Eduard Lintner zur Frühjahrstagung der ESVP-Parlamentarier in Paris
Vom 2. bis 4. Juni 2009 kommt die Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung in Paris zu ihrer Frühjahrstagung zusammen. Der Bundestag entsendet 18 Delegierte in das Gremium, dem alle EU-Mitgliedstaaten angehören. Hauptaufgabe der Versammlung ist die parlamentarische Begleitung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), die 1999 ins Leben gerufen wurde. Im Interview äußert sich Eduard Lintner (CDU/CSU), stellvertretender Leiter der deutschen Delegation, über Erfolge und Defizite der ESVP, ihre Zukunft nach einem möglichen Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon und Perspektiven der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit den USA unter Barack Obama.
Herr Lintner, genau zehn Jahre ist es her, seit der Europäische Rat in Köln den Aufbau einer eigenständigen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschloss. Zeit für eine Zwischenbilanz: Was hat die ESVP seither erreicht?
Sehr viel. Sie hat Europa nicht nur durch institutionelle Neuerungen wie die Einrichtung des Amtes des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU geholfen, gemeinsame Positionen besser in der Welt zu vertreten. Durch gemeinsame militärische Operationen im Rahmen der ESVP, wie zuletzt ATALANTA,…
… die EU-Operation zur Bekämpfung der Piraterie vor der
Küste Somalias, die im Dezember 2008 begonnen
hat,…
… hat Europa auch gezeigt, dass es ein verlässlicher und ernstzunehmender Partner in der Welt ist. Diesen Weg müssen wir konsequent weiter beschreiten, um kleinere Defizite wie die noch verbesserungsfähige Beteiligung der nationalen Parlamente an der ESVP zu beheben.
Diese Beteiligung erfolgt nicht zuletzt über die
Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung
– angesichts der zunehmenden Zahl der EU-Missionen keine
unwesentliche Aufgabe. Dennoch ist die Versammlung der
Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Woran liegt
das?
Das Problem der mangelnden öffentlichen Wahrnehmung trifft nicht die Versammlung allein. Die gesamte ESVP ist der breiten Öffentlichkeit leider immer noch nicht hinreichend bekannt. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Berichterstattung der Medien noch immer zu sehr auf die nationale Politik konzentriert ist und wichtige Facetten europäischer Politik zu wenig darstellt. Hier muss ein Umdenken stattfinden.
Nach dem "Ja" Tschechiens ist ein Inkrafttreten des Vertrags von
Lissabon, der die gescheiterte europäische Verfassung ersetzen
soll, wahrscheinlicher geworden. Welche Auswirkungen hätte
dies auf die ESVP und damit auch auf die Europäische
Versammlung für Sicherheit und Verteidigung?
Der Vertrag von Lissabon sieht mehrere wichtige institutionelle Neuerungen vor: Die Einrichtung eines für zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten des Europäischen Rates, die Aufwertung des Hohen Vertreters der ESVP und die Schaffung eines diplomatischen Dienstes der EU. Dadurch wird die gemeinsame Außenpolitik professioneller und berechenbarer. Da so die Entscheidungsabläufe innerhalb des Rates und der Kommission transparenter werden, wird auch die Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle der ESVP für die Versammlung einfacher.
Auf der anstehenden Tagung in Paris geht es ja um sehr verschiedene
Aspekte der ESVP. Welches Thema ist Ihrer Meinung nach dabei von
besonderer Bedeutung?
Am wichtigsten wird sicherlich die Debatte über die europäische Strategie für das internationale Engagement in Afghanistan sein. Hier bringt gerade auch die Politik der neuen US-Administration die Europäer in Zugzwang.
Inwiefern?
Nun, aus der Ankündigung von Präsident Obama, eine stark auf Multilateralität ausgerichtete Außenpolitik zu verfolgen, ergeben sich für Europa sowohl Chancen als auch Risiken. Für Europa steigt die Chance, bei wichtigen weltpolitischen Fragen mitentscheiden zu dürfen. Europa wird dann aber auch in die Verantwortung genommen werden, seine Mitspracherechte durch den Einsatz von Geldern oder Truppen zu vergelten. Es wird daher einer große Herausforderung für Europa sein, auf die neue amerikanische Außenpolitik angemessen zu reagieren.