ungerechtigkeit und
Unfairness" im Steuervollzug begegnet werde. Das Problem sei, dass
es Länder gebe, die Steuerbetrug und -hinterziehung nicht als
Betrug behandelten. Die Koalition will mit ihrem Gesetzentwurf
Steuerzahlern, die Geschäftsbeziehungen zu solchen Staaten
unterhalten, besondere Auskunftspflichten auferlegen. Sind sie zur
Kooperation nicht bereit und verweigern Auskünfte, können
steuerliche Nachteile drohen. Binding sagte, die Steuerbürger
würden nicht unter Generalverdacht gestellt. "Es ist ein
Gesetz, das den Menschen hilft, sich ehrlich zu machen."
Dem entgegenete der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms, dass sich das Gesetz nicht nur gegen Steuerhinterzieher, sondern auch gegen so genannte Steueroasen wende. Doch dies sei das "Bekämpfen von etwas, was gar nicht vorhanden ist", sagte Solms unter Hinweis darauf, dass es keine Länder mehr gebe, die die Einhaltung der Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verweigerten.
Mit Blick auf Minister Steinbrück merkt Solms an, dass es
wichtig sei, "Verhandlungen zu führen statt zu drohen mit
Kraftmeierei und Verbalradikalismus, die dem Bundesfinanzminister
zu eigen sind". Zudem sei das deutsche Steuerrecht kompliziert,
unüberschaubar und unverständlich: "Deswegen ist eine
große Steuerreform überfällig in diesem Land."
Auch Eduard Oswald von der CDU/CSU-Fraktion betonte, dass diejenigen, die hinterziehen, einen Wettbewerbsvorteil hätten, die Staaten, die dies ermöglichen, einen Standortvorteil: "Deswegen sind wir für ein Steuersystem, das einfach gerecht und mit möglichst niedrigen Sätzen ist."
Gerade vor dem Hintergrund der weltweiten Krise sei eine
Regulierung dringend erforderlich: "Niemand darf sagen, nach der
Krise gehen wir wieder zur Tagesordnung über." In Richtung des
Finanzministers wandte er sich mit der Empfehlung, "sprachlich
abzurüsten". Man müsse "mehr miteinander reden als
übereinander". Die Maßnahmen, die ergriffen werden,
signalisierten: "Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein."
Zwar bescheinigte der Linken-Abgeordnete Oskar Lafontaine dem Gesetzesentwurf der Koalition, dass es Verbesserungen vorsehe. Die Verbesserungen seien jedoch bescheiden. Für seine Fraktion sei die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ein Unterthema von Steuergerechtigkeit. Die Regierung müsse nicht nur gegen Steueroasen vorgehen, sondern auch kriminelle Geschäfte im Inland verhindern. Zu der verbalen Attakte des Finanzministers gegen "Steueroasen" meinte er: "Wir würden uns wünschen, dass die kräftigen Worte von kräftigm Handeln begleitet sind."
Jürgen Trittin vom Bündnis90/Grüne monierte im
Hinblick auf die Gesetzesvorlage, dass sie verzögert und
vertagt worden sei: Außerdem habe er seine Zweifel, dass das
Gesetz reiche, um den "Müller Milchs, Boris Beckers und
Zumwinkels einen Riegel vorzuschieben". Zu fragen sei, ob es jemals
praktiziert werde, denn "in bestimmten Ländern südlich
der Main-Linie" sei man zurückhaltend mit
Einkommensmillionären. Trittin schlug eine
länderübergreifende Bundessteuerfahnung vor.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigte er den Kurs der Bundesregierung, die eben nicht tatenlos sei. Inzwischen meldeten sich Staaten, die die OECD-Standards einhalten wollten. "Ich nenne es beim Namen: Steuerhinterziehung und -betrug sind kriminell." Deutschland verliere dadurch über 100 Milliarden Euro. Das könne man "diplomatisch nicht hinwegreden". Die Schweiz und Liechtenstein seien so genannte Steueroasen. Im Gegensatz dazu seien Luxemburg und Österreich auf dem richtigen Weg.
Zugleich fügte er an, dass er sich über die Initiative
der EU-Kommission freue, die EU-Zinsrichtlinie zu erweitern, und
zwar "materiell und geografisch", und nicht nur persönliche,
sondern auch juristische Stiftungen ins Visier zu nehmen. "Ich
wäre dankbar, wenn dies auch vom EU-Parlament unterstützt
wird." Er wies den Vorwurf Trittins und Lafontains zurück, die
der Regierung "Attentismus" vorwerfen und bekräftigte:
"Vorwürfe über gläserne Steuerbürger sind
völlig obsolet, weil sie nichts mit der Realität zu tun
haben." Zuletzt verteidigte er die "graue" Liste der OECD. Diese
sei zwar unvollständig und nicht widerspruchsfrei, aber
Wirkungskraft habe sie bereits entfaltet: "Das Thema ist alles
andere als ein Räuber und Gendarmspiel der Politik."
Der Koalitionsentwurf wird nun in den Ausschüssen weiterberaten. Einen Antrag der Koalition ( 16/11389), Steuerhinterziehung zu bekämpfen, nahm der Bundestag auf Empfehlung des Finanzausschusses ( 16/12826) an. Abgelehnt wurden hingegen Anträge der FDP ( 16/11734) für einen effektiveren Steuervollzug und für die Umstellung der Umsatzsteuer von der Soll- auf die Istbesteuerung ( 16/9836). Keine Mehrheit fanden auch Antrage der Linken, die Bundesverangtwortung für den Steuervollzug wahrzunehmen ( 16/9479), den Steuermissbrauch wirksam zu bekämpfen und vorhandene Steuerquellen zu erschließen ( 16/9166) und Steueroasen auszutrocknen ( 16/9168). Schließlich lehnte das Parlament auch einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ( 16/9421) ab, Steuerhinterziehern keine Hintertür zu lassen.