Eigentlich wollte sie schon 2003 aufhören - die Partei war vorgewarnt. Doch dann kandidierte Renate Schmidt (SPD) im Jahr 2005 wieder für den Deutschen Bundestag. Insgeheim wusste sie, dass sie den Ausstieg damals noch nicht geschafft hätte: "Von 180 auf Null, das wäre schwierig geworden", gibt die ehemalige Familienministerien im Kabinett von Gerhard Schröder zu. Jetzt nimmt sie fröhlich den Hut. "Tschüss, adieu, das war's", sagt sie. "Mein Ehrgeiz, Alterspräsidentin des Deutschen Bundestages zu werden, ist praktisch nicht vorhanden."
Seit 1980 sitzt sie im Deutschen Bundestag. Die inzwischen 65-jährige gelernte Systemanalytikerin sieht es als einen ihrer ersten großen Erfolge, dass sie nach nur vier Monaten Einsatz die Zahlung von Kindergeld über das 16. Lebensjahr hinaus durchgesetzt hatte. "Ich habe an der richtigen Stelle laut und deutlich etwas gesagt und damit etwas verändert." Sich anzustrengen, sich zu engagieren, sich in Themen einzuarbeiten habe ihr den nötigen Schwung gegeben, politisch etwas zu bewirken, resümiert Renate Schmidt.
Zu Beginn ihrer Karriere im Bundestag, als sie im Bildungsausschuss als Berichterstatterin für das Thema "BAföG" zuständig war, habe sie sich in dieses fremde Gebiet, das niemand wollte, eingearbeitet. Und das, sagt sie "ohne jemals eine Uni von innen gesehen zu haben. Ich habe dann mit einem pensionierten Berufsschuldirektor eine BAföG-Beratungsstelle eingerichtet und über eine Million Mark für Studierende erstritten, einfach, weil wir uns auskannten", sagt die Politikerin aus Nürnberg, die von 1990 bis 1994 auch Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages war.
Wenn sie heute auf ihre Arbeit im Deutschen Bundestag zurückblickt, ist für Renate Schmidt klar: In der Opposition lässt sich weniger bewegen. "Wer sagt, Opposition ist Mist, der hat hundertprozentig Recht. Man kann nur Duftmarken setzen." Ihre besondere Rolle als unangepasste Frau mit einem nicht sehr geradlinigen Lebenslauf kam ihr zugute. Sie wusste die Medien mit provokanten Maßnahmen für ihre Zwecke zu nutzen. Schnell gehörte sie zu den bekanntesten Politikerinnen Deutschlands und ist seit nunmehr 29 Jahren auf der politischen Bühne aktiv. "Wir sind abhängig von den Medien. Wir wollen das, was wir zu erreichen versuchen, auch über die Medien transportieren", gibt sie unumwunden zu.
So eng Öffentlichkeit und politisches Agieren zusammengehören, so gern würde sie heute darauf verzichten, so bekannt zu sein. Talkshow-Anfragen hat sie seit Monaten konsequent abgelehnt. Und wenn sie jemand auf der Straße fragt: "Kennen wir uns nicht aus Kassel?", dann antwortet sie: "Nein, in Kassel kenne ich garantiert niemanden" und freut sich über den Erfolg, nicht mehr erkannt zu werden.
Für die kommende Zeit übt Rente Schmidt schon mal den etwas anderen Umgang mit ihrem Terminkalender. "Ich frage mich jeden Morgen: Was würdest Du machen, wenn Du jetzt nicht Deine Termine ab 9 Uhr im Bundestag hättest? Wohin würdest Du gehen, wenn Du abends nicht auf eine politische Veranstaltung müsstest? Und: Mir ist bisher noch an jedem Tag etwas eingefallen!"
Renate Schmidt wird weiterhin als Ombudsfrau für Datenschutz bei einem Telefondienstleister arbeiten. Sie bleibt ehrenamtlich tätig für den Ethikbeirat sowie in einer Initiative gegen Glücksspielsucht. Auch im Vorstand "Gegen Vergessen, für Demokratie" engagiert sich weiter und natürlich in der Familienpolitik. "Ich rechne mit 80 bis 100 Arbeitstagen pro Jahr. Es bleibt jetzt mehr Zeit für Reisen mit meinem Mann und mehr Zeit für meine Enkelkinder."