Karl A. Lamers zur NATO-Parlamentarierversammlung in Oslo
Bis Dienstag, 26. Mai 2009, dauert die Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung der NATO (NATO-PV) in Oslo. Bundestag und Bundesrat entsandten gemeinsam 18 Delegierte in das Gremium, das seit 1955 die Arbeit der Allianz auf parlamentarischer Ebene begleitet. Ein Gespräch mit Dr. Karl A. Lamers (CDU), dem Leiter der deutschen Delegation in der NATO-PV und Vorsitzenden des Politischen Ausschusses, über die Rolle des Parlaments bei der strategischen Neuausrichtung der NATO, das schwierige Verhältnis zu Russland und die inspirierende Wirkung von US-Präsident Barack Obama.
Beim 60-jährigen Jubiläum der NATO im April in Straßburg war viel die Rede von einer neuen strategischen Ausrichtung der Allianz. Welche Rolle wird die NATO-PV dabei spielen?
Dieses Thema beschäftigt uns schon seit zwei Jahren. Auf der Frühjahrstagung in Madeira 2007 haben wir eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die unsere Gedanken zu einem neuen Strategischen Konzept der NATO zusammenfasst. Unseren Beitrag werden wir an das Bündnis weiterleiten in der Hoffnung, dass er einfließt in die strategische Neuausrichtung der NATO.
Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte einer solchen
Neuausrichtung?
Generell geht es darum, sich Gedanken darüber zu machen, wie sich die NATO in den kommenden Jahren positioniert. Wie können wir aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen wie globalem Terrorismus, Cyberwar und Energiesicherheit im Rahmen der Allianz wirkungsvoll begegnen? Wie wollen wir das Verhältnis zwischen EU und NATO künftig gestalten?Ein weiteres wichtiges Thema ist natürlich das künftige Verhältnis der NATO zu Russland.
Dieses Verhältnis ist ja seit geraumer Zeit sehr angespannt.
Bei der letzten Herbsttagung der NATO-PV in Valencia wurde ihr
Ständiger Parlamentarischer NATO-Russland-Ausschuss sogar
ausgesetzt.
Ja, das geschah aus gutem Grund. Der Einmarsch russischer Truppen in Georgien im August 2008 und die darauffolgende völkerrechtswidrige Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch die Russische Föderation war für unsere Arbeit in der NATO-PV natürlich eine Belastung, da sowohl Georgien als auch die Russische Föderation der Versammlung als Assoziierte Mitglieder angehören. Gegenüber Russland wollten wir deutlich machen, dass hier eine rote Linie überschritten wurde, und haben deshalb den Ausschuss eine Zeitlang ausgesetzt.
In Oslo tagt er wieder. Woher der Sinneswandel?
Das ist kein Sinneswandel. Es war und ist allen klar, dass der Dialog mit Russland fortgesetzt werden muss. Russland ist ein wichtiges Land für die NATO, um Frieden und Sicherheit in der Welt zu gewährleisten – ich denke an Afghanistan, Pakistan, Iran und den gesamten Nahen Osten. Es gibt viele Gebiete in der Welt, in denen wir mit Russland zusammenarbeiten müssen. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, Russland in bestimmten Situationen Grenzen aufzuzeigen, die es nicht überschreiten darf. Genau das haben wir mit der kurzzeitigen Aussetzung unseres NATO-Russland-Ausschusses getan.
Was erwarten Sie sich von der Wiederaufnahme dieses
Gremiums?
Grundsätzlich ist es sehr wichtig, dass wir den Gesprächskanal offenhalten. Wir sind ein Parlament, wir sind Abgeordnete, und da ist es von großer Bedeutung, dass wir ein Gremium wie den NATO-Russland-Ausschuss haben, in dem wir miteinander sprechen können. Da müssen wir ja nicht nur Nettigkeiten austauschen, sondern können auch unangenehme Themen zur Sprache bringen und auch deutlich machen, wie unsere Position dazu ist. Insofern begrüße ich es, dass wir jetzt wieder miteinander und nicht nur übereinander reden.
Die anstehende Tagung der NATO-PV in Oslo ist die erste seit dem
Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama. Inwiefern wird die
neue sicherheitspolitische Ausrichtung der USA unter Obama
Auswirkungen auf ihre Arbeit haben?
Obama ist ein Mann, der für Offenheit, für Dialog, für Miteinander steht. Ich glaube, dass diese neue Ausrichtung der Politik die ganze Welt positiv beeinflussen wird. Die NATO-PV war eigentlich immer schon dialogorientiert, aber ich kann mir vorstellen, dass der neue Stil der amerikanischen Politik insgesamt auch auf uns einwirken und das Bewusstsein vieler prägen wird.
Könnten Sie das näher erläutern?
Nun, denken Sie etwa an Obamas berühmtes Statement: „Wir werden jedem die Hand reichen, der seine Faust öffnet.“ Das ist doch ein toller Satz. Weil er uns inspiriert, darüber nachzudenken, wie wir Brücken bauen können, wie wir versuchen können, verkrustete Strukturen aufzubrechen und auch mit Menschen in Kontakt zu kommen, die – wie etwa in Afghanistan die gemäßigten und moderaten Kräfte im Umfeld der Taliban – bislang nicht als Gesprächspartner infrage kamen. Wenn sich herausstellt, dass der eingeschlagene Weg nicht erfolgreich ist, muss man bereit sein, neue Wege zu gehen. Das tut Amerika jetzt, und das tun auch wir.
Inwiefern?
Das mache ich am besten an einem Beispiel deutlich: Im März 2007 bin ich mit einer Delegation der NATO-PV in Pakistan gewesen. Das war die erste Reise einer Parlamentsdelegation der NATO überhaupt dorthin. Auf Initiative des Unterausschusses NATO-Partnerschaften, den ich damals geleitet habe, wurden daraufhin Abgeordnete aus Pakistan in die NATO-PV eingeladen. Und wir werden jetzt in Oslo Abgeordnete aus Pakistan und Afghanistan an einen Tisch bringen, um mit ihnen gemeinsam zu diskutieren. Die Offenheit und Dialogbereitschaft, die den neuen außenpolitischen Stil der USA prägen, pflegen wir also schon seit Längerem.