Berlin: (hib/BOB) Fast alle
Sachverständigen haben am Mittwochnachmittag bei einer zweiten
öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zur Reform
des Verfahrens in Familiensachen den Entwurf der Bundesregierung (
16/6308) als gelungen bezeichnet. Vor allem die
vorgesehene Einrichtung eines so genannten Großen
Familiengerichtes macht ihrer Meinung nach Sinn. Teilweise warnten
die Experten aber auch, dass die Anforderungen an die
Familiengerichte steigen würden. Mehr Personal und mehr
Fortbildung müssten bereitgestellt werden. Sonst würde
die Reform scheitern. Der Sachverständige Frank Klinkhammer,
Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, machte deutlich, die
vorgesehene Erweiterung der Kompetenzen der Familiengerichte
ermögliche eine umfassendere Behandlung sachlich
zusammenhängender Probleme und Streitfragen. Das könne zu
mehr Bürgerfreundlichkeit der Justiz führen. Ludwig
Bergschneider, Rechtsanwalt aus München, begrüßte
unter anderem, die geplante Vorschrift zur Beschleunigung in
Kindschaftssachen (einen Monat nach Eingang der Antragsschrift)
führe zu eine äußerst positiven Bewertung dieser
Reform. Dem konnte sich Susanne Nothhafft vom Deutschen
Jugendinstitut aus München nicht anschließen:
Verfahrensbeschleunigung sei kein Selbstzweck. Das
Beschleunigungsgebot solle dem Kindeswohl dienen und werde durch
dieses zugleich begrenzt. Es müsse daher überprüft
werden, ob dieser "beschleunigte" Verfahrensweg und die
Stärkung des Elements der Einvernehmlichkeit in jedem Stadium
des Verfahrens tatsächlich im Einzelfall "eine optimale
Umsetzung des Kindeswohls" ermöglichen. Röse
Häußermann, Präsidentin des Landgerichts
Tübingen, bescheinigte dem Entwurf, er bündle die
Verfahrensvorschriften in den Bereichen der freiwilligen
Gerichtsbarkeit und des Familienrechts "sachgerecht und
transparent". Mit dem vorgesehenen nahezu kompletten Rückzug
des Staates auf die unmittelbare Wahrnehmung seines
Wächteramts mit Blick auf Pflege und Erziehung der Kinder war
die Sachverständige jedoch nicht zufrieden. Sie nannte die
vorgesehene Regelung "besorgniserregend, rechtssystematisch eher
widersprüchlich und verfassungsrechtlich nicht unbedenklich".
Der vorliegende Entwurf führe zu einer verstärkten
Gefährdung von Frauen, die sich aus einer Gewaltbeziehung
befreit hätten. Insbesondere Kinder seien davon mit betroffen,
kritisierte Professor Sibylla Flügge von der Fachhochschule
Frankfurt am Main. Er stehe damit im Gegensatz zu den
Aktionsplänen gegen Gewalt gegen Frauen der Bundesregierung
und verstoße gegen das einvernehmliche Ziel, Kinder besser
vor Gewalt in der Familie zu schützen.
Herausgeber
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen (bis 31.03.2008), Saskia Leuenberger
(ab 01.04.2008 )
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Götz Hausding, Claudia Heine,
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