Überwiegend Ablehnung bei den Sachverständigen im Finanzausschuss
Die meisten Experten haben in einer Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch, 27. Mai 2009, den Gesetzentwurf der Regierung zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht entweder in Teilen bemängelt oder sogar den vollständigen Verzicht auf das Gesetz gefordert. „Diesen Gesetzentwurf würde ich in den Papierkorb stecken“, erklärte der frühere Bank-Manager Bernd Lüthje.
Der Entwurf sieht vor, der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Recht zu geben,
Finanzinstituten höhere Eigenmittel vorzuschreiben.
Außerdem soll die BaFin bei angespannter Liquiditätslage
einer Bank die Ausschüttung von Gewinnen verbieten
können. Aufsichtsräte von Finanzinstituten sollen in
Zukunft eine fachliche Eignung nachweisen müssen.
Lüthje erklärte, mit dem Gesetzentwurf ( 16/12783) werde die direkte Steuerung des deutschen Bankenwesens durch das Bundesfinanzministerium verstärkt, denn das Ministerium habe eine Weisungsbefugnis gegenüber der BaFin. Die Verantwortung von Eigentümern und Geschäftsleitern von Banken werde eingeschränkt, da die BaFin die Letztentscheidung über Geschäftsmodelle und sogar einzelne Großgeschäfte erhalten werde.
Auch der Bundesverband Investment und Asset Management
erklärte, der Spielraum für die BaFin bei der Festsetzung
der Eigenmittel erscheine „bedenklich weit“. Für
den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft
verstößt die Neuregelung sogar gegen die
Eigentumsgarantie aus Artikel 14 des Grundgesetzes.
Fast alle Experten kritisierten das Vorhaben, von Bank-Aufsichtsräten fachliche Qualifikationen zu verlangen. Dies habe zur Folge, dass bei den regionalen Sparkassen und Volksbanken das Gros der Wirtschaftsvertreter und Handwerker nicht mehr Mitglied der Verwaltungs- und Aufsichtsräte sein könne, kritisierte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Die Sparkassen- und Volksbanken-Verbände wiesen in einer
gemeinsamen Stellungnahme darauf hin, dass bei großen und
überregionalen Instituten die Aufsichtsräte oft mit
ausgewiesenen Experten besetzt seien. Diese Besetzung habe die
Verluste auch nicht verhindert. Die kleineren Institute hätten
sich gerade in der Krise als stabil und widerstandsfähig
erwiesen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Kommunalversicherer wies darauf hin, dass in den Aufsichtsräten ihrer Versicherungen viele Oberbürgermeister, Landräte und Geschäftsführer kommunaler Unternehmen tätig seien, die mit ihrer spezifischen Kenntnis Schäden vermeiden helfen würden.
Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
vertrat die Auffassung, „dass rein nach fachlicher
Qualifikation besetzte Gremien keine effektive Kontrolle
ausüben“. Das sei eine Erfahrung aus der
Finanzkrise.
Die Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung sah in ihrer Stellungnahme die Gefahr, „dass bewährte Strukturen zerschlagen werden und die Anforderungen damit destabilisierend wirken“. Prof. Dr. Wolfgang Gerke (Bayerisches Finanzzentrum) erklärte, die Praxis der Kontrollorgane zeige, dass Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten keine systematisch schlechteren Kontrollfähigkeiten aufweisen würden als die anderen Mitglieder.
Die Deutsche Bundesbank riet von einem „nationalen
Alleingang“ bei der Gesetzgebung ab. Es sei besser, erst die
geplanten internationalen Maßnahmen zur Änderung der
Finanzaufsicht abzuwarten und diese dann in ein nationales Gesetz
einzufügen. Auch der Zentrale Kreditausschuss sprach sich
gegen „nationale Insellösungen“ aus.
Prof. Dr. Wolfgang Paul (Ruhr-Universität
Bochum) begrüßte Einzelmaßnahmen des
Gesetzentwurfs, stellte jedoch auch die Frage, warum gerade der
BaFin eine größere Kontrollmacht zugesprochen werde und
nicht der Deutschen Bundesbank.