Vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat Ex-Verteidigungsminister Dr. Franz-Josef Jung am Donnerstag, 25. März 2010, seine Informationspolitik in den Wochen nach dem Bombardement zweier von Taliban entführter Tanklaster gerechtfertigt, bei dem in der afghanischen Kundus-Region in der Nacht zum 4. September 2009 bis zu 142 Opfer samt zahlreichen Zivilisten zu beklagen waren.
In einer einleitenden Stellungnahme zum Auftakt seiner Vernehmung erklärte der CDU-Abgeordnete, er habe Bundestag und Öffentlichkeit nach seinem jeweiligen Kenntnisstand stets "korrekt und wahrheitsgemäß“ unterrichtet, und wies "ehrabschneidende“ Unterstellungen zurück. Jung war Ende November vom Amt des Arbeitsministers, das er seit der Regierungsneubildung Ende Oktober innehatte, mit der Begründung zurückgetreten, er wolle die "politische Verantwortung“ für Informationspannen in seinem ehemaligen Ressort im Zusammenhang mit der Kundus- Affäre übernehmen.
Der Ausschuss soll Umstände und Hintergründe des Luftschlags erhellen, bei dem auf Befehl des deutschen Oberst Georg Klein zwei US-Piloten Bomben auf die in einer Sandbank feststeckenden Fahrzeuge abwarfen und der wegen der vielen Zivilisten unter Toten und Verletzten zu den gravierendsten Vorfällen in der Geschichte der Bundeswehr zählt.
Jung erläuterte den Abgeordneten, ihm habe am Morgen des 4. September die Meldung vorgelegen, dass sich unter 56 Toten und Verletzten keine Zivilisten befänden. Dies habe ihm auch noch einmal am folgenden Tag Oberst Klein, den der Zeuge als "sehr besonnenen und hervorragend ausgebildeten Soldaten“ bezeichnete, in einem Telefonat bestätigt.
Gleichwohl habe er angesichts unklarer Opferzahlen gegenüber den Obleuten des Verteidigungsausschusses und den Medien schon in der ersten Phase nach dem Angriff eine zurückhaltende Informationspolitik betrieben. Vom 6. September an sei dann aufgrund einer Meldung in der "Washington Post“ und nach einem Telefonat mit ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal klar gewesen, dass zivile Opfer nicht mehr auszuschließen seien.
Dies habe sich auch in seinen Unterrichtungen des Bundestags, des Kanzleramts und der Öffentlichkeit niedergeschlagen, sagte Jung. Auf eine entsprechende Frage der Ausschussvorsitzenden Dr. Susanne Kastner (SPD) betonte er, die Informationspolitik seiner Mitarbeiter gegenüber ihm als Minister sei nicht zu kritisieren.
Wie Jung weiter berichtete, wurde er Anfang Oktober vom damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, über die Existenz eines Feldjäger-Berichts unterrichtet, der "nicht vorteilhaft“ für die deutschen Soldaten gewesen sei. Man habe diese Expertise "nicht unter den Tisch fallen lassen wollen“ und der NATO zur Verfügung gestellt, die seit dem 8. September mit der Erarbeitung eines Berichts über das Bombardement befasst war. Die NATO habe die Studie der Feldjäger dann als bedeutungslos eingestuft.
Der Ex-Minister führte aus, er habe seinen Nachfolger im Amt, Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), bei der Amtsübergabe Ende Oktober über die in Kürze zu erwartende Vorlage des NATO-Berichts zum Luftschlag wie auch über Pressemeldungen und Berichte in Kenntnis gesetzt, wonach es bei diesem Angriff möglicherweise zivile Opfer gab.
Guttenberg beurteilte das Bombardement Anfang November als "militärisch angemessen“ und revidierte diese Einschätzung Anfang Dezember mit der Begründung, ihm seien unter der Verantwortung Schneiderhans und des seinerzeitigen Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium, Dr. Peter Wichert, Unterlagen wie etwa die Feldjäger-Expertise vorenthalten worden. Guttenberg soll am 22. April vor dem Ausschuss auftreten.
Jung betonte zum Auftakt seiner Befragung, ihm sei es als Verteidigungsminister immer auch darum gegangen, sich vor die Soldaten in Afghanistan zu stellen und sie gegen ungerechtfertigte Kritik in Schutz zu nehmen. In einem Brief an die Staatsanwaltschaft Dresden vom Oktober habe er dargelegt, dass sich seiner Auffassung nach Oberst Klein bei dem Luftschlag im Rahmen der ISAF-Einsatzregeln bewegt habe.