Berlin: (hib/MPI) Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den Bürokratieabbau zu einem zentralen Anliegen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft machen. Auch in der Europäischen Union solle ein Normenkontrollrat installiert werden, sagte Merkel am Mittwoch im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. In Deutschland werde angestrebt, mit Hilfe dieses Instruments 25 Prozent der Kontroll- und Statistikpflichten abzuschaffen. "Das hätten wir auch gern in der EU", betonte die Kanzlerin, die dem Ausschuss die Eckpfeiler für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 vorstellte.
Der beim Kanzleramt angesiedelte deutsche Normenkontrollrat soll als " Bürokratie-TÜV" prüfen, ob Gesetze unnötige Bürokratie und zusätzliche Kosten für Bürger und Unternehmen verursachen. Die SPD-Fraktion lobte im Ausschuss die Zielsetzung Merkels, mahnte aber zugleich, dass ein europäischer Normenkontrollrat nicht die Rechte des Parlaments einschränken dürfe. Die FDP-Fraktion betonte, bessere Regulierung bedeute vor allem weniger Regulierung. Das müsse Merkel ins Zentrum ihrer Initiative zum Bürokratieabbau rücken.
Mit Blick auf die EU-Verfassung warnte Merkel davor, die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft "zu hoch" zu schrauben. Es müsse "eine Art Roadmap" gefunden werden, wie der Verfassungsprozess wie geplant bis 2009 zu Ende geführt werden könne. "Vielleicht schaffen wir, etwas aufzuschreiben, was nicht strittig ist", so die Kanzlerin. Ihr selbst liege etwa der Grundwertekatalog am Herzen. Auf eine Nachfrage der Fraktion Die Linke fügte Merkel hinzu, erst nach der Wahl in Frankreich im Mai sei abzusehen, welchen Kurs dieses Land beim Thema EU-Verfassung in den nächsten fünf Jahren einnehmen werde. Es sei klar, dass den Franzosen nicht derselbe Verfassungsvertrag noch einmal zur Abstimmung vorgelegt werden könne. Sie sehe aber auch "keinen Grund, voreilig irgendetwas aufzugeben". Schließlich hätten zwei Drittel der EU-Staaten den Verfassungsvertrag bereits ratifiziert. In Frankreich und den Niederlanden hatten Referenden die Ablehnung des Vertragsentwurfes ergeben. Seitdem stockt der Prozess. Die Grünen-Fraktion bemängelte, dass Merkel noch keine eigenen inhaltlichen Vorstellungen zur Belebung vorgelegt habe.
Mit Blick auf den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum 1. Januar 2007 sagte die Kanzlerin, bis zur Vorlage des ersten Berichts der EU-Kommission zu den Reformfortschritten solle beiden Ländern Zeit für weitere Veränderungen gegeben werden. Wenn diese nicht befriedigend ausfielen, müsse die EU dann aber auch "unmissverständlich deutlich machen, dass sie zu Sanktionen bereit" sei. Skeptisch äußerte sie sich zu dem Vorstoß der Unions-Fraktion, Rumänien und Bulgarien den Beitritt zur europäischen Polizeibehörde Europol und zur europäischen Justizbehörde Eurojust zunächst zu verweigern. Mit dem EU-Beitritt hätten beide Staaten das Recht, Europol und Eurojust beizutreten, es sei denn die EU-Kommission würde dies explizit ausschließen, so Merkel. Die beiden Behörden sollen die Arbeit gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und den Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden verbessern. Deutschland hat die Beitrittsverträge mit Rumänien und Bulgarien noch nicht ratifiziert.
Auf Nachfrage des EU-Ausschussvorsitzenden Matthias Wissmann (CDU) nannte die Regierungschefin den Gedanken einer Freihandelszone von Amerika und Europa "faszinierend". Auf jeden Fall sei "die Bündelung der gemeinsamen Interessen kein Fehler". Diese gingen über eine reine Freihandelsidee hinaus - "wenn wir es ernst meinen mit der sozialen Marktwirtschaft".
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