In einer Sondersitzung am Mittwoch, 26. August 2009, setzt sich der Bundestag in erster Lesung mit dem so genannten Begleitgesetz zum EU-Grundlagenvertrag von Lissabon auseinander. Das Bundesverfassungsgericht hatte das bestehende Gesetz am 30. Juni 2009 für verfassungswidrig erklärt, weil es Bundestag und Bundesrat keine hinreichenden Beteiligungsrechte bei Rechtsetzungen und Vertragsänderungen auf EU-Ebene einräumt. Zurzeit wird in den Fraktionen über die verfassungskonforme Neufassung des Begleitgesetzes beraten.
Geplant ist, dass das neue Begleitgesetz in einer weiteren Sondersitzung am Dienstag, 8. September, verabschiedet wird. Der Bundesrat könnte dann am 18. September zustimmen. Bevor der Vertrag von Lissabon in Kraft treten kann, muss aber noch das irische Volk in einem zweiten Referendum am 2. Oktober dem Vertrag zustimmen. Auch Tschechien und Polen haben den Vertrag noch nicht ratifiziert.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Norbert Röttgen, sagte im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. August, es gehe darum, ob die bisherige Vereinbarung über Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Parlament Teil des neuen Begleitgesetzes wird, und um die Frage der Verbindlichkeit von Stellungnahmen des Bundestages.
Das künftige Gesetz sollte nach innen die "uneingeschränkte Information und Rechtfertigung der Bundesregierung gegenüber Bundestag und Bundesrat und nach außen die volle Handlungsfähigkeit der Bundesregierung berücksichtigen. "Wir arbeiten an einer Verstärkung der Rechtfertigungspflichten der Bundesregierung. Es darf aber nicht zu Blockaden kommen", sagte Röttgen. Bundesregierung und Bundestag müssten sich einigen, wie sie europapolitische Entscheidungen innerstaatlich absprechen.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, rechnet mit einer Einigung bis zur nächsten Woche, weil alle Beteiligten die baldige Ratifikation des Lissabon-Vertrages wollten. "Die SPD will die zentralen Bestimmungen der bisherigen Vereinbarungen von Bundestag und Bundesregierung über die Zusammenarbeit in EU-Angelegenheiten in die Mitwirkungsgesetze übernehmen", so Oppermann. Dies betreffe etwa die Aufnahme von künftigen Beitrittsverhandlungen.
Die Integrationsverantwortung von Bundestag und Bundesrat werde künftig in einem "Integrationsverantwortungsgesetz" geregelt, das neue Zuständigkeiten der Parlamente bei der Ausweitung europäischer Gesetzgebungskompetenzen und bei der Veränderung von Abstimmungsregeln normiert. Aus SPD-Sicht muss gewährleistet sein, dass ohne Zustimmung des Bundestages keine Gesetzgebungszuständigkeiten auf die EU-Ebene übertragen werden können.
Der europapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Markus Löning, plädiert für eine schnelle Lösung. Damit der Lissabon-Vertrag Anfang Oktober abgeschlossen werden könne, müsse das Gesetz in Deutschland noch vor der Bundestagswahl in Kraft treten. Weitgehende Forderungen der CSU seien nicht glaubwürdig, so Löning.
Dagegen erteilte Dr. Diether Dehm, europapolitischer Sprecher der Linksfraktion, "Schnellverfahren" eine Absage. Die Linke wolle, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts uneingeschränkt durchgesetzt werden: "Dafür ist eine sorgfältige Behandlung notwendig", so Dehm.
Auch aus Sicht der Parlamentarischen Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Thea Dückert, und des europapolitischen Sprechers Rainder Steenblock muss das Urteil vollständig umgesetzt werden, damit es nicht als Vorwand genutzt werden könne, um die Ratifikation des Vertrags zu verzögern. Die Zustimmung des Parlaments müsse immer dann erforderlich sein, wenn die vertragliche Grundlage ohne Ratifizierung geändert werden kann. Nachbesserungen seien dort notwendig, wo es bei Bundestag und Bundesregierung bislang unterschiedliche Interpretationen gegeben habe.