Berlin: (hib/MPI) Die von der Bundesregierung geplante Umsetzung der EU-Geweberichtlinie von 2004 in nationales Recht stößt bei Ärzten, Krankenhäusern und den Krankenkassen auf massive Bedenken. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch forderten die geladenen Experten mehrheitlich Änderungen an dem Gesetzentwurf ( 16/3146). Erklärtes Ziel der Regierung ist es, die Transplantation und Verwendung von menschlichem Gewebe wie Augenhornhäute, Herzklappen, Knochen oder Stammzellen sicherer und transparenter zu machen. Ein Hauptkritikpunkt betrifft das Vorhaben der Regierung, sämtliche Gewebe im Arzneimittelgesetz zu regeln. Damit, so die Befürchtung vieler Verbände, könnten Gewebe zu einem kommerziellen Gut werden. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG), die Bundesärztekammer (BÄK) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verlangen daher, der Organspende und -transplantation gesetzlich Vorrang vor der Entnahme nur einzelner Teile von Organen und von Geweben einzuräumen.
DTG-Generalsekretär Professor Bernhard Krämer von der Universitätsklinik Regensburg sagte, von den rund 400.000 in Krankenhäusern versterbenden Patienten seien nur etwa 1.200 Organspender. Es sei zu befürchten, dass ihre Zahl bei einer Kommerzialisierung der Gewebespende weiter zurückgehe. Der Hämatologe Professor Gerhard Ehinger, Mitglied im Vorstand des wissenschaftlichen Beirates der BÄK, mahnte, es dürfe nicht sein, dass "Mangelgewebe" wie Hornhäute als Medikament behandelt "und zu Höchstpreisen angeboten" würden. Die Unterstellung von Geweben unter das AMG werde zu einer "Minderversorgung und Preiserhöhung" führen.
Der Einzelsachverständige Arnd Pannenbecker, ein auf Arzneimittel- und Medizinprodukterecht spezialisierter Jurist, betonte, Grundproblem sei, dass aus Gewebe in Laboren gewonnene Produkte genauso als Arzneimittel behandelt werden sollten wie nur für die Transplantation entnommenen Gewebe, also etwa ein Hüftkopf oder eine Herzklappe. Weit verbreitet war unter den Experten die Auffassung, dass für letztere weiterhin ein Handelsverbot gelten müsse. DKG-Referentin Renate Höchstetter verwies darauf, dass im Unterschied zu den meisten Organen beispielsweise Augenhornhäute auch noch Stunden nach Feststellung des Hirntods entnommen werden könnten. Prioritär müssten deshalb Organspenden behandelt werden.
Unter anderen plädierte Professor Axel Haverich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für ein eigenständiges Gewebegesetz und eine "Eins-zu-Eins-Umsetzung" der EU-Richtlinie. So könne eine Verknappung von Gewebespenden vermieden und gewährleistet werden, dass Deutschland in diesem Bereich auch in der Forschung führend bleibe.
Der Einzelsachverständige Gerhard Andersen, Geschäftsführer der Ärztekammer Berlin, vertrat hingegen die Auffassung, dass mit der Unterstellung der Gewebe unter das AMG nicht automatisch eine Kommerzialisierung einhergehe. Im Vordergrund müsse die Sicherheit der Patienten stehen. Dies sah er mit dem Gesetzentwurf gewährleistet.
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