Berlin: (hib/KOS) Der gegen den Widerstand von FDP, Linkspartei und Grünen von der Koalitionsmehrheit im Untersuchungsausschuss gefasste Beschluss, im Rahmen der Zeugenvernehmung zur Aufklärung der Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri durch die CIA zwei BND-Mitarbeiter in Mazedonien hinter verschlossenen Türen zu befragen, hat zum offenen Konflikt in dieser Kommission geführt. Die Abgeordneten Wolfgang Nescovic (Linkspartei) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) kündigten nach dieser Entscheidung am Donnerstag die Prüfung rechtlicher Schritte gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit an und wollen bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen. Ströbele sagte: "Wir sehen uns in Karlsruhe wieder". Nescovic gab sich überzeugt, am Ende dieses Untersuchungsausschusses werde auch grundsätzlich Rechtsklarheit herrschen, inwieweit bei der Arbeit solcher Gremien die Öffentlichkeit außen vor gelassen werden dürfe. Der FDP-Vertreter Max Stadler äußerte die Hoffnung, im Gespräch zwischen den Obleuten der Fraktionen vielleicht noch eine Lösung für dieses Problem zu finden. Notfalls müsse aber eine juristische Klärung herbeigeführt werden.
Im Falle der beiden Zeugen geht es um die Frage, ob der BND von der Festnahme El-Masris zum Jahreswechsel 2003/2004 Kenntnis hatte. Der BND-Techniker Harald Cordes, so sein offizieller Name, hatte jüngst überraschend mitgeteilt, zu Jahresbeginn von der Verhaftung des Deutsch-Libanesen in einer mazedonischen Kantine erfahren, diese Information innerhalb des BND jedoch nicht weitergeleitet zu haben.
Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) erklärte, nach den gesetzlichen Bestimmungen könne die Vernehmung von Cordes und des BND-Residenten in Skopje nicht öffentlich stattfinden. Die Aussagegenehmigung des Arbeitgebers sei entsprechend beschränkt. Bei einer öffentlichen Befragung seien die Interessen der Bundesrepublik wie auch die beiden Zeugen persönlich gefährdet. CDU-Obmann Hermann Gröhe und sein SPD-Kollege Thomas Oppermann sagten, man dürfe operativ eingesetzte BND-Mitarbeiter nicht enttarnen. Oppermann meinte, eine rechtliche Klärung dieses Problems wäre "sicher hochinteressant". Man wolle überlegen, ob vielleicht durch eine Publizierung der Ausschussprotokolle über diese Vernehmungen nachträglich Öffentlichkeit hergestellt werden könne.
Die Oppositions-Abgeordneten kritisierten das Vorgehen der Koalitionsmehrheit übereinstimmend als nicht akzeptabel. Es sei nicht geprüft worden, ob man über gewisse Vorkehrungen zum Schutz der Identität der Betroffenen und ohne Beeinträchtigung der Geheimdiensttätigkeit die Öffentlichkeit hätte gewährleisten können. Stadler, Nescovic und Ströbele verwiesen auf mehrere Alternativen, etwa auf die Videoübertragung einer Befragung in einem anderen Raum, auf eine Maskerade der Betroffenen oder auf deren Platzierung im Ausschussraum in einem "Frankfurter Schrank".
Wie Kauder mitteilte, machte Cordes hinter verschlossenen Türen vor den Abgeordneten angesichts eventueller disziplinarrechtlicher Ermittlungen gegen ihn wegen der unterlassenen Informationsweiterleitung das Recht auf umfassende Aussageverweigerung geltend. Der Ausschuss habe daraufhin dessen Befragung zurückgestellt, was nicht heiße, dass man den Antrag des Zeugen akzeptiere, so der CDU-Politiker.
Irene Hinrichsen, von 2002 bis Juli 2005 Botschafterin in Skopje und jetzt in dieser Funktion in Sambia tätig, erklärte, sie habe erstmals im August 2004 vom Fall El-Masri erfahren. Nicht bekannt sei ihr der Anruf eines damals in Mazedonien beschäftigten deutschen Telekom-Managers, der laut seiner Aussage vor dem Ausschuss zu Jahresbeginn 2004 an einem Vormittag die Botschaft über die Verhaftung eines Deutschen telefonisch unterrichtet hatte, jedoch mit der Auskunft beschieden wurde, der Vorgang sei bekannt. Nach Hinrichsens Angaben war die Telefonzentrale zu Dienstzeiten stets mit einer Mitarbeiterin besetzt, der Telekom-Mitarbeiter will jedoch mit einer männlichen Person gesprochen haben. Nicht geklärt werden konnte während der bei Redaktionsschluss noch laufenden Befragung Hinrichsens, ob der Anrufer mit einem anderen Botschaftsbediensteten oder mit dem BND-Residenten verbunden war. Letzterer sollte am Donnerstag noch nicht öffentlich vernommen werden, zwei Referenten des Auswärtigen Amtes sollten noch öffentlich auftreten.
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