Jugendausschuss hörte Sachverständige zum Kinderschutzgesetz
Den Plan der Bundesregierung, in einem neuen Kinderschutzgesetz Hausbesuche des Jugendamtes bei gefährdeten Familien gesetzlich vorzuschreiben, stößt bei Experten auf Kritik. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montag, 25. Mai 2009, überwog bei den Sachverständigen außerdem Skepsis gegenüber dem Plan einer verpflichtenden Informationsweitergabe durch Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, aber auch Lehrer, Erzieher oder Bademeister.
Henriette Katzenstein vom Deutschen Institut
für Jugendhilfe und Familienrecht sagte, der Gesetzentwurf (
16/12429) schaffe bei den Informationspflichten
eher Verwirrung als Klarheit. Schon die Reihenfolge von eigener
fachlicher Einschätzung, Erörterung der Situation mit den
Betroffenen, Hilfsangeboten und Informationsübermittlung
erscheine vollkommen unklar.
"Vor allem aber sind die erforderlichen Aufgabenstellungen und
Ressourcen bei den einzelnen Berufsgruppen nicht vorhanden“,
begründete Katzenstein ihre ablehnende Haltung. Sie fügte
hinzu, dass „die breite Gruppe von Personen, die hier
adressiert wird, vielfach gar nicht dafür qualifiziert ist,
Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung zu erkennen und
fachlich einzuschätzen“. Die Pflicht, Eltern über
Erkenntnisse von Kindeswohlgefährdung zu informieren,
würde in vielen Fällen "wertvolles Porzellan“
zerschlagen, warnte Katzenstein.
Dr. Jörg Fegert, Professor für Kinder- und
Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik in Ulm, wies
darauf hin, dass grundsätzlich Vertrauensverhältnisse
nicht konterkariert werden dürften: „Kindern und
Jugendlichen muss es möglich bleiben, mit Vertrauenspersonen
ihre Probleme zu besprechen, ohne dass, quasi in einem
Automatismus, Eltern informiert und Behörden einbezogen
werden.“
Zum Thema Hausbesuche merkte Christine Keil,
Bezirksstadträtin des Bezirksamtes Berlin-Pankow an: „In
bestimmten Gefährdungssituationen sind Hausbesuche unbedingt
nötig.“ Jedoch sei eine bundesweite Regelverpflichtung
zum Hausbesuch unverhältnismäßig
überregulierend und mit der Methodik der Kinder- und
Jugendhilfe unvereinbar.
Dies werde der komplexen Vielfalt möglicher
Gefährdungssituationen nicht gerecht, fügte Keil an.
„Denn insbesondere bei sexuellem Missbrauch oder psychischer
Misshandlung sind Hausbesuche zur Gefährdungseinschätzung
nicht geeignet.“ Sinnvoll sind aus ihrer Sicht vielmehr
untergesetzliche fachliche Standards und Leitlinien.
Dr. Christian Lüders vom Deutschen
Jugendinstitut betonte, es gebe kein „Schema F“
für den Kinderschutz, denn es komme dabei sehr auf fachliche
Details und den richtigen Zeitpunkt an. Insofern sei die zentrale
Frage, was gesetzlich geregelt und was der fachlichen Praxis
überlassen werden soll. Allerdings existierten in vielen
Bereichen kaum belastbare Daten darüber, wo
Änderungsbedarf bestehe.
Hinsichtlich der Hausbesuche bemerkte Lüders:
„Selbstverständlich kann ein Hausbesuch im Einzelfall
wesentliche Erkenntnisse über den Schutz oder die Gefahr des
Kindes bringen. Dabei gilt es allerdings, zunächst das
Instrument des Hausbesuches auf seine Ergiebigkeit und seine
kontraproduktiven Elemente andererseits sensibel zu
reflektieren.“
Liste der geladenen Sachverständigen