Sachverstände gaben im Wirtschaftsausschuss ihre Wertungen ab
Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen ist unter Experten umstritten. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am Mittwoch, 27. Mai 2009, deutlich. Der Entwurf sieht vor, dass Internetanbieter zur Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verpflichtet werden. Derartige Seiten soll künftig das Bundeskriminalamt (BKA) in einer Sperrliste aufführen.
Wenn Internetnutzer versuchen sollten,
diese Seiten aufzurufen, sollen sie zu einer Stoppmeldung
umgeleitet werden. Der Anbieter wiederum soll verpflichtet werden,
dem BKA eine Aufstellung über die Zahl der Zugriffsversuche zu
übermitteln. In dem Entwurf (
16/12850) ist ebenfalls geregelt, dass
lediglich Seiten mit kinderpornografischen Inhalten gesperrt werden
dürfen. „Eine Ausweitung auf andere Zwecke ist nicht
beabsichtigt“, heißt es in der Begründung.
Hauptstreitpunkt unter den Sachverständigen war die Frage, ob der Kampf gegen die Kinderpornografie die Grundrechte der Bürger beschneidet. Im Zuge der Blockierung von Internetseiten könnten zum Beispiel personenbezogene Daten gespeichert werden, befürchtete Prof. Dr. Ulrich Sieber vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht.
„Wenn im Gesetzentwurf nicht klar wird, was mit den
gesammelten Daten geschehen soll, dann ist das
verfassungswidrig.“ Auch der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz, Peter Schaar, wandte sich gegen die
Erhebung, Speicherung oder Verarbeitung personenbezogener Daten.
Schließlich gelangten viele Personen unabsichtlich auf
kinderpornographische Seiten, durch Methoden wie Spam oder
Phishing. „Es besteht so die Gefahr, dass unbescholtene
Nutzer einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt werden“,
sagte Oliver Süme vom Verband der Deutschen Internetwirtschaft
(ECO).
Vielmehr geht es nach Ansicht aller Experten darum, den Hintermännern der Kinderpornografie das Handwerk zu legen und den gesellschaftlichen Druck auf die Täter zu erhöhen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei noch kein Weg dorthin, meinte Medienrechtler Dr. Dieter Frey: „Der Gesetzentwurf lässt eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet vermissen. Es muss gegen die Anbieter der Inhalte und gegebenenfalls gegen die Betreiber der Internetserver vorgegangen werden, bevor Zugangserschwerungen für die Nutzer erwogen werden.“
Abgesehen davon hält Bundesrichter Dr.
Peter-Jürgen Graf ein Gesetz zur Sperrung von
kinderpornografischen Internetseiten verfassungsrechtlich für
gesetzmäßig. Die Inhalte müssten zudem von den
Anbietern entfernt werden, weil sie sich sonst wegen Beihilfe zu
einer Straftat selbst strafbar machen.
Verfassungsrechtler Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Universität Mannheim sprach dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das geplante Gesetz ab, ebenso wie die Verwaltungskompetenz, das BKA mit der Führung der so genannten „Sperrliste“ zu betrauen. Außerdem forderte Bäcker mehr Informationen für die Betroffenen und warnte vor unverhältnismäßigen Eingriffen bei Internet-Anbietern.
Die Internet-Branchenverbände sprechen sich gegen eine
Sperrung europäischer Internetseiten aus. Das schade der
Internetwirtschaft, zumal die pornographischen Inhalte für
versierte Nutzer trotzdem abrufbar seien. Sollten
Internetseiten dennoch gesperrt werden, sollten deren Anbieter
entschädigt werden.
Jürgen Maurer, der Direktor des BKA sprach sich für den Gesetzentwurf aus. Er begrüßte, dass künftig keine unabhängige Behörde, sondern das BKA die Liste gesperrter kinderpornografischer Internetseiten verwalten soll. „Wir können einschätzen, was Kinderpornografie ist, und was nicht.
Nach zusätzlicher Arbeit drängen wir uns nicht, aber wir
sind nun mal die beste Stelle, um alle Informationen zu
bündeln“, sagte Maurer.
Liste der geladenen Sachverständigen