"Endlich mehr Zeit für die Familie und nur einen einzigen Wohnsitz statt drei", darauf freut sich Kurt Bodewig, wenn er den Deutschen Bundestag als SPD-Abgeordneter nach elf Jahren parlamentarischer Tätigkeit im Herbst 2009 verlässt.
Der gelernte Kaufmann blickt auf eine steile politische Karriere zurück. Als SPD-Kreisvorsitzender in Neuss erringt Bodewig bei der Bundestagswahl 1998 ein Mandat für den Deutschen Bundestag. Zwei Jahre später, im März 2000, wird er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Und nach dem Rücktritt des Ministers Reinhard Klimmt nur sechs Monate später wird Kurt Bodewig von Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen bestimmt. "Die Zeit in der Regierungsverantwortung war für mich sehr erfüllend", sagt er. "Zumal in einem Ministerium, das oft unterschätzt wird."
Etwas bewegen zu können, ist für ihn der größte Antrieb: Der Verkehrsbericht 2000 als Grundlage für den Bundesverkehrswegeplan, das Investitionsbeschleunigungsprogramm mit den als A-Modelle bezeichneten Public-Private-Partnership-Programmen (PPP), der Beginn des Galileo-Satellitenprogramms oder der Nationale Radverkehrswegeplan fielen in seine Amtszeit. Besonders stolz ist Bodewig auf die Einführung der Lkw-Maut, die während seiner Amtsführung Gesetzeskraft erhielt und die der Parlamentarier als nachhaltiges Erfolgsmodell für die Verkehrsinfrastrukturentwicklung bewertet.
Politische Arbeit bedeute aber auch, mit Niederlagen umgehen zu können, sagt der scheidende Abgeordnete. Sein wohl ehrgeizigstes, aber auch umstrittenstes Projekt war die von ihm favorisierte Eigenständigkeit des Netzes der Deutschen Bahn, um mehr Wettbewerb und vor allem auch mehr Transport auf dem Schienennetz zu ermöglichen.
Das Ziel, die Infrastruktur in Staatshand zu belassen und nicht, wie vom damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn angestrebt, der Privatisierung zu unterwerfen, scheiterte damals am Widerstand von Mehdorn und Transnet-Chef Hansen, der später Bahnvorstand wurde. Er habe sich damals selbstverständlich der in der Verfassung vorgesehenen "Richtlinienkompetenz" des Bundeskanzlers gebeugt, sagt Bodewig. "Es war ein Rückschlag", gesteht er heute, aber wohl keiner, der den als offen, kollegial und fröhlich geltenden Rheinländer von seinem Weg hätte abbringen können.
Bodewig freut sich sehr auf die Zeit mit seiner Familie. Eine kurze Pause will er sich nach dem Ende der 16. Legislaturperiode gönnen, bevor er dann ab kommendem Jahr als Vorstand eines europäischen Instituts mit Geschäftstellen in verschiedenen Ländern Europas an der gemeinsamen Zukunft des Kontinents arbeiten will. Dieser "Think Tank" befasst sich mit Aufgaben wie der Organisation europaweiter Wirtschaftskonferenzen bis hin zu Modellen für zwischenstaatliche Konfliktlösungen.
Aber auch für die bisherigen Ehrenämter will der Sozialdemokrat sich weiterhin Zeit nehmen, von seiner Aufgabe als Chairman des internationalen "Baltic Sea Forums" über die Mitarbeit in Kuratorien und Stiftungen, bis zu seiner Funktion als Präsident der Deutschen Verkehrswacht. "Dieses Amt ist mir eine besondere Verpflichtung, da ich als Minister das erste gesamtdeutsche Verkehrssicherheitsprogramm auf den Weg gebracht habe."
"Oft sprechen mich Menschen auf der Straße an, ich rede dann gerne mit ihnen." Denn auf seine aktive Zeit als Bundespolitiker blicke er gerne zurück, sagt Bodewig, aber "die Strukturen, in denen Politik in Deutschland funktioniert, sind zutiefst familienfeindlich". Die verloren gegangene Zeit mit seinen Söhnen sei nicht aufzuholen, aber die neuen zeitlichen Spielräume will er für seine Familie nutzen.