Bundestag verabschiedet Schutzklausel für 20 Millionen Ruheständler
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag am Freitag, 19. Juni 2009, eine Rentengarantie für die rund 20 Millionen Ruheständler beschlossen. Damit sollen ab 2010 Rentenkürzungen ausgeschlossen werden. "Wir sagen, es geht nicht abwärts", betonte Sozialminister Olaf Scholz (SPD) in der rund einstündigen Debatte. "Das sind wir den Rentnerinnen und Rentnern schuldig." Finanziert werden soll die Schutzklausel dadurch, dass künftige Rentenerhöhungen halbiert werden.
Für Arbeitgeber soll künftig das Kurzarbeitergeld
attraktiver werden. Dauert die Kurzarbeit länger als sechs
Monate, erhalten sie von Anfang 2010 an die Beiträge zu den
Sozialversicherungen voll erstattet. Mit der Neuregelung will die
Regierung den Unternehmen einen Anreiz geben, auch bei einem
Andauern der Wirtschaftskrise Mitarbeiter nicht zu entlassen.
Zuvor hatte die Bundesregierung bereits die Dauer des Kurzarbeitergeldes von 18 auf maximal 24 Monate angehoben. Außerdem wurde der Zugang zur Arbeitslosenversicherung erleichtert. Davon sollen vor allem Kulturschaffende mit unregelmäßigen Beschäftigungsverhältnissen profitieren.
Sozialminister Scholz verteidigte die Änderungen des Vierten
Sozialgesetzbuches(
16/12596,
16/13424,
16/13442). Rund eine Million Menschen seien
derzeit in Kurzarbeit, sagte er. Schon mit der verlängerten
Zahlung des Kurzarbeitergeldes habe die Bundesregierung zum Erhalt
von tausenden Arbeitsplätzen beigetragen. Auch die Regelung,
ab dem siebten Monat den vollen Beitrag der Sozialversicherung zu
übernehmen, sichere Jobs. "Davon profitiert vor allem der
Mittelstand", sagte Scholz. Für Künstler werde mit der
Neuregelung mehr soziale Sicherheit geschaffen. Die Anwartschaft
für die Arbeitslosenversicherung wurde auf sechs Monate
gekürzt.
Gleichzeitig unterstrich Scholz das Ziel von Bundesregierung und Wirtschaft, in diesem Jahr 600.000 Ausbildungsplätze bereit zu stellen. Die Zeit der zurückgehenden Schülerzahlen müsse für die Schaffung neuer Lehrstellen genutzt werden, sagte der Minister.
Auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dr.
Ralf Brauksiepe, verteidige die Neuregelungen beim
Kurzarbeitergeld. "Wir wissen, dass Kurzarbeit ein Instrument ist,
was wir in dieser Situation der Krise brauchen", sagt er. Die
Änderungen seien notwendig, damit die Krise nicht auf den
Arbeitsmarkt durchschlage.
Die Opposition steht den Änderungen in der Sozialgesetzgebung dagegen kritisch gegenüber.
Auch die FDP halte Kurzarbeit für eine gute Maßnahme,
sagte deren arbeitsmarktpolitischer Sprecher, Dr. Heinrich Kolb.
Die Erstattungsregel für die Sozialversicherungsbeiträge
gehe allerdings zu weit. "Das ist die Lizenz für die
großen Unternehmen zum Ausplündern der Sozialsysteme",
sagte er. Mittlere und kleinere Firmen würden davon nicht
profitieren. Kolb sagte weiter, mit der Verkündung einer
Rentengarantie würden der Grundgedanke dynamischer Renten,
Generationengerechtigkeit und Lohnbezogenheit aufgegeben. Damit
werde die sozialpolitische Vernunft dem Wahlkampf geopfert, meine
Kolb.
Die rentenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, sprach von einem "Rentnerberuhigungsgesetz", das nur dem Wahlkampf geschuldet sei. Verschwiegen werde, dass die Ruheständler ihre Rentengarantie selbst bezahlen müssten, denn diese sei auf Pump finanziert, sagte sie. Das Prinzip der Lohnbezogenheit werde aufgegeben und Rentenreformen der vergangenen Jahre durch die Hintertür ad absurdum geführt.
Auch die Linksfraktion kritisierte, dass mit der Rentengarantie ein
Schuldenkonto angelegt werde. Das bedeute, auch in den kommenden
Jahren werde es keine Rentenerhöhungen geben, sagte der
Linkspolitiker Volker Schneider. Als "Unverschämtheit und
Dreistigkeit" beschrieb er die Erstattungsregelungen beim
Kurzarbeitergeld, denn diese würden lediglich großen
Konzern zugute kommen.
Mit den Änderungen des Vierten Sozialgesetzbuches sollen auch Bauunternehmer von bürokratischem Aufwand entlastet werden. Deshalb wurde eine Neuregelung der so genannten Generalunternehmerhaftung verabschiedet. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung können so vor allem mittelständische Firmen bis zu 80 Prozent ihres Verwaltungsaufwandes einsparen.
Außerdem sollen Jugendliche des 2008 ins Leben gerufenen
Freiwilligenprogramms "weltwärts" künftig einen
umfassenden gesetzlichen Unfallversicherungsschutz genießen.
Mit dem Programm soll das Interesse von Jugendlichen an
ehrenamtlicher Tätigkeit in Entwicklungsländern
gefördert werden.