Berlin: (hib/HAU) Unterschiedliche
Ansichten vertreten Experten bei der Beurteilung des von der
Bundesregierung vorgelegten Gesetzes zur Neuordnung der
ERP-Wirtschaftsförderung (
16/4664). Dies wurde anlässlich einer
öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss am
Montagnachmittag deutlich. Das Gesetz sieht eine Abführung von
2 Milliarden Euro aus dem ERP-Sondervermögen in den
Bundeshaushalt vor. Als Ausgleich dafür ist geplant, dem
Sondervermögen Rechte des Bundesfinanzministeriums an
Rücklagen der KfW-Bankengruppe in Höhe von einer
Milliarde Euro zu übertragen. Zugleich solle das
Sondervermögen Rückstellungen in Höhe von einer
Milliarde Euro auflösen. Der Bund will dabei die
Verbindlichkeiten des ERP-Sondervermögens und Forderungen in
gleicher Höhe übernehmen. Der Bundesrechnungshof
kritisierte den Entwurf. Profitieren werde von der Neuregelung
lediglich der Bundeshaushalt, nicht jedoch das
ERP-Sondervermögen. Dem Abfluss von liquiden Mitteln in
Höhe von 2 Milliarden Euro stünden als Kompensation
Rechte an Rückstellungen und Forderungen gegenüber. Um
diese geltend machen zu können, seien jedoch
Zwischenfinanzierungen nötig, die allein das
ERP-Sondervermögen zu tragen habe. Chancen und Risiken seien
ungerecht verteilt, betonte der Zentrale Kreditausschuss der
deutschen Banken. Der Tausch von liquiden gegen illiquide Mittel
führe "de facto" zu einem Liquiditätsverlust von 2
Milliarden Euro. Daher bestünden erhebliche Zweifel, ob die
Substanz des ERP-Sondervermögens erhalten bleibe.
Wettbewerbspolitische Bedenken gebe es außerdem hinsichtlich
der geplanten Übertragung des restlichen ERP-Vermögens
als Eigenkapital auf die KfW. Diese würde dadurch, gemessen an
ihrer Eigenkapitalausstattung, zu einem der größten
deutschen Kreditinstitute werden, ohne der Bankenaufsicht zu
unterliegen. Bei der KfW bewertet man die Übertragung als
"wettbewerbsrechtlich neutrale Transaktion". Die KfW handle
weiterhin im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages, der nach
Verständigung mit der EU-Kommission im Hinblick auf
mögliche Beeinträchtigungen des Wettbewerbs neu
formuliert wurde. Am Einsatz der Mittel zu Förderzwecken
ändere sich nichts. Auch gewinne die KfW keine neuen Kunden,
da sie auch bisher ERP-Darlehen durchgeleitet habe. Nach Ansicht
von Professor Michael Sachs von der Universität Köln
bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den
Gesetzentwurf. Die Entscheidungsbefugnisse der Gesetzgebungsorgane
hinsichtlich der Verwendung der Erträge des in die KfW
eingebrachten ERP-Sondervermögens würden nicht
geschmälert. Einen von verschiedenen Seiten geforderten
"Parlamentsvorbehalt" in das Gesetz einzubauen sei nicht
nötig, so Sachs. Es gebe hinsichtlich der parlamentarischen
Kontrollmöglichkeiten keine Änderung zur bisherigen
Praxis. Aus völkerrechtlicher Sicht sei der Entwurf ebenfalls
unbedenklich, sagte Professor Christian Tomuschat von der Humboldt
Universität Berlin. Die USA hätten keine Rechte auf
Mitsprache bei der Neuregelung des ERP-Sondervermögens. Die
Marshallplan-Hilfe der USA habe zwar zur schnellen wirtschaftlichen
Gesundung im westlichen Teil Deutschlands erheblich beigetragen.
Die damit verbundene "immense Dankbarkeitsschuld" habe jedoch keine
rechtliche Verfestigung erfahren. Dem widersprach Professor
Christian Waldhoff von der Universität Bonn. Seiner Ansicht
nach gibt es durchaus ein Mitspracherecht der USA in dieser Frage.
Zwar hätten sich die USA in der Tat in den letzten 40 Jahren
aus der Mittelverwendung der Gelder vollständig
herausgehalten. Nun stehe jedoch eine grundsätzliche
Umstrukturierung des gesamten Konzepts bevor, welche durch die
Eingliederung des ERP-Vermögens in eine staatliche Bank zu
einer Entparlamentarisierung des gesamten Komplexes
führe.
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