In einer Aktuellen Stunde hat sich der Bundestag am Donnerstag, 18. Juni 2009, mit den bundesweiten Protesten von Schülern und Studenten gegen das ihrer Meinung nach sozial ungerechte und unterfinanzierte Bildungssystem befasst. Fraktionsübergreifend einig waren sich die Abgeordneten darin, dass Forderungen nach mehr Investitionen in Bildung gerechtfertigt seien. "Gute Bildung kostet viel, schlechte noch viel mehr", sagte die stellvertretende Vorsitzende des Bildungsausschusses, Cornelia Pieper (FDP). Die Fraktion "Die Linke" hatte die Aktuelle Stunde im Bundestag zu den Bildungsstreiks beantragt.
Am Mittwoch hatten deutschlandweit mehr
als 230.000 junge Menschen an Schulen und Universitäten
demonstriert. Sie fordern unter anderem eine Abschaffung von
Studiengebühren, mehr Chancengleichheit und kleinere
Schulklassen.
"Wir brauchen eine umfassende Bildungsreform", verlangte die
Bildungsexpertin der Linksfraktion, Cornelia Hirsch. Deshalb
dürften die Proteste der Jugendlichen nicht "einfach
verpuffen". Sie bekräftigte die Forderung nach einem
nationalen Bildungspakt, der mindestens sieben Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen müsse. Ihr
Fraktionskollege Volker Schneider warf der Regierungskoalition vor,
nur Sonntagsreden zu halten. Es sei höchste Zeit für
sichtbare Reform, sagte er.
Auch die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), zollte den Organisatoren der Bildungsstreiks Respekt und versprach die Solidarität der SPD. Gleichzeitig sagte sie, dass viele Investitionen in Bildung nur auf Drängen der SPD umgesetzt worden seien.
Sie verwies dabei auf das Vier-Milliarden-Euro-Programm für
Ganztagsschulen und auf die Mobilisierung von weiteren vier
Milliarden Euro zur Förderung frühkindlicher Erziehung.
Dennoch betonte Burchardt: "Wir brauchen einen neuen
Bildungskonsens in unserem Land." Dort sollten die Schüler und
Studenten Experten in eigener Sache sein.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Christel Humme,
sagte: "Unser Bildungssystem ist nach wie vor unterfinanziert. Es
grenzt aus und ist nicht durchlässig." Die Antwort der SPD
darauf heiße mehr Bildungsinvestitionen, eine gerechte
Finanzierung und keine Privatisierung.
Die Unionsfraktion unterstrich, dass sie das Anliegen der Proteste sehr ernst nehme. Natürlich müsse beispielsweise beim Bologna-Prozess nachjustiert werden, sagte der CSU-Bildungspolitiker Stefan Müller. Deshalb dürfe aber nicht das ganze System in Frage gestellt werden. Studiengebühren allein würden nicht über Chancengleichheit entscheiden, gab er zu bedenken.
Die CDU-Bildungsexpertin Prof. Monika Grütters sieht vor allem
Probleme in der fehlenden Kontinuität, Verlässlichkeit
und Beständigkeit von Bildungsreform. Beispielsweise
würden schon jetzt die Bachelor-Abschlüsse kritisiert.
Dabei seien noch nicht einmal alle Studiengänge in dieses
System umgewandelt. Sie zeigte Verständnis für die
Proteste der Schüler und Studenten, lehnte aber deren
Streikaktionen ab.
Die FDP-Politikerin Pieper nannte die friedlichen Demonstrationen
beeindruckend. "Natürlich haben wir in Deutschland einen
Bildungsmangel", sagte sie. Deshalb sei diese Debatte für das
Land unverzichtbar. Allerdings eigne sich das Thema nicht für
ideologische Grabenkämpfe, mahnte Pieper. Der Bundeshaushalt
sehe lediglich Ausgaben in Höhe von drei Prozent für
Bildung und Forschung vor. "Das ist eine falsche
Prioritätensetzung", betonte Pieper.
Als ungerecht, demotivierend und chronisch unterfinanziert beschrieb der hochschulpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Kai Gehring, das Bildungssystem. Die jungen Menschen seien die Leidtragenden von schlechten und falsch gemachten Bildungsreformen. "Ein Paradigmenwechsel ist überfällig", betonte er.
Der Weg von SPD und CDU/CSU, das Bildungssystem rein
marktwirtschaftlichen Interessen zu unterwerfen, führe in die
Sackgasse. Gehring nannte die Proteste eine Chance, endlich eine
breite Bildungsdebatte führen zu können.