Bundestag will Gesetzentwurf der Bundesregierung am Freitag beschließen
Über die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die unterirdische Kohlendioxidlagerung als Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels will der Bundestag am Freitag, 19. Juni 2009, nach 45-minütiger Debatte gegen 13.45 Uhr abstimmen. Der Debatte und dem Votum liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zugrunde, der nach monatelangem Ringen zwischen den Regierungspartnern zustande gekommen war. Über Details der Regelung gab es im Vorfeld der Plenumsdiskussion Differenzen zwischen den Fraktionen von Union und SPD, über die noch eine Einigung erzielt werden sollte.
Die neue Technologie firmiert unter dem Kürzel CCS, das
für "Carbon Capture
Storage" steht. Gemeint ist damit die Abtrennung von
Kohlendioxid in Kraftwerken sowie dessen Transport in Pipelines
oder auf Straßen und Schienen in unterirdische Deponien.
Derart wollen Regierung und EU Milliarden von Tonnen an
Treibhausgasen von der Atmosphäre fernhalten.
"Kohlekraftwerke haben nur eine Zukunft, wenn sie weniger schädlich für das Klima werden", hatte SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs ( 16/12782) im Bundestag erklärt. Nach unterschiedlichen Schätzungen, die bei mehreren Anhörungen von Bundestagsausschüssen publik wurden, können in Norddeutschland besonders in porösen Gesteinsformationen, aber auch in leeren Erdgasfeldern zwischen 16 und 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid deponiert werden.
CCS soll für eine Übergangszeit bis etwa 2050 als so
genannte "Brückentechnologie" einen Beitrag zum Klimaschutz
leisten, in dieser Zeit sollen die erneuerbaren Energien
spürbar ausgebaut werden. CCS-Befürworter hoffen, dass
Deutschland bei dieser Technologie zu einem Weltmarktführer
werden könnte – vor allem im Blick auf
Großemittenten wie Russland, China oder Indien, die bei der
Energieversorgung in hohem Maße auf Kohle setzen.
Noch aber steckt diese Technik in den Kinderschuhen. Das im Bundestag zur Abstimmung stehende Gesetz soll deshalb vor allem einen Rechtsrahmen für die Erforschung von CCS schaffen: Erst einmal muss getestet werden, ob CCS in großtechnischem Maßstab funktioniert, wie groß die Speicherkapazitäten sind, ob die Lagerung von Kohlendioxid sicher handzuhaben ist und ob diese Technik auch wirtschaftlich gemanagt werden kann.
Mit dem kommerziellen Einstieg in großen Stil dürfte bei
CCS erst nach 2020 zu rechnen sein. Bislang existieren noch wenige
konkrete Aktivitäten. In Ketzin bei Potsdam untersucht das
Deutsche Geoforschungszentrum, wie sich verflüssigtes
Kohlendioxid in 800 Meter Tiefe verhält. In der Lausitz
betreibt Vattenfall beim Kraftwerk Schwarze Pumpe eine Pilotanlage
zur Abtrennung von Kohlendioxid bei der Braunkohleverbrennung.
Bis 2015 will die Energiewirtschaft in Jänschwalde bei Cottbus und im nordrhein-westfälischen Hürth zwei größere Demonstrationskraftwerke errichten. EU-weit sollen zwölf dieser Forschungsprojekte entstehen, die auch mit Brüsseler Geld gefördert werden.
Ohne gesetzliche Grundlage ist aber eine Intensivierung der
Forschungsaktivitäten nicht möglich. Zu den zwischen
CDU/CSU und SPD im Vorfeld der Plenumsdebatte kontrovers
diskutierten Fragen gehörte etwa, wie weitgehend die
Klagerechte von Bürgern gegen CCS-Projekte im Rahmen von
Planfeststellungsverfahren sein sollen.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme ( 16/13324) 70 Bemerkungen und Änderungswünsche zu dem Gesetzentwurf vorgebracht. Die Länderkammer betont, dass sich die CCS-Technologie nach der Förderung ohne weitere staatliche Unterstützung am Markt im Wettbewerb der "Vermeidungstechnologien" durchsetzen muss. Wichtigste Quelle für eine künftige Wirtschaftlichkeit von CCS sei der verringerte Dedarf an Kohlendioxidzertifikaten im Rahmen des EU-weiten Emissionshandels. In ihrer Gegenäußerung stimmt die Bundesregierung gerade dieser letzten Einschätzung zu.
Am 15. Juni verständigten sich die Koalitionsfraktionen in der Frage der Haftung bei Entweichen des Treibhausgases darauf, dass die Unternehmen nach dem Füllen eines Speichers noch 30 Jahre für dessen Sicherheit verantwortlich sein sollen. Anschließend solle die Verantwortung auf die Länder übergehen, wenn die Unternehmen die Anlage dauerhaft betriebssicher machen. Dafür müssten die Unternehmen eine so genannte Deckungsvorsorge zahlen, deren Höhe noch nicht beziffert ist.
Politischen Rückhalt findet CCS bei der FDP. Linksfraktion und
Bündnis 90/Die Grünen nehmen gegenüber dem Konzept
der Regierung eine kritische Position ein.