Vorabmeldung zu einem Interview in der
nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 23. November
2009),
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung
–
Gut ein halbes Jahr vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika beklagt einer der führenden Karikaturisten des Landes eine massive Verschlechterung des politischen Klimas in seiner Heimat. Nach dem Ende der Apartheid habe er „unter den ersten zwei Präsidenten der jungen Demokratie, Nelson Mandela und Thabo Mbeki, das Gefühl gehabt, sich frei ausdrücken zu können, doch habe sich dies in den vergangenen zwei Jahren geändert, sagte der unter seinem Künstlernamen „Zapiro“ bekannte Jonathan Shapiro der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 23. November). Der Kampf zwischen Mbeki und seinem Nachfolger Jacob Zuma sei so erbittert gewesen, „dass einige Köpfe – nicht nur in der Politik – gerollt sind. Und viele, die wie ich in den Medien arbeiten, wurden plötzlich zu Feinden.“
Auch er werde von „einigen in der Regierung“ als Feind betrachtet, berichtete Zapiro. Einige Zeitungsverleger und Radiostationen schienen ihn ebenfalls so zu sehen. Es sei „besorgniserregend, dass der Präsident es für nötig hält, diverse Journalisten zu verklagen“, dass es beim öffentlich-rechtlichen Sender SABC eine Zensur vor Veröffentlichungen gebe und dass der regierende African National Congress (ANC) darüber nachdenke, ein Mediengericht aufzubauen. „Es gibt viele Alarmglocken, die läuten“, warnte der Karikaturist.
Er glaube, dass das Land „auf des Messers Schneide“ stehe, fügte Zapiro hinzu. Es gebe jedoch auch „ein paar Dinge, die sich seit den Wahlen im April entwickeln“ und auf die er setze. So seien einige Politiker „nahbarer“ und schienen Versprechen auch tatsächlich halten zu wollen. Auch sollten öffentliche Gelder nicht mehr so verschwendet werden wie bisher, beispielsweise für Luxuskarrossen für Parlamentarier. Andererseits gebe es immer noch „Vetternwirtschaft und Spezitum“, kritisierte Shapiro und bilanzierte, beim Ende der Apartheid 1994 sei es einfacher gewesen zu sagen, „wo wir hinsteuern“.
Das Interview im Wortlaut:
Zapiro, ihre äußerst bissigen Karikaturen in
südafrikanischen Zeitungen findet mancher hochrangige
Politiker gar nicht komisch – zum Beispiel Südafrikas
Präsident Jacob Zuma. Sind sie gern unbequem und
unbeliebt?
Unbequem ja, aber unbeliebt bin ich nicht
gern. Mir macht es überhaupt nichts aus, kontrovers diskutiert
zu werden. Ich schrecke auch nicht davor zurück, harte Urteile
zu fällen und dadurch anzuecken, das bringt der Job als
Karikaturist so mit sich. Kurz nach den ersten freien Wahlen in
Südafrika 1994 hatte ich das Gefühl, mit meinen
Zeichnungen für die meisten zu sprechen. Meine Karikaturen
standen irgendwie im Einklang mit der Marschrichtung
Südafrikas, das heißt auch mit dem frisch in die
Regierung gewählten ANC. Selbst bei scharfzüngigsten
Zeichnungen und der härtesten Kritik – unter den ersten
zwei Präsidenten der jungen Demokratie, Nelson Mandela und
Thabo Mbeki. hatte ich das Gefühl, den Zeitgeist zu treffen
und mich frei ausdrücken zu können.
Das hat sich nun geändert?
Das hat
sich geändert in den vergangenen zwei Jahren. Der Kampf
zwischen Thabo Mbeki und Jacob Zuma war so erbittert, dass einige
Köpfe – nicht nur in der Politik – gerollt sind.
Und viele, die wie ich in den Medien arbeiten, wurden
plötzlich zu Feinden.
Haben Sie das Gefühl, selbst zum Feindbild der
Regierung geworden zu sein?
Ja, einige in der
Regierung betrachten mich als Feind. Nicht alle. Aber auch einige
Zeitungsverleger und Radiostationen scheinen mich so zu sehen.
Häufig sind das junge Leute, die nichts über meine
Vergangenheit wissen. Das Apartheidregime sah mich auch als Feind,
viele Weiße sahen mich als Verräter.
Bringt das nicht Ihr Job mit sich?
Schon.
Nur ich habe mich immer als Teil der Linken gesehen, als
Kämpfer gegen die Apartheid und jemand, der sich während
der Übergangszeit vom Ende der 80-er Jahre bis 1994 für
Veränderungen eingesetzt hat. Schon sehr bald nach 1994 habe
ich die ersten korrupten Politiker erlebt, die vergessen hatten,
wofür sie einmal standen. Natürlich ist es der Job eines
Karikaturisten, den Finger in die Wunde zu legen. Zum Glück
geht das auch in einer funktionierenden Demokratie. Nur der
Freiraum, den ich zu Anfangszeiten unserer Demokratie hatte, war
erheblich größer als jetzt. Unter Mandela gab es sogar
Anerkennung für Kritiker.
Wird die Meinungsfreiheit in Südafrika 15 Jahre
nach dem Ende der Apartheid also drastisch
eingeschränkt?
Ich würde es etwas
differenzierter ausdrücken und nicht melodramatisch klingen
wollen. Aber das Klima hat sich eindeutig verändert. Ich finde
es besorgniserregend, dass der Präsident es für
nötig hält, diverse Journalisten zu verklagen, dass es
beim öffentlich-rechtlichen Sender SABC eine Zensur vor
Veröffentlichungen gibt und dass der ANC darüber
nachdenkt, ein Mediengericht aufzubauen. Um es zusammenzufassen:
Ja, ich denke, es gibt viele Alarmglocken, die läuten. Aber
ich habe immer noch das Gefühl, dass ich weitgehend alles
publizieren kann, auf jeden Fall weitaus mehr als andere in anderen
Demokratien.
Eine Dokumentation über Sie ist jedoch kurzfristig
vor der Erstausstrahlung, obschon für viel Geld vom SABC
produziert, abgesetzt worden.
Der Sender wie auch so
einige in der Regierung haben noch nicht richtig verstanden, was
landesweiter öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten kann und
sollte. So wie die sich aufführen, sollte man meinen, dass es
sich um einen Staatssender handelt. Es ist, als ob sie der
Vergangenheit angehörten. Das ist schlimm.
Zuma trägt in Ihren Zeichnungen einen Duschkopf auf
seinem Schädel, weil er während eines
Vergewaltigungsverfahrens sagte, er habe nach dem
Geschlechtsverkehr mit einer HIV-positiven Frau geduscht, um das
Infektionsrisiko zu mindern. Manche meinen, damit seien Sie
gegenüber einem Präsidenten zu weit
gegangen.
Zuma war einmal Vorsitzender des nationalen
Aidskomitees. Ich musste ein starkes Symbol für seine Aussage
finden. Inzwischen steht der Duschkopf für die manchmal sehr
merkwürdigen Äußerungen Zumas. Er hat unter anderem
seltsame und schlimme Dinge über Homosexuelle gesagt –
zum Beispiel, dass er als junger Mann Schwule zusammengeschlagen
habe, oder dass minderjährigen Müttern ihre Babys
weggenommen werden sollten. Wenn er frei spricht, dann sagt er
häufig sehr reaktionäre Sachen – Dinge, die im
Widerspruch zu unserer Verfassung stehen. Der Duschkopf
repräsentiert diese merkwürdigen Aussagen.
Sie haben und hatten diverse Klagen am Hals. Die derzeit
teuerste wurde von Zuma angestrengt: Er verklagt sie auf rund
656.000 Euro wegen einer Karikatur, in der Sie ihn als
Vergewaltiger der Justitia darstellen. Ist die
Präsidenten-Provokation mittlerweile ein Hobby für
Sie?
Ich hasse Zuma nicht, es geht da um nichts
Persönliches. Mir geht es um eine politische
Auseinandersetzung. Als er Präsident wurde, hatte ich
das Gefühl, dass ich dem Rechnung tragen muss, wenn ich
möchte, dass er und unsere Regierung erfolgreich sind –
ich will ja nicht, dass sie versagen. Daher schwebt der Duschkopf
nun über seinem Kopf mal näher, mal weiter entfernt. Er
ist sozusagen mein persönliches Barometer für den Zustand
der Nation. Ich sehe das auch als meine Aufgabe, als Karikaturist
eine Bildsprache zu entwickeln, die den Puls der Nation misst.
Der Satiriker als Förderer demokratischer
Prozesse?
So sehe ich es. Meine Karikaturen sind Teil
eines nationalen Diskurses. Ich bin froh, dass ich diese
Lösung mit dem schwebenden Duschkopf als erhobenem Zeigefinger
und Warnsignal gefunden habe. Sie kommentiert, sie ist lustig, sie
wirft Fragen auf.
Sie zeichnen gerade ihr 14. Buch, „Don't mess with
the presidents head“, in dem unter anderem der Abstand
zwischen Zumas Kopf und Duschkopf von seinen zahlreichen Bodyguards
vermessen wird. Es klingt, als ob das Buch Sie in weitere
Schwierigkeiten bringen könnte.
Ich habe eine
Leidenschaft für Politik und für alles, was um mich herum
geschieht. Vor 25 Jahren wurde ich Antiapartheid-Aktivist. Die
ersten zehn Jahre meines Berufslebens war ich wohl mehr Aktivist
als Karikaturist. Die Umstände zu Apartheidzeiten machten mich
dazu.
Als ich zur Armee eingezogen wurde, musste ich eine Entscheidung
fällen, entweder das Land zu verlassen oder Aktivist zu
werden. Also weigerte ich mich, eine Waffe zu tragen oder zu
benutzen.
Wie ist es ihnen dann ergangen?
Ich wurde
fortwährend schikaniert. Aber irgendwie habe ich
durchgehalten. Ich bin damals der Anti-Apartheidbewegung, der
„United Democratic Front“, beigetreten. Ich wurde
mehrmals festgenommen. Aber ich wusste wo ich stehe. In den
vergangenen Jahren hat sich viel verändert. Der Druck, der auf
Kritiker ausgeübt wird, ist enorm gestiegen.
Wie sehen sie Südafrikas
Zukunft?
Schwierige Frage. Ich glaube, dass wir auf
des Messers Schneide stehen und man noch nicht sagen kann, wie es
ausgeht. Es gibt ein paar Dinge, die sich seit den Wahlen im April
entwickeln und auf die setze ich. Einige Politiker sind nahbarer
und scheinen tatsächlich Versprechen halten zu wollen. Und
öffentliche Gelder sollen nicht mehr so verschwendet werden.
So soll es für Parlamentarier keine Luxuskarossen mehr geben.
Andererseits gibt es immer noch Vetternwirtschaft und Spezitum.
1994 war es einfacher zu sagen, wo wir hinsteuern. Auf jeden Fall
gibt es Grund für Optimismus, aber auch jede Menge Platz
für Kritik und Satire.