Plenarprotokoll 17/36 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 36. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 21. April 2010 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: zur Sicherheit im Luftverkehr Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Florian Pronold (SPD) Torsten Staffeldt (FDP) Herbert Behrens (DIE LINKE) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Patrick Döring (FDP) Ulrike Gottschalck (SPD) Peter Wichtel (CDU/CSU) Uwe Beckmeyer (SPD) Peter Wichtel (CDU/CSU) Marlene Mortler (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Gesetzentwürfe zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und zur Schaffung eines nationalen Stipendien-Programms Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Michael Kretschmer (CDU/CSU) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Patrick Meinhardt (FDP) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Ulla Burchardt (SPD) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Agnes Alpers (DIE LINKE) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Haltung der Bundesregierung zur Finanzierbarkeit der FDP-Steuerpläne Nicolette Kressl (SPD) Leo Dautzenberg (CDU/CSU) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Dr. Hermann Otto Solms (FDP) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Peter Aumer (CDU/CSU) Petra Hinz (Essen) (SPD) Dr. Volker Wissing (FDP) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Klaus Brandner (SPD) Olav Gutting (CDU/CSU) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/1388, 17/1402) Dringliche Frage 1 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Aufstellung eines Nachtragshaushalts für Kredite im Zusammenhang mit dem Rettungspaket für Griechenland Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Manfred Zöllmer (SPD) Dringliche Fragen 2 und 3 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausgestaltung des Bundesgesetzes zur Begleitung der Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der von der Bundesregierung ausgesprochenen Garantien im Falle eines Antrags Griechenlands auf Kredithilfe; Finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt bei einem Antrag Griechenlands auf Kredithilfe und Maßnahmen der Bundesregierung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 48 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Angebote privater Banken oder Gruppen von Gläubigern zur Hilfestellung beim Roll-over griechischer Staatsanleihen seit Anfang 2010 Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Fragen 3 und 4 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Verfassungsrechtliche Umsetzbarkeit der vorgesehenen Bildungsschecks für lokale Bildungsbündnisse; Sicherstellung der zielgerichteten Nutzung der Fördermittel für lokale Bildungsbündnisse Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) René Röspel (SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Ulla Burchardt (SPD) Mündliche Frage 5 Michael Gerdes (SPD) Vorlage von Eckpunkten zur Umsetzung des angekündigten Bildungssparens Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Michael Gerdes (SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Mündliche Frage 6 Michael Gerdes (SPD) Vorschläge zur Fortsetzung des Ganztagsschulprogramms und zum Ausbau der Schulsozialarbeit auf der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern im Juni 2010 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Mündliche Frage 7 Ulla Burchardt (SPD) Zugesagte Finanzierung des Mehrbedarfs für zusätzliche Studienanfänger aus dem Hochschulpakt I für die Jahre 2011 bis 2013 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Ulla Burchardt (SPD) Mündliche Frage 8 Ulla Burchardt (SPD) Beitrag des nationalen Stipendienprogramms zur Überwindung der sozialen Benachteiligung von Studenten aus bildungsfernen Familien Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Ulla Burchardt (SPD) René Röspel (SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Agnes Alpers (DIE LINKE) Mündliche Fragen 9 und 10 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Kritik am geplanten Stipendiengesetz von Studenten, Hochschulen und aus der Wirtschaft; Gewährleistung einer regional, fachlich und sozial ausgewogenen Stipendienvergabe Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Ulla Burchardt (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 11 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Berechnungen des Wissenschaftsrates zu den erforderlichen Mitteln für die Verbesserung der Lehre an den Hochschulen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 12 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Vorschläge der Bundesregierung für die Nachbesserung der Bologna-Reform auf der Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Juni 2010 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Mündliche Frage 13 Willi Brase (SPD) Konsequenzen aus der Nichterreichung der Zahl der laut Hochschulpakt I zugesagten zusätzlichen Studierenden in Nordrhein-Westfalen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Willi Brase (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 14 Willi Brase (SPD) Auffassung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zur Ausbildungsreife von Schulabgängern Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Willi Brase (SPD) Mündliche Frage 15 Agnes Alpers (DIE LINKE) Vorlage des Berufsbildungsberichts 2010 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Agnes Alpers (DIE LINKE) Mündliche Frage 16 Agnes Alpers (DIE LINKE) Angabe einer sogenannten Erweiterten Angebots-Nachfrage-Relation auf dem Ausbildungsmarkt im Berufsbildungsbericht 2010 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Mündliche Frage 17 Burkhard Lischka (SPD) Umsetzung der von Bundesminister Dirk Niebel beabsichtigten Verzahnung von Bundeswehr und Entwicklungshilfe Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) Mündliche Frage 18 Burkhard Lischka (SPD) Gewährleistung des vollständigen Abflusses der Mittel für den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan bei Umsetzung der beabsichtigten Verzahnung von Bundeswehr und Entwicklungshilfe Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 1 René Röspel (SPD) Finanzierbarkeit der geplanten Gesundheitszentren über langfristige Projektförderungen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 3 Mündliche Frage 2 René Röspel (SPD) Kernfusion im Verhältnis zu erneuerbaren Energien, Finanzierung in einem gemeinsamen Haushaltstitel Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 4 Mündliche Frage 19 Dr. Barbara Hendricks (SPD) Erreichbarkeit der geplanten Steigerung der ODA-Quote bis 2015 Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 5 Mündliche Frage 20 Dr. Barbara Hendricks (SPD) Finanzierungsquellen für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem ODA-Stufenplan Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 6 Mündliche Frage 21 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Verbesserung des Zugangs zu freiwilliger Familienplanung bezüglich Erreichen der Millenniumentwicklungsziele 4 und 5 (Kinder- und Müttergesundheit) Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 7 Mündliche Frage 22 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Nutzbarmachung der im Rahmen der Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika geleisteten Unterstützung auch nach der WM für die gesamte Subsahara-Region Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 8 Mündliche Frage 23 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Haushaltsmittel 2011 für die Kapitalaufstockung der Weltbank und die Wiederauffüllung der Mittel für die International Development Association (IDA); Aufwüchse bei den Regionalbanken Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 9 Mündliche Frage 24 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Finanzielle Anforderungen an Deutschland und Möglichkeiten der Bundesregierung zur Erhöhung des deutschen Beitrages im Zuge der Weltbankkonferenz im April 2010 Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 10 Mündliche Frage 25 Niema Movassat (DIE LINKE) Partnerländer für die von Bundesminister Dirk Niebel angestrebte trilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Israel Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 11 Mündliche Frage 26 Axel Schäfer (Bochum) (SPD) Etwaige Vertretung der Bundeskanzlerin im Europäischen Rat im Falle persönlicher Verhinderung Antwort Eckart von Klaeden (CDU/CSU) Anlage 12 Mündliche Frage 27 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Befürchtete Massendeportationen von Palästinensern aus den besetzten Gebieten durch die neue israelische Verordnung "Order Regarding Prevention of Infiltration" Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 13 Mündliche Frage 28 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Aufgreifen von Appellen von Misereor und Evangelischem Entwicklungsdienst an den israelischen Verteidigungsminister durch die Bundesregierung zur Verhinderung befürchteter Massendeportationen von Palästinensern aus den besetzten Gebieten Israels Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 14 Mündliche Frage 29 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einschätzung der Bundesregierung zu zwei am 13. April 2010 wirksam gewordenen Verordnungen betreffend die Ausweisung von Personen ohne anerkannte Aufenthaltsgenehmigung aus dem Westjordanland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 15 Mündliche Frage 30 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befürchtete Ausweisung Tausender Palästinenser aus dem Westjordanland infolge neuer Erlasslage Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 16 Mündliche Frage 31 Niema Movassat (DIE LINKE) Ablehnung eines Empfehlungsschreibens für eine Gruppe deutscher Ärzte zur Einreise in den Gazastreifen durch das Auswärtige Amt Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 17 Mündliche Frage 32 Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Informationen der Bundesregierung zu Zeitpunkt und Vorbereitung der Afghanistan-Konferenz in Kabul Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 18 Mündliche Frage 33 Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Etwaige Auswirkungen der Verschiebung der geplanten Kabuler Afghanistan-Konferenz auf die Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Kräfte ab Ende 2010 Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 19 Mündliche Frage 34 Günter Gloser (SPD) Diskriminierung von Angehörigen der Roma-Minderheit in den EU-Staaten und in Staaten des westlichen Balkans Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 20 Mündliche Fragen 35 und 36 Uta Zapf (SPD) Gewährleistung einer qualifizierten Vor- und Nachbereitung ziviler Friedenseinsätze trotz Einsparungen beim Zentrum für Internationale Friedenseinsätze Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 21 Mündliche Fragen 37 und 38 Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) Rolle des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze im Bereich "Vernetzte Sicherheit" und zukünftig zur Verfügung stehende Haushaltsmittel Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 22 Mündliche Fragen 39 und 40 Edelgard Bulmahn (SPD) Vereinbarkeit der Kürzung der Zuwendungen an das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze mit dem Koalitionsvertrag; Folgen dieser Mittelkürzungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 23 Mündliche Frage 41 Axel Schäfer (Bochum) (SPD) Konsequenzen für Verhandlungsführung und Abstimmungsverhalten der Bundesregierung im Europäischen Rat bei fehlender Stellungnahme des Bundestages zu EU-Vorhaben Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 24 Mündliche Fragen 42 und 43 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Unterlaufen der Grundprinzipien des Atomwaffensperrvertrags durch die Ausnahmeregelung der Nuclear Suppliers Group für Indien bezüglich des Handels mit Nuklearmaterial Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 25 Mündliche Frage 44 Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Berufung von Frauen in die Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 26 Mündliche Fragen 45 und 46 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Höhe des SED-Vermögens zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung und gegebenenfalls den neuen Bundesländern zustehender Anteil; offene Rechtsstreitigkeiten um bis heute verschwundenes Parteivermögen Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 27 Mündliche Frage 47 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Forderung der Länder nach zusätzlichen Umsatzsteuermitteln zur Erreichung des sogenannten 10-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 28 Mündliche Frage 49 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorschläge des EU-Kommissars für Wirtschaft und Währung, Olli Rehn, zur stärkeren Kontrolle der nationalen Haushalte Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 29 Mündliche Frage 50 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründung eines EU-Rettungsfonds sowie Ausschluss von Defizitländern aus der Euro-Zone Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 30 Mündliche Frage 51 Peter Friedrich (SPD) Ankauf der dem Land Baden-Württemberg angebotenen Steuersünder-CD Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 31 Mündliche Fragen 52 und 53 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Planungen für die aufgrund ihrer Naturschutzwürdigkeit von der Privatisierung ausgenommenen Seen im Bundesbesitz Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 32 Mündliche Frage 54 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Im Energiekonzept der Bundesregierung zugrunde gelegte Jahresvolllaststunden und zusätzliche Reststrommengen im Zielszenario mit 28 Jahren Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 33 Mündliche Frage 55 Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schlussfolgerungen aus den Diskussionen des Washingtoner Nukleargipfels zur Dual-use-Problematik im Hinblick auf den Atomausstieg Deutschlands und die Förderung von Atomtechnologieexporten Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 34 Mündliche Frage 56 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke auf den Strommarkt Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 35 Mündliche Frage 57 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne der EU-Kommission zur Übernahme von bis zu 15 Prozent der Kosten für den Bau neuer Kohlekraftwerke ab 2013 auf Druck Deutschlands und Polens Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 36 Mündliche Frage 58 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reduzierung der Steinkohlesubventionen Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 37 Mündliche Frage 59 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abgerufene Mittel für den Neu- und Ausbau von Wärmenetzen nach dem KWKG im Jahr 2009 sowie für 2010 erwartete Entwicklung Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 38 Mündliche Frage 60 Garrelt Duin (SPD) Einzelbetriebliche Förderung niedersächsischer Unternehmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 39 Mündliche Frage 61 Garrelt Duin (SPD) Verlängerung des Wirtschaftsfonds Deutschland über 2010 hinaus Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 40 Mündliche Fragen 62 und 63 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Erarbeitung des Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und Reform der Eingliederungshilfe Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 41 Mündliche Frage 64 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Umsetzung der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 9. Februar 2010 zur Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Bildung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 42 Mündliche Frage 65 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Die 20 wichtigsten Instrumente/Maßnahmen im Bereich des Zweiten und Dritten Buches Sozialgesetzbuch im Jahr 2009 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 43 Mündliche Fragen 66 und 67 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Seit 2005 zur Verfügung stehende und tatsächlich abgeflossene Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik sowie Verwendung nicht verausgabter Mittel Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 44 Mündliche Fragen 68 und 69 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Vorlage eines Entwurfs zur Waldstrategie 2020 unter Einbezug des Deutschen Bundestages; Stand der Vorbereitungen für die Bundeswaldinventur 3 Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 45 Mündliche Frage 70 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterbindung der von Energy Drinks ausgehenden Gesundheitsgefahren Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 46 Mündliche Frage 71 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Strengere gesetzliche Regelungen zur Kennzeichnung von Klebeschinken und Unterstützung eines Verbots von Klebeenzymen in der Fleischwarenerzeugung auf europäischer Ebene Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 47 Mündliche Frage 72 Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Nennung der vier in den Meldungen zum Kunduz-Luftschlag vom 4. September 2009 erwähnten Taliban-Führer in der Joint Effects List oder der Joint Priority Effects List der ISAF bzw. einer entsprechenden Liste der OEF Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 48 Mündliche Frage 73 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inhalt der Einsätze der Bundeswehrsondereinheit TF-47 und der US-Task Force 373 am 3./4. September 2009 im Raum Kunduz/Afghanistan sowie weitere Einsätze der Task Force 373 im deutschen ISAF-Regionalkommando Nord Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 49 Mündliche Frage 74 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatz von Panzerhaubitzen und MARDER-Schützenpanzern durch die Bundeswehr in Afghanistan; Erfordernis eines neuen Bundestagsmandats für die geplante Militäroffensive Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 50 Mündliche Frage 75 Rainer Arnold (SPD) Auslieferung der Kampfhubschrauber TIGER an die Bundeswehr und vorgesehener Einsatztermin Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 51 Mündliche Frage 76 Rainer Arnold (SPD) Beschaffung der Waffenstationen FLW 100 und FLW 200 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 52 Mündliche Frage 77 Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gründe für die Verlegung von Panzerabwehrlenkflugkörpern des Typs TOW nach Afghanistan Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 53 Mündliche Frage 78 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Verbesserung der Sicherheitslage in Afghanistan durch den Einsatz von Panzerhaubitzen und anderer neuer Waffensysteme Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 54 Mündliche Frage 79 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Teilnahme eines deutschen Waffensystemoffiziers an Einsätzen der britischen Luftwaffe in Afghanistan zwischen Oktober 2009 und Januar 2010 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 55 Mündliche Frage 80 Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung deutscher Soldaten an Kampfeinsätzen der britischen Luftwaffe in Kandahar und Deckung solcher Einsätze durch das Bundestagsmandat Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 56 Mündliche Fragen 81 und 82 Jan van Aken (DIE LINKE) Einsatzstrategie der am 15. April 2010 bei Baghlan/Afghanistan überfallenen Patrouille; Verringerung des Risikos dieses für Bundeswehrsoldaten tödlichen Angriffs durch eine zusätzliche Ausstattung Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 57 Mündliche Frage 83 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schlussfolgerungen aus den Äußerungen von Hamid Karsai zur Fälschung der Präsidentenwahlen und zur geplanten Großoffensive der NATO in der Provinz Kandahar Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 58 Mündliche Fragen 84 und 85 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitpunkt der Vorlage des Gesetzentwurfs zu Änderungen wehrrechtlicher Vorschriften 2010 in Bundestag und Bundesrat; Zustimmungsbedürftigkeit und etwaige Beteiligung des Bundesrates Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 59 Mündliche Fragen 86 und 87 Dr. Marlies Volkmer (SPD) Aufbereitung von medizinischen Einmalprodukten; Vorlage einer entsprechenden Sicherheitsstudie sowie daraus resultierender gesetzlicher Änderungen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 60 Mündliche Frage 88 Peter Friedrich (SPD) Verwendung der Lärmmessungen in betroffenen Gebieten Süddeutschlands als Grundlage für die Verhandlungen mit der Schweiz zum Flughafen Zürich-Kloten Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 61 Mündliche Frage 89 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Anmeldung des sogenannten Vier-Meere-Schienenkorridors in der Revision der Leitlinien für das transeuropäische Verkehrsnetz für 2010 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 62 Mündliche Fragen 90 und 91 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Bilanz und geplante Reform des KfW-Programms "Altersgerecht Umbauen" Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 63 Mündliche Fragen 92 und 93 Dr. Edgar Franke (SPD) Finanzierung des Baus der Bundesautobahn 49 und Freigabe der Mittel erst nach Vorlage des Baurechts für alle Bauabschnitte Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 64 Mündliche Frage 94 Ulrike Gottschalck (SPD) Finanzielle Beteiligung des Bundes an den durch die Umgebungslärmrichtlinie vorgeschriebenen Lärmaktionsplänen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 65 Mündliche Frage 95 Ulrike Gottschalck (SPD) Stärkere Ahndung der Verstöße von Lastwagen gegen das Nachtfahrverbot Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 66 Mündliche Fragen 96 und 97 Johannes Kahrs (SPD) Einführung einer Pkw-Maut und Inhalt der geplanten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für Bundesfernstraßen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 67 Mündliche Frage 98 Kirsten Lühmann (SPD) Kürzung der Fördermittel für den kombinierten Verkehr Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 68 Mündliche Frage 99 Martin Burkert (SPD) Vorlage eines Konzepts für die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 69 Mündliche Frage 100 Martin Burkert (SPD) Künftige Ausgestaltung der Wettbewerbsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr und der Gestaltungsspielräume der Kommunen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 70 Mündliche Fragen 101 und 102 Uwe Beckmeyer (SPD) Finanzierung der zusätzlich zum Bundeshaushalt 2010 angekündigten Mittel für die Beseitigung von Frostschäden an Straßen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 71 Mündliche Frage 103 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Datenerhebungen über Atomtransporte in der 16. und 17. Wahlperiode und Verwendung dieser Daten für die Transportstudie Konrad Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 72 Mündliche Fragen 104 und 105 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forschungs- und Entwicklungsprogramme im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle in Gorleben sowie Kenntnis der Bundesregierung über ein Schreiben der PreussenElektra AG vom 14. März 1997 zum Atommülllager Asse II Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU 36. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 21. April 2010 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Sitzung ist eröffnet. Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischen den Fraktionen ist verabredet, die heutige Tagesordnung mit einer Regierungserklärung des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Sicherheit im Luftverkehr zu beginnen. Außerdem soll unmittelbar im Anschluss an die Befragung der Bundesregierung eine von der Fraktion der SPD verlangte Aktuelle Stunde zum Thema Steuern durchgeführt werden. Die Fragestunde erfolgt danach. - Sie sind offensichtlich mit diesen Ergänzungen einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Sicherheit im Luftverkehr Das Wort erhält Herr Bundesminister Ramsauer. Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gute Nachricht von heute vorneweg: Die Vulkanasche im deutschen Luftraum hat sich so stark verflüchtigt, dass der normale Flugbetrieb in Deutschland wieder aufgenommen werden konnte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das entbindet uns aber nicht davon, flugverkehrliche Vorkehrungen für das Phänomen der Vulkanasche zu treffen. Denn klar ist: Sicherheit steht weiter an allererster Stelle. Die gigantische Aschewolke, die nach dem Vulkan-ausbruch auf Island am Mittwoch letzter Woche entstanden ist, stellt für den gesamten europäischen Luftverkehr ein historisch erstmaliges Phänomen und damit auch eine erstmalige Herausforderung dar. Es war deshalb absolut richtig und - ich betone das - alternativlos, bei Vorliegen erster Erkenntnisse unverzüglich Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen und am Donnerstag der vergangenen Woche erhebliche Einschränkungen des Flugverkehrs vorzunehmen. (Thomas Oppermann [SPD]: Und einen Krisenstab einzurichten! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Abwarten!) - Geduld! Die von der Bundesregierung in engem Zusammenwirken mit den europäischen Nachbarländern sowie den zuständigen Luftsicherheitsbehörden getroffenen Entscheidungen basieren auf zwei fundamentalen Grundlagen: Erstens. Im Flugverkehr kann die oberste Priorität nur größtmögliche Sicherheit sein: (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sicherheit für die Passagiere, Sicherheit für die Besatzungen, Sicherheit für die Menschen auch am Boden. Dies gilt für den Donnerstag der letzten Woche, und dies gilt bis heute; es wird auch in Zukunft zu gelten haben. Die zweite Grundlage bildet das unbestrittene und glasklare internationale Regelwerk, das von allen Verantwortlichen einzuhalten ist. Ich selber habe nach Bekanntwerden der ersten Warnungen vor den tückischen Vulkanstaubpartikeln nach Rücksprache mit den Experten meines Ministeriums unmittelbar einen zentralen Krisenstab bei der Deutschen Flugsicherung aktiviert. (Thomas Oppermann [SPD]: Einen dezentralen Krisenstab!) Die ersten Warnmeldungen erreichten mich am Donnerstag gegen Mittag zum Ende der Länderverkehrsministerkonferenz in Bremen. Der zentrale Krisenstab bei der Deutschen Flugsicherung in Langen nahm kurz darauf seine Arbeit auf. Die Einrichtung des Krisenstabs unter der Federführung meines Hauses bei den anerkannten Experten vor Ort war und bleibt die richtige Entscheidung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In die Arbeit des Krisenstabes wurden - ich möchte das deutlich machen - der Deutsche Wetterdienst, das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, die in Maastricht ansässige europäische Luftraumbehörde Eurocontrol institutionell eingebunden sowie konsultativ die Luftverkehrsgesellschaften. Uns ging es nicht darum, ein völlig neues Gremium zu schaffen, sondern uns ging es darum, schnell und pragmatisch auf den bewährten Sachverstand der Experten und die nur vor Ort ansässigen technischen Einrichtungen setzen zu können. Am vergangenen Wochenende und auch am Montag erfolgte meinerseits eine enge Abstimmung mit allen nationalen politischen Akteuren. Nach meinem Selbstverständnis gebietet ein derartig sicherheitsrelevantes Thema, keinerlei unterschiedliche Kommunikation zwischen den Regierungsparteien und -fraktionen einerseits und der Opposition andererseits zu betreiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Denn dieses Thema eignet sich nicht für parteipolitische Profilierungen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich habe unter anderem Gespräche mit den verkehrspolitischen Sprechern aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien geführt, selbstverständlich unter Teilnahme des Vorsitzenden des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Konsultiert wurden zudem die verantwortlichen Länderverkehrsminister. In all diesen Gesprächen herrschte völlige Einmütigkeit über die Notwendigkeit der ergriffenen Maßnahmen. Ich bin außerordentlich dankbar, dass dies von den Beteiligten in aller Einmütigkeit nach außen betont und unterstrichen worden ist. Gleiches gilt als Fazit der gestrigen Sondersitzung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages. Wir alle sind uns einig, dass angesichts der historisch einzigartigen Herausforderungen alle zu ergreifenden Maßnahmen unter dem Gebot einer Strategie bestmöglich fundierter Sicherheit stehen müssen. Parallel zu den nationalen Abstimmungen stehen sowohl ich persönlich als auch die Fachleute meines Hauses in ständigem bilateralen und multilateralen Kontakt zu den europäischen Verkehrsministerkollegen, ebenso zum verantwortlichen EU-Verkehrskommissar, Siim Kallas, sowie zur spanischen EU-Ratspräsidentschaft und meinem spanischen Kollegen. Am Montag haben wir im Rahmen einer EU-Sonderkonferenz der Verkehrsminister per Videoschaltung über konkrete Wege hin zu einer verantwortbaren Schritt-für-Schritt-Rückkehr zur Aufnahme eines geordneten und normalen Flugbetriebs beraten. Dies alles geschah unter der Prämisse größtmöglicher Sicherheit. Alle diese Abstimmungsprozesse betreffen aber - das sei betont - zunächst einmal die rein luftverkehrlichen Fragen. Darüber hinaus unternimmt und unternahm die Bundesregierung intensive Anstrengungen, denen zu helfen, die von den Flugausfällen betroffen sind. Dazu leistet mein Haus im Zusammenwirken mit dem Bundeskanzleramt umfassende Koordinierungsarbeit mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesinnenministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium. Wichtige Hilfestellungen richten sich an diejenigen Passagiere, die etwa ohne erforderliche Visa bei Zwischenlandungen auf Flughäfen festsitzen, oder besonders dringende Fälle von im Ausland gestrandeten deutschen Flugpassagieren. Gleiches gilt etwa auch bei Krankentransporten sowie Organtransporten für lebensrettende Transplantationen. Bei der Bewältigung der krisenhaften Folgen des Vulkanausbruchs für die Luftfahrt im wohl am stärksten in Anspruch genommenen Luftraum der Welt betreten alle Beteiligten Neuland. Dies gilt für die Luftsicherheitsbehörden und für die Wissenschaftler ebenso wie für die politisch Verantwortlichen. Dies gilt national wie auch international. Sicherheit und die Befolgung klarer internationaler Regeln müssen oberstes Gebot sein. Wir halten uns bei allen ergriffenen Maßnahmen deshalb an die Vorgaben der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO, solange es keine besseren Regelungen gibt. Das internationale Regelwerk untersagt reine Instrumentenflüge in mit Vulkanasche kontaminierten Lufträumen. Möglich und vom internationalen Recht gedeckt sind jedoch begründete Ausnahmen. Wir haben Flüge im Einklang mit diesem Regelwerk geduldet, die nach den Kriterien des kontrollierten Sichtfluges durchgeführt wurden, selbstverständlich unter bestmöglicher Nutzung der zur Verfügung stehenden Instrumente und selbstverständlich unter Wahrung der gebotenen Sicherheit. Kontrollierte Sichtflüge setzen gute Sichtverhältnisse sowie eine geringe Inanspruchnahme durch die Fluggesellschaften voraus. Bereits am Samstag erfolgte auf diese Weise eine Reihe von Überführungsflügen unter anderem deutscher Fluglinien, um die Flugzeuge für den Normalbetrieb an ihren Bedarfsstandorten positioniert zu haben. Diese Flüge erfolgten ohne Passagiere und lieferten uns in Absprache mit den Luftsicherheitsinstitutionen wertvolle Erkenntnisse. Am Montag folgten erste Passagierflüge unter den Bedingungen des eben beschriebenen kontrollierten Sichtfluges. Das war vor allem im Interesse der gestrandeten Urlauber, die seit Tagen im Ausland auf Flughäfen festsitzen und nun zurück nach Deutschland reisen können. Wir alle müssen hierzu aber eines wissen: Ein regulärer Flugplan ist unter Sichtflugbedingungen im dicht belasteten europäischen und besonders im deutschen Luftraum nicht möglich. Um nun schrittweise zu einem regulären Flugbetrieb unter Wahrung größtmöglicher Sicherheit zurückzukehren, sind vor allem zwei Voraussetzungen zu erfüllen: erstens genaue Kenntnisse über die örtliche Verbreitung der Vulkanasche in der Atmosphäre und zweitens genaue Kenntnisse über die Auswirkungen von Vulkanasche auf die Triebwerke der Flugzeuge. Wir brauchen verlässliche Aussagen. Deshalb haben wir im Zusammenwirken mit den wissenschaftlichen Fachdiensten alle Möglichkeiten mobilisiert, um zu möglichst vielen aktuellen und vor allem zu belastbaren Messdaten zu kommen. Von zentraler Bedeutung sind die Erkundungen und Messungen des Forschungsflugzeugs des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Die Maschine, die "Falcon", wie sie immer bezeichnet wird, ist auch im europäischen Kontext eines der wenigen technischen Geräte zur flugzeugbasierten Atmosphärenforschung. Dies zeigt, dass unser Land auf diesem Gebiet technisch gut aufgestellt ist. In den vergangenen Tagen haben alle Beteiligten, insbesondere die Mitarbeiter der Flugsicherung, die Meteorologen, die Triebwerksingenieure, die Piloten und die staatlichen Stellen, erhebliche empirische Erfahrungen gewonnen. Der Zugewinn an Erkenntnissen ist beträchtlich: Erstens. Die Ergebnisse zahlreicher Erdbeobachtungsstellen liegen vor. Zweitens. Inzwischen haben Hunderte von Flugbewegungen mit anschließender Auswertung in Deutschland und Europa stattgefunden. Drittens liegt die Auswertung der mit dem DLR-Forschungsflugzeug erhobenen Daten vor. An der Maschine ist allerdings ein im Flugalltag gängiger mechanischer Schaden aufgetreten. Nach seiner Behebung wird sie ihre wertvolle Arbeit wieder aufnehmen. Die aus den verschiedenen Quellen gewonnenen Erkenntnisse sind analysiert und systematisiert worden. Die international gültigen ICAO-Regeln können auf Basis dieser wertvollen Erfahrungen weiterentwickelt werden. Ich bin überzeugt, dass wir damit unter schwierigen Bedingungen einen wichtigen Beitrag zur internationalen Flugsicherheit leisten. Vorsorge treffen und ein umfassendes Maßnahmenbündel für die Zukunft schnüren, das muss jetzt unmittelbar folgen. Bis wissenschaftlich gesicherte und verifizierte Daten vorliegen, und zwar erstens für die Verbesserung von meteorologischen Verfahren zur Bestimmung von Flugasche und zweitens für die Herausbildung von Standards für technische Analysen zur Wirkung von Vulkanasche auf Triebwerke, wird noch etwas Zeit vergehen. Wir arbeiten auf europäischer und internationaler Ebene mit Hochdruck zusammen, um hierbei möglichst schnell Fortschritte zu erzielen. Damit kann auch der Beschluss der EU-Verkehrsminister auf der Konferenz am 19. April 2010 umgesetzt werden. Kurzfristig und als Zwischenschritt brauchen wir allerdings ein Maßnahmenbündel, um einen annähernd regulären Flugbetrieb bei in der Atmosphäre gegebenenfalls wieder auftretender Vulkanasche zu ermöglichen. Dazu habe ich Folgendes bereits veranlasst: erstens die Einrichtung eines Meldezentrums beim Luftfahrtbundesamt; es geht um die Meldung von Vorkommnissen bei Flugzeugen, insbesondere bei Triebwerken, die durch Vulkanasche verursacht wurden oder verursacht worden sein könnten; zweitens eine Meldepflicht für alle Fluggesellschaften; drittens die Meldung besonderer Vorkommnisse während des Fluges, die durch Vulkanasche verursacht worden sein könnten, an die Flugsicherung; viertens die Verpflichtung für die Luftfahrtunternehmen, ihre eigenen Risikobewertungen fortzusetzen und dauerhaft zu aktualisieren; fünftens die Verkürzung der Inspektions- und Wartungsintervalle bei allen Flugzeugen. Mit diesen Maßnahmen besteht die verantwortbare Chance auf eine geordnete Rückkehr zum normalen Flugbetrieb. Ein reibungsloser Flugverkehr ist für unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch für unsere gesamte Volkswirtschaft inmitten einer globalisierten Welt dauerhaft von erheblicher Bedeutung. Ich möchte mich bei allen ganz herzlich für die konstruktive Begleitung und Unterstützung in diesen schwierigen Tagen bedanken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Zwischen den Fraktionen ist verabredet, zu dieser Regierungserklärung eine Stunde zu debattieren. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich gebe das Wort dem Kollegen Florian Pronold für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Florian Pronold (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister, Sie haben recht: Erstens. Wir stehen vor einer außergewöhnlichen Situation. Zweitens. In einer solchen Situation haben die Sicherheit des Flugverkehrs und die Sicherheit der Menschen in den Flugzeugen und auf dem Boden absolute Priorität. Das wird vom ganzen Haus ungeteilt vertreten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In einer solchen Situation sieht professionelles Krisenmanagement aber anders aus. Seit Montag dieser Woche stellt sich eine Frage. Es gibt Ausnahmegenehmigungen für Sichtflüge von großen Passagiermaschinen. Wir haben in der gestrigen Sondersitzung des Ausschusses erfahren, dass diese Sichtflüge dem internationalen Regelwerk entsprechen. Wir haben auch erfahren, dass es einer Ausnahmegenehmigung bedarf, wenn große Passagiermaschinen einen Sichtflug machen wollen. Wir haben ebenfalls erfahren, dass die Verantwortung dann auf den Piloten übergeht, der diesen Sichtflug durchführt. Jetzt wissen wir, dass sich die Partikelbelastung durch die Vulkanasche nicht als Wolke über Deutschland darstellt, die man umfliegen kann oder die man sieht, sondern dass diese Partikelbelastung in unterschiedlichen Sphären und an unterschiedlichen Orten in unterschiedlicher Konzentration vorliegt. Wir haben auch erfahren, dass noch nicht geklärt ist, ab welcher Konzentration eine Gefährdung für die Technik der Flugzeuge besteht. Jetzt lauten die spannenden Fragen, die man beantworten muss und die die Menschen interessieren: Warum wird, wenn Sicherheit Priorität hat, eine Ausnahmegenehmigung erteilt, bevor das Flugzeug gestartet ist, das die Belastung messen soll? Welche Grundlagen liegen auf europäischer Ebene vor, um zu sagen: "Die Sicherheit des Luftraums ist gegeben oder nicht"? Die Pilotenvereinigung Cockpit hat zu Recht gefragt - diese Frage wurde bislang nicht beantwortet -: Wann ist der Luftraum sicher? Für die Maschine macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen Sichtflug oder einen Instrumentenflug handelt; denn in beiden Fällen ist die Gefährdungslage durch die Partikel gleich groß. Diese ist bis heute nicht geklärt. (Beifall bei der SPD) Sie waren am Anfang der Woche stolz darauf, eine zentrale Rolle in der europäischen Koordinierung zu spielen. Jetzt stellt sich die Frage: Warum wird in Europa bezüglich der Freigabe des Luftraums und der Sicherheit unterschiedlich entschieden? Der Luftraum erstreckt sich nicht nur über Deutschland, sondern über ganz Europa. Deswegen muss es ein zentrales Anliegen sein - dies dient der Sicherheit -, dass europäisch einheitlich entschieden wird. Dies findet aber nicht statt. Das führt zu zusätzlicher Verunsicherung. Die nächste Frage - diese haben wir am Freitag letzter Woche aufgeworfen - bezieht sich auf die Passagiere: Was ist mit den Nachtflugverboten? Können wir, sobald Sicherheit besteht, das Nachtflugverbot vorübergehend aufheben, um sensible Güter zu transportieren und wartende Passagiere schneller zurückzuholen? Die Antwort des Ministeriums einen Tag später lautete: Das fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Ist es ja auch!) Ein Verkehrsminister, der ein zentrales Krisenmanagement betreiben will, hätte doch sagen können: Ich habe mit meinen Kollegen gesprochen. Sobald Sicherheit besteht, werden wir alles tun und auch das Nachtflugverbot vorübergehend aufheben. - Fehlanzeige! (Beifall bei der SPD) Bis Sonntag hat sich der Minister nicht zentral darum gekümmert; er hat delegiert. Dann wurde versucht, hier den starken Max zu markieren. Was ist passiert? Ein Beispiel für die angeblich gute Koordinierung in dieser Regierung ist Folgendes: Herr Brüderle hat sich am Montag zu Wort gemeldet und erklärt, er richte jetzt zusammen mit dem BDI eine Taskforce ein, um alle Fragen der Krisenbewältigung zu koordinieren. Er hat den großen Airlines Hilfen in Aussicht gestellt. (Thomas Oppermann [SPD]: Ja, Subventionen!) Ein paar Tage später ist er zurückgerudert. (Thomas Oppermann [SPD]: Ja!) Die Frage, wie es um Hilfen für Passagiere und andere Personen bestellt ist, die irgendwo auf einem Flughafen gestrandet sind und nicht wissen, wie es weitergeht, hat niemand im Rahmen des zentralen Krisenmanagements gestellt. Deswegen verwundert es nicht, dass selbst aus den Reihen der Union - ich denke beispielsweise an den Kollegen Lämmel - und auch vonseiten der FDP Kritik am Krisenmanagement laut geworden ist. Herr Minister, ich finde, daraus müssen Sie für die Zukunft lernen. Die Art und Weise, wie Sie mit dieser Krise umgegangen sind, ist kein Grund, sich selbst einen Lorbeerkranz aufzusetzen. Sie sollten sich lieber ein bisschen Asche, vielleicht auch Vulkanasche, auf Ihr Haupt streuen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Torsten Staffeldt hat das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Torsten Staffeldt (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Luftverkehr ist wieder freigegeben. Dazu kann man nur sagen: glücklicherweise. Aber die entscheidende Frage lautet: Wie lange? Denn das Problem ist noch nicht ausgestanden. Sie sehen mich, ich sehe Sie, und das, obwohl auch hier Staub in der Luft ist, glücklicherweise aber keine Asche, erst recht nicht auf unseren Häuptern oder auf dem Haupt des Bundesverkehrsministers. (Thomas Oppermann [SPD]: Der war heute auch kein Vulkan!) So ist es auch mit der Staubwolke des Eyjafjallajökull. (Zurufe von der FDP: Oh! Sehr gut!) - Ja, das habe ich auswendig gelernt. - (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Man sieht die Asche nicht unbedingt. Aber sie ist gefährlich, und zwar für den Luftverkehr und somit für ein empfindliches Transportsystem. Ich selber bin Privatpilot. Daher kann ich vielleicht ein wenig zur Versachlichung der Debatte beitragen. In meiner Ausbildung und der fliegerischen Praxis habe ich gelernt, Verantwortung zu übernehmen: für meine Passagiere, das Flugzeug und mich selber. Dazu gehört beispielsweise, dass ich vor Antritt eines Fluges die Wetterbedingungen ermittle: Ist am Start- und am Zielflughafen alles okay, sodass ich heil herunterkomme? Gibt es während des Fluges Gebiete mit Gewitterfronten und Wolkendecken, in denen ich nicht fliegen darf? Ich habe gelernt, dass diese sogenannte Flugvorbereitung auch dazu führen kann, dass wichtige Flüge nicht begonnen werden. Es ist aber die Verantwortung jedes Piloten, dies abzuwägen und zu entscheiden. Das gilt im Übrigen auch für die Vereinigung Cockpit. Die Piloten sind grundsätzlich für die Flüge verantwortlich. Diese Verantwortung lässt sich nicht delegieren, weder an die Deutsche Flugsicherung noch an den Bundesverkehrsminister. (Daniela Raab [CDU/CSU]: So ist es!) Wir sind durch den Vulkanausbruch in der misslichen Lage, dass verantwortungsvolles Handeln zu dramatischen Einschränkungen des Luftverkehrs führte. Diese Situation hatten wir in Europa noch nicht; sie ist neu. Die Regeln der internationalen Luftverkehrsbehörde, der ICAO, schreiben vor, dass in vulkanischen Aschewolken nicht geflogen werden darf. Im Gegensatz zur Opposition hat die ICAO Erfahrungen aus Weltgebieten mit aktiven Vulkanen. (Beifall bei der FDP) Instrumentenflug bedeutet, dass der verantwortliche Pilot ohne Sicht nach außen fliegen darf, zum Beispiel durch Wolken. Aus eigener fliegerischer Erfahrung weiß ich, dass der Einflug in Wolken mit dem völligen Verlust der Orientierung verbunden sein kann. Daher fliegen die Airlines nach Instrumenten. Diese geben dem Piloten über den künstlichen Horizont, den Kompass, die Steig- und Sinkraten des Flugzeuges sowie GPS ein Bild der Umgebung. Daneben wird er im kontrollierten Luftraum durch die Deutsche Flugsicherung oder Eurocontrol über Funk unterstützt. Das entscheidende Wort ist "unterstützt", nicht "geführt". Noch einmal: Die Verantwortung an Bord hat der Flugkapitän. Durch wässrige Wolken zu fliegen, ist für einen Piloten mit Instrumentenflugausbildung kein Problem. Das Fliegen durch vulkanische Wolken ist allerdings verboten. Leider sieht man den Wolken nicht unbedingt an, ob sie Regenwolken sind oder einen anderen Ursprung haben. Regentropfen bilden sich an sogenannten Kondensationskeimen, kleinen Staubbestandteilen in der Luft, an denen der Wasserdampf kondensiert. Genau der gleiche Effekt tritt übrigens ein, wenn es auf Ihr frisch gewaschenes Auto geregnet hat. Nachdem das Auto wieder getrocknet ist, werden Sie eine Staubschicht darauf finden. Aus der Atmosphäre werden die Staubbestandteile ausgewaschen. Also brauchen wir Regen - den wir jetzt teilweise schon bekommen haben -, um den Vulkanstaub aus der Atmosphäre zu entfernen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wollen Sie Bundesverkehrsminister Ramsauer für fehlenden Regen verantwortlich machen? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Nein, die Entscheidung des Ministers und der Behörden, kontrollierte Flüge unter Sichtbedingungen zuzulassen, war die einzig mögliche vernünftige Entscheidung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) So wird nämlich verhindert, dass Piloten in Wolken einfliegen, deren Ursprung sie nicht kennen können. Die Entscheidung, Instrumentenflüge jetzt wieder zuzulassen, erfolgte verantwortungsvoll und unter Kenntnis der sich täglich erweiternden Fakten. Nach dem Messflug der DLR und dem Durchzug der Aschefront im Norden wurden peu à peu die Flughäfen wieder freigegeben. Das ist das Gegenteil von Missmanagement. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Florian Pronold [SPD]: Was ist mit den anderen europäischen Staaten?) Dass wir nun wieder Freigaben haben, bedeutet noch nicht, dass "business as usual" gilt. Jetzt sitzen noch Tausende von Passagieren in Wartehallen fest und warten darauf, dass sie nach Hause kommen. Hier muss geholfen werden. Die Fernverkehre der Bahn wie auch der Busunternehmen laufen auf Hochtouren. Es wird aber dauern, die Odyssee dieser Flugreisenden zu beenden. Daher muss auch die zeitlich befristete Aufhebung der Nachtlandeverbote möglich sein. Dies richtet sich ganz klar an die Länderbehörden, die dafür zuständig sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Der Eyjafjallajökull zeigt uns die Grenzen unserer technischen und zivilisatorischen Errungenschaften auf. Dies sollten wir ernst nehmen. Wir haben nämlich die Verantwortung für unser Land, für den Verkehr und für die Bürgerinnen und Bürger. Es ist gut, dass sofort nach Beginn der Probleme ein Krisenstab in der Zentrale der Deutschen Flugsicherung eingesetzt wurde. Es ist beeindruckend, wenn 70 Inge-nieure beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Nachtschichten und am Wochenende ein Forschungsflugzeug ausrüsten, um möglichst schnell belastbare Informationen über die Aschewolke zu erhalten. Es ist schnell, wenn das Luftfahrt-Bundesamt beantragenden Airlines innerhalb von zwei Stunden Genehmigungen erteilt, damit diese ihre Flugzeuge unter kontrollierten Sichtflugbedingungen betreiben können. Es ist richtig, wenn nach fachlicher Einschätzung Teile des deutschen Luftraums wieder für den kontrollierten Sichtflug und jetzt für den Instrumentenflug freigegeben werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, das ist verantwortungsvolle Politik. Es wurde und wird sowohl fachlich als auch politisch alles richtig gemacht. Verantwortungslos nenne ich den Versuch der Opposition, die Vorgehensweise des Ministeriums politisch zu instrumentalisieren, und das auf dem Rücken Tausender gestrandeter Passagiere. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Uwe Beckmeyer [SPD]: Wie bitte?) Daher gilt mein ausdrücklicher Dank Minister Ramsauer und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Flugsicherung, des Deutschen Wetterdienstes sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und den vielen Piloten, die in schwieriger Situation ihrer Verantwortung gerecht werden. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, das war Ihre erste Rede hier im Hause. Für die fehlerfreie Aussprache außerordentlich schwieriger Wörter (Heiterkeit) und den Humor mussten wir Ihnen diesmal einfach etwas mehr Redezeit zugestehen. Das geht beim nächsten Mal nicht mehr. Alles Gute für Ihre Arbeit hier! (Beifall) Der Kollege Herbert Behrens hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE. (Beifall bei der LINKEN) Herbert Behrens (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, zwar konnte auf Grundlage einer Untersuchung durch die Maschine vom Typ Falcon, die Sie schon erwähnt haben und die zurzeit aufgrund eines technisches Mangels nicht starten kann, der Flugverkehr wieder aufgenommen werden, denn die Ergebnisse der Auswertung am gestrigen Abend haben gezeigt, dass es möglich ist, den Flugverkehr wieder aufzunehmen, ohne eine extreme Gefährdung von Maschinen und Passagieren zu riskieren; jedoch wurden die Fluggenehmigungen erteilt nicht nachdem, sondern bevor dies feststand. Noch am Donnerstag und am Freitag der vergangenen Woche hat es eine durchaus einheitliche Beurteilung des Hauses gegeben: Wegen der schwierigen Gefährdungsanalyse wollte man auf der sicheren Seite sein und entschied sich, den Luftraum nicht freizugeben. Diese Maßnahme war richtig. Gleichwohl haben vorgestern und gestern auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen, die das Luftfahrt-Bundesamt erteilt hat, erste Flüge mit Passagieren an Bord stattgefunden. Es hat keine Zwischenfälle gegeben - das ist gut so -, obwohl vollbesetzte Flugzeuge unterwegs gewesen sind. Die Regulierung war höchst merkwürdig - wir haben es gestern gehört -: Herrschte klare Sicht, war Sichtflug möglich, durften Passagiere an Bord genommen werden. War Sichtflug wegen Wolkenbildung nicht möglich, durften keine Flüge durchgeführt werden. Wir wissen von den Fachleuten, dass bei Vulkanasche nicht von Wolken gesprochen werden kann, sondern eher von kontaminiertem Luftraum gesprochen werden muss. Diese "Wolken" kann man nicht sehen. Das macht es für den Flugkapitän schwierig, zu entscheiden: Gehe ich rauf oder nicht? Sie sagen, die Flugkapitäne sind sehr verantwortungsbewusste Menschen, denen in jedem Fall - nicht nur in dieser Situation - bewusst ist, dass sie für die Sicherheit ihrer Fluggäste verantwortlich sind. Man muss aber auch sehen, dass den Fluggesellschaften pro Tag, an dem nicht geflogen werden darf, Verluste von 150 Millionen Euro entstehen. Daran wird deutlich, wie schwierig die Situation ist, wenn die Flugkapitäne vor der Entscheidung stehen: Starten wir oder starten wir nicht? Diese schwierige Situation hat dazu geführt, dass auch das Ministerium in dieser Situation nicht mehr souverän gehandelt hat. Andere nennen es Kritik am Krisenmanagement. Ich sage: Es hat etwas von Herumeierei, wenn Sie an der einen Stelle sagen: "Der Luftraum ist nicht sauber und deshalb nicht unbedingt sicher", an anderer Stelle hingegen feststellen: "Es geht in Ordnung, es darf geflogen werden", der Deutschen Flugsicherung aber keine Möglichkeit geben, zu sagen: "Der Luftraum wird nicht freigegeben." Die Teilaufhebung der Sperrung des Luftraums war voller Widersprüche: Instrumentenflüge waren untersagt, Sichtflüge aber erlaubt, und das bei der gleichen Vulkanaschekonzentration in der Luft. Es ist für die Fluggäste, die davon betroffen gewesen sind, nicht nachzuvollziehen, wie diese Entscheidungen zustande gekommen sind. Das ist, was andere mit Fehlern im Krisenmanagement gemeint haben. Ich sage: Das ist keine eindeutige Positionierung. So etwas trägt dazu bei, dass bei den Passagieren große Verunsicherung herrscht. Wir nennen diese Haltung Herumeierei. (Beifall bei der LINKEN - Zustimmung der Abg. Ulrike Gottschalck [SPD]) Es geht allein um die Zuständigkeiten und die Frage, wer später was zu verantworten hat. Wenn die Deutsche Flugsicherung sagt: "Sichtflug ist erlaubt, Instrumentenflug aber nicht", dann heißt das, dass sie nicht garantieren kann, dass es sicher ist, zu fliegen. Der Grund, dass der Sichtflug erlaubt ist, liegt darin, dass die Verantwortung allein beim Piloten liegt. Es gibt hier eine Regelungslücke. Wenn wir nicht wissen, ob der Luftraum sicher ist, dann müssen wir entsprechend entscheiden und feststellen, dass er nicht sicher ist, unabhängig davon, ob Vulkanaschepartikel am Himmel sind oder nicht. Der Luftraum muss sicher sein. Sonst können wir nicht erlauben, dass die Piloten ihre Maschinen starten. Es gibt für Sichtflüge die etwas realitätsferne Startauf-lage, dass nicht nur am Abflugsort und während des Flugverlaufs, sondern auch am Ankunftsort klare Sicht herrschen muss. Aber Wetter kann sich ja bekanntlich ändern! Ist nicht sichergestellt, dass am Landeort keine Wolke am Himmel ist, muss der Kapitän einen Ausweichflughafen suchen. An dieser Stelle sehen wir Änderungsbedarf. In der gestrigen Sondersitzung wurde salopp gesagt, bei Glatteis auf der Autobahn müsse jeder Fahrer selbst entscheiden, ob und wie schnell er fahre, und so müsse auch der Pilot abwägen, wie er seiner Verantwortung gerecht werden könne. Ich denke, in Bezug auf den Luftraum darf man das nicht so salopp sehen; beim Luftverkehr muss absolute Sicherheit gewährleistet sein. Daran müssen sich die Empfehlungen des Bundesverkehrsministers orientieren. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Es darf nicht sein, dass allein die Haftungsgründe, die ich erwähnt habe, als Entscheidungsgrundlage für den Start von Flugzeugen dienen. Wir wollen hier eine Änderung erreichen, um den Piloten Rechtssicherheit zu ermöglichen und damit die erwähnten Belastungen der Piloten zu minimieren. Ich habe kein Verständnis dafür, dass Flughafengesellschaften jetzt einen Ausgleich ihrer finanziellen Schäden fordern und hiermit bei Teilen der Bundesregierung zunächst auf offene Ohren stoßen. Wenn die Fluggesellschaften meinen, dass sie einen Anspruch auf Entschädigung haben, weil es schlechtes Wetter oder schwierige Situationen gegeben hat, stellen sie das, was beispielsweise für die Fluggäste geregelt ist, auf den Kopf. Bei den Fluggastrechten ist das nämlich nicht so geregelt. Bei höherer Gewalt bekommen sie eben keinen Ausgleich. Insofern ist es absurd, dass die wirtschaftlich mächtigen Fluggesellschaften an dieser Stelle zunächst auf offene Ohren des Wirtschaftsministers stoßen. Das ist nicht nachvollziehbar und findet auch nicht unsere Zustimmung. (Beifall bei der LINKEN) Wie gesagt: Anfangs gab es eine Übereinstimmung in der Einschätzung der Situation. Dies galt aber nur hinsichtlich des Punkts, dass die Sicherheit an erster Stelle steht, was dazu geführt hat, dass Lufträume nicht freigegeben worden sind. Was danach kam, ist nicht nachzuvollziehen. Ich glaube, das hatte auch nichts mit einem kontrollierten Sichtflug der Bundesregierung, sondern eher mit einem unkontrollierten Blindflug zu tun. Insofern muss hier dringend nachgearbeitet werden, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dirk Fischer für die CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was derzeit im europäischen Luftraum passiert, haben selbst erfahrene Verkehrspolitiker wie ich noch nicht erlebt. Seit letzter Woche werden Tausende Flugzeuge in Europa durch eine Aschewolke am Boden gehalten, Hunderttausende Fluggäste konnten nicht reisen, und auf den Flughäfen und Bahnhöfen herrschten teilweise chaotische Zustände. Die Natur hat uns wieder einmal gezeigt, wie abhängig der Mensch in Wahrheit von ihr ist. Auf Island bricht ein Vulkan aus, und schon kommt unsere perfekt organisierte und vernetzte Reise- und Geschäftswelt ins Trudeln. Der Grund: Durch die feine Vulkanasche, die vom Boden mit bloßem Auge nicht erkennbar ist, können die Triebwerke von Flugzeugen beschädigt werden. Dass die Vulkanasche da ist, auch wenn der Himmel sonnenklar ist, steht fest. Das wurde durch den Flug eines NATO-Kampfjets gezeigt, der mit Glaspartikeln im Triebwerk landete, die aus Vulkanasche herrührten. Durch Messungen, beispielsweise der Technischen Hochschule Zürich und des Testflugzeuges des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, wurde die Existenz der gefährlichen Vulkanasche ebenfalls nachgewiesen. Die vom Bundesverkehrsministerium in enger Absprache mit der Deutschen Flugsicherung getroffene Entscheidung, den Luftverkehr in Deutschland nahezu auf Null zu steuern, war daher unvermeidlich; denn solange nicht auszuschließen ist, dass eine Gefahr für den Luftverkehr und damit eine Gefahr für Menschen besteht, darf gar nicht anders entschieden werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Sicherheit der Besatzungen, der Fluggäste und der Menschen am Boden muss immer Vorrang haben. Der Bundesverkehrsminister steht immer in voller persönlicher Verantwortung und hat deswegen unsere uneingeschränkte Unterstützung in jeder Situation verdient. Der Minister hat dabei aber nicht die Möglichkeit, so flexibel zu reagieren, wie dies manche Kritiker wünschen, die meinen, die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen seien überzogen. Man stelle sich nur einmal vor, es würde auch nur ein einziges Flugzeug aufgrund dieser Ursache verunglücken! Wie groß würde der Aufschrei sein: Hätte man das nicht verhindern können, sogar müssen? Natürlich gäbe es sofort heftigste Attacken auf den Bundesminister, Rücktrittsforderungen eingeschlossen. Deswegen noch einmal: So schwer die Belastungen der Fluggesellschaften, der Flughäfen und der Fluggäste auch sein mögen: Größtmögliche Sicherheit darf niemals vernachlässigt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch eine Bemerkung zum Krisenmanagement und zu den Behauptungen, die zum Teil nachweislich falsch sind. Denn trotz weniger Erfahrungswerte mit einem Vulkanausbruch dieses Ausmaßes hat das Krisenmanagement vorbildlich funktioniert. (Beifall bei der CDU/CSU) Internationale Vorschriften und Vorgaben wurden in jeder Situation strikt eingehalten. Die Krisenstäbe des Bundesministeriums, der Flugsicherung und des Wetterdienstes arbeiten eng und erfolgreich zusammen. Der Bundesminister koordiniert die Arbeit der Krisenstäbe und steht in enger Abstimmung mit den anderen europäischen Ministerien, der EU-Kommission und Eurocontrol. Selbstverständlich sind auch die verantwortlichen Behörden der Bundesländer stets eingebunden gewesen. Die Bundesregierung war also von Anfang an operativ präsent und umfassend tätig. Nichts wurde versäumt. (Florian Pronold [SPD]: Na ja!) Das spezielle Forschungsflugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt war bereits am Montag einsatzbereit. Das ist sehr bemerkenswert. Das mit Laserradar ausgestattete Flugzeug wurde am Wochenende unter Hochdruck ausgerüstet. Damit hat das technische Personal eine grandiose Leistung vollbracht. Unter Normalbedingungen brauchen sie dafür mehrere Wochen, wie es heißt. Deswegen kann man diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur loben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen ist die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich mit unseren Nachbarstaaten außer Großbritannien das einzige Land, das überhaupt über ein derartiges Flugzeug verfügt. Auch damit haben wir umfassend Vorsorge betrieben. Wir sammeln jetzt Erfahrungen, die uns bei ähnlichen Ereignissen in der Zukunft nützlich sein werden. Daher ist es sehr wichtig, dass wir diese Erfahrungen möglichst gut auswerten und verwerten. Alle Messdaten müssen gesammelt und ausführlich ausgewertet werden. In diesem Zusammenhang auftauchende Fragen müssen angegangen und vor allem auch von der Wissenschaft möglichst bald beantwortet werden. Wichtig sind auch gemeinsame Standards auf europäischer und internationaler Ebene, damit nicht einzelne Länder unterschiedliche Entscheidungen treffen und zur Verwirrung beitragen. Die International Civil Aviation Organization, ICAO, ist gefordert, ihre Regelwerke zu verfeinern. Aber als erster Schritt - das wurde bereits von meinen Vorrednern erwähnt - ist jetzt nach der begrüßenswerten Beendigung der Flugbeschränkungen der Stau an den Flughäfen zu beseitigen und der normale Luftverkehr in Deutschland und Europa schnellstmöglich wiederherzustellen. Dazu ist es sinnvoll, das Nachtflugverbot zumindest einige Tage flexibel zu handhaben, vor allem, um steckengebliebene Fluggäste schnellstmöglich heimzubringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Positiv werte ich daher zum Beispiel die Entscheidung meines Bundeslandes Hamburg, in den nächsten beiden Nächten nach der Freigabe des deutschen Luftraumes Starts und Landungen auf dem Hamburger Flughafen auch zwischen 23 und 6 Uhr zu erlauben. Für diese kurzfristige Maßnahme sollte, wie ich meine, auch das solidarische Verständnis der Flughafenanwohner zu gewinnen sein. Denn es geht um die Menschen, die seit Tagen an ausländischen Standorten festsitzen und nicht heimkommen können. Ich glaube, das sollten wir alle gemeinsam tragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Florian Pronold [SPD]: Also gilt das jetzt für alle Flughäfen?) - Ich hoffe, dass alle Flughäfen und Landesregierungen - die Zuständigkeit liegt bei den Ländern - sinnvolle Entscheidungen treffen. Hier ist nicht der Bundesverkehrsminister gefordert; dafür sind die Landesbehörden zuständig. Ich hoffe, dass die jetzige Wiederfreigabe des uneingeschränkten Luftverkehrs beibehalten werden kann und nicht weitere Naturereignisse erneut zu Maßnahmen zwingen. Dann aber muss aufgearbeitet werden: Wissenschaftliche Erkenntnisse, technische Effekte und Lösungen sowie die Auswirkungen der Krise auf unsere Luftverkehrswirtschaft und unsere Volkswirtschaft insgesamt sind zu untersuchen und zu bewerten, um dann angemessen darauf zu reagieren. Das Thema ist also mit dem heutigen Tage und der begrüßenswerten Entscheidung unseres Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer keineswegs erledigt. Es wird und es muss uns weiterhin beschäftigen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Winfried Hermann hat jetzt das Wort für Bündnis 90/ Die Grünen. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausbruch des Vulkans auf Island und die Verbreitung der Asche über Deutschland und über Europa hat uns überraschend - so muss man schon sagen - gezeigt, dass es noch Vulkane gibt und wir unser globales Wirtschafts-, Transport- und Mobilitätssystem ein Stück weit so organisiert und geplant haben, als gäbe es keine Naturgewalten mehr. Das war für uns, glaube ich, eine schmerzliche Erinnerung, die uns zu denken geben sollte; denn eines darf man nicht vergessen: Wir haben die Natur niemals hundertprozentig im Griff. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Respekt vor der Natur und eine Anerkennung der Grenzen menschlichen Tuns sind angesagt. Es ist heute und auch schon in den letzten Tagen viel über die Frage diskutiert worden, ob das Management in dieser Krise richtig war. Manche haben mich persönlich angesprochen und gefragt: Warum hast du nicht kritisiert, warum hast du den Minister nicht angegriffen, sondern ihn sogar gerettet? (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Florian Pronold [SPD]: Ein grüner Rettungsschirm!) Ich glaube, so weit ging es nicht. Aber ich finde schon, dass Opposition zwar einerseits die Aufgabe der kritischen Begleitung der Regierung hat, andererseits aber dann, wenn es große Krisen wie diese gibt und sachliche Kritik angemessen ist, die allerdings auch fundiert sein muss, gleichsam der Regierung zur Seite stehen kann und in der Sache denken und argumentieren muss. Wenn ein Minister sagt, er orientiere seine Entscheidungen an der Sicherheit als dem obersten Prinzip und wirtschaftliche Interessen hätten nachzustehen, dann hat er den Respekt und die Unterstützung des Parlaments verdient, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) dies umso mehr, als die Flugwirtschaft offenkundig massiven Druck gemacht hat. Zwar reden alle davon, dass Sicherheit das Allerwichtigste sei, aber es wurde auch aus ökonomischen Interessen heraus gefragt: Warum nehmen wir das so scharf, die anderen sind doch auch nicht so scharf? Hier blieb der Minister bei seinem Prinzip, (Florian Pronold [SPD]: Eben gerade nicht!) und deshalb hatte er unsere Unterstützung. Es haben auch andere viel dazu beigetragen, dass wir diese Krise einigermaßen gut durchlaufen konnten. Die Bahn hat nach meiner Auffassung beim Ersatz starke Leistungen gezeigt; auch die Busunternehmen, die die Passagiere von weither geholt haben, haben einen Beitrag dazu geleistet, dass die Menschen nach Hause gekommen sind. Der Deutschen Flugsicherung und dem Krisenstab danke ich ausdrücklich. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, erst einmal einen anderen Krisenstab einzurichten, ist kein kluger Vorschlag. (Florian Pronold [SPD]: Laut Pressemitteilung des Ministers drei!) Wir haben einen permanenten Krisenstab in Langen, der auch solche Krisen bewältigen kann. Aus unserer Sicht war es absolut richtig, auf diese Profis zu setzen. Sie haben richtig gehandelt und den Minister, wie ich finde, richtig beraten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP) Gleichwohl sind auch einige Probleme sichtbar geworden. Ich teile die Ansicht all derer, die gerade angesprochen haben, dass es im Regelwerk der ICAO das riesige Problem - um nicht zu sagen: den riesigen Widerspruch - gibt, dass bei Verunreinigung der Luft durch Vulkanasche auf der einen Seite Instrumentenflüge aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt sind, man auf der anderen Seite aber unter Sichtbedingungen durchfliegen darf. Das ist widersprüchlich, das geht nicht, das halte ich für falsch, das muss korrigiert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Uwe Beckmeyer [SPD]: Und wer hat das entschieden?) - Der Minister hat auf dieser Grundlage gemäß den Regeln entsprechend der Ratschläge der Fachleute entschieden. Ich sage Ihnen aus meiner Perspektive: Im Einzelfall kann ich das nachvollziehen; aber in den letzten Tagen sind zu viele Ausnahmegenehmigungen erteilt worden. Hier hat zu viel Sichtflug stattgefunden. Ich glaube, dass wir auch sehr genau überprüfen müssen, ob es bei diesen vielen Sichtflügen tatsächlich zu gefährlichen Annäherungen gekommen ist, ob es Vorfälle gibt, die gemeldet worden sind. Hier ist kritisch nachzuprüfen, weil es sich um eine riskante Sache gehandelt hat. Das hätte ich so nicht gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Florian Pronold [SPD]: Was bleibt noch von der Rettung des Ministers übrig? Eine kurze Rettung, Herr Kollege Hermann!) Es ist auch sichtbar geworden, dass zum Teil Daten und Messinstrumente fehlen und dass wir nicht die richtigen Kriterien haben, um Entscheidungen zu treffen. Wir haben nicht einmal Grenzwerte für Flugasche in der Luft. Damit komme ich zu den Konsequenzen: Ich glaube, wir sind gut beraten, aus diesem Vorfall, den wir nach meiner Auffassung Gott sei Dank bisher insgesamt glücklich überwunden haben - wir können froh sein, dass es keine Unfälle gab; ein solches Glück hat man vielleicht nicht immer -, einige Konsequenzen zu ziehen. Erstens müssen wir die Forschungs- und Entwicklungsarbeit unterstützen und fördern. Es steht ein Forschungspaket an, das auf der einen Seite aus Vulkanforschung, Atmosphärenforschung sowie Klima- und Wetterforschung besteht und in dessen Rahmen man auf der anderen Seite genauer untersucht, wie sich Vulkanaschenschläge auf Düsenflugzeuge und ihre Triebwerke auswirken. In der Anhörung im Ausschuss ist offenkundig geworden, dass es darüber zu wenige Erkenntnisse gibt. Da müssen wir etwas tun. Zweitens müssen wir die Messsysteme insgesamt verbessern. Ich glaube, man braucht auf europäischer Ebene einige Messflugzeuge - vielleicht eine Flotte -, die ad hoc aufsteigen und solche Messungen vornehmen können. Es war nicht die beste Lösung, dass man einige Tage gebraucht hat, bis ein solches Flugzeug ausgerüstet werden konnte. Wir brauchen drittens und vor allen Dingen widerspruchsfreie Regeln. Ich finde, die ICAO-Regel, die zugelassen hat, dass Sichtflüge unter so widersprüchlichen Bedingungen möglich waren, muss geändert werden. Dazu müssen wir auf internationaler Ebene aktiv werden. Viertens benötigen wir - auch das ist für mich eine wichtige Konsequenz - einen Plan B für mögliche Katastrophen dieser Art. Wir haben quasi keinen Plan für den Fall, dass der Luftverkehr oder der Bahnverkehr ausfällt. Man kann daraus lernen, dass ein Plan B entwickelt werden muss, der vorgibt, wer zuständig ist und wer zum Beispiel die Rückführung von Passagieren, die fernab sind, abwickelt. Das sollte eine Konsequenz sein. Wir müssen fünftens auch über die Verbrauchersituation und die Kundenrechte nachdenken. Es hat sich gezeigt, dass sich manche Regeln an Einzelfällen orientieren und dass es keine flächendeckende Lösung gibt. Auch hier gilt es nachzuarbeiten. Fazit: Wir brauchen eine kritische Evaluation des ganzen Vorgehens, auch unserer Handlungen und unserer Instrumente. Wir müssen dann die Konsequenzen ziehen, und das sollten wir alle zusammen an einem runden Tisch tun. Dann können wir auch Erfolg haben. Ich möchte mich am Ende sehr herzlich beim Minister bedanken, (Florian Pronold [SPD]: Da ist der Rettungsschirm wieder!) und zwar deswegen, weil er den Ausschuss und das Parlament sehr schnell informiert und in Entscheidungen einbezogen hat. Das halte ich unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Zusammenarbeit für vorbildlich. Ich sage das auch deswegen, weil ich lange genug im Parlament bin und weiß, dass nicht alle seine Vorgänger in seinem Haus so kooperativ waren. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP hat der Kollege Patrick Döring das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Patrick Döring (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ist die Debatte eine gute Gelegenheit, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Deutschen Flugsicherung, beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, bei den Airlines und an den Flughäfen sehr herzlich dafür zu danken, dass sie sich so schnell, so flexibel und rund um die Uhr bemüht haben, diese außergewöhnliche Situation in den Griff zu bekommen. Deshalb namens der FDP-Fraktion und, so denke ich, namens des ganzen Hauses herzlichen Dank für diesen hervorragenden Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Kirsten Lühmann [SPD]) Die Erfahrung lehrt - der Kollege Hermann hat es angedeutet -, dass durch diesen Vulkanausbruch eine Herausforderung entstanden ist. Ich jedenfalls - das gebe ich zu - hätte nie geglaubt, dass ein Vulkanausbruch auf Island eine solche Auswirkung auf den Flugverkehr haben kann. Wenn man dann noch weiß, dass die ausgestoßene Menge an Asche etwa einem Zehntel dessen entspricht, was in den 80er-Jahren auf der südlichen Halbkugel bei Vulkanausbrüchen ähnlicher Art emittiert wurde, dann macht das deutlich, wie viel größer die Katastrophe hätte sein können. Gleichwohl spüren wir alle: Die Unsicherheit mit dem Umgang dieser Vulkanaschepartikel in der Luft war besonders groß. Ich bin deshalb besonders ärgerlich über einige Zwischentöne in dieser Debatte, insbesondere aber über die mediale Berichterstattung, was den Bereich Sichtflug angeht. Es war doch richtig, in dem Moment, in dem man wetterbedingt Sichtflugregeln anwenden konnte, die Erfahrungen der Piloten, die die Flugzeuge im Sichtflug durch die auch mit Asche kontaminierte Atmosphäre geflogen haben, in die Entscheidung der DFS einzubinden. Es war doch sinnvoll, Sichtflüge durchzuführen. Ich will deutlich sagen: Sichtflug findet in Deutschland, wenn das Wetter es zulässt, täglich statt. Das ist nichts Außergewöhnliches, und das ist kein, wie ich es lesen musste, juristischer Winkelzug. Sichtflug findet täglich, sicher und weitestgehend unfallfrei statt. Deshalb war es klug und richtig, die außergewöhnliche Hochdrucklage und die Erfahrungen der Piloten im Sichtflug zu nutzen und die Erfahrungen der Piloten mit den Auswirkungen auf die Maschine, auf die Scheiben und auf die Triebwerke in die hervorragende Arbeit des Krisenstabes bei der DFS einzuspeisen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich bin dankbar dafür, dass man mit dem aufwachsenden Erkenntnisgewinn - alle Beteiligten sind von Stunde zu Stunde über die Wirkung von Asche in der Atmosphäre klüger geworden - eine valide Grundlage für die Entscheidung heute Vormittag hatte. Dazu kommt, dass sich die Wetterlage glücklicherweise verändert hat; die Aschekonzentration hat insgesamt abgenommen. Ich stelle fest: Das Bundesministerium, die nachgeordneten Behörden, die beteiligten Unternehmen haben vorbildlich, hervorragend reagiert. Das gilt - das sage ich ausdrücklich - auch für die anderen Verkehrsträger, insbesondere für die Deutsche Bahn und die Flughäfen, die zum Teil wegen besonderer Belastung der Hotelwirtschaft, etwa wenn vor Ort Messen stattfanden, kurzfristig und schnell sichergestellt haben, dass die Menschen unter halbwegs normalen Bedingungen zur Ruhe kommen konnten. Hervorragend war der permanente Informationsfluss an die Fraktionen, an die Entscheider, den der Minister und sein Staatssekretär Jan Mücke sichergestellt haben. Wir waren an dieser Stelle immerzu informiert und hatten nie das Gefühl, es laufe etwas am Parlament vorbei. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Der Kollege Hermann hat eben die Frage "Wie gehen wir mit dem Ausfall eines Verkehrsträgers um?" angesprochen. Ich bin sehr froh, dass wir das Thema Nachtflugverbot behandeln und dass der Koordinator der Bundesregierung für den Güterverkehr, der Kollege Scheuer, mit den Ländern heute darüber spricht, ob sich die Wirkungen auf die Realwirtschaft - einige von Ihnen haben mitbekommen, dass große Automobilwerke derzeit nicht produzieren können, weil bestimmte Teile nicht vorhanden sind - dadurch abmildern lassen, dass wir den Güterverkehr gegebenenfalls bis zur Wiederherstellung des regulären Flugbetriebs von einigen Ausnahmeregelungen, Stichwort "Sonntagsfahrverbot", befreien, damit in Deutschland die Waren, die bisher nicht ausgeliefert werden konnten, schnell verteilt werden können. Es geht darum, dass nicht nur die Großmärkte, sondern auch unsere Industrieproduktion, die unter den jüngsten Geschehnissen gelitten hat, wieder versorgt werden können. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege! Patrick Döring (FDP): Insgesamt ist der Bundesregierung kein Vorwurf zu machen. Ich bedanke mich für das kollegiale Miteinander. Dieser Dank gilt insbesondere dem Ausschussvorsitzenden und dem Ministerium. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat die Kollegin Ulrike Gottschalck für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ulrike Gottschalck (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wahrnehmungen sind offensichtlich sehr unterschiedlich. Als ich den Kollegen Hermann eben gehört habe, habe ich gedacht, er habe vor, eine Antrittsrede als Staatssekretär zu halten. Das war schon ein wenig verwunderlich. Außerdem wurde Herr Döring gelobt. Also, nicht schlecht das Ganze. Wir haben eine andere Wahrnehmung. Ich zitiere die Meldung einer Agentur: "Ramsauer sitzt zwischen allen Stühlen." Mein Mitleid hält sich in Grenzen; denn er hat seine Position durch mangelhaftes Krisenmanagement selber verschuldet. Besser wäre es gewesen, rechtzeitig den Dialog mit allen Beteiligten zu suchen. Ich hätte mir gewünscht, einen Minister zu haben, der mit sicherer Hand durch die Krise führt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich betone, dass wir die Mitarbeiter der Flugsicherheit, der zahlreichen Behörden und Flughäfen ausdrücklich in Schutz nehmen. Wir brauchten aber jemanden, der den Hut aufhat, alles ordentlich bündelt und sagt, wo es langgeht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sicherheit geht vor. Jawohl, Herr Minister, da haben Sie vollkommen recht; da stehen wir an Ihrer Seite. Wir müssen den gestrandeten Passagieren schnell helfen. Auch hier kommt von uns Sozialdemokraten natürlich ein klares Ja. Aber das sind doch alles Selbstverständlichkeiten. Wer in diesem Haus wollte denn etwas dagegen haben? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herr Minister, Sie haben Ihren Ruf als Dampfplauderer wieder einmal bestätigt: markige Worte, wenige Entscheidungen. (Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist doch nur billige Polemik!) - Sie können das alles nachlesen. - Sie legen sich mit den Fluggesellschaften an und unterstellen ihnen, die Sicherheit nicht ernst genug zu nehmen. Sie gehen über die Sicherheitsbedenken der Pilotenvereinigung Cockpit hinweg. Gleichzeitig loben Sie sich ständig selber und bezeichnen sich - das fand ich besonders nett - als konstruktiven Schrittmacher. Um in Ihrer Sprache zu bleiben, Herr Minister: Ich halte das für einen Schmarren, denn die Kritik der Beteiligten ist deutlich. Auch aus den Regierungsfraktionen war durchaus deutliche Kritik zu vernehmen; dort war man nicht so ganz zufrieden. Wir alle sind froh darüber, dass sich der Luftraum nach und nach öffnet und sich die Lage hoffentlich bald wieder normalisiert. Auch meine Fraktion ist dafür, dass wir zum Beispiel bei Nachtflügen großzügig agieren und sagen: Vorübergehend - die Betonung liegt auf "vorübergehend" -, um eben schnell Passagiere zurückzuholen, darf auch ein Nachtflugverbot ausgehebelt werden. Aber immer noch bleiben wesentliche Fragen offen. Ich will nur einige nennen: Auf welcher Grundlage wurde die Entscheidung für Sondergenehmigungen für Sichtflüge großer Maschinen getroffen? Der Kollege Pronold hat das eben schon ausgeführt. Sind solche Sichtflüge nicht zu risikoreich? (Daniela Raab [CDU/CSU]: Da empfiehlt sich das Lesen des Regelwerks!) Immerhin hat Cockpit verlautet: Unverantwortlich. - Das ist schon eine harte Aussage. Darüber kann man nicht so einfach hinweggehen. Das deckt sich auch mit dem, was ich in Gesprächen mit Piloten erfahren habe. Auch sie haben gesagt: "Das ist unverantwortlich" und waren eigentlich sogar geschockt. Wurden juristische Winkelzüge gemacht - Herr Döring hat das eben angesprochen; er hat es kritisiert; das hat nicht irgendwer, sondern auch Cockpit verlau-tet -, (Patrick Döring [FDP]: Das stimmt schlicht nicht! - Daniela Raab [CDU/CSU]: Das ist einfach falsch!) damit die Verantwortung auf die Piloten verlagert wird? Wussten alle Passagiere zu jeder Zeit, zu welchen Bedingungen sie fliegen? Gab es zum Beispiel so etwas wie den Beipackzettel bei Medikamenten? Es bleiben also wesentliche Fragen offen, die wir zu klären haben. Ich hoffe sehr, dass Minister Ramsauer zu seinem Wort steht und einen runden Tisch einrichten wird, an dem mit allen Beteiligten untersucht wird, wie man in Zukunft vorgehen und solche Chaostage nach Möglichkeit verhindern kann. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Liebe Frau Kollegin, das war Ihre erste Rede hier im Haus, zu der wir Ihnen recht herzlich gratulieren. (Beifall) Deswegen hat der Kollege Ströbele auf eine Zwischenfrage verzichtet. Aber das wird sicherlich beim nächsten Mal nachgeholt. Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Peter Wichtel. Peter Wichtel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich möchte zunächst einmal feststellen - das kann man am heutigen Tage gar nicht oft genug wiederholen -, dass von allen Beteiligten und Entscheidungsträgern in dieser Ausnahmesituation einer Naturkatastrophe, des Ausbruchs eines Vulkans in Island, Recht und Ordnung, internationale Vorschriften, europäische Abstimmungsregelungen hundertprozentig eingehalten worden sind. Man muss an dieser Stelle noch einmal hervorheben: Unser Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die Deutsche Flugsicherung, der Deutsche Wetterdienst, die Entscheidungsträger in der EU, die eingebunden waren, aber auch diejenigen, die - wie das Kontrollzentrum in London - Daten zugeliefert haben, haben eindeutig festgestellt, dass der Luftverkehr gefährdet sein könnte. Deswegen ist der Luftverkehr eingestellt worden. Das ist richtig so. Wenn wir solche Regelungen haben, dann nutzen wir sie auch. Wenn wir erfahren, dass etwa wegen der Wanderung solcher Wolken andere Messmethoden oder andere Kontrollen notwendig sind, dann lernen wir daraus und stellen uns für die Zukunft um. Ich habe natürlich sehr viel Verständnis für die Luftverkehrswirtschaft, für die Damen und Herren, die Firmen leiten müssen, für die Beschäftigten und für die Passagiere, die irgendwo festsitzen und nicht weiterkommen. Aber viel wichtiger ist die Sicherheit der Passagiere. Wenn wir nichts getan hätten und auch nur ein Flieger abgestürzt wäre, hätten genau diejenigen, die geschrieben haben: "Übertrieben! Ist das alles überhaupt richtig? Da darf man fliegen, und da darf man nicht fliegen!", am nächsten Tag gefragt: Hat denn der Minister und hat denn der Krisenstab überhaupt alles richtig gemacht? (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich sage sehr eindeutig: Parteipolitischer Klamauk vor dem 9. Mai, also vor Muttertag, sowie wirtschaftliches oder gar mediales Interesse dürfen uns in einer Frage, bei der es um Menschenleben geht - es geht nämlich um diejenigen, die in den Flugzeugen sitzen, und auch um diejenigen, die am Boden im Falle eines Absturzes betroffen wären -, nicht leiten. Hier geht die Sicherheit der Menschen vor. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Darüber hinaus denke ich, dass die Debatte - Teile der Opposition versuchen dies heute - auf dem Rücken der Passagiere und derjenigen, die in der letzten Zeit so viel an der Lösung dieses Problems gearbeitet haben, ausgetragen wird. (Gustav Herzog [SPD]: Wir haben den Minister kritisiert und nicht die Menschen, die daran arbeiten!) Das ist völlig unangemessen. Herr Kollege Beckmeyer weiß dies ebenfalls. Er ist lang genug in diesem Bereich engagiert. Der Kollege, der gerade dazwischengerufen hat, würde diesen Zwischenruf unterlassen, wenn er wüsste, was wir in den letzten Tagen zum Beispiel bei der Anhörung im Verkehrsausschuss und bei sonstigen Diskussionen erfahren haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch des Abg. Gustav Herzog [SPD]) Lieber Kollege, ich möchte Ihnen zu Ihrer Diskussion über das Thema Krisenstab Folgendes sagen: Was hätten Sie geklagt, wenn der Krisenstab in einem Raum des Bundesverkehrsministeriums ohne die notwendigen technischen Einrichtungen seine Arbeit aufgenommen hätte. Das heißt, man hätte nicht alle Daten zusammenfassen können und auch der Deutsche Wetterdienst wäre nicht nur wenige Kilometer entfernt. In diesem Fall würden die Experten in Langen nicht zur Verfügung stehen. Der Minister könnte lediglich Telefonkonferenzen abhalten. In diesem Fall hätten Sie genau das Gegenteil behauptet. (Beifall der Abg. Marlene Mortler [CDU/ CSU]) Sie hätten bemängelt, dass es nur einen technisch nicht adäquat ausgestatteten Raum geben würde, und Sie hätten der Bundesregierung vorgeworfen, dass man die vorhandenen technischen und personellen Möglichkeiten nicht nutzt. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Quatsch!) Deswegen ist das, was Sie machen, nur Theaterdonner. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf des Abg. Florian Pronold [SPD]) - Herr Pronold, Sie haben mit Abwesenheit geglänzt. Sie haben wahrscheinlich heute als stellvertretender Fraktionsvorsitzender gesprochen, um ein bisschen Stimmung in den Laden zu bringen. Auch das möchte ich an dieser Stelle einmal sagen. (Florian Pronold [SPD]: Wo war ich abwesend?) - Ich habe Sie bei zwei sehr wichtigen Gelegenheiten nicht gesehen. (Florian Pronold [SPD]: Sie müssen sich einmal die Brille putzen!) Wenn ich mich irren sollte, dann können wir darüber reden. Zumindest haben Sie bei diesen Gelegenheiten nicht zugehört. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Zumindest hat er ein paar Dinge nicht mitbekommen!) Die Mitteilung, was alles über Eurocontrol entschieden worden ist, haben Sie nicht mitbekommen, obwohl Sie vielleicht anwesend waren. Diese Entscheidungen hatten Auswirkungen auf die Arbeit der DFS-Niederlassungen und die Interpretation der Messwerte. Stichwort Messwerte: Sie haben auch behauptet, es hätte keine Messwerte gegeben. (Florian Pronold [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!) Es gab von Anfang an Messwerte. Es war lediglich nicht genau bekannt - deswegen musste erst ein Messflugzeug entsprechend ausgerüstet werden -, welche Bestandteile die Wolke aufweist und wie hoch der Grad der Kontaminierung ist. Die potenzielle Gefahr war allerdings bekannt. Das Krisenszenario, das Sie beschreiben, ist aus meiner Sicht durch den Krisenstab erstklassig in die Überlegungen mit einbezogen worden. An dieser Stelle muss man den Beteiligten Danke sagen. Dazu gehören diejenigen, die das Messflugzeug so schnell umgerüstet haben, und auch diejenigen, die so schnell die Genehmigung erteilt haben. Ich erwähne auch die Menschen an den Flughäfen, die sich dort um diejenigen Passagiere gekümmert haben, die beispielsweise aus den Transitbereichen nicht herausgekommen sind. Ich denke, Sie haben in Ihren Redebeiträgen einige Punkte nicht erwähnt, weil es Ihnen gar nicht um die Sache geht. Richtig ist - das hat auch der Ausschussvorsitzende vorhin gesagt -: Wir müssen jetzt schauen, welche neuen Messwerte festgestellt werden können und welche neuen Forschungsergebnisse es gibt. Daraus kann man dann ableiten, was neu zu machen ist. Mich hat schon sehr beeindruckt, dass selbst ein Triebwerkshersteller in der Anhörung des Ausschusses uns nicht sagen konnte, ab welcher Konzentration der Aschepartikel ein Triebwerk beschädigt wird, sodass die Gefahr eines Unfalls besteht. Wir müssen also unbedingt mehr im Bereich der Forschung tun. Wir müssen im Nachgang dafür sorgen - und dafür werbe ich -, dass die Menschen schnell zu ihren Heimatflughäfen geflogen werden und die Güter, die bis jetzt liegengeblieben sind, weitertransportiert werden. Wenn es notwendig ist, sollten für eine begrenzte Zeit Nachtflugbeschränkungen aufgehoben werden. Ich bitte die Bevölkerung, die rund um die Flughäfen wohnt, um Verständnis, dass nachts geflogen werden kann. Ich sage deswegen sehr deutlich: Nach den Ergebnissen, die bis heute vorliegen, haben wir die Krise, wenn das Wetter so bleibt und keine neue Wolke kommt, in einem ersten Schritt gemeistert. Der zweite Schritt ist - das habe ich gerade angedeutet -, mit Wissenschaft und Forschung über die Messergebnisse und neue Verfahren, falls wir solche brauchen, zu diskutieren. Ich bitte Sie alle, weiter an diesem Thema mitzuarbeiten. Zwei Dinge möchte ich in diesem Zusammenhang noch ansprechen: Hätte der Bundesminister die anderen Ministerien nicht eingeschaltet, würden Sie heute sagen: Was ist das denn für eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung! Alle anderen Ressorts waren nicht beteiligt. - Es war also richtig, dass das Bundeskanzleramt, das Wirtschaftsministerium und das Innenministerium eingeschaltet worden sind. Die Opposition muss zur Kenntnis nehmen, dass der Luftverkehr auf unterschiedlichen Ebenen reguliert wird. Ein Bundesminister kann keine Erleichterungen im Hinblick auf das Nachtflugverbot beschließen. Dies müssen die einzelnen Bundesländer tun. Wenn ich meinen Vorredner Dirk Fischer richtig verstanden habe, hat sogar eine Senatorin der Grünen erkannt, dass solche Erleichterungen jetzt notwendig sind. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Uwe Beckmeyer hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. Uwe Beckmeyer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines muss man dem Ganzen voranstellen: Niemandem hier im Hause kann der Vorwurf gemacht werden, dass das Thema Sicherheit in irgendeiner Weise außer Acht gelassen wird. Wir alle, die sich am Sonntag an der Telefonschaltkonferenz mit dem Herrn Bundesminister beteiligt haben, haben klipp und klar gesagt: Natürlich ist die Sicherheit das Erste, was wir zu beachten haben. - Insofern wurde das nie in Zweifel gezogen. Es geht auch nicht um parteipolitische Profilierung, sondern es gibt Widersprüche, Herr Hermann. Als Mitglied des Verkehrsausschusses haben Sie genauso wie ich eine Pressemitteilung des Bundesverkehrsministers von Sonntag, dem 18. April 2010, vorliegen. Da lesen Sie auf Seite 2: Wegen der außergewöhnlichen Lage in Europa sind bei DFS, DWD und bei BMVBS Krisenstäbe im Einsatz. Das BMVBS koordiniert die Arbeit der Krisenstäbe und steht dabei in enger Abstimmung mit anderen europäischen Ministerien. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Hört! Hört!) Ich habe den Bundesminister anlässlich seines Berichts am gestrigen Tage gefragt, ob er oder die Spitze seines Hauses den Krisenstab leitet. Die Antwort war: Es gibt einen zentralen Krisenstab bei der Deutschen Flugsicherung. Da frage ich mich: Was ist nun eigentlich? Kann das die Antwort auf diese außergewöhnliche Situation sein? Ich denke, nein. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Geben Sie es doch einfach zu, dass es gut gelaufen ist! Geben Sie es doch zu! Springen Sie über Ihren Schatten!) - Frau Raab, Sie können sich ja zu einer Zwischenfrage melden. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Mache ich gerne! Springen Sie über Ihren Schatten!) In einer für die Bundesrepublik Deutschland bzw. für die Bundesregierung außergewöhnlichen Situation muss es meiner Meinung nach darum gehen, dass die Krisenbewältigung in ihrer Gesamtheit vom Verkehrsminister - es ist ausdrücklich betont worden, dass er dafür die Verantwortung hat - übernommen wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, möchten Sie die Zwischenfrage von Frau Raab zulassen? Uwe Beckmeyer (SPD): Nein, jetzt nicht. - Diese Verantwortung muss der Minister notwendigerweise insgesamt übernehmen. Mich haben bereits am Sonntagabend Hinweise erreicht, die den Tenor hatten: Da passiert irgendetwas; da läuft etwas nicht. - Die Konsequenz war, dass vom Bundeswirtschaftsministerium am Montag um 11 Uhr verkündet wurde, es gebe eine Taskforce mit den Airlines. Nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Luftverkehrswirtschaft sollten erörtert werden, sondern auch andere Dinge. Das machte deutlich, dass es eine Handlungslücke, eine Regulierungslücke und eine Krisenbewältigungslücke gab. Der Vorschlag, der gestern zur Zulassung des kontrollierten Sichtfluges geführt hat, ist nicht im BMVBS entwickelt worden, sondern in irgendwelchen Gremien, die diesen Vorschlag erst anschließend dem BMVBS nahegebracht haben. Das BMVBS hat daraufhin entsprechende weitere Schritte unternommen, damit die Genehmigung erteilt wird; denn zum Beispiel das Luftfahrt-Bundesamt war an den Diskussionen zur Krisenbewältigung gar nicht beteiligt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Uwe Beckmeyer (SPD): Nein, Frau Raab, ich möchte den Gedanken gern zu Ende führen. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Sie haben mich vorhin zu einer Zwischenfrage aufgefordert! Das ist jetzt aber nicht nett!) Jetzt geht es darum, nicht alles schönzumalen, sondern die Konsequenz zu ziehen. Die Konsequenz lautet: Weil niemand ausschließen kann, dass übermorgen auch der Nachbarvulkan Katla ausbricht und wir uns dann in einer genauso schlimmen, vielleicht sogar in einer schlimmeren Situation befinden, kommt es darauf an, dass wir in Deutschland ein ordentliches, ganzheitliches Krisenmanagement für diese Fälle einrichten. (Beifall bei der SPD) Da gehören alle an den Tisch: das Luftfahrt-Bundesamt, der Deutsche Wetterdienst, das BAF, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Das BMVBS hat den Hut auf, aber auch die anderen Ministerien gehören an den Tisch. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Herr Wichtel den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Wollen Sie sie zulassen? Uwe Beckmeyer (SPD): Bitte, Herr Wichtel. Peter Wichtel (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Kollege Beckmeyer, ist Ihnen bekannt oder ist Ihnen entgangen, dass federführende Mitarbeiter des Berliner Ministeriums selbst beim Krisenstab in Langen tätig waren, dass also die Behauptung nicht stimmt, die Bundesregierung sei überhaupt nicht eingebunden gewesen? Uwe Beckmeyer (SPD): Darum geht es doch gar nicht. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Daniela Raab [CDU/CSU]: Ach so!) Es geht um Folgendes: Wer ist in dieser Situation verantwortlich, wer hat das Sagen? In einer solchen Situation kann nicht delegiert werden, sondern geht es darum, die Verantwortung wahrzunehmen. Diese Frage war und ist nicht eindeutig geklärt. Die verschiedenen Krisenstäbe, die es hier gegeben haben soll - möglicherweise hat es sie gegeben -, sind nicht vom Minister und von der Spitze seines Hauses koordiniert worden. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Ja, selbstverständlich! Das ist ja mal glatt falsch!) Das ist die Erkenntnis der letzten Tage. Das ist nicht nur meine Erkenntnis, sondern die Erkenntnis der Airlines und beteiligter Dritter. Darum ging es mir bei dieser Frage. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Nach all dem, was gesagt wurde, ist jetzt ein Strich zu ziehen. Ich glaube, es geht nicht nur darum, die atmosphärischen Belange usw. zu regeln. Vielmehr geht es darum, dass in Deutschland an einem runden oder viereckigen Tisch - das ist mir egal - klare Regeln festgelegt werden müssen, die in Zukunft für das Verkehrsministerium und alle beteiligten Institutionen und Ämter gelten. Es muss also eine klare Struktur geben, die besagt, dass die Experten der Deutschen Flugsicherung, des Luftfahrt-Bundesamtes und des Deutschen Wetterdienstes zukünftig einbezogen werden und der Bundesverkehrsminister - momentan und zukünftig - den Hut aufhat, nicht irgendjemand anders. (Beifall bei der SPD) Hinsichtlich des Dankes will ich eines hinzufügen: Natürlich haben sehr viele gut gearbeitet. Der Hauptdank gilt aber den Piloten, die das Risiko auf sich genommen haben, in dieser Situation für ihre Airlines im Sichtflug zu fliegen. Die Piloten haben die Verantwortung, die andere nicht übernommen haben, wahrgenommen und haben den Flugverkehr auf diese Art und Weise überhaupt erst wieder in Gang gebracht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Auch das muss man in dieser Situation deutlich sagen. Insofern ist die Bemerkung der Vereinigung Cockpit nicht kleinzureden. Das sind Kolleginnen und Kollegen der Piloten, die schon genau wissen, worüber sie reden und was sie anzumerken haben. Dazu eine Feststellung: Ein Pilot, der sich in einer solchen Situation verweigert, ist möglicherweise seinen Job los. (Torsten Staffeldt [FDP]: Na ja!) Nicht der Pilot weist darauf hin, sondern seine Vereinigung spricht für ihn. Ich nehme das sehr ernst. Insgesamt haben wir schwierige Tage hinter uns. Eines müssen wir daraus lernen: Der Minister muss bei der Aufarbeitung, die er vor sich hat, eines beherzigen: Er muss dafür sorgen, dass es in dieser Frage klare Kommandostrukturen gibt. Es hat sie nicht gegeben; sie müssen hergestellt werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Marlene Mortler hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Marlene Mortler (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzte Rednerin stelle ich fest: Alle sind zufrieden und glücklich, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bis auf Herrn Beckmeyer!) nur die SPD befindet sich offensichtlich noch in der Krise. Sie stehen mit Ihren Ausführungen alleine da. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Uwe Beckmeyer [SPD]: Na ja! - Florian Pronold [SPD]: Wie war das mit dem Zuhören?) Ein Dank tut immer gut und Lob allemal. Sehr geehrter Herr Verkehrsminister, von mir persönlich, aber auch vom Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages ein großes Dankeschön. Ich möchte auf eine TED-Umfrage von n-tv eingehen. Die Frage lautete: Hat der Bundesverkehrsminister beim Krisenmanagement eine gute Figur gemacht? (Florian Pronold [SPD]: Also doch der Lorbeerkranz!) Die Antwort: 83 Prozent der Befragten haben Ja gesagt, und 17 Prozent haben Nein gesagt. (Florian Pronold [SPD]: Wie oft haben Sie angerufen? - Gegenruf der Abg. Daniela Raab [CDU/CSU]: Öfter als Sie!) 83 Prozent haben gesagt, er macht als Krisenmanager eine gute Figur und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) er hat einen klaren Kopf bewahrt! (Florian Pronold [SPD]: Soll er per TED die Krise bewältigen?) Unser Minister hat nicht im luftleeren Raum entschieden. Er ist immer auf Sicht gefahren. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das war es doch gerade!) Heute wurde der Luftraum wieder geöffnet. Wäre es anders gelaufen, hätte er nicht so verantwortungsvoll gehandelt, dann wären Sie doch die ersten gewesen, die sich darüber beschwert hätten, dass der Minister unverantwortlich handelt. Das, was Sie heute von sich geben, ist teilweise abenteuerlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich erinnere an letzten Freitag, an dem es ein absolutes Flugverbot gab. Als wirtschaftlich denkender Mensch erinnere ich auch daran, dass gemessen am Wert immerhin 40 Prozent unserer Warenlieferungen über den Flugverkehr abgewickelt werden. Das zeigt: Sicherheit hat einen hohen Preis. Zeitweise sind 250 000 Touristen, die eine Pauschalreise gebucht hatten, gestrandet. Ich möchte darauf hinweisen, dass unsere deutschen Reiseveranstalter vorbildlich gearbeitet haben. Sie haben sich um die Menschen, die nicht direkt nach Hause gelangen konnten oder nicht direkt zu ihren Urlaubsorten gebracht werden konnten, gekümmert. Sie haben sie mit Hotelzimmern, Essen und Trinken versorgt. All das ist nicht selbstverständlich. Wir alle brauchen Urlaub. Ich versetze mich einmal in die Stimmung eines Urlaubers. Der eine sagt: Mein Urlaub war schön, aber ich freue mich, wieder zu meiner Familie oder in meinen Betrieb zurückzukehren. (Burkhard Lischka [SPD]: Das ist doch nicht das Thema der Debatte!) Ein anderer sagt: Mein Urlaub wird schön, ich habe ihn verdient, aber leider hat es nicht funktioniert. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Und?) In dieser beispiellosen Ausnahmesituation ist von der Tourismuswirtschaft Bemerkenswertes geleistet worden. Es gab eine einzigartige Rückholaktion. Ich wiederhole gern das Lob und den Dank an alle Behörden im Land, die sich durch ihre Bemühungen im In- und Ausland verdient gemacht haben. Warum? Weil die Hilfe meist über die gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen hinausgegangen ist. Ich möchte an dieser Stelle eines klarstellen. Reisever-anstalter sind im Falle höherer Gewalt nicht verpflichtet, höhere Übernachtungs- oder Beförderungskosten allein zu übernehmen. Trotzdem haben sie mit ihrem Personal vor Ort so gut es ging geholfen. Gleich im Anschluss an diese Aussprache, um 15 Uhr, werden wir uns aus aktuellem Anlass im Tourismusausschuss mit allen wichtigen Akteuren der Tourismusbranche, der Fluggesellschaften, der Flughäfen - auch der Verbraucherzentrale Bundesverband wird dabei sein -, mit Vertretern der Bundesregierung, der Reiseveranstalter und der Reisebüros zusammensetzen, um intensiv darüber zu beraten, was ist bzw. was kommen muss. Noch ein Punkt. Ich nutze die Gelegenheit, kurz zum Thema Pauschalreise und Pauschalreiserichtlinie zu sprechen. Lange Zeit galt die Pauschalreise als Auslaufmodell. Aber gerade jetzt haben unsere Urlauber erkannt, wie wichtig es ist, dass man einen deutschsprachigen Ansprechpartner in dem jeweiligen Reiseland hat, dass man rund um die Uhr immer wieder über die aktuelle Situation informiert wird und dass die eigene Reise von anderen im wahrsten Sinne des Wortes neu organisiert wird. (Florian Pronold [SPD]: Das hat Herr Ramsauer auch gemacht!) Es war teilweise ein Wettlauf mit der Zeit, als unsere leidgeplagten deutschen Touristen über noch offene Flughäfen oder teilweise per Schiff von Inseln im Mittelmeer oder im Atlantik aufs südeuropäische Festland gebracht und anschließend mit Bussen nach Deutschland zurückgebracht wurden. Noch einmal zur Pauschalreiserichtlinie. Diese EU-Richtlinie wird im Moment überarbeitet. Über sie wird heftig diskutiert. Ich sage aus deutscher Sicht ganz klar: Wir brauchen keine Überarbeitung. Wir brauchen auch keine Vollharmonisierung. Diese Richtlinie muss weiterhin von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Warum? Weil das deutsche Schutzniveau wesentlich höher ist als das europäische Schutzniveau. Wir wollen dieses hohe Niveau beibehalten. Hier haben wir den Verbraucherzentrale Bundesverband und andere wichtige Akteure an unserer Seite. Ich komme zum Schluss. (Florian Pronold [SPD]: Das ist gut!) Es ist wichtig, noch einmal festzuhalten, dass wir höchstes Interesse an einer schnellen Normalisierung im Bereich der fluggebundenen Reisen und im Bereich des fluggebundenen Urlaubsverkehrs haben. Wir kennen die wirtschaftlichen Folgen. Der Schaden - das wissen wir - ist schon groß genug. Deshalb wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass der Tourismus schnell wieder auf Touren kommt. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Florian Pronold [SPD]: Was will uns diese Rede sagen?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit schließe ich die Aussprache. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwürfe zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Annette Schavan. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kabinett hat in seiner heutigen Sitzung einige Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Stärkung der Bildungs- bzw. Studienfinanzierung verabschiedet. Eine dieser Maßnahmen ist: Nachdem viele Jahre darüber diskutiert worden ist, wollen wir in Deutschland eine dritte Säule der Studienfinanzierung ermöglichen und so eine Stipendienkultur in Deutschland aufbauen. Das ist im Koalitionsvertrag vereinbart und basiert auf Erfahrungen, die damit an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen gemacht wurden. Es geht um eine Stipendienkultur, die das Zusammenspiel öffentlicher und privater Investitionen ermöglicht. Jeder Euro, der von einer Hochschule für Stipendien eingesammelt wird, wird durch einen zweiten Euro der öffentlichen Hand ergänzt, hälftig vom Bund und dem jeweiligen Land finanziert. Erstmals werden Stipendien in Deutschland eltern- und überhaupt einkommensunabhängig vergeben: 300 Euro pro Monat. Es geht um Stipendien, die mit ins Ausland genommen werden können. Diese Stipendien werden an jene vergeben, die von ihrer Leistung her dafür infrage kommen. Wir haben dies sehr bewusst mit einem Leistungsbegriff verbunden, der nicht an Noten gekoppelt ist, sondern weit gefasst ist, wie wir das auch aus der Begabtenförderung in Deutschland kennen. Wir wollen mit dem Aufbau dieser dritten Säule - neben BAföG und Bildungskrediten - erreichen, dass Bildungsbarrieren weiter abgebaut werden und die finanzielle Ausstattung der Studierenden besser wird. Wir haben über einen langen Zeitraum hinweg die Erfahrung gemacht - das ist der Hintergrund -, dass lediglich 2 bis 3 Prozent der Studierenden in Deutschland über eines der zwölf Begabtenförderungswerke ein Stipendium bekommen. Das ist international gesehen eine weit unterdurchschnittliche Größe. Die zweite relevante Größe ist, dass der Anteil der privaten Investitionen im Bereich Bildung in Deutschland mit 15 Prozent weit unter dem OECD-Schnitt liegt, der bei 27 Prozent liegt. Alle großen Forschungs- und Wissenschaftsnationen haben deutlich höhere Anteile: über 60 Prozent. Das Stipendium - ich habe es schon gesagt - kann mit ins Ausland genommen werden. Wenn es um Leistung geht, kann eine Hochschule entscheiden, besondere Leistungen, die zum Studium hingeführt haben, zu berücksichtigen. Wir wünschen uns, durch diese gezielte Maßnahme den Anteil der Studierenden aus Migrationsfamilien zu erhöhen. Ein letzter Satz zum Stipendienprogramm: Es wird immer wieder gefragt, warum Stipendien für eine Gruppe gegeben werden sollen, die eigentlich sowieso schon gut gestellt ist, weil sie im Zweifelsfall aus einkommensstarken oder bildungsnahen Familien kommt. Ich glaube, dass wir drei verschiedene Tatsachen auseinanderhalten müssen: Die erste Tatsache: Wir haben in Deutschland seit Jahrzehnten einen zu geringen Anteil Studierender aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien. Die Begabtenförderungswerke verzeichnen einen entsprechend niedrigen Anteil, der sich analog zu dieser Entwicklung verhält. Was wir brauchen, sind Anreize, auch im Bereich der Bildungsfinanzierung, um weitere Hürden abzubauen. Die Erfahrungen, die man zum Beispiel an den Universitäten in Duisburg und Bochum gemacht hat, also in strukturschwachen Regionen, zeigen, dass das gelingt und dass dadurch der Anteil derer, die bislang keinen Zugang zur Hochschule gefunden haben, erhöht werden kann. Der zweite Punkt ist die Weiterentwicklung des BAföG. 2008 haben wir nach einer Reihe von Jahren eine kräftige Erhöhung vorgenommen. Damit sind wir wieder in einen Prozess eingestiegen, den ich für ganz bedeutsam halte. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz lebt von der kontinuierlichen Weiterentwicklung entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten einerseits und der Nettoeinkommen andererseits. Sie wird festgemacht an den Indikatoren, die hierfür bedeutsam sind. Wir wollen erstens den Kreis derer, die mit BAföG gefördert werden, erweitern, deshalb die Erhöhung des Freibetrages um 3 Prozent. Wir haben jetzt im Jahresdurchschnitt rund 330 000 Studierende und 200 000 Schüler, die BAföG bekommen. Wir können davon ausgehen, dass sich mit dieser Erhöhung der Freibeträge der Kreis derer, die gefördert werden, bis zum Ende des nächsten Jahres um - geschätzt - 60 000 Personen erhöhen wird. Damit sind wir an der 600 000er-Grenze, was das BAföG angeht. Zweitens werden wir den Fördersatz um 2 Prozent erhöhen. Das bedeutet, dass der Höchstfördersatz künftig bei 670 Euro im Monat liegen wird. Ein dritter Punkt ist wichtig - das ist ein ganzes Paket weiterer Modernisierungsmaßnahmen -: Wir passen konkrete Regelungen an konkrete Veränderungen von Studienverläufen, Studienstrukturen und Lebensverläufen an. Dazu gehört die Anhebung der Altersgrenze von 30 auf 35 Jahre für das Masterstudium. Dazu gehört auch - das ist ein ganz wichtiger Punkt - der Wegfall der Dreijahresgrenze zwischen Abitur und Studiumsaufnahme oder Einsetzen einer Familienphase, die eingehalten werden musste, um später bei Überschreitung der Altersgrenze wegen Kinderbetreuung trotzdem noch BAföG-berechtigt zu sein. Eine Frau, die erst nach vier oder fünf Jahren nach dem Abitur Kinder bekommen und betreut und dann erst nach Überschreiten der Altersgrenze mit dem Studium begonnen hat, konnte bislang nicht durch BAföG gefördert werden. Dieser Punkt betrifft also unmittelbar die Vereinbarkeit von Familie und Studium. Schließlich gehört die Möglichkeit dazu, dass Auszubildende BAföG erhalten können, wenn sie im Ausland sind. Wir wollen ja, dass nicht nur Studierende ins Ausland gehen, sondern auch andere Auszubildende. Dies sind ein paar Änderungen, die der konkreten Entwicklung von Lebensentwürfen und Studienstrukturen gerecht werden. Das sind die wesentlichen Aspekte. Es handelt sich um Maßnahmen, die es insbesondere den Studierenden ermöglichen, ihre Studien besser zu finanzieren. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die erste Frage ist die des Kollegen Kai Gehring. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich möchte eingangs darauf hinweisen, dass wir Grüne nicht Nein zu Stipendien sagen, aber wir sagen klar Nein zu diesem nationalen Stipendienprogramm, da es die falsche Priorität setzt und ungerecht ist. Ich wüsste von Ihnen gerne - Sie haben davon gesprochen, eine Stipendienkultur schaffen zu wollen -, wie es dazu kommt, dass diese Stipendienkultur schon zum Erliegen kommt, noch bevor sie geschaffen wird. Die vorgesehenen Mittel für dieses Programm sind offenbar halbiert worden. Dies sieht man, wenn man den Referentenentwurf, der wenige Wochen alt ist, mit dem, was heute im Kabinett beschlossen worden ist, vergleicht. Wie kann es sein, dass im Entwurf des Stipendienprogramm-Gesetzes vorgesehene Mehrausgaben in 2013 in Höhe von 160 Millionen Euro angesetzt werden, während es im Referentenentwurf noch 300 Millionen Euro waren, und dass Bund und Länder nicht jeweils 150 Millionen Euro, sondern 80 Millionen Euro in die Hand nehmen? Wie kommt es zu dieser Halbierung der Mittel und zu diesem deutlich langsameren Aufbau? Hat das zum Beispiel damit zu tun, dass die Wirtschaft Ihr nationales Stipendienprogramm offensichtlich gar nicht unterstützen will? Es wäre mir auch wichtig, dass Sie zur Absage der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Stellung beziehen, die die Finanzierung von Stipendien nicht als originäre Aufgabe der Unternehmen ansieht. Könnten Sie bitte erläutern, weshalb die Wirtschaft hier nicht mitmachen will? Ist Ihr Stipendienprogramm nicht völlig auf Sand gebaut, wenn die Arbeitgeberverbände sagen, dass dies nicht ihre originäre Aufgabe ist und dass sie nicht mit im Boot sind? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sie haben gesagt, das Programm setze die falsche Priorität und sei ungerecht. Dass ich da anderer Meinung bin, versteht sich von selbst. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Meinung allein reicht nicht! Argumente!) Nachdem seit so langer Zeit nur 2 bis 3 Prozent ein Stipendium bekommen, sind wir fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass langfristig 10 Prozent ein Stipendium erhalten. Es gibt Debatten über das Tempo und über die Frage, wer den Hochschulen die entsprechende Administration zahlt. Es gibt auch Stellungnahmen aus der Wirtschaft, die sagen, es sei nicht deren primäre Aufgabe. Der Wirtschaft sage ich: Jahrelang ist in Deutschland über Stipendien diskutiert worden, auch in der Wirtschaft. Ich bin allerdings der Meinung: Die erste Gruppe, die wir ansprechen sollten, sind nicht Unternehmen, sondern die Ehemaligen. In erfolgreichen Wissenschaftsnationen gehört es zum Verhalten der Ehemaligen, der Alumni Clubs, zu helfen. Die Solidarität der Ehemaligen mit den heute Studierenden ist ein ganz wichtiger Punkt, ist ein Signal der Zivilgesellschaft. Deshalb ist das die erste Gruppe, die wir ansprechen werden. Sie können schon heute in Bonn oder Aachen feststellen, dass man sich an die Ehemaligen, an den Verein der Ehemaligen, wendet; darüber kommen Stipendien. Bezüglich des Tempos sage ich: Auch wenn es jährlich nur 0,5 Prozent mehr sind, ist dieser vergleichsweise bescheidene Aufwuchs angesichts der Tatsache, dass man 60 Jahre lang in Deutschland bei 2 Prozent gelegen hat, zu begrüßen. Die Vergabe der Stipendien erfolgt, glaube ich, sehr gerecht. Ich weiß nicht, was ungerecht daran sein soll, dass Stipendien möglich werden, die mit Leistung und nicht mit Herkunft, nicht mit elterlichem Einkommen verbunden sind und die die Selbstständigkeit des Studierenden akzeptieren. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herkunft entscheidet mit!) Ich bin davon überzeugt, dass das für die Universitäten, für die Hochschulen insgesamt ein interessanter Impuls ist, sich gerade für solche Studierende zu interessieren, die sich hinsichtlich ihrer Finanzsituation und Herkunft schwertun. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Kretschmer. Michael Kretschmer (CDU/CSU): Frau Bundesministerin, Sie haben die Erhöhung der Bedarfssätze bzw. der Regelsätze und der Freibeträge beim BAföG angesprochen, die deutlich über das hi-nausgeht, was dem BAföG-Bericht zufolge als notwendig erachtet wird. Vielleicht können Sie einmal darstellen, warum dieser Schritt notwendig ist und aus welchen Gründen die Bundesregierung deutlich über die Forderungen des BAföG-Berichts hinausgeht, wodurch sie in Zukunft viel mehr jungen Leuten die Chance eröffnet, BAföG zu beziehen. Das Zweite. In der Diskussion über das Stipendienmodell, das ich für richtig halte, ist davon die Rede, dass es an den Hochschulen ganz unterschiedliche Voraussetzungen gibt und dass vor allen Dingen Hochschulen in wirtschaftlich schwierigen Regionen Probleme befürchten. Vielleicht können Sie einmal deutlich machen, welche Maßnahmen geplant sind, um eine Unwucht zugunsten wirtschaftlich starker Regionen und zulasten wirtschaftlich schwacher Regionen zu verhindern. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zu Ihrer ersten Frage. In der Tat weisen die maßgeblichen statistischen Daten und Prognosen im BAföG-Bericht rechnerisch den Bedarf nur für eine etwas geringere Erhöhung aus. Wir haben gesagt: Die jetzige Erhöhung muss eine Zeit lang halten. Das heißt, sie greift der Weiterentwicklung, die im nächsten Jahr ansteht, vor. Angesichts der erfreulichen Entwicklung, dass im Studien-jahr 2009 43,3 Prozent eines Jahrgangs ein Studium begonnen haben, war uns auch wichtig, ein starkes Zeichen zu setzen, dass wir die Studierbereitschaft positiv zur Kenntnis nehmen und diesen positiven Trend stabilisieren wollen. Zu Ihrer Frage nach den strukturschwachen Regionen. Sobald der Gesetzentwurf verabschiedet ist, werden wir uns mit den konkreten nächsten Schritten befassen. Im Gesetz ist schon jetzt geregelt, dass wir uns die Situation nach drei Jahren anschauen werden; auf Neudeutsch nennt man dies Evaluation. Dann werden wir überprüfen: Ist das Erreichte ausreichend? Sind strukturfördernde Maßnahmen notwendig? Ich glaube, es wäre nicht gut, schon jetzt von einem Finanzausgleich zu sprechen, weil diese Maßnahmen nicht länderspezifisch, sondern hochschulspezifisch sind. Wenn es gelingt, im Hinblick auf das Sponsoring von Stipendien zuerst die Gruppe der Ehemaligen anzusprechen, dann werden auch die Unternehmen vor Ort keine so relevante Rolle mehr spielen. Hier müssen wir zuerst Erfahrungen sammeln und dann überprüfen, wie sich die Dinge entwickelt haben. Zeigt sich in den ersten Jahren eine offenkundige Benachteiligung strukturschwacher Regionen, müssen wir uns erneut mit diesem Thema beschäftigen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt der Kollege Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Frau Ministerin, ich möchte an die Ausführungen des Kollegen Gehring anknüpfen. Ich habe den Eindruck, dass in Bezug auf das Stipendiensystem sehr viele Fragezeichen von Ihnen selbst in den Raum gestellt werden, von der Evaluation nach drei Jahren bis hin zum Wechsel der Zielgruppe von Unternehmen zu Alumni. Sie haben sich positiv dahin gehend geäußert, dass man mithilfe eines Leistungsgesetzes BAföG rund 60 000 zusätzliche Studierende aus der unteren Mittelschicht bzw. der Mittelschicht insgesamt gewinnen kann. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Weshalb meinen Sie, dass es wichtiger ist, an der Entwicklung eines Stipendiensystems zu arbeiten, statt deutlich mehr Geld in die Förderung der Studierenden aus der unteren Mittelschicht bzw. der Mittelschicht insgesamt durch eine viel stärkere Erhöhung der Freibeträge zu investieren? Dies ließe sich gesetzlich klar und ohne großen Verwaltungsaufwand regeln, und das Geld käme bei der Zielgruppe, die wir für ein Studium zusätzlich materiell absichern wollen, sicher an. Stattdessen wollen Sie sich aber lieber auf ein sehr unsicheres Stipendiensystem einlassen, das mit vielen Fragezeichen, die Sie sogar selbst setzen, verbunden ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich setze keine Fragezeichen. Ich sage: Wer eine völlig neue Entwicklung in Gang setzt, der muss - eine Reform lediglich durchzuführen, reicht nämlich nicht - auch wissen, wie er den Prozess der Umsetzung begleitet, wie ein Reformprozess organisiert ist. Dazu gehört, nach einigen Jahren zu überprüfen: Sind die Erwartungen erfüllt? Wo tauchen Schwierigkeiten auf? Was muss im Zweifelsfall korrigiert werden? Hätte man das bei jeder bildungspolitischen Reform in Deutschland berücksichtigt, wäre manche Reform anders gelaufen. Ich sage nur: Bologna-Prozess. Jetzt bestehe ich auf Folgendem: Wir entschließen uns nicht nur, das zu tun, sondern begleiten diesen Prozess so, dass unser Ziel auch erreicht wird. Die zweite Frage bezog sich darauf, warum ich nicht nur auf das BAföG setze. Das tue ich deshalb nicht, weil es ziemlich altmodisch ist, ausschließlich auf das BAföG abzustellen. An den interessanten Universitäten um Deutschland herum bewerben sich junge Leute - übrigens auch aus Deutschland - um ein Stipendium. Das ist doch Ausdruck ihres Selbstbewusstseins. Dort werden sie unabhängig vom Einkommen der Eltern behandelt. Außerdem gibt es in dem Ganzen einen zutiefst sozialen Aspekt. Ich möchte einmal die Erhöhung von Freibeträgen und Förderbeträgen sehen, die notwendig wäre, um zu einem Plus von 300 Euro im Monat zu kommen. Das ist eine völlig illusorische Vorstellung. Mit dem zusätzlichen Stipendium gibt es aber die Möglichkeit, selbst beim Bezug des BAföG-Höchstsatzes in Höhe von künftig 670 Euro noch einmal 300 Euro dazuzubekommen. Das ist die beste Studienfinanzierung gerade für Studierende aus einkommensschwachen Familien, die es in Deutschland je gegeben hat. Deshalb ist dies nicht nur ein interessantes Projekt im Hinblick auf Leistungsförderung, sondern vor allen Dingen auch ein sozial zutiefst gerechtes und interessantes Projekt, das mit keiner Erhöhung des BAföG hätte realisiert werden können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wissenschaftsstandort Deutschland sonst bald der einzige in der Welt ist, in dem es keine Hochschulen gibt, die auch Stipendien vergeben können, und zwar - das sage ich ausdrücklich - eben nicht nur an Angehörige bestimmter Berufsgruppen, also nicht nur an angehende Ingenieure oder Physiker, und nicht nur von einem Unternehmen, von dem zur Bedingung gemacht wird, dass der Absolvent dann aber auch zu ihm kommt, sondern in der ganzen Breite der Fächer. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Kollege Meinhardt, Sie haben eine Frage. Patrick Meinhardt (FDP): Frau Ministerin, in Ergänzung dessen, was Sie gerade angesprochen haben - ein ganz bewusstes Ziel der BAföG-Modernisierung verbunden mit dem nationalen Stipendienprogramm ist die soziale Dimension, Stichwort: Schließen einer Gerechtigkeitslücke -, frage ich Sie erstens: Stimmen Sie an dieser Stelle mit der Formulierung überein, dass wir hier durchaus von einer Trendwende sprechen können? Statt derzeit 1,9 Prozent der Studierenden sollen künftig 10 Prozent der Studierenden mit einem Stipendium ausgestattet sein. Zweitens erscheint mir an dieser Stelle auch Folgendes wichtig: Würden Sie in diesem Zusammenhang bitte noch einmal darstellen, wie der Begabungsbegriff bzw. der Förderbegriff gerade bei diesem nationalen Stipendienprogramm auszulegen ist, damit von der Zielrichtung her auch klar wird, dass es sich um ein sozial fundamentiertes System handelt? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das ist in der Tat eine Trendwende oder jedenfalls die Chance bzw. der Impuls zu einem ganz neuen Instrument der Studienfinanzierung, das es in 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben hat und mit dem wir etwas ermöglichen, was in vielen anderen Wissenschaftsgesellschaften üblich ist, nämlich dass die Zivilgesellschaft Hochschulen und Studierende unterstützt. Die großen Universitäten, von denen wir immer schwärmen, leben allesamt einschließlich der Stipendien nicht zu 100 Prozent vom Staat, sondern sind finanziell so stark, weil sie einen Mix aus Zuwendungen des Staates und der Zivilgesellschaft erhalten. Meines Erachtens gibt es keinen Grund, in Deutschland immer noch zu sagen: Aber die Zivilgesellschaft darf auf gar keinen Fall irgendetwas geben wollen, weil das ja zu einem Rückzug des Staats führt. - Nein! Die Investition des Staates soll so erfolgen, dass sie weitere Investitionen der Zivilgesellschaft mobilisiert. Das halte ich für den Clou. Hierbei handelt es sich um das Neue. Das Ganze ist natürlich auch - da komme ich noch einmal auf die Opposition zu sprechen - wie bei jedem Thema in Deutschland willkommener Anlass, zu sagen: Das haben wir ja noch nie gehabt. Weil wir das noch nie gehabt haben, kann es überhaupt nicht klappen. Und wieso komme ich dazu, irgendeinem Studenten ein Stipendium zu geben? Bildungsrepublik Deutschland heißt dann irgendwann auch, dass derjenige, der studiert hat und heute gut verdient, die 150 Euro abführt. Das ist die beste Wertschätzung von Studierenden und jungen Akademikern, die wir uns denken können. Ihr zweiter Punkt war der Begabungsbegriff. Im Gesetzentwurf ist die Rede von Begabung und Leistung. In mehreren Zeilen ist eigens beschrieben, dass damit keine Gleichsetzung mit den Noten gemeint ist, sondern dass der Begabungsbegriff breit angelegt ist, bis hin zur Würdigung der Lebensleistung. Natürlich kann eine Universität sagen: Wir haben das Ziel, den Anteil derer, die aus Familien mit Migrationshintergrund kommen, deutlich zu erhöhen, wir setzen hier einen Schwerpunkt, wir suchen junge Leute, die, auch wenn sie vielleicht aus schwierigen Verhältnissen kommen, den Sprung zum Studium anstreben, und wollen ihnen ein klares Signal geben, dass wir sie bei diesen Bemühungen über die bisherigen Möglichkeiten hinaus unterstützen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt Kollegin Hein. So lange, bis ihr Mikro angeht, möchte ich - nur dass keine Nervosität aufkommt - sagen: Wir haben eine Liste von Fragenden, die wahrscheinlich für zwei Stunden reichen würde. Wir haben versucht, darüber nach Gerechtigkeit, nach der Reihenfolge der Meldungen und nach anderen Kriterien zu entscheiden. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Vielen Dank. - Frau Ministerin, was wir heute zum nationalen Stipendienprogramm zu hören bekommen haben, hat dazu beigetragen, dass ich noch mehr verunsichert bin, als ich schon vorher war. Ich habe das Gefühl bekommen, dass Sie nicht wirklich wissen, wovon Sie reden, und auch nicht wirklich daran glauben, dass dieses Stipendienprogramm funktioniert. Wenn Sie jetzt - anders als in der Vergangenheit - sagen, dass die Ehemaligen bitte schön den privaten Anteil stellen möchten, muss ich sagen: Ich finde das einigermaßen seltsam, und das steht auch im Widerspruch zu dem, was Sie bisher angekündigt haben. Ich denke, Sie betreiben Schönrederei. Man braucht, um studieren zu können, erst ein Stipendium. Heutzutage funktioniert die Studienfinanzierung hauptsächlich über BAföG. Genau da kommt das Leistungsstipendium gar nicht an, es kommt ja erst hinten drauf. Meine Frage betrifft aber noch etwas anderes. Sie haben angedeutet - ich würde Sie bitten, darauf noch einmal genauer einzugehen -, dass Sie anknüpfen wollen an das Stipendienprogramm, das es in NRW schon gibt. Es ist allerdings nachgewiesen, dass dieses Stipendienprogramm vor allem diejenigen erreicht, die Mathematik, Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften studieren. Ich würde gerne wissen, wie Sie es erreichen wollen, dass diese Stipendien - wenn sie denn überhaupt gezahlt werden und wenn sie denn von jemandem entgegengenommen werden können - auch denjenigen zugutekommen, die Fächer studieren, die keine solchen Finanziers hinter sich haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich möchte zunächst zu Ihrer Behauptung, dass ich anders rede als am Anfang der Überlegungen zu diesem Stipendienprogramm, sagen, dass das nicht meiner Erinnerung entspricht. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber unserer!) Für mich ist immer klar gewesen: Zur Zivilgesellschaft können Unternehmen gehören, zur Zivilgesellschaft können Vereine gehören, zur Zivilgesellschaft können Rotary Clubs gehören. Ich sage ausdrücklich: Zur Zivilgesellschaft gehören auch die Ehemaligen. Dass ich das schon immer gedacht habe, können Sie daran sehen, dass ich schon ganz zu Beginn des Programms in NRW ein Stipendium gespendet habe. Wenn ich die Ehemaligen nicht im Blick gehabt hätte, wäre ich doch nicht auf diese Idee gekommen. Wir wissen alle, dass wir Akademiker brauchen. Das wird aber nur dann etwas, wenn diejenigen, die über entsprechende Möglichkeiten verfügen, dazu etwas beisteuern. Das hängt im Übrigen auch von der einzelnen Hochschule ab. Ich weiß, dass in NRW die RWTH Aachen eine besonders hohe Anzahl von Stipendiaten hat; ich habe letzte Woche mit dem Rektor darüber gesprochen. Dass die Stipendiaten Mathematik und Ingenieurswissenschaften studieren, ist wohl wahr. Die Vergabe der Stipendien erfolgt aber nicht zentral, und der Fokus liegt nicht nur darauf, dass Unternehmen künftige Mitarbeiter kennenlernen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass Studenten aller Fächergruppen tatsächlich eine Chance bekommen. Wer ein Stipendium bekommt, entscheidet sich aber vor Ort, und darauf nehmen wir keinen Einfluss. Ich bin davon überzeugt, das wird ähnlich sein wie bei den 13 Begabtenförderungswerken: Da gibt es kein Schwergewicht bei dieser oder jener Gruppe, sondern Studenten aller Fachbereiche haben die Chance, in die Begabtenförderung zu kommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Krista Sager. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Ministerin, wenn die Hochschulen private Mittel jetzt bei ihren Alumni eintreiben sollen, dann kommt auf die Hochschulen erheblicher Aufwand zu. Es stellt sich die Frage, wie dieser Verwaltungsaufwand kompensiert werden soll. Zu meiner zweiten Frage. Die meisten Hochschulen haben heute sehr gute Kontakte zu ihren Alumni. Das gilt aber in Bezug auf ihre eigenen Vorhaben, die für sie Priorität haben. Da ja nicht zu erwarten ist, dass die Alumni jetzt einfach etwas obendrauf legen, entziehen sich die Hochschulen durch diese Aktivitäten im Grunde selber Mittel, die sie für etwas anderes eingeplant haben, nämlich das Geld von ihren Alumni für eigene Zwecke. Auf der anderen Seite ist zu bedenken: Die Anzahl vermögensstarker Alumni in Hamburg und in Cottbus ist mit Sicherheit sehr unterschiedlich. In diesem Kontext frage ich: Wieso glauben Sie eigentlich, dass Sie die Hochschulen dazu bewegen können, das Ganze mitzumachen? Wie wollen Sie damit umgehen, dass möglicherweise gerade dort Mittel eingetrieben werden, wo sie gar nicht am nötigsten sind? Am nötigsten sind sie doch wahrscheinlich dort, wo es viele Studierende aus strukturschwachen Gebieten gibt, die kaum die Möglichkeit haben, dort Stipendien zu bekommen. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zu Ihrer ersten Frage. In dem Maße, wie dieses System angenommen wird, werden wir auch über die Kosten für die Hochschulen sprechen müssen. Das wird beim Gespräch mit den Ländern jetzt ein Thema sein. Ich habe einzelnen Rektoren gegenüber auch schon gesagt, dass wir dort einen Weg finden werden. Das geht nicht zum Nulltarif. Zweitens. Denjenigen, die jetzt so argumentieren, dass sich eine Universität, die Stipendien einwirbt, ja Geld für anderes wegnimmt, sage ich aber auch - das sage ich jetzt etwas lapidar -: Dann soll diese Universität entscheiden, dass sie das nicht mitmacht. - Es wird niemand gezwungen; keine Universität wird gezwungen, sich daran zu beteiligen. Es ist eine Möglichkeit, es ist ein Angebot, es ist ein Anreiz. Es ist eine Chance, Geld für Bildung und Studium zu mobilisieren. Ich kann gut verstehen, dass sich bei etwas, das es noch nicht gibt, erst einmal viele Fragen stellen. Ich rate, die Entscheidung innerhalb einer Hochschule zu treffen: Beteiligen wir uns sofort? Warten wir ab? Schauen wir, wie die Erfahrungen anderer sind? - Am 11. Mai 2010 werde ich die Hochschulrektorenkonferenz besuchen und dann auch all diese Detailfragen mit den Präsidenten und Rektoren diskutieren. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Detailfragen? Es ist doch keine Detailfrage, ob die Hochschulen mitmachen! Das ist ja unglaublich!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin Burchardt. Ulla Burchardt (SPD): Frau Ministerin, anknüpfend an Ihre Aussage, das Stipendienprogramm sei das große bildungspolitische Reformprogramm, möchte ich sagen: Man hat auf der Basis der Fakten sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch im Ausland eher den Eindruck: Das hat die Ansätze eines Bürokratieaufbauprogramms, sodass die Frage danach gestellt wird, wer für die Kosten aufkommt. Sie haben geraten, den Blick nach Großbritannien zu richten. Ist Ihnen bekannt, dass in Großbritannien die Akquisitionskosten ein Drittel der eingeworbenen Mittel betragen? Hier in Deutschland würden bei den vorgesehenen 300 Millionen Euro von privaten Stipendiengebern diese Akquisitionskosten 100 Millionen Euro betragen. Sie haben aber nur 30 Millionen Euro angesetzt - basierend auf den Erfahrungen der Begabtenförderungswerke. Dort muss aber keine Akquise betrieben werden. Diejenigen, die in den nordrhein-westfälischen Universitäten für die Stipendien verantwortlich sind, sagen mir, dass hier laufend große Verwaltungsaufgaben auf die Universitäten zukommen. Es geht dabei um Umzüge, es geht darum, dass sich Konten ändern, usw. Das ist kein einmaliger Aufwand, sondern ein dauerhafter Aufwand. Ob ich die Zahlen von Großbritannien übertrage oder die von der Universität Duisburg-Essen hochrechne, die beim Einwerben von Stipendien sehr erfolgreich war: Man kommt zu dem Ergebnis, dass über 2 000 volle Stellen zusätzlich notwendig wären. Das würde, egal wie und von welcher Basis aus man rechnet, einen Gesamtaufwand von 100 Millionen Euro bedeuten. Das sind 70 Millionen Euro mehr als das, was Sie in dem Gesetzentwurf veranschlagt haben. Können Sie mehr dazu sagen, außer dass Sie Gespräche führen werden? Das spielt nämlich für die Frage, ob es sich die Universitäten leisten können, in diesen Bürokratieaufbau einzusteigen, schon eine ganz wesentliche Rolle. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Ministerin, bitte. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die nordrhein-westfälischen Universitäten haben ja in der Tat Erfahrungen. Diese Erfahrungen werden einfließen. Ich sage zunächst einmal: Die Erstattung von Verwaltungskosten ist in allererster Linie Sache des betreffenden Landes und nicht des Bundes. Wenn eine völlig neue Initiative gemeinsam auf den Weg gebracht wird und sich herausstellen sollte, dass der Verwaltungsaufwand höher ist als geplant, dann muss man darüber sprechen, wie das finanziert werden soll. Ich finde das interessant: Erst wird gesagt: "Dabei kommt ja gar nichts herum", und dann wird gesagt: Wir brauchen 100 Millionen Euro, um das Ganze zu verwalten. - Mein Rat lautet, erst einmal zu beginnen. Dann werden sich mit dem Maß der Attraktivität bzw. mit der Zahl der Stipendien, die eine Universität zur Verfügung stellen kann, auch andere Fragen beantworten. Der Bund hat seine Bereitschaft signalisiert, zusätzliche Investitionen bereitzustellen. Aber dazu müssen zunächst einmal Erfahrungen gesammelt werden. Wie Sie wissen, hat das Stipendiensystem in Großbritannien einen ganz anderen Umfang als alles, worüber wir hier sprechen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Daniela Kolbe, bitte. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich möchte an einen Punkt anknüpfen, den Herr Kretschmer von der Union schon angesprochen hat, nämlich die mutmaßliche regionale Ungerechtigkeit, die aus meiner Sicht im Stipendiensystem angelegt ist. Ich frage Sie konkret: Stimmen Sie mit mir überein, dass der Verdienst von Alumni von der Hochschule bzw. der Art und Lage der Hochschule, die sie besucht haben, abhängt und dass auch die Frage, ob eine Universität in einer wirtschaftlich starken oder schwachen Region liegt, Einfluss darauf haben wird, inwiefern das Stipendiensystem dort funktioniert und Verwaltungskosten anfallen? Auf gut Deutsch: Ist es nicht so, dass in der RWTH Aachen ohne Weiteres ein solches Stipendiensystem implementiert werden kann, während die FH in Zittau beispielsweise mit viel höheren Kosten zu rechnen hat und viel weniger Geld zur Verfügung haben wird? Ist diese Unwucht nicht schon im System angelegt? Aus meiner Sicht müssen wir nicht drei Jahre warten und evaluieren, um das herauszufinden, was ich gerade beschrieben habe. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Burchardt hat gerade das erfolgreiche Beispiel der Universität Duisburg-Essen genannt. Das ist ein klassisches Beispiel erstens für eine junge Universität, die zweitens in einer strukturschwachen Gegend liegt. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das Ruhrgebiet?) Sie ist keine Technische Universität und hat es leichter als viele andere. Das ist keine Frage. Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Ich glaube nicht, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Einkommen eines Akademikers und der Hochschule gibt, an der er studiert hat. Ob jemand an der TU in Ilmenau oder in Aachen studiert hat, hat keinen Einfluss auf den Verdienst. Der Verdienst eines Ingenieurs beispielsweise reduziert sich nicht, wenn er in Ilmenau studiert hat. Diesen Zusammenhang gibt es nicht. Sie haben die Alumni angesprochen. Alumni leben in der Regel nicht im Umfeld ihrer Universität. So leben in Aachen durchaus auch ehemalige Studierende der Hochschule in Dresden. Zunächst einmal müssen, wie ich bereits gesagt habe, Erfahrungen gesammelt werden. Wenn der Eindruck entsteht, dass das System völlig ungleichgewichtig ist, kann überlegt werden, an welcher Stelle Korrekturen möglich sind. Vorstellbar ist zum Beispiel ein zentraler Fonds, aus dem ein Ausgleich erfolgt. Ich rate auch aufgrund der Erkenntnisse aus anderen Ländern, zunächst einmal Erfahrungen zu sammeln, um zu erkennen, woher der größte Teil der Stipendien kommt, die eine Hochschule anbietet. Auch das ist eine interessante Entwicklung. Wir müssen herausfinden, aus welchen Quellen die Stipendien finanziert werden. Dann können wir weitersehen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin Alpers, bitte. Agnes Alpers (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich habe zwei konkrete Fragen: Sie haben gesagt, durch das Stipendium erfahren wir soziale Gerechtigkeit; Stipendien sind genau der Indikator dafür, dass das nicht von sozialer Herkunft abhängig ist. - Darüber können wir nun politisch streiten. Deshalb meine erste Frage: Haben Sie vorgesehen, dass Sie uns jährlich vorlegen, wer Stipendien bekommen hat und wie die soziale Herkunft dieser Stipendiaten ist, um tatsächlich einmal belegen zu können, wie das mit diesen Stipendien sozial strukturiert ist? Meine Bitte ist also, dass wir das nicht erst nach drei bis fünf Jahren erhalten, sondern tatsächlich jährlich. Dann haben Sie gesagt, dass die Ehemaligen die Stipendiaten unterstützen sollten, gar nicht so sehr die Industrie, die Betriebe. Da hätten wir schon soziale Ungerechtigkeit; denn in strukturschwachen Regionen besteht einfach ein Ungleichgewicht. Meine zweite konkrete Frage: Wen genau wollen Sie ansprechen, und wie wollen Sie diese Ehemaligen ansprechen? Ich frage Sie, ob auch vorgesehen ist, dass diese Liste auch dem Bundestag vorgelegt wird, sodass Ihr Vorgehen transparent wird. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Es ist nicht vorgesehen, dass dem Bundestag jährlich ein Bericht vorgelegt wird, an welcher Universität wer mit welchem sozialen Hintergrund ein Stipendium bekommen hat. Wir diskutieren hier manchmal über Bürokratieabbau, und ich rate im Sinne des Bürokratieabbaus sehr, jetzt nicht eine solche Vorstellung zu entwickeln. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie denn dann eine sinnvolle Evaluation machen? Wie wollen Sie Evaluation machen, wenn Sie die Daten gar nicht erheben? Dann müssen Sie doch die Daten erheben!) - Ja, nach drei Jahren, aber nicht durch einen jährlichen Bericht. (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Es geht hier um den Nachweis Ihrer Tätigkeit!) Zweitens. Wir reden hier nicht über ein Stipendiensystem der Bundesregierung, (Ulla Burchardt [SPD]: Sonst will das doch keiner!) sondern über ein nationales Stipendiensystem der Universitäten, der Hochschulen in Deutschland, für das wir mit diesem Gesetzentwurf einen Vorschlag machen, der eine Verbindung von Investition aus öffentlichen Mitteln und privaten Investitionen vorsieht. Nach meiner Auffassung sollten wir hier nicht ein planwirtschaftliches Verfahren mit ständiger Kontrolle durch Regierung und Parlament vornehmen; (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Das hat doch gar nichts mit Planwirtschaft, sondern mit Demokratie und Transparenz zu tun!) vielmehr geben wir dies in die Selbstständigkeit der Hochschulen. Wir brauchen in diesem Zusammenhang lediglich die Informationen, die notwendig sind, um für die weitere Entwicklung dieses Stipendiensystems die Weichen richtig stellen zu können. Das ist vorgesehen. Ich halte es auch nicht für richtig, wenn wir nach meiner Rede über die Ehemaligen sie als Alternative zu den Unternehmen ansehen. (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Das haben Sie selber gesagt!) Der Begriff, der im Zusammenhang mit dem Engagement Privater verwendet werden sollte, lautet "Zivilgesellschaft". Dazu gehören Einzelne, Verbände, Klubs, Unternehmen, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wirtschaft sagt doch Nein! Die Wirtschaft lässt Sie doch im Regen stehen!) wie auch immer, wie es auch in der Vergangenheit Mäzenatentum und Sponsoring für Hochschulen gegeben hat. (Ulla Burchardt [SPD]: Was ist denn das für eine Traumwelt?) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Damit haben wir den zeitlichen Rahmen für die Regierungsbefragung voll ausgeschöpft. - Frau Bundesministerin, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Nun rufe ich den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Haltung der Bundesregierung zur Finanzierbarkeit der FDP-Steuerpläne Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion der Kollegin Nicolette Kressl das Wort. (Beifall bei der SPD) Nicolette Kressl (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über Vorschläge der FDP zu einem weiteren Steuermodell. Unsere Bewertung ist sehr eindeutig: Die Vorschläge der FDP sind eine fatale Mischung aus Wählertäuschung und Selbstbetrug. (Beifall bei der SPD) Der Selbstbetrug wird gerade in den letzten Tagen ganz besonders deutlich. Sowohl der Finanzminister als auch Einzelne aus der Union lassen die FDP am ausgestreckten Arm regelrecht vertrocknen. Ich will einige Zitate nennen: Es wird darauf verwiesen, dass es für Steuersenkungen Spielräume geben muss, und der CDU-Finanzminister sagt, die vorhandenen Steuerpläne seien nachrangig. Insofern könnten wir eigentlich diesem kabarettreifen Stück auf der Bühne gemütlich zuschauen; ich will Ihnen aber deutlich sagen: Für dieses Verwirrspiel haben wir wenig Verständnis; denn jetzt ist es wirklich Zeit für eine klare Ansage. (Beifall bei der SPD - Dr. Daniel Volk [FDP]: Die haben wir gemacht!) Die klare Ansage brauchen wir deshalb, weil wir uns hier nicht auf einer Schaustellerbühne befinden, sondern weil wir über Maßnahmen reden, die die Menschen ganz konkret betreffen würden. Deshalb muss auf den Tisch, was sich hinter den FDP-Vorschlägen tatsächlich versteckt. Ich will zwei entscheidende Punkte ansprechen. Erstens. In diesem Konzept steht, dass die FDP die Gewerbesteuer streichen will. Stattdessen sollen die Kommunen einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer erhalten. Es gab dazu die nette Äußerung von Herrn Westerwelle, den Kommunen das Recht einzuräumen, einen Hebesatz auf die Umsatzsteuer festzulegen. Dazu muss ich Ihnen ehrlich sagen: Es kann doch nicht ernst gemeint sein, lauter kleine Mehrwertsteuerinseln zu schaffen. Ich finde, es ist an der Zeit, diesen Vorschlag zurückzunehmen. Das kann eigentlich nur ein größerer Irrtum gewesen sein. (Beifall bei der SPD) Aber selbst wenn es nicht darum geht, einen Hebesatz auf die Mehrwertsteuer festzulegen, kann das nur zweierlei bedeuten. Die erste Variante ist: Die Kommunen bekommen einen geringeren Teil an der Umsatzsteuer, als ihre Einnahmen aus der Gewerbesteuer bisher ausmachten; das sind pro Jahr mindestens 30 Milliarden Euro Gewerbesteuer. Das bedeutet, dass sie weniger Geld haben. Also zahlen die Bürgerinnen und Bürger dort beispielsweise mehr Abgaben. Das wäre eine Belastung, obwohl Sie eine Entlastung versprechen. Deshalb nenne ich das Wählertäuschung. (Beifall bei der SPD) Die zweite Variante ist: Sie brauchen insgesamt höhere Umsatzsteuereinnahmen. Dann müssen Sie aber die Mehrwertsteuer anheben, und auch dieses würde die Menschen belasten. Das ist wieder Wählertäuschung; denn Sie müssen das den Menschen sagen und dürfen nicht behaupten, ohne Belastung der Leute könnten Sie höhere Umsatzsteueranteile an die Kommunen verteilen. (Beifall bei der SPD) Der zweite Teil der Wählertäuschung ist, dass es zur Finanzierung äußerst vage Formulierungen gibt. Ich nenne eine: Steuervergünstigungen werden abgebaut. - Was heißt das? Auf Nachfrage, auch von Journalisten, hat der FDP-Chefwahlkämpfer Pinkwart deutlich gemacht, dass die Steuerfreiheit der Zuschläge für Nacht-, Schicht- und Feiertagsarbeit zum Abriss freigegeben ist. Es ist nicht in Ordnung, dass das hinter anderen Vorschlägen versteckt wird. (Beifall bei der SPD) Sie versprechen Entlastungen, belasten aber die Bürger, wenn Sie die Steuerfreiheit der Zuschläge für Nacht-, Schicht- und Feiertagsarbeit abschaffen. Damit belasten Sie in Wirklichkeit weiterhin die Leistungsträger in der Gesellschaft; denn ohne Belastung dieser Menschen werden Sie Ihr Konzept nicht umsetzen können. Das ist doch völlig klar. (Beifall bei der SPD - Dr. Daniel Volk [FDP]: Wir haben die Leistungsträger doch gerade entlastet!) Deshalb müssen Ihre Vorschläge klar auf den Tisch. Mit der Sozialdemokratie wird es eine Abschaffung oder auch eine Einschränkung der Steuerfreiheit für Nacht-, Schicht- und Feiertagszuschläge nicht geben. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wer will das denn?) - Herr Pinkwart hat ausdrücklich bestätigt, dass das zur Debatte steht. Das sollten Sie einmal nachlesen. - Mit uns wird es das auf keinen Fall geben. Die Leistungsträger, die nachts und an Sonn- und Feiertagen für diese Gesellschaft unter erheblichen Einschränkungen arbeiten, werden mit unserer Zustimmung auf keinen Fall belastet. Das kann so nicht gehen. (Beifall bei der SPD) Ich will Ihnen sagen: Das ist eine Mischung aus Selbstbetrug und Wählertäuschung. Was die Steuerfreiheit der Nacht-, Schicht- und Feiertagszuschläge betrifft, werden Sie alle morgen die Möglichkeit bekommen, sich im Rahmen der namentlichen Abstimmung dazu zu bekennen, dass die Steuerfreiheit der Zuschläge für diese wichtigen Menschen erhalten bleibt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat der Kollege Leo Dautzenberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kressl, ich frage mich, was die SPD mit dieser Aktuellen Stunde bezwecken will; schließlich entbehrt all Ihre Kritik, die Sie bis jetzt geäußert haben, jeglicher Grundlage. Es geht vielmehr um Themen, über die schon seit Monaten, seit einem halben Jahr und noch länger, diskutiert wird. Anscheinend suchen Sie lediglich Anlässe, um etwas an die Wand malen zu können, was gar nicht beabsichtigt ist. Über die Steuerfreiheit von Zuschlägen werden wir morgen debattieren. (Nicolette Kressl [SPD]: Dann können Sie ja zustimmen!) Sie können davon ausgehen: Die Steuerfreiheit von Zuschlägen wird auch dann nicht eingeschränkt werden, wenn es zu den von uns geplanten Steuerentlastungen und Steuerstrukturreformen kommt. Sie haben hier behauptet, wir wollten die Gewerbesteuer abschaffen. Das stimmt nicht. (Nicolette Kressl [SPD]: Wenn es nach der FDP geht, schon! - Joachim Poß [SPD]: Die FDP will das!) - Ich rede hier für die CDU/CSU-Fraktion. Ich bitte Sie, zuzuhören, Herr Kollege Poß. - (Joachim Poß [SPD]: Dann können Sie die Kommission doch beenden!) Die Regierung hat mittlerweile eine Gemeindefinanzreformkommission ins Leben gerufen. Sie besteht aus Vertretern von drei Ministerien der Bundesebene, aus Vertretern der Landesebene und aus Vertretern der kommunalen Ebene. Diese Kommission hat die Zielsetzung, die Einnahmen der Kommunen verlässlicher und stetiger zu machen. Deshalb geht es hier auch um einen Ersatz für die Gewerbesteuer und nicht um ihren Wegfall. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei Abgeordneten der SPD - Nicolette Kressl [SPD]: Ach nee!) Es geht darum, den Kommunen vom Volumen her eine verlässlichere Einnahmebasis zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Nicolette Kressl [SPD]: Das meinen Sie jetzt nicht ernst, oder?) Wir müssen feststellen: Aufgrund der konjunkturellen Entwicklung stiegen die Gewerbesteuereinnahmen bis 2008, und durch die dann eingetretene Wirtschaftskrise sind sie stark zurückgegangen. Natürlich können Sie die Forderung stellen: Lasst uns doch die Gewerbesteuer so verstetigen, dass die Hinzurechnungen erhöht werden. - Das würde zu Substanzbesteuerungen der Unternehmen, gerade im Handel, führen; das haben wir erlebt. Es war deshalb richtig, die Hinzurechnungen mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz abzumildern. Dadurch wurde die Steuerbasis der kommunalen Ebenen erhalten. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn diese Unternehmen pleitegegangen wären. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diese Differenzierung müssen Sie einmal auf sich wirken lassen. Das Bild, das Sie hier malen, entbehrt jeglicher Grundlage. Wir wollen die Fortsetzung von Maßnahmen, die weiterhin Wachstum generieren und zur Haushaltskonsolidierung, verbunden mit steuerlichen Entlastungen, führen. Das ist kein Gegensatz, sondern ergänzt sich, weil steuerliche Entlastung zu mehr Wachstum führen kann, und Wachstum wiederum würde zu einer Verbesserung der Einnahmesituation der Haushalte aller Ebenen führen. Schon zu Beginn des Jahres haben wir Entlastungsmaßnahmen, gerade für Familien mit Kindern, (Joachim Poß [SPD]: Wir reden jetzt über die FDP!) in Höhe von 25 Milliarden Euro beschlossen. Wir warten die Steuerschätzung ab, weil diese Daten eine wichtige Rahmenbedingung für weitere Maßnahmen im Einkommensteuerbereich sind. Es ist kein Geheimnis, sondern im Koalitionsvertrag nachzulesen, wo die Schwerpunkte der Entlastungen liegen werden, nämlich bei denjenigen Leistungsträgern unserer Gesellschaft, die im unteren und mittleren Einkommensteuerbereich liegen. (Manfred Zöllmer [SPD]: Wer bezahlt?) Wir wollen im Grunde die kalte Progression abbauen. Daher sind das alles keine überraschenden Elemente, sondern es ist klar, was wir wollen. Was wir vorhaben, wollen wir von verlässlichen Rahmenbedingungen abhängig machen. Wir dürfen nicht nur die Einnahmesituation des Staates sehen. (Joachim Poß [SPD]: Worüber reden Sie eigentlich? Reden Sie doch einmal über die FDP-Pläne!) Wenn die Ausgaben im Bundeshaushalt bis Ende Mai geringer ausfallen, weil sich der Arbeitsmarkt stabilisiert hat und die Bundesagentur für Arbeit dadurch weniger ausgeben muss, dann ist das Potenzial für Entlastungen größer. Es ist eben so: Alles hängt mit allem zusammen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Geisterfahrer sind Sie!) Was Sie hier heute veranstalten wollen, geht fehl. Wir werden unser Ziel gemeinsam mit dem Koalitionspartner durchsetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Nicolette Kressl [SPD]: Mich wundert, dass Sie nicht zum Thema reden wollen! - Joachim Poß [SPD]: Das war aber eine Eierei, mein lieber Mann!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Kollegin Dr. Barbara Höll von der Fraktion Die Linke ist nun die nächste Rednerin. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Steuer- und Finanzpolitik der schwarz-gelben Koalition ist eine Zumutung. Führen wir uns einmal vor Augen, was Sie getan haben: Mitten in der schwersten Wirtschafts-, Finanz- und Demokratiekrise seit 60 Jahren (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Demokratiekrise hatten wir nur durch Sie!) schließen Sie einen Koalitionsvertrag, in dem Sie einen Stufentarif versprechen. Vor kurzem haben wir den Haushalt für dieses Jahr mit einer Rekordverschuldung verabschiedet. Nun sagt der kleine Koalitionspartner: Jetzt machen wir mal ein bisschen Nägel mit Köpfen und verraten etwas genauer, wie wir uns das eigentlich vorstellen; Steuerentlastung haben wir ja groß versprochen. Sie rennen weiter Ihrer Fata Morgana hinterher, als ob milliardenschwere Steuersenkungen einfach mal so locker möglich wären. Was sagt die Bundeskanzlerin dazu? Was sagt der Finanzminister dazu? (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Na, was sagt er denn?) Nichts! Schweigen im Walde! Es ist berechtigt, zu sagen - nicht nur vonseiten der SPD, sondern insbesondere auch von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land -: Wir wollen vor der NRW-Wahl wissen, was Sie tun, wie Sie sich verhalten werden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD]) Wenn man sich anschaut, wie das Steuerkonzept der FDP aussieht, dann kann man nur feststellen: Es ist eine Mogelpackung. Sie rennen durchs Land und erzählen erstens, dass Sie vor allem untere und mittlere Einkommen entlasten wollen. (Zuruf von der FDP: Das tun wir auch!) Dazu möchte ich Ihnen einmal sagen: Viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Land würden gern Steuern zahlen, wenn sie denn für die von ihnen geleistete Arbeit endlich ordentlich bezahlt würden. Das ist der große Skandal. Dem müssten Sie sich als Erstes widmen. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens tun Sie so, als ob die hohen Einkommen nicht entlastet würden. Das stimmt aber nicht. Nach Ihrem Tarifvorschlag beträgt die Höchstentlastung 1 534 Euro. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nach welchem Tarifvorschlag denn?) Die greift natürlich bei jedem, also auch bei dem, der ein zu versteuerndes Einkommen von über 53 000 Euro hat. Nach Ihrem Konzept wird also auch jeder Millionär jährlich um 1 534 Euro entlastet. Das ist die Realität. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Thema verfehlt!) Schauen wir mal weiter! Der Vorschlag beinhaltet ja nicht nur einen Einkommensteuertarif, sondern da gibt es noch ein paar kleinere Striche untendrunter. Da findet sich zum Beispiel der Punkt: Arbeitnehmerpauschbetrag. Derzeit beträgt er 920 Euro. Den wollen Sie durch eine Werbungskostenpauschale in Höhe von 2 Prozent der Einkünfte ersetzen. Dabei kommt für die Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen, die aber schon Steuern zahlen müssen, eine Mehrbelastung heraus. Für die heißt das also weniger Netto vom Brutto. So viel zu Ihren Wahlversprechen und den Umsetzungen! (Beifall bei der LINKEN) Wenn wir beim Thema "Entlastung und Belastung" sind, noch Folgendes: Es ist doch einfach ein Skandal, dass Sie weiter Ihr Spiel spielen: mit der rechten Hand geben, mit der linken Hand nehmen. Denn das tun Sie. Welche Entwicklung gibt es bei der Krankenversicherung? Wie viele Kassen haben denn jetzt schon einen monatlichen Zusatzbeitrag von 8 Euro eingeführt? Wenn Sie dann auch noch an Ihrer Kopfpauschale festhalten, bedeutet das eine weitere Verschärfung der Ungerechtigkeit. Das heißt, dass insbesondere die Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen massiv belastet werden. Man muss natürlich feststellen, dass das eine gewisse Logik hat. Die CDU/CSU regiert ja nun schon die zweite Legislaturperiode. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Gott sei Dank!) Vorher hatten wir Rot-Grün. Seit dem Jahr 2000 gibt es massive Steuerentlastungen für die Bezieher und Bezieherinnen hoher Einkommen und im Unternehmensbereich. Die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne führte zu einem massiven Einbruch der Steuereinnahmen und als Erstes zu einer ziemlich katastrophalen Situation vieler Kommunen. Zu nennen sind ferner die Senkung des Spitzensteuersatzes, die Sie vorgenommen haben, die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 Prozent, die Eröffnung von neuen Möglichkeiten des Kleinrechnens der Steuern durch großzügige Regelungen zur Bemessungsgrundlage, sodass Unternehmen effektiv nur die Hälfte der Steuern zahlen, die sie eigentlich zahlen müssten. Dies alles hat dazu geführt, dass sich die öffentliche Hand in einer katastrophalen Situation befindet. Heute sind aber insbesondere die Bezieherinnen und Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen darauf angewiesen, dass die öffentliche Infrastruktur funktioniert. Sie werden am stärksten von dem betroffen, was im Lande losgeht. So wird bei Bibliotheken gestrichen, werden bei Schwimmbädern Öffnungszeiten verändert oder werden solche Einrichtungen gleich ganz geschlossen. Dazu gehören auch Gebührenerhöhungen im kommunalen Bereich. Ich nenne beispielsweise die Erhöhung der Abfallgebühren. Vielen Bürgerinnen und Bürgern würde es wesentlich mehr nutzen, wenn Sie endlich etwas dafür täten, dass die Kommunen eine verlässliche Finanzierungsgrundlage bekommen. Das erreichen Sie aber nicht mit der Umsetzung des Vorschlags, den Herr Dautzenberg hier dankenswerterweise noch einmal erwähnt hat: im Prinzip weg mit der Gewerbesteuer. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nein! Gleichwertiger Ersatz und Verstetigung der Einnahmen! Sie müssen zuhören!) Sie sind überhaupt nicht gewillt - das wurde in den ersten Sitzungen Ihrer Kommission zu den Kommunalfinanzen deutlich -, die Finanzsituation der Kommunen zu verbessern, (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Selbstverständlich!) sondern wälzen die Folgen Ihrer katastrophalen Finanz- und Steuerpolitik auf die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und auf die Kommunen ab. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir sind die Partei der Steuergerechtigkeit. (Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) Wir schlagen Ihnen vor: Belastung der hohen Einkommen - unter anderem soll der Spitzensteuersatz wie bei Helmut Kohl 53 Prozent betragen -, einen linear-progressiven Tarif und eine Millionärsteuer. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Diese Punkte sind umzusetzen. Dann hätten wir Geld, um dort Steuerentlastungen vorzunehmen, wo sie notwendig sind, nämlich bei den Bezieherinnen und Beziehern niedriger und mittlerer Einkommen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nun hat das Wort der Kollege Dr. Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kern des Problems (Zuruf von der SPD: Ist die FDP!) der Einkommensbesteuerung in Deutschland ist die zu hohe Belastung, der zu steile Tarifanstieg im unteren und mittleren Bereich; das ist völlig unbestritten. Das führt dazu, dass ein ganztägig beschäftigter durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer in Deutschland von jedem zusätzlich verdienten Euro weniger als 50 Prozent, also weniger als 50 Cent, ausgezahlt bekommt. Das ist natürlich leistungslähmend. (Joachim Poß [SPD]: Mit welchem Einkommen? Können Sie eine Hausnummer nennen?) - Durchschnittlicher Verdienst heißt: ein Einkommen von circa 36 000 bis 37 000 Euro im Jahr. - Ein Facharbeiter mit einem Jahreseinkommen von 50 000 Euro bekommt sogar weniger als 40 Prozent von jedem zusätzlich verdienten Euro ausgezahlt. Der Kern unserer Steuerreformvorschläge ist, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Es ist ja bezeichnend, dass die Kollegin Kressl auf das eigentliche Thema gar nicht eingegangen ist. (Nicolette Kressl [SPD]: Sie doch auch nicht! Sie sagen doch nicht die Wahrheit!) Ich kann Ihnen auch sagen, warum sie das nicht getan hat. Sie hat es nicht getan, weil im Wahlprogramm der SPD genau das Gleiche steht, was wir jetzt vorschlagen. Da steht nämlich: Wir wollen die Entlastungen daher auf die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen sowie die Familien konzentrieren. (Nicolette Kressl [SPD]: Wenn man es finanzieren kann! Aber das können Sie nicht!) Die Familien haben wir schon entlastet. - Zur Tarifreform sagen Sie: Wir wollen den Tarifverlauf so gestalten, dass es Entlastungen bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 52 882 Euro ... gibt. Hiervon werden im Vergleich mit dem Tarifverlauf 2010 über 24,6 Millionen Menschen profitieren. (Nicolette Kressl [SPD]: Wenn es geht! Aber nicht ohne die äußeren Umstände! Sie ignorieren die Wirtschaftslage!) Auch wir wollen bis zu einem Jahreseinkommen von 53 000 Euro Entlastungen vornehmen. Unsere Vorschläge sind also fast identisch. (Nicolette Kressl [SPD]: Was sagen Sie zur Finanzierung?) Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Wahlprogramm der CDU/CSU. Dort steht nichts anderes: Die aus Wachstum folgenden Steuermehreinnahmen wollen wir in etwa gleichen Teilen für Haushaltskonsolidierung, Zukunftsinvestitionen und Entlastung der Bürger verwenden. (Nicolette Kressl [SPD]: Aber was sagt jetzt der Finanzminister?) Darauf komme ich gleich zurück. - An anderer Stelle sagen Sie: Leistung und Einsatzbereitschaft müssen sich wieder mehr lohnen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was zu den 16 Milliarden!) Durch eine Korrektur des Tarifverlaufs (Abbau des "Mittelstandsbauches") sorgen wir dafür, dass Lohnerhöhungen auch wirklich bei denjenigen ankommen, die sie erarbeitet haben. An einer weiteren Stelle sagen Sie, dass Sie diese Entlastung in einer ersten Stufe bis zu einem Einkommen von 55 000 und in einer späteren Stufe bis zu einem Einkommen von 60 000 Euro möglich machen wollen. Die drei klassischen Parteien in diesem Hause wollen genau das Gleiche. Es gibt also überhaupt keinen Grund, über dieses Thema zu streiten. Was wir wollen, ist richtig. Jetzt geht es um die Frage, ob wir uns das aus staatlicher Sicht leisten können. Ich sage: Wir müssen uns das leisten, weil es um Steuergerechtigkeit für die Leute geht, die die Steuern aufbringen und den Staat durch ihre Arbeit finanzieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr Sparbuch?) Lassen Sie mich dieses Thema erweitern: Die letzte Steuerschätzung vom Mai des vorherigen Jahres - es wird bald eine neue Steuerschätzung geben -, die bis jetzt Grundlage aller Berechnungen ist, kommt zu dem Ergebnis, dass wir im Jahre 2010 ein Gesamtsteueraufkommen - Bund, Länder und Gemeinden zusammen - von 510,4 Milliarden Euro haben werden. Das wird bis 2013 auf 575 Milliarden Euro ansteigen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Prinzip Hoffnung! - Joachim Poß [SPD]: Dann brauchen wir ja gar nicht zu konsolidieren!) Wir werden in dieser Zeit also einen Zuwachs an Steuereinnahmen in Höhe von 65 Milliarden Euro haben. Ich sage Ihnen voraus, dass die neue Steuerschätzung für die nächsten Jahre - für 2010 vermutlich nicht mehr - sogar einen höheren Zuwachs prognostizieren wird. (Nicolette Kressl [SPD]: Das meine ich mit Selbstbetrug!) Wenn man dann der Strategie der CDU/CSU folgt und sagt: "Wir wollen das auf drei Jahre aufteilen", dann sind wir genau bei den Steuerentlastungen von 22 bis 24 Milliarden Euro, auf die wir uns im Koalitionsvertrag geeinigt haben. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wundersame Geldvermehrung!) Wir sollten uns einig sein, dass wir das auch so umsetzen. Wir sollten darüber nicht mehr streiten, sondern überlegen, wie wir das machen. Machbar ist das. Das hat Dr. Boss aus Kiel gerade bestätigt. Steuerentlastungen, so hat er gesagt, sind nicht nur möglich, sondern gerade in diesem Bereich auch notwendig, (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über 100 Milliarden Neuverschuldung! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist völlig unverantwortlich!) damit das Wachstum gestärkt wird, sich Arbeit wieder mehr als bisher lohnt und dadurch die Arbeitslosigkeit effizient bekämpft wird. Die Strategie der Koalition ist richtig angelegt. Sie wird zu diesen positiven Ergebnissen führen; das kann ich Ihnen versichern. (Nicolette Kressl [SPD]: Das ist der Beweis für den Selbstbetrug!) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Titel dieser Aktuellen Stunde lautet ja: "Haltung der Bundesregierung zur Finanzierbarkeit der FDP-Steuerpläne". Ich möchte - denn Herr Dautzenberg hat dazu nichts gesagt - (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ich bin nicht die Bundesregierung, Herr Kollege! Ich bin Mitglied der Fraktion!) Sie, Herr Koschyk, vorsichtshalber darum bitten, dass Sie nachher etwas zum Thema Finanzierbarkeit sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Denn genau dies ist das Thema, und am Thema vorbeireden sollte man nicht. Herr Solms, wir haben eine Antwort auf die Frage der Finanzierbarkeit gehört. Das ist das Prinzip Hoffnung in folgendem Sinne: Die Steuerpläne werden sich schon irgendwie selbst finanzieren. - Sie wissen genau, dass das in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage nicht funktionieren wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie wissen auch, dass das Prinzip Hoffnung bei dem derzeitigen Zustand der öffentlichen Finanzen absolut unverantwortlich wäre. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Bisher haben wir immer gedacht, die FDP-Position sei populistisch, weil die FDP den Leuten etwas verspricht und damit Wahlen gewinnen will. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Tun wir ja auch!) Inzwischen stellen wir aber fest: Die Leute sind schlauer als Sie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Die breite Mehrheit der Menschen weiß, dass Ihr Vorhaben unverantwortlich ist. Sie will, dass Regierung und Parlament verantwortlich mit den öffentlichen Finanzen umgehen, weil man so nicht weiter wirtschaften kann. Der gegenwärtige Bundeshaushalt ist zu einem Drittel über Schulden finanziert. Viele Kommunen sind nicht mehr in der Lage, selber aus ihrer Verschuldungssituation herauszukommen. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Was haben Sie denn in Ihrer Regierungszeit dazu beigetragen, dass die Schulden angewachsen sind, Herr Kollege?) Die Einnahmeausfälle in Höhe von 16 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer, auf die Sie sich jetzt haben herunterhandeln lassen, bedeuten immer noch bei den kommunalen Einnahmen Ausfälle in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Das ist definitiv zu viel. Den Ruin der Kommunalfinanzen machen wir nicht mit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Leo Dautzenberg [CDU/ CSU]: Den Kommunen ging es doch sehr viel schlechter während Ihrer Regierungszeit!) Was sagt eigentlich die Bundesregierung dazu? Beim Finanzminister, bei der Kanzlerin und auch bei Herrn Pofalla hört sich das alles sehr ruhig und seriös an: Schauen wir mal. Vielleicht machen wir das in zwei Jahren. Die Priorität liegt bei den Kommunen. - In Wirklichkeit haben Sie aber bisher die Antwort darauf verweigert, wie all das, worüber in der Koalition diskutiert wird, finanziert werden soll. Denn hinter all den schönen Sprüchen stehen nicht nur die geschätzten Einnahmeausfälle von 16 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer, sondern auch Einnahmeausfälle von 30 Milliarden Euro, falls Sie die Gewerbesteuer ersetzen wollen. Irgendwoher muss das Geld ja kommen. (Nicolette Kressl [SPD]: Genau!) Es stehen bei der Kopfprämie bzw. dem Sozialausgleich in der Krankenversicherung noch einmal 30 Milliarden Euro zur Disposition. Durch die Schuldenbremse sind Einsparungen von 10 Milliarden Euro erforderlich. Wenn Sie darunter einen Strich machen, kommen Sie auf ein Loch von über 80 Milliarden Euro. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Darüber sagen Sie nichts. Das ist genauso unseriös wie das Vorgehen mancher Banker, die noch zwei Tage vor der Bankrotterklärung gesagt haben, sie hätten ihre Finanzen im Griff. Sie müssten einmal sagen, wie Sie das finanzieren wollen. Wir haben inzwischen, in den paar Monaten, die Sie an der Regierung sind, unsere Erfahrungen gemacht. Beim Thema Griechenland sagte die Kanzlerin erst, das Land werde keine Hilfen brauchen. Inzwischen wird die Kreditvergabe vorbereitet. Bei der Bankenabgabe sagte der Finanzminister: Wir werden die Branche an den Kosten der aktuellen Krise beteiligen. Heute will er nichts mehr davon wissen. (Zuruf von der SPD: Wortbruch!) Vor der Wahl machte die Kanzlerin den Kommunen die Zusage, man werde nicht an die Gewerbesteuer herangehen. Jetzt reden Sie über den Ersatz der Gewerbesteuer und wissen gar nicht, wie die Gegenfinanzierung aussehen soll. Genauso wird es auch bei der Steuersenkungspolitik sein: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE]) Jetzt reden Sie sozial und tun so, als werde nicht weiter an die Einnahmen der Kommunen herangegangen. Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen werden Sie die Wahrheit sagen, und das wird eine bittere Wahrheit sein. Wir fordern Sie deswegen heute auf: Sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern klar, wo das Geld herkommen soll! Hören Sie auf, sozial und kommunenfreundlich zu reden und nachher doch etwas anderes zu machen! (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wer hat denn das Konjunkturprogramm für die Kommunen gemacht?) Diese Serie von falschen Aussagen darf nicht fortgesetzt werden. So sieht seriöse Finanzpolitik nicht aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Peter Aumer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Peter Aumer (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir dürfen heute über die Haltung der Bundesregierung zur Finanzierbarkeit der FDP-Steuerpläne diskutieren. Es stellt sich die Frage, warum die SPD darüber diskutieren möchte. (Zuruf von der SPD: Wir wollen wissen, was Ihre Haltung ist! - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird man doch mal fragen dürfen!) Es wäre doch schön, wenn es zum Vergleich Steuerpläne der SPD gäbe. Ich habe nachgeschaut: Es gibt keine. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn hier in der Regierung? - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber Sie regieren doch, oder nicht?) - Die Opposition soll Alternativen aufzeigen; aber das tut sie nicht. Das kann man, glaube ich, für die ganze linke Hälfte des Hauses sagen. Wir brauchen tragfähige Konzepte, um unser Land aus dieser Krise zu führen. Wir Deutschen haben die Wirtschafts- und Finanzkrise bisher gut überstanden, dank eines Kraftakts aller, dank der Menschen, die mit Tatkraft angepackt haben, unser Land aus dieser schwierigen Situation zu führen. Das SPD-Konzept, das helfen könnte, sucht man jedoch vergeblich. Im März dieses Jahres nahm die SPD-Arbeitsgruppe "Steuern und Abgaben" ihre Arbeit auf. Auftrag der Arbeitsgruppe ist es, erst einmal Teile der Maßnahmen zurückzunehmen, die die SPD in Regierungsverantwortung ausgearbeitet und eingeführt hat. (Nicolette Kressl [SPD]: Aber wir versprechen doch nicht 16 Milliarden! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen interessiert denn die SPD? Sagen Sie doch mal was zur Regierung!) - Ich spreche nicht für die Regierung, sondern für eine Fraktion. Die Regierung ist nachher dran. - Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, all das, was für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes richtig und wichtig war, stellen Sie wieder infrage. Das kann doch nicht der richtige Weg sein. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Aktuelle Stunde hat ein anderes Thema!) Deutschland ist kein Land der Beliebigkeit, (Nicolette Kressl [SPD]: Das ist ja peinlich!) das je nach Belieben der innerparteilichen Strömungen der SPD einmal so und einmal anders regiert werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Kommen Sie doch mal zum Thema!) Deutschland ist ein Land mit Zukunft, das genau deswegen eine verlässliche Politik braucht. Darum haben die Menschen die christlich-liberale Koalition gewählt, eine Koalition, die ergebnisorientiert arbeitet, die das Wohl des Ganzen und die Nachhaltigkeit des politischen Handelns im Blick hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo denn?) Insofern ist es gut und wichtig, dass man Positionen überarbeitet und Überlegungen auf den Prüfstand stellt. Das hat die FDP gemacht. Es ist sehr zu begrüßen, dass die FDP Anpassungen an die aktuelle Situation vorgenommen hat. (Nicolette Kressl [SPD]: Da haben Sie aber in Münster etwas anderes gesagt!) Um den bayerischen Ministerpräsidenten zu zitieren: Das, was die FDP jetzt vorlegt, geht in die richtige Richtung. Bereits der Koalitionsvertrag der christlich-liberalen Koalition zeigt auf, dass diese Regierung für Wachstum und Aufschwung steht, dass aber eine nachhaltige und verfassungskonforme Haushaltspolitik im Vordergrund der Arbeit stehen muss. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, wurde eine erste Weichenstellung vorgenommen. Für weitere Schritte muss allerdings die Steuerschätzung Anfang Mai abgewartet werden. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist das!) Danach kann über konkrete und zielführende Maßnahmen entschieden und eine feste Positionierung vorgenommen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP]) Nur mit den Zahlen der Steuerschätzung können realistische Entscheidungen getroffen werden, die den Zielen des Koalitionsvertrages gerecht werden. Selbstverständlich darf nicht vergessen werden, dass die Schuldenbremse zu wirken beginnt. Das ist wahrscheinlich auch das, was Sie mit Ihrem Antrag beabsichtigen. (Burkhard Lischka [SPD]: Sagen Sie mal was zur Finanzierbarkeit!) Wir haben es gehört: Die Einnahmen und die Ausgaben sind das Entscheidende. Man muss immer beide Seiten betrachten. Ich glaube, das können Sie nicht. Man darf nicht nur auf Steuererhöhungen setzen, sondern man muss auch Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes geben. Es gab und wird eine steuerliche Entlastung geben, insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensbereiche sowie für Familien mit Kindern. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das ist falsch!) Ebenso wird es eine spürbare Vereinfachung des Steuerrechts geben. Auch dafür wurden wir gewählt, und auch dafür steht die Koalition der CDU/CSU und der FDP. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir brauchen eine Finanzpolitik aus einem Guss, (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön wär's! - Nicolette Kressl [SPD]: Aber wo ist sie denn?) die die Lage der Sozialversicherungen ebenso berücksichtigt wie die Lage der Kommunen. Die Finanzpolitik der Bundesregierung hat dieses Ziel vor Augen, und die diese Regierung tragende christlich-liberale Koalition ebenso. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, wir sollten nicht über Anträge in Aktuellen Stunden streiten, (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Genau!) sondern handeln, und zwar für unser Land. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie das doch!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort die Kollegin Petra Hinz. (Beifall bei der SPD) Petra Hinz (Essen) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Aumer, um hier Zahlen auf den Tisch zu legen und keine nebulösen Reden zu schwingen - das gilt auch für Herrn Solms -: Verstehen Sie unter "sozial", dass nach dem Modell der FDP Familien oder Alleinerziehende mit einem Jahreseinkommen von 12 000 Euro lediglich 146 Euro Steuerersparnisse haben, im Gegensatz dazu aber Familien oder Alleinerziehende mit einem Jahreseinkommen von 54 000 Euro eine Entlastung von 1 534 Euro zu verzeichnen haben? Ich muss feststellen: Das ist weder sozial noch gerecht. Im Gegenteil: Das macht deutlich, wohin die Regierung in dieser Legislaturperiode will. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist doch kein Regierungsvorschlag, Frau Kollegin!) Sie macht Klientelpolitik. Diejenigen, denen es besser geht, werden durch Steuervergünstigungen entlastet. (Beifall bei der SPD) Bevor Sie sich jetzt aufregen, möchte ich Ihnen sagen, dass das nicht mein Rechenmodell ist, sondern dass es vom Bund der Steuerzahler im Handelsblatt veröffentlicht worden ist. Es wurde seriös anhand der Zahlen, die von der FDP genannt wurden, nachgerechnet. Das wollen Sie doch wohl nicht bestreiten. (Dr. Daniel Volk [FDP]: In Prozent gerechnet!) Herr Dautzenberg, Sie haben im Parlament immer wiederholt, dass die Gewerbesteuer nicht abgeschafft wird. Nun erklären Sie in drei Sätzen, dass sie doch abgeschafft werden soll. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ach!) - Natürlich soll sie abgeschafft werden. Das können Sie in der Financial Times Deutschland nachlesen: Schäuble stellt Gewerbesteuer infrage. Die schwarz-gelbe Koalition nimmt einen neuen Anlauf, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Genau das ist Ihr Ziel. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Um einen gleichwertigen Ersatz zu finden!) Sie führen immer wieder - quasi als Kronzeuge - aus, wie sozial und gut das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist. Ich will anhand meiner Heimatstadt Essen in Nordrhein-Westfalen einmal deutlich machen, zu welchen Steuermindereinnahmen das Wachstumsbeschleunigungsgesetz dort führt: Für das laufende Haushaltsjahr in Essen bedeutet das Steuermindereinnahmen von 8,28 Millionen Euro, für das Jahr 2012 Steuermindereinnahmen von 17,05 Millionen Euro. Sie wollen trotz dieser Zahlen behaupten, dass Sie den Kommunen mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz geholfen hätten? Meine Stadt wird in den nächsten Jahren nichts davon spüren. - Da die Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite des Hauses den Kopf schütteln: Diese Zahlen hat der Stadtkämmerer, Herr Klieve von der CDU, auf den Tisch gelegt. Sie sind öffentlich nachzulesen. Das, was ich vortrage, hat Substanz und stimmt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Kanzlerin ist auf dem Weg zum Wortbruch; das wurde bereits mehrfach angesprochen. Im letzten Mai hat sie sich dafür ausgesprochen, dass es keine Abschaffung der Gewerbesteuer geben soll. Es wurden aber Kommissionen mit dem Ziel eingesetzt, genau das zu erreichen. Im März dieses Jahres, auf dem Landesparteitag der CDU in Münster, hat Frau Merkel - auf dem Weg zu Wortbruch Nummer zwei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP - vollmundig angekündigt, dass es mit der CDU/CSU keine Steuersenkungen geben wird. "Wir dürfen die Kommunen nicht ausbluten", war der Wortlaut der Kanzlerin. Bisher habe ich kein Dementi von ihr gehört, dass sie die Steuerkonzepte der FDP vom Tisch fegt. Nein, ich habe dazu von ihr bisher noch gar nichts gehört. Nur auf Parteitagen oder im Rahmen eines Städtetages spricht sie sich für die Kommunen aus. (Beifall bei der SPD - Joachim Poß [SPD]: Frau Merkel ist der lebende Widerspruch!) Guido Westerwelle hat deutlich gemacht - ich muss schon sagen: So stellt sich Klein-Lieschen Finanz- und Haushaltspolitik vor -, dass die Kommunen über die Mehrwertsteuer oder wie auch immer mal so eben ihren Haushalt sanieren können. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, da kann ich nur sagen: Die Fachleute sprechen eine ganz andere Sprache. Sie erklären ganz klar: Hände weg von der Gewerbesteuer! Es gibt keine Alternative zur Gewerbesteuer. (Beifall bei der SPD - Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht! Sie haben doch keinen Kontakt zur Basis!) - Wenn Sie den Fachleuten nicht glauben, dann lesen Sie doch in den Protokollen nach, als über die zurückliegende Unternehmensteuerreform beraten wurde. Die Sachverständigen haben eindeutig gesagt, dass es derzeit keine Alternative zu der Gewerbesteuer gibt. Ich gebe Ihnen recht, dass die Gewerbesteuer angepasst werden muss. Ich gebe Ihnen auch recht, dass wir dafür sorgen müssen, dass sie nicht mehr so konjunkturanfällig ist. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Aha!) Aber die Umsatzsteuer ist doch genauso anfällig. (Zuruf von der FDP: Sie haben doch die Mehrwertsteuer erhöht!) - Zu der Frage der Mehrwertsteuererhöhung kann ich nur sagen: Wer zahlt denn die Zeche in den Kommunen? Das sind doch immer die Bürger. Als Erstes müssen die Bürger die Steuermindereinnahmen kompensieren. Der nächste Punkt ist, dass die Gewerbesteuer, die von den Gewerbetreibenden gezahlt wird, nun durch eine Verbrauchsteuer ersetzt werden soll. Ich kann dazu nur sagen: Pfui! Das ist in keiner Weise bürgernah. Das ist in keiner Weise sozial. Das ist nicht akzeptabel. (Beifall bei der SPD) Herzlichen Glückwunsch, wenn Sie dies in dieser Form umsetzen. Ich kann nur sagen: Wir werden nicht müde, deutlich zu machen, dass Sie diejenigen sind, die Klientelpolitik betreiben. Um zu meinem Anfang zurückzukommen: Rüttgers, CDU-Ministerpräsident von NRW, (Zurufe von der SPD: Nicht mehr lange!) sagt - jetzt spreche ich zu den Freunden der FDP -: Ich bin dagegen, wenn das auf Kosten der Kommunen geht. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Richtig!) Niedrige Steuern könne es nur geben, wenn man das bezahlen könne. Dies sage er auch "an die Freunde von der FDP" gerichtet. Herr Schäuble ist heute im Ausschuss auf Nachfrage meiner Kollegin - Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss. Petra Hinz (Essen) (SPD): - danke für den Hinweis - gar nicht auf den Wegfall der Gewerbesteuer oder auf die sogenannten Steuerpläne der FDP eingegangen. Er hat geschwiegen. Das Einzige, das er gesagt hat, ist: Wir halten an der Entschuldung fest. Wir müssen dafür sorgen, dass die Finanzen wieder auf den Weg gebracht werden. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: So wie es im Koalitionsvertrag steht!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie Ihr Steuerkonzept und werfen Sie es in die Rundablage. Es ist weder sozial noch kommunenfreundlich. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat nun der Kollege Dr. Volker Wissing für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Volker Wissing (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kressl, liebe Kollegen der SPD, Sie haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil Sie den Wählerinnen und Wählern in Nordrhein-Westfalen zeigen wollen, woran sie sind, wenn sie eine bestimmte Partei wählen. Darum geht es Ihnen. Jetzt wollen wir doch einmal etwas Ihre Finanzpolitik beleuchten. (Nicolette Kressl [SPD]: Sie sind ja immer noch in der Opposition!) 2005 sind Sie angetreten und haben den Menschen gesagt: Wählt uns, dann gibt es keine Mehrwertsteuererhöhung. - Danach haben Sie die Menschen hereingelegt und die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht. (Beifall bei der FDP - Dr. Daniel Volk [FDP]: Wortbruch! - Nicolette Kressl [SPD]: Wann übernehmen Sie endlich mal Verantwortung?) 2009 sind Sie angetreten und haben den Menschen gesagt: Wählt uns, dann entlasten wir die unteren und mittleren Einkommensbezieher durch Abbau der kalten Progression und durch Abbau des Mittelstandsbauchs. - Hinterher haben Sie den Menschen gesagt: Nein, das geht wegen der wirtschaftlichen Situation gar nicht. (Joachim Poß [SPD]: Das ist so nicht richtig, wie Sie das sagen! - Lachen bei der FDP) Sie haben elf Jahre lang den Finanzminister gestellt und wollen den Menschen nach der Wahl ernsthaft erzählen, dass Sie die Haushaltssituation erst nach der Bundestagswahl zur Kenntnis genommen haben. Was Sie betreiben, ist permanenter Wählerbetrug. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Das ist falsch!) Sie sind doch nicht ein einziges Mal bereit gewesen, Ihr Wahlprogramm umzusetzen. (Nicolette Kressl [SPD]: Sie können nur Oppositionsreden halten!) Der Unterschied zwischen Ihnen und dieser Koalition besteht doch darin, dass Sie permanent Gründe suchen, weshalb Sie nach der Wahl die Steuern erhöhen müssen, wir aber Wege suchen, wie wir die Bürgerinnen und Bürger steuerlich entlasten können. Das ist der Unterschied. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Wir haben in der Großen Koalition Steuern gesenkt! Bürgerentlastungsgesetz in der Großen Koalition!) Deswegen sind wir dankbar, dass Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Das gibt uns noch einmal die Möglichkeit, den Menschen klar zu sagen: Das, was wir vor der Wahl angekündigt haben, nämlich dass wir die Bezieher von unteren und mittleren Einkommen entlasten wollen, setzen wir in dieser Legislaturperiode mit unserem Koalitionspartner um. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Sie täuschen! Wissing ist ein Rosstäuscher! - Zuruf der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]) Das war der Grund, warum die Menschen gesagt haben: Wir glauben den Versprechen der SPD nicht mehr. - Die SPD hatte elf Jahre lang die Verantwortung im Finanzressort. Die Steuern wurden immer weiter erhöht, aber für die Menschen in diesem Land wurde nichts getan. Auch mit dem Haushalt ging es immer weiter bergab. Da haben die Menschen gesagt: "Wir wollen eine andere Politik", und haben die christlich-liberale Koalition gewählt. Das ist, Frau Kollegin Höll, keine "Demokratiekrise". Das ist ein Glück für unser Land. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das ist ein Glück für unser Land, weil sich daraus neue Chancen ergeben. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Thema!) Frau Kressl, Sie stellen sich hier hin und sagen: Den Kommunen geht es schlecht. - Wer hat denn elf Jahre lang die Verantwortung für dieses Steuersystem gehabt? Die SPD. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Kommunen leiden und zahlen jetzt die Zeche für Ihre verfehlte Politik. Das ist doch die Wahrheit. (Joachim Poß [SPD]: Und Sie reden die Unwahrheit! Systematisch, vorsätzlich und permanent! - Nicolette Kressl [SPD]: Können Sie auch mal was zu sich sagen?) Das werden wir nicht fortsetzen. (Nicolette Kressl [SPD]: Nein, Sie machen es viel schlechter!) Dafür sind wir nicht gewählt worden. Herr Kollege Schick, Sie fragen, was die Auffassung der Bundesregierung ist. Heute Morgen war der Bundesfinanzminister im Finanzausschuss. Er hat es Ihnen klar gesagt: Aufgabe dieser Bundesregierung ist, die Schuldenbremse einzuhalten und die Haushaltskonsolidierung in Angriff zu nehmen. Mit Ihrem Rezept hat das nicht geklappt. Wir haben ein anderes. Wir wollen unser Steuersystem reformieren. Wir wollen mehr Wachstumskräfte für dieses Land freisetzen. (Nicolette Kressl [SPD]: Für die Hotels! - Joachim Poß [SPD]: Sie wollen Sprüche!) Mit den Erträgen wollen wir Haushaltskonsolidierung betreiben. Ihr Plan ist schiefgegangen. Wir haben einen neuen Auftrag. Den erfüllen wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner. (Nicolette Kressl [SPD]: Für die Hotels! - Joachim Poß [SPD]: Für Ihre Spezis!) Es mag für Sie unerfreulich sein, dass diese Regierung jetzt das in Angriff nimmt, was Sie nicht geschafft haben. Aber es ist notwendig; daran führt kein Weg vorbei. (Nicolette Kressl [SPD]: Sie glauben doch selbst nicht, was Sie sagen! - Joachim Poß [SPD]: Vertreter der Spezi-Partei!) Während Sie sich hier hinstellen und den Menschen, die uns an den Bildschirmen oder auch hier im Saal zusehen, erklären, man dürfe auf keinen Fall die Mitte entlasten, erklärt Ihr Herr Gabriel draußen - er ist ja inzwischen das Wetterfähnchen der Nation; er dreht es mal so und mal so -: Der Mittelstand muss entlastet werden. - Herr Gabriel, Sie können sich auf diese Koalition verlassen. Wir machen das. Sie haben es nicht hinbekommen, aber die christlich-liberale Koalition schafft das. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das ist ein gutes Zeichen. Dadurch entstehen neue Chancen. Dadurch schaffen wir auch die Haushaltskonsolidierung. Wenn es einfach wäre, dann hätten Sie Ihre Politik nach elf Jahren des Scheiterns fortsetzen können. Aber es ist eine große Aufgabe. Das ist eine Herkulesaufgabe. Selbstverständlich ist auch die Gegenfinanzierung eine große Herausforderung, der man sich stellen muss und der wir uns auch stellen werden. Das hat der Finanzminister deutlich gemacht. Dabei hat er die Liberalen an seiner Seite. Ihre Aussagen sind doch total widersprüchlich. Einmal sagen Sie: Wir wissen ja gar nicht, was diese Regierung in der Steuer- und Finanzpolitik will. Auf der anderen Seite kritisieren Sie, dass wir als Teil dieser Koalition unsere Ziele ganz präzise auf den Tisch legen, unseren Weg ganz konkret aufzeigen. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist, dass wir uns präzise an das halten, was wir vor der Wahl versprochen haben, während Sie immer das Gegenteil getan haben. (Nicolette Kressl [SPD]: Das ist nicht wahr! Präzise nicht! Das ist doch nicht präzise! - Joachim Poß [SPD]: Nichts ist präzise bei Ihnen! Kein Satz zur Finanzierbarkeit von 16 Milliarden Steuersenkungen!) Das sollte das Signal und die Botschaft sein, die von dieser Aktuellen Stunde ausgehen. Dann hat sie sich gelohnt, und dann sind wir außerordentlich dankbar dafür, dass Sie sie beantragt haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Kein einziger Satz zur Finanzierbarkeit!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage nach der Finanzierbarkeit des FDP-Modells ist eine Frage, die in die Zukunft gerichtet ist. Herr Wissing hat diese Frage mit einem Blick in die Vergangenheit beantwortet. Wie das zusammenpassen soll, ist mir unklar. (Beifall bei der SPD) Das FDP-Modell für die Zukunft lässt sich natürlich nicht mit der Politik der SPD in der Vergangenheit erklären. Außerdem ist es anders: Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Große Koalition mit dem Bürger-entlastungsgesetz die Bürger, wie der Name es sehr schön beschreibt, sehr stark entlastet hat, sogar mit einer Einkommensteuersenkung. Wir haben über das Konjunkturprogramm II die Bürger nochmals entlastet und sehr erfolgreich gegen die Krise gewirkt. Ich glaube, dass man daran erkennt, wie wir arbeiten. (Beifall bei der SPD - Joachim Poß [SPD]: Genau so ist es! Auch wenn die CDU das vergessen hat!) Sie haben etwas von Wahlversprechen gesagt. Dazu will ich sagen: Wir haben vor der Wahl etwas versprochen. Nach der Wahl haben wir einen Kompromiss beschlossen. Ich glaube, dass Sie die Logik "Versprechen vor der Wahl - Kompromiss nach der Wahl" möglicherweise auch noch in Anspruch nehmen müssen.Sie sagen immer: Wir halten uns präzise an unsere Versprechen. Es gab das Versprechen von 35 Milliarden Euro Entlastung, dann gab es das Versprechen von 24 Milliarden Euro Entlastung, jetzt gibt es das Versprechen von 16 Milliarden Euro Entlastung. Es ist klar: Wenn man so viel verspricht, eines davon könnte man vielleicht halten. Aber es ist noch viel schlimmer. Die Idee, die diese FDP-Modellierung des Steuersystems gegenwärtig verfolgt, ist absolut unabwägbar. Es ist eine Blackbox im Steuersystem. Wir lesen: Es soll die betriebswirtschaftlich sinnvollste Organisationsstruktur gewählt werden können, und da sollen gerade kleine und mittlere Unternehmen entlastet werden. Die Antwort auf kleine und mittlere Unternehmen ist das Wort "Gruppenbesteuerung". Jetzt frage ich mich: Können kleine und mittlere Unternehmen mit der Gruppenbesteuerung tatsächlich die Lösung ihrer Probleme verfolgen? Die Antwort ist: Nein. Sie verweisen sogar auf Österreich und sagen, die Gruppenbesteuerung würde die Attraktivität des Holdingstandortes Deutschland verstärken. Die Antwort ist: Möglicherweise gibt es dann in Deutschland sehr viel mehr Holdings, die hier aber alle keine Steuern zahlen und somit den Staat exorbitant schwächen. Man braucht sich nur die Bank Austria anzuschauen. Sie macht Milliardengewinne und zahlt null Steuern in Österreich. Deshalb überlegen die Österreicher gerade, dieses Modell abzuschaffen. Das heißt, Sie wollen ein Instrument schaffen, durch das die Gewinne so weit gesenkt werden können, dass wir über die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Einkommensteuer gar nicht mehr zu diskutieren brauchen. Denn wer keine Gewinne macht, braucht auch keine Steuern zu zahlen. Das ist natürlich ein riesengroßes Problem. Das läuft in Ihrem Modell so nebenher als Ansatz einer Unternehmensteuerreform, und keiner merkt so richtig, was passiert. Sie wollen die Erschwernisse, die in Deutschland existieren, um seine Steuern zu senken, komplett abschaffen. Ich möchte ein Beispiel nennen. Sie haben eine Aktiengesellschaft, die Gewinne macht, und eine Aktiengesellschaft, die Verluste macht. Es wäre fair, zu sagen: Diese Verluste tragen wir für die eine Aktiengesellschaft vor. Wenn sie nächstes Jahr Gewinne macht, darf sie das verrechnen. Das ist gut. Wir haben sogar eine Organschaft geschaffen. Da kann die eine Kapitalgesellschaft mit der anderen einen Organträger bilden und Verluste und Gewinne verrechnen; das war gut. So können zum Beispiel die Stadtwerke die Verkehrsbetriebe querfinanzieren. Es gab früher eine Mehrmütterorganschaft. Das bedeutete, dass sich zwei Aktiengesellschaften zu einer Organschaft verbündet haben. Diese Organschaften haben sich dann zu Mehrmütterorganschaften verbunden. Auf diesem Weg konnte man sämtliche Gewinne und Verluste, die irgendwo anfielen, verrechnen. Das zerstörte die Unternehmensteuerbasis in Deutschland. Diese Regelung war auf Deutschland bezogen. Wir haben die Mehrmütterorganschaft 2002 abgeschafft. Was machen Sie jetzt mit der Gruppenbesteuerung? Sie machen eine Art Mehrmütterorganschaft weltweit. Das heißt, dass die Unternehmen alle Verluste, die irgendwo existieren, nach Deutschland holen können, und alle Gewinne, die irgendwo existieren, in die Welt exportieren können. Das ist ein gigantisches Problem. (Joachim Poß [SPD]: Genau! Bei uns wird das Steueraufkommen vernichtet!) Sie stellen sich damit auf die Seite der Steueroasen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie stellen sich auf die Seite der Schönwettermanager. Sie stellen sich auf die Seite einer aggressiven Staatsverarmung, und das bei 100 Milliarden Euro Neuverschuldung in diesem Jahr. (Joachim Poß [SPD]: Steueroase Deutschland! FDP!) Ich frage: Wie wollen Sie dieses Steuermodell, das absolut im Blindflug die Gruppenbesteuerung durch Abschaffung des Ergebnisabführungsvertrags befürwortet, vertreten? Sie schütteln jetzt den Kopf; es ist ein kompliziertes Gebiet. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Weil Sie lauter falsche Sachen sagen!) Sie wissen genau, dass es so ist. Sie haben auf Österreich verwiesen, und ich schaue - da sage ich nichts Falsches - nach Österreich (Dr. Daniel Volk [FDP]: Sie schauen da aber mit einem Kanonenrohr in die Berge!) und sehe, wie es dort wirkt. Es wirkt verheerend. Das ist ein ganz großes Problem. Ich habe eine Frage, die das Verhältnis von Staat und Privat betrifft: An welchen Abgrund will die FDP diesen Staat eigentlich noch führen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Lachen bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Bundesregierung spricht nun der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Jetzt kommen die Antworten!) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die christlich-liberale Bundesregierung sieht es als Hauptziel ihrer finanzpolitischen Strategie an, (Joachim Poß [SPD]: Oh! Da geht einem ja ein Gruseln über den Rücken!) die Wirtschafts- und Finanzkrise durch wachstumsfördernde Ausgestaltung öffentlicher Ausgaben und Einnahmen schneller zu überwinden und so für einen selbsttragenden Aufschwung zu sorgen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dabei muss eine wachstumsorientierte Steuerpolitik eine entscheidende Rolle spielen. (Joachim Poß [SPD]: Das ist das permanente Wort zum Sonntag!) Denn sie stärkt durch zielgerichtete steuerliche Entlastungen die produktiven Kräfte in unserer Gesellschaft und eröffnet zusätzliche finanzielle Spielräume, damit die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft auch greifen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb setzt die Bundesregierung auf eine Doppelstrategie, die beides im Blick behält: die Stärkung der Wachstumskräfte durch steuerliche Entlastung ebenso wie eine klare regelgebundene Konsolidierungsstrategie, die das Vertrauen in eine langfristig tragfähige Haushaltsentwicklung erhöht. Ich verstehe wirklich nicht - da kann ich Herrn Solms nur recht geben -, dass sich die SPD von ihrer eigenen Politik verabschiedet. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist das!) Sie haben unter Herrn Beck und dem damaligen Finanzminister Steinbrück in der letzten Legislaturperiode ein SPD-Steuerkonzept entwickelt, (Joachim Poß [SPD]: Ein Steuer- und Abgabenkonzept!) in dem Sie das Problem der kalten Progression stark problematisiert und eine Abflachung gefordert haben. (Nicolette Kressl [SPD]: Aber die Welt hat sich inzwischen verändert!) Sie haben gemeinsam mit uns in der Großen Koalition im Rahmen des Konjunkturpaketes II den Einstieg bei der kalten Progression vorgenommen (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Richtig! - Joachim Poß [SPD]: Ja! Das war 2006! Vollkommen richtig!) und dies den Wählerinnen und Wählern in Ihrem Wahlprogramm versprochen. (Joachim Poß [SPD]: Das stimmt doch nicht! Das hat Ihr Kollege auch schon behauptet! Von kalter Progression steht da nichts! Es geht um eine Entlastung der kleinen Einkommen!) Jetzt, wo Union und FDP dort, wo die Große Koalition angefangen hat, weitermachen und diese Maßnahme in die Tat umsetzen wollen, soll die notwendige Entlastung unterer und mittlerer Einkommen aber auf einmal nicht mehr gelten und nicht mehr finanzierbar sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich sage Ihnen sehr deutlich: Immer dann, wenn die Union in diesem Land regiert hat, waren Steuerentlastung, wachstumsorientierte Steuerpolitik und Konsolidierung miteinander vereinbar. (Nicolette Kressl [SPD]: Ihr Minister sagt aber etwas anderes! - Weiterer Zuruf von der SPD: Ich sage nur: Rekordverschuldung!) Wir haben das von 1990 bis 1998 durch mutige Steuerreformen von Gerhard Stoltenberg und Theo Waigel praktiziert, (Lachen bei Abgeordneten der SPD) und wir hätten ohne das von uns allen gewünschte Ereignis der nationalen Wiedervereinigung im Jahre 1990 einen ausgeglichenen Haushalt gehabt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Sagen Sie doch auch mal etwas zum "Waigel-Buckel", den Sie 1996 geschaffen haben!) Auch Sie sollten ein Stück weit stolz darauf sein, dass wir die wachstumsorientierte Politik der Großen Koalition ab 2005 auch für Fortschritte bei der Konsolidierung genutzt haben. Ohne das Hereinbrechen der Finanzmarktkrise und ihre Auswirkungen auf die Realwirtschaft wären wir in den Jahren 2011 und 2012 einem ausgeglichenen Haushalt sehr nahe gekommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das zeigt doch, dass wachstumsorientierte Steuerpolitik und Haushaltskonsolidierung in Einklang zu bringen sind. Selbstverständlich - da gibt es überhaupt keinen Widerspruch - werden wir alle weiteren Steuererleichterungen und Steuervereinfachungen, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben und umsetzen wollen, ganz gezielt auf ihre Auswirkungen im Hinblick auf die Finanzsituation der Kommunen überprüfen und damit in Einklang bringen. Wir sind doch diejenigen, die jetzt erstmals zielführend eine Gemeindefinanzreform angepackt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD) Sie haben immer nur davon geredet. Wir haben diese Kommission eingesetzt, und wir werden zeitnah Ergebnisse vorlegen. (Nicolette Kressl [SPD]: Glauben Sie das jetzt alles wirklich?) Jetzt will ich Ihnen etwas zu der Geisterdebatte über Alternativmodelle zur Gewerbesteuer sagen, die Sie angestoßen haben. Wir haben im Rahmen dieser Gemeindefinanzreform zugesichert, alle Vorschläge ohne Tabus zu prüfen und zu rechnen. Die kommunalen Spitzenverbände haben zugesagt, ein Modell zur Revitalisierung der Gewerbesteuer vorzulegen; auch dieses Modell wird geprüft und gerechnet. Ich will Sie aber darauf hinweisen, dass ein anderes Modell, das in dieser Kommission geprüft und gerechnet wird, nämlich der Ersatz der Gewerbesteuer durch eine höhere Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer mit einem Hebesatzrecht bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Nicolette Kressl [SPD]: Ist noch nie gerechnet worden!) - liebe Frau Kollegin Kressl, wenn Sie das Handelsblatt von gestern gelesen hätten, wüssten Sie das -, zurzeit in Baden-Württemberg mithilfe des Finanzministeriums gerechnet wird. (Nicolette Kressl [SPD]: Aber das ist doch schon gerechnet worden! - Joachim Poß [SPD]: Ja! 20 Mal in den letzten 30 Jahren!) Der Stadtkämmerer von Stuttgart hat laut Handelsblatt vom gestrigen Tage dargelegt, dass sich für eine Stadt, für eine Metropole wie Stuttgart die Alternative "höherer Anteil an der Umsatzsteuer und Hebesatzrecht bei der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer" gerade in einer Krisensituation, in der die Konjunkturanfälligkeit der Gewerbesteuer in jedem kommunalen Haushalt deutlich wird, rechnen würde. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Nicolette Kressl [SPD]: Wer gibt denn dann etwas ab? - Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Und wer verzichtet dann auf Anteile?) Deshalb rate ich Ihnen: Rüsten Sie ideologisch ab! Sorgen Sie endlich einmal dafür, dass wir die Schaffung verlässlicher Kommunalfinanzen, aber auch die Entlastung der Kommunen bei den Ausgaben durch Absenkung bundesgesetzlicher Standards in Angriff nehmen. (Nicolette Kressl [SPD]: Wer zahlt eigentlich die Umsatzsteuer?) Das ist nämlich ebenfalls ein Hauptwunsch der Kommunen. Wir werden sehr gespannt verfolgen können, ob Sie von der SPD es auch mittragen werden, wenn wir die Absenkung von bundesgesetzlich vorgegebenen Standards zur Entlastung der Kommunen bei den Ausgaben vornehmen werden, oder ob Sie dort immer nur den Mund spitzen und auch nicht richtig pfeifen werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen, weil Sie schon wieder - verbunden mit einer namentlichen Abstimmung am morgigen Tag - den Popanz der Abschaffung der Steuerfreiheit für Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge aufbauen. (Nicolette Kressl [SPD]: Genau!) Liebe Frau Kollegin Kressl, Sie müssten doch wissen, dass das diesbezügliche Gutachten unter sozialdemokratischer Leitung im Finanzministerium in Auftrag gegeben worden ist. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Aber nicht von Sozialdemokraten umgesetzt worden, aus guten Gründen!) Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Der Zufall hat es gefügt, dass das Gutachten zwar 2007 unter Herrn Steinbrück in Auftrag gegeben worden ist, dass das Ergebnis aber erst quasi mit Ende des Wahlkampfs nach der Bundestagswahl bekannt geworden ist. Wir machen uns dieses Gutachten, das Sie in Auftrag gegen haben, inhaltlich nicht zu eigen. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist es!) Bauen Sie deshalb hier keinen Popanz auf. Wir werden als christlich-liberale Koalition beweisen, dass unser Weg richtig ist, der ja Früchte trägt und Deutschland wieder in eine Wachstumsphase bringt. Für dieses Jahr sind 1,4 Prozent und für das nächste Jahr 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum prognostiziert - womit wir uns an der unteren Schwelle der Schätzungen bewegen. Das zeigt, dass auch noch das, was wir gemeinsam in der Großen Koalition beschlossen haben, vor allem aber das, was wir jetzt als Push für die Wirtschaft in der Krise durch die christlich-liberale Koalition eingebracht haben, seine Wirkung am Arbeitsmarkt entfaltet. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Ach ja?) Niemand hat vorausgesehen, dass der deutsche Arbeitsmarkt - auch durch die Maßnahmen, die diese christlich-liberale Koalition seit Amtsantritt umgesetzt hat - so schnell wieder in Schwung kommt und Fahrt aufnimmt. (Joachim Poß [SPD]: Quatsch! Durch die Konjunkturpakete der Großen Koalition!) Das ist doch Ihr Dilemma. Sie hätten es gern, dass diese Regierung keinen Erfolg hat. Sie hätten es gern, dass unsere wachstumsgeleitete Politik - die Sie ja bekämpft haben; ich erinnere mich an all das, was Sie im Herbst zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz gesagt haben - keine entsprechenden Wirkungen hat. Jetzt trägt diese Politik Früchte. Jetzt gibt es wieder Wachstum in Deutschland. Jetzt stabilisieren wir den Arbeitsmarkt. Dort werden wir weitermachen: durch Steuererleichterung, durch Steuervereinfachung, durch verantwortbare Konsolidierung. Wir werden zeigen, dass sich alles das zum Wohle der Menschen in unserem Land verantwortungsbewusst zur Deckung bringen lassen wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Nicolette Kressl [SPD]: Sie glauben das aber nicht wirklich selbst!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nun hat der Kollege Klaus Brandner für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Klaus Brandner (SPD): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Staatssekretär Koschyk hat gerade viel erzählt, aber inhaltlich gar nichts gesagt. (Nicolette Kressl [SPD]: Wie immer!) Am Ende kann man ganz deutlich feststellen: Die Große Koalition hat die Schulden abgebaut. Schwarz-Gelb hat den höchsten Schuldenstand zu verantworten, den wir jemals in der Bundesrepublik Deutschland hatten. (Beifall bei der SPD) Das ist die Ausgangssituation, über die wir uns zu unterhalten haben. Herr Koschyk, Sie haben hier erklärt, die Wachstumskräfte seien gestärkt. Sie brauchen sich doch nur einmal die Prognosen anzuschauen, die die wirtschaftswissenschaftlichen Institute für dieses Jahr, für nächstes Jahr und die Zeit danach vorlegen. Vor diesem Hintergrund ist viel Pfeifen im Walde und bisher wenig Inhalt zu verzeichnen. Mittlerweile - das kann man deutlich sagen - ist der 9. Mai immer stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. In Nordrhein-Westfalen stehen Landtagswahlen an. Der Muttertag kann zu einem bedeutenden politischen Tag in Deutschland werden. Die Regierung ist hektisch geworden. In dieser Woche werden drei Regierungserklärungen abgegeben. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es das jemals gegeben hat. Wäre es nach Frau von der Leyen gegangen, hätten wir diese Woche sogar noch eine vierte Regierungserklärung bekommen. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wenn wir die nicht vorgesehen hätten, wären sie wahrscheinlich von Ihnen gefordert worden!) Es scheint vieles nachzuholen zu sein, was man bisher versäumt hat. Kollege Dautzenberg, ich glaube, Schwarz-Gelb möchte noch einmal glänzen, insbesondere die FDP mit ihren vergifteten Wohltaten, nämlich Steuersenkungen. Bisher ist es doch so, dass die FDP, wenn irgendein Problem auftaucht, wie ein Mantra "Steuersenkungen" fordert. (Beifall bei der SPD) Die FDP ist im Bundestagswahlkampf mit dem Versprechen angetreten, die Steuerzahler um 35 Milliarden Euro zu entlasten. Wir haben gerade gehört, wie die Entwicklung war: Beim Koalitionsvertrag hat sich die FDP auf 24 Milliarden Euro herunterhandeln lassen, und selbst diese stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Mittlerweile ist nur noch von 16 Milliarden Euro die Rede. Und dann tritt Herr Wissing hier auf und sagt, bei der FDP gilt: Was wir versprechen, das halten wir auch. - Nein, die FDP hat bewiesen: Sie ist die Umfallerpartei Nummer eins. Sie hat ihre Wahlversprechen nicht eingehalten, sie hat die Wähler getäuscht. Die Umfrageergebnisse, die wir zurzeit verfolgen können, zeigen, dass die FDP die Quittung dafür bekommen wird. (Beifall bei der SPD) Die FDP sagt, dass sie ein Steuersystem will, das einfach und gerecht ist. Da haben Sie mit dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz und der ermäßigten Besteuerung des Beherbergungsgewerbes nun wirklich Ihr Meisterstück abgeliefert. Sie haben Komplizierungen eingeführt - von Steuervereinfachung kann keine Rede sein. Aber zurück zu der Frage: Bei wem kommen die Wohltaten an, und wer sie soll bezahlen? 40 Prozent der Bevölkerung haben nichts von einer Senkung der Einkommensteuer; denn das Einkommen dieser Leute ist so niedrig, dass sie überhaupt keine Steuern zahlen. Da müsste man den Hebel ansetzen: Man müsste zum Beispiel dafür sorgen, dass der Missbrauch bei der Leiharbeit eingeschränkt wird. Man müsste Mindestlöhne einführen, und man müsste verhindern, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse auch noch ausgebaut werden. Das RWI, ein unabhängiges Institut, hat gerade bestätigt, dass von den Steuersenkungen, die Sie planen, 60 Prozent bei den wohlhabendsten Bevölkerungsgruppen ankommen. Diese profitieren, nicht die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen. Das RWI hat vorgerechnet, dass von den 16 Milliarden Euro 10 Milliarden Euro bei Haushalten mit einem zu versteuernden Einkommen von über 55 000 Euro ankommen. Fast zwei Drittel der gesamten Steuerentlastung kommen also bei den Besserverdienenden an, und das nennen Sie eine Steuerreform für die unteren und mittleren Einkommen! Das ist ungerecht, meine Damen und Herren, und es kann keiner erwarten, dass wir so etwas mitmachen. (Beifall bei der SPD) Was Kollege Solms, unterstützt von NRW-Wahlkämpfer Pinkwart, vorgetragen hat, ist Täuschung. Bei den unteren und mittleren Einkommen kommt nämlich so gut wie gar nichts an. Wer bis 12 033 Euro verdient, würde nach den Steuerplänen der FDP im Jahr um gerade einmal 11 Euro entlastet, so das RWI. (Zuruf von der CDU/CSU: Der zahlt aber auch gar keine Steuern!) Ich will deutlich sagen: Wer behauptet, Kollege Dautzenberg, dass die Entlastung insbesondere bei den unteren und mittleren Einkommen ankommt, hat entweder keine Ahnung, oder er redet aus Koalitionstreue der FDP etwas nach. (Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Schauen Sie sich doch einmal die Tabellen an, was kalte Progression bedeutet! Ich habe mir niemals vorstellen können, dass eine sich sozial nennende CDU so etwas unterstützen könnte. (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD] - Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Was Sie erzählen, ist Quatsch! Schauen Sie sich einmal die Grenzsteuerbelastung im unteren Bereich an!) - Schauen Sie sich das Gutachten des RWI an! Bei der FDP dementiert keiner, dass die Verteilungswirkung der von Ihnen vorgestellten Steuerreform so ausfällt, wie ich es gerade vorgetragen habe. Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen: Wie soll dieser Prozess weitergehen? Ich muss feststellen: Trotz der Rekordverschuldung, die wir in Deutschland haben, beabsichtigen Sie, die Einkommensteuer um weitere 16 Milliarden Euro abzusenken. Bei den unteren Einkommen träte fast keine, bei den mittleren Einkommen nur eine spärliche, bei den oberen Einkommen aber eine erhebliche Entlastung ein. Auf das wirtschaftliche Wachstum wird das keine Wirkung haben. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit! Klaus Brandner (SPD): Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wer die Zeche zahlen soll: Das ist der Stahlarbeiter, der Rettungssanitäter, die Krankenschwester, der Busfahrer, all die, die in Wechselschicht, in Spätschicht und an Feiertagen arbeiten und dafür Zulagen bekommen, die steuerbegünstigt sind. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Haben Sie die Krankenschwester auch nicht vergessen?) Im Koalitionsvertrag mit Ihnen, Herr Dautzenberg, vor fünf Jahren, haben wir geregelt, dass genau hier die Besteuerung nicht verändert wird. (Beifall bei der SPD) Deshalb fragen wir zu Recht, wie Sie sich morgen in dieser Frage verhalten werden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss! Klaus Brandner (SPD): Stehen Sie zu dem Wort von vor vier Jahren, oder haben Sie zwischenzeitlich - der FDP zuliebe - eine Kehrtwendung vorgenommen? Leistung soll sich lohnen, sagen Sie. Tatsächlich wollen Sie die Werbungskostenpauschale verändern (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wo denn?) und die Steuerfreiheit der genannten Zuschläge aufheben. Dadurch werden Sie für eine ungerechte Schieflage sorgen. Das wird mit der SPD nicht zu machen sein. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Olav Gutting das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Olav Gutting (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn in diesem Land ein durchschnittlicher Arbeitnehmer mit einem monatlichen Verdienst von 3 100 Euro Brutto von jedem zusätzlich verdienten Euro nur noch 42 Prozent übrig hat, dann ist das, darüber sind wir uns in der Regierungskoalition einig, ungerecht und leistungsfeindlich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Herr Brandner, hören Sie einmal zu, RWI!) Wir sind uns in der Koalition auch einig darüber, dass wir für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land mehr Netto vom Brutto wollen. Wir wollen den Mittelstandsbauch und die kalte Progression im Einkommensteuertarif abschaffen, weil die leistungsbereite Mitte dadurch übermäßig belastet wird. Wir haben in dieser Koalition ebenfalls Einigkeit darüber, dass unser gesamtes Einkommensteuerrecht durch das Bemühen um Einzelfallgerechtigkeit und durch den Versuch bzw. Missbrauch, immer wieder Lenkungseffekte im Einkommensteuerrecht zu erfinden, über Jahrzehnte hinweg eine Komplexität entwickelt hat, die viele in diesem Land zu Recht als unerträglich empfinden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein unverständliches Steuerrecht ist eben ein ungerechtes Steuerrecht. Das Zusammenwirken eines komplizierten Steuersystems mit leistungsfeindlichen Besteuerungsmerkmalen ist ein Grund dafür - ein Grund, nicht der einzige -, dass die Schwarzarbeit in Deutschland ein Umsatzvolumen von geschätzten 360 Milliarden Euro hat. Wenn es mit einem leistungsgerechteren und einfacheren Steuerrecht gelänge, nur 10 Prozent von dieser Schwarzarbeit wieder in den legalen Bereich zurückzuführen, dann wären alleine das schon Mehreinnahmen bei den Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 16 Milliarden Euro. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Versuchen Sie es doch einmal bei den Schwarzarbeitgebern!) Bei den im Raum stehenden Zahlen, die wir hier diskutieren, lohnt es sich auch immer wieder einmal, an den 1. Januar dieses Jahres zu erinnern; denn wir haben die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land bereits zum 1. Januar dieses Jahres mit weit über 20 Milliarden Euro entlastet. Über 10 Milliarden Euro davon haben wir übrigens mit Ihnen von der SPD beschlossen, und das trotz einer schwierigen Finanzlage. Ich muss auch noch einmal darauf hinweisen, dass die christlich-liberale Koalition ebenfalls mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres an fast 5 Milliarden Euro zusätzlich für die Familien bereitgestellt hat: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mit der Erhöhung des Kindergeldes und der Erhöhung des Kinderfreibetrages. Das bedeutet die im Wahlkampf versprochene Stärkung der Keimzelle unserer Gesellschaft, das bedeutet die Stärkung der Leistungsträger unserer Gesellschaft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir stärken damit die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Im Übrigen: Dazu hat Frau Kraft, die Vorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, wortwörtlich gesagt, das wäre eine unsägliche Steuersenkungspolitik. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Da hat sie recht!) Wir sind uns in der Regierungskoalition jedenfalls darüber einig, dass wir in den nächsten Jahren eine große Konsolidierungsaufgabe vor uns haben. Die Schuldenbremse, im Grundgesetz vereinbart, gibt uns vor, ab 2016 quasi keine neuen Schulden mehr zu machen. Es ist im Übrigen nicht nur der Schuldenbremse geschuldet, sondern es ist auch eine Selbstverständlichkeit und eine Frage der Generationengerechtigkeit und der Nachhaltigkeit, dass wir in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt schaffen. (Manfred Zöllmer [SPD]: Kommen Sie doch einmal zum Thema!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann aber doch keine Rechtfertigung dafür sein, dass wir in den steuerpolitischen Stillstand übergehen. (Nicolette Kressl [SPD]: Aber das tun Sie doch!) Die Konsolidierung der Haushalte ist ein Projekt für mehr als eine Legislaturperiode. Niemand erwartet oder verlangt von uns, dass wir schon zu Weihnachten in diesem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt haben. Bewusst haben wir auch die Schuldenbremse so vereinbart und im Grundgesetz angelegt, dass sich ihre volle Bremswirkung über ein Jahrzehnt hinweg aufbaut. (Manfred Zöllmer [SPD]: Über ein Jahrzehnt?) Niemand in diesem Haus behauptet, man könnte bereits in diesem Jahr die Steuern um weitere 16 Milliarden Euro senken und dies noch im selben Jahr durch höheres Wachstum ausgleichen. Wir sind uns in der Regierungskoalition einig: Die Aufgabe der Glättung des Einkommensteuertarifs, des Ausstiegs aus der kalten Progression und der Vereinfachung des Einkommensteuerrechts ist lösbar, aber sie braucht Zeit. Steuerentlastungen gehören in ein haushaltspolitisches Gesamtkonzept. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Da haben Sie recht! Aber das fehlt!) Ich darf abschließend festhalten: Wir sind uns einig, dass sich dieses Gesamtkonzept erst nach Vorlage der Zahlen der nächsten Steuerschätzung fundiert entwickeln lässt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christian Lindner [FDP]) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Klaus-Peter Flosbach für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute wird deutlich, was Müntefering immer gesagt hat: Opposition ist Mist. Ich kann verstehen, dass Sie mit einem Koalitionsvertrag Schwierigkeiten haben, (Nicolette Kressl [SPD]: Mit dieser Regierung!) an dem Sie erstmals nach elf Jahren nicht beteiligt waren. Wir aber haben im Koalitionsvertrag gesagt, was wir tun, und jetzt tun wir, was wir gesagt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Nicolette Kressl [SPD]: Noch eine Kommission!) Wir haben in diesem Jahr voraussichtlich Steuereinnahmen in Höhe von 510 Milliarden Euro. Im Jahr 2012 werden es voraussichtlich 552 Milliarden Euro und 2013 575 Milliarden Euro sein. Das sind also 63 Milliarden Euro mehr als nach der alten Steuerschätzung vom Ende des letzten Jahres. Selbstverständlich prüfen wir jetzt erst einmal genau: Wo können wir das Steuersystem vereinfachen, und wann setzen wir die Entlastung in Höhe von 16 Milliarden Euro um?. Wir sind schließlich in der größten Krise seit 60 Jahren. Das hat auch die Opposition nie bestritten. Deswegen und weil wir bis zum Jahr 2016 die vereinbarte Schuldengrenze einhalten wollen, müssen wir Zug um Zug vorgehen. Wir brauchen aber finanziellen Spielraum, der die Voraussetzung für Wachstum, Konsum und Investitionen ist. Das ist die Voraussetzung für alles. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Über die SPD bin ich sehr stark verwundert. Herr Binding hat das Bürgerentlastungsgesetz angesprochen. In der Tat haben wir damit eine Entlastung in Höhe von 14 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Richtig!) In den Reden der SPD-Redner zu diesem Thema - wir haben gerade Mitte des letzten Jahres darüber diskutiert - ist im Protokoll das Wort "konjunkturfördernd" zu lesen. Das Vorhaben wurde als gezielt und angemessen bezeichnet. Wir haben in unserer Koalition mit unserem ersten Gesetz das Kindergeld erhöht und die Sanierung von Unternehmen erleichtert, um Arbeitsplätze zu retten. Das ist offensichtlich nicht mehr angemessen. Das Einzige, das nicht angemessen ist, ist, dass Sie dagegengestimmt haben, und damit gegen die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Erhöhung des Kindergeldes. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben im Koalitionsvertrag deutlich formuliert, was wir wollen: Wir wollen die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen. Die Entlastung der Leistungsträger ist wichtig für die Zukunft unseres Steuersystems. (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Poß hat eben deutlich gemacht, dass er gar nicht genau weiß, wann die Entlastung erfolgt und wie einzelne Beispiele dazu aussehen. Er kennt also offensichtlich die Beispiele nicht. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 25 000 Euro erreicht eine Einzelperson bei den Sozialabgaben eine Abgabenquote von 50 Prozent. Das sind also 50 Cent pro Euro. Bei einem Gehaltszuwachs von 100 Euro werden 50 Euro abgezogen. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 35 000 Euro sind es bereits 56 Prozent. Bitte sagen Sie das dem Kollegen Poß, damit er als finanzpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion das auch weiß. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen eine echte Entlastung. Das ist etwas anderes, als Rot und Grün mit ihren Steuergesetzen 1998 auf den Weg gebracht haben. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das ist aber wirklich stark!) - Sehr gut, dass Sie das ansprechen, Frau Hendricks. Sie waren damals Staatssekretärin, und Sie sind noch heute stolz darauf, dass Sie den Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent gesenkt haben. Aber hat es denn Steuerentlastungen gegeben? Mitnichten. Es hat keine Steuerentlastung gegeben, weil gleichzeitig die Bemessungsgrundlage verbreitert wurde. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber nur für die Millionäre!) Der Mittelstand hat dies immer als Giftliste für ihn bezeichnet. Das war etwas anderes als das, was wir machen. Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger wirklich. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Stärkste ist das gewesen, was Sie, Herr Schick, angesprochen haben, als Sie sich als Anwalt der Kommunen aufgespielt haben. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ja, das ist das Allerstärkste!) Das war wirklich ein starkes Stück. Die Kommunalfinanzen - das sage ich einmal als Kommunalpolitiker - sind eines der wichtigsten Themen, denen wir uns jetzt stellen müssen. Dies tun wir in dieser Koalition auch. Wir haben jetzt eine Kommission eingesetzt, die nicht nur die Einnahmen, sondern auch die Ausgaben prüft. Wir alle haben es in den Kommunen erlebt, dass die Gewerbesteuer als zentrale Einnahmeposition nicht die richtige Steuer ist. Wir müssen an dieses Thema heran, damit die Kommunen stabile Einnahmen haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bernd Scheelen [SPD]: Die möchten sie aber gerne behalten!) - Herr Scheelen, die Kommunalpolitiker der SPD und der Grünen müssten ja rote Ohren, rot-grüne Ohren, kriegen, wenn sie an die Themen denken, die Sie umgesetzt haben. Eines der ersten Themen war, als Sie von Rot-Grün an der Regierung waren, die Erhöhung der Gewerbesteuer, die zum Schluss nahezu 30 Prozent betragen hat. (Bernd Scheelen [SPD]: Sie reden Unsinn!) Das stärkste Stück aber war Ihr letzter rot-grüner Akt. Im Jahre 2005, kurz vor den Bundestagswahlen, wollten Sie den Kommunen den Beitrag zu den Kosten der Unterkunft streichen. Ihr Minister hat damals den Vorschlag gemacht, den Satz für die Kommunen auf null zu senken. Das war eine Enteignung der Kommunen; denn hier ging es um Milliardenbeträge. Spielen Sie sich heute nicht als Vertreter der Kommunen auf! (Beifall bei der CDU/CSU - Bernd Scheelen [SPD]: Keine Ahnung!) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir arbeiten den Koalitionsvertrag Zug um Zug ab. Das Steuerrecht ist undurchsichtig, unvernünftig und ungerecht. Wir gehen an diese unendliche Geschichte heran, wir vereinfachen und entlasten. Wir brauchen Stabilität; aber wir brauchen auch Freiraum für Investitionen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/1388, 17/1402 - Zu Beginn der Fragestunde kommen wir gemäß Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde zunächst zu den dringlichen Fragen auf Drucksache 17/1402. Sie betreffen den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Steffen Kampeter zur Verfügung. Es geht bei diesen dringlichen Fragen um die Pläne der Bundesregierung zur Ausgestaltung der Hilfen für Griechenland und mögliche Konsequenzen für den Bundeshaushalt. Ich rufe zunächst die dringliche Frage 1 des Kollegen Volker Beck auf: Wie stellt sich die Bundesregierung zu den Äußerungen vom Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, im Spiegel vom 19. April 2010, einen im Rahmen des Rettungspakets für Griechenland zu gewährenden Milliardenkredit nicht im Bundeshaushalt über einen Nachtragshaushalt aufzuführen, und auf Grundlage welcher Bestimmungen im Haushaltsrecht sieht sie sich zu einer solchen Vorgehensweise berechtigt? Herr Staatssekretär, bitte. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Die Antwort auf Ihre Frage, lieber Herr Kollege Beck, lautet wie folgt: In der Bundesrepublik Deutschland ist vorgesehen, dass im Bedarfsfall die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Rahmen eines Zuweisungsgeschäfts für den Bund tätig wird und Kredite für Griechenland vergibt. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau würde für ihre Beteiligung am Hilfsprogramm für Griechenland eine Gewährleistung des Bundes benötigen, soweit es zu einem solchen Programm kommt. Die Übernahme von Gewährleistungen erfordert nach Art. 115 Abs. 1 des Grundgesetzes eine der Höhe nach bestimmbare oder bestimmte Ermächtigung durch ein vom Deutschen Bundestag formell beschlossenes Gesetz. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Schaffung eines expliziten eigenen Ermächtigungstatbestands zur Absicherung von Krediten geboten. In der Regel sind Gewährleistungsermächtigungen im Haushaltsgesetz enthalten; das ist zutreffend. Dies ist aber nicht zwingend, wie etwa ein Blick auf die vergleichbaren Ermächtigungen in § 6 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes zeigt. Art. 115 Abs. 1 des Grundgesetzes erfordert ein formelles Bundesgesetz, aber kein spezielles Haushaltsgesetz. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Nachfrage, bitte. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Frage wurde gestern formuliert und eingereicht. Mittlerweile gibt es die widersprüchlichsten Agenturmeldungen über die Haltung der Koalition zu dieser Frage. Offensichtlich hat der Bundesfinanzminister gestern bei der Union vorgesprochen und wollte ein Gesetz an das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates, das wir morgen im Plenum behandeln werden, ankoppeln. Damit ist er abgeblitzt. Können Sie mir jetzt sagen, in welcher Form und wann die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag die rechtlichen Grundlagen vorlegen wird, um die entsprechenden Gewährleistungen und Kreditzusagen an Griechenland auf den Weg zu bringen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Beck, zuerst einmal will ich darauf hinweisen, dass der Bundesminister der Finanzen heute in drei Parlamentsausschüssen Rede und Antwort zu den Details der Überlegungen der Bundesregierung in der Causa Griechenland gestanden hat. Er hat heute Vormittag im Finanzausschuss begonnen, er war im Anschluss daran im Haushaltsausschuss, und er dürfte in diesen Minuten im Europaausschuss Stellung nehmen. Die Beratungen haben sich unter anderem auf die von Ihnen erwähnten Pressemeldungen kapriziert. Ich kann Ihnen bestätigen, dass wir im Bundesfinanzministerium überlegt haben, ob es sinnvoll und richtig ist, auch zur Wahrung von zeitlichen Abläufen, ein Gesetzgebungsverfahren, das sich im parlamentarischen Bereich befindet und für das der Haushaltsausschuss, der für die Griechenlandhilfe zuständig ist, die Federführung hat, aufzuhalten und für den möglicherweise in den nächsten Wochen eintretenden Fall einer griechischen Hilfsanfrage und einer Freischaltung durch den Europäischen Rat auf dieses Gesetzgebungsverfahren aufzusetzen. Ich kann Ihnen darüber hinaus bestätigen, dass wir diese Überlegung nicht mehr weiterverfolgen, weil insbesondere im parlamentarischen Bereich gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister entschieden worden ist, dass wir wegen der Grundsätzlichkeit des Anliegens nicht auf ein bestehendes, im parlamentarischen Verfahren befindliches Gesetzgebungsverfahren aufsetzen, sondern ein gesondertes, isoliertes Gesetzgebungsverfahren einleiten werden, für das die Bundesregierung gegebenenfalls, falls es erforderlich ist, den Koalitionsfraktionen per Beschluss im Bundeskabinett oder anders formalisiert einen Formulierungsvorschlag unterbreiten würde. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Beck, haben Sie eine weitere Nachfrage? Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Eigentlich habe ich die gleiche Frage noch einmal, weil sie im Kern nicht beantwortet ist. Ich habe gefragt: Wann wird die Bundesregierung in welcher Form dem Deutschen Bundestag eine Initiative vorlegen oder den Koalitionsfraktionen eine Formulierungshilfe an die Hand geben, damit wir wissen, wann wir hier darüber beraten müssen? Es mag sein, dass der Bundesfinanzminister das in den Ausschüssen gesagt hat. Wir haben aber hier im Deutschen Bundestag die Möglichkeit, Sie als Bundesregierung zu befragen. Sie müssen dann hier nicht als Ministerium, sondern als Regierung antworten. Gleichzeitig gilt, anders als in den Ausschüssen, im Plenum das Öffentlichkeitsprinzip. Deshalb wäre es schön, wenn Sie uns vor der deutschen Öffentlichkeit diese Frage beantworten könnten. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Beck, es ist mir selbstverständlich eine Freude, diese Nachfrage zu beantworten. Der erste Teil bezog sich auf das Wann. Die Frage nach dem Wann kann ich Ihnen nicht beantworten, wenn Sie heute ein konkretes Datum erfragen. Ich kann Ihnen aber prinzipiell erläutern, welche Vorgehensweise zur Auslösung einer solchen gesetzlichen Initiative führen würde. Wir als Bundesregierung gehen davon aus, dass wir keine gesetzgeberischen Aktivitäten unternehmen sollten, bevor die Griechen nicht einen Antrag auf Hilfe gestellt haben. Ein solcher Antrag liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. Was zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbindlich erklärt werden kann, ist, dass - nach Flugverzögerungen durch die Aschewolke - heute eine IWF-Mission in Griechenland eingetroffen ist. Nach Abschluss dieser Mission werden wir ein entsprechendes prozedurales Vorgehen erkennen können, beispielsweise ob Griechenland überhaupt einen Antrag stellt. Dazu werden dann die zuständigen Stellen, beispielsweise die Europäische Kommission oder die Europäische Zentralbank, optieren. Dann ist vorgesehen - das ist Bestandteil der technischen Einigung auf der Ebene der Finanzminister der Euro-Zone -, dass ein Europäischer Rat über die mögliche Gewährung von Hilfen für Griechenland entscheidet. In diesem Kontext muss eine parlamentarische Ermächtigungsgrundlage in dem von mir hier beschriebenen Rahmen geschaffen werden. Sie haben auch nach der Form gefragt. Es wird ein isoliertes Gesetzgebungsverfahren sein, durch das der Größenordnung nach bestimmbare oder bestimmte Garantieoptionen beschrieben sind, die für eine mögliche, derzeit noch nicht beschlossene Griechenlandhilfe gewährt werden könnten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Dr. Schick. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, ich habe zwei Teilfragen. Meine erste Teilfrage bezieht sich auf das Verfahren. Kann man, wenn man das von Ihnen avisierte Verfahren wählt, sicherstellen, dass man ausreichend Zeit zur Beratung hat, oder gibt es ein Kurzverfahren, in dem man kaum die Zeit hat, sich die Details anzuschauen? Über diese Details kann uns die Bundesregierung heute noch nicht viel sagen. Deshalb würde manches dafürsprechen, das parlamentarische Verfahren zwar vor einer konkreten Anfrage, aber nachdem die Rahmenbedingungen in der Europäischen Union verhandelt sind, durchzuführen. Meine zweite Teilfrage bezieht sich auf einen inhaltlichen Punkt. Ist es ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, bei den Verhandlungen zu den Griechenlandhilfen sicherzustellen, dass ein staatlicher Kredit Deutschlands an Griechenland vom Rang her vor einem Kredit privater Gläubiger liegt, oder ist das nicht ein zentrales Anliegen der Bundesregierung? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ihre erste Frage bezieht sich auf die parlamentarischen Mitwirkungsrechte. Der Bundesfinanzminister hat heute für die Bundesregierung vor den Ausschüssen noch einmal deutlich gemacht, dass wir für den Fall eines griechischen Hilfebegehrens eine rasche parlamentarische Beratung unter umfassender Gewährung von parlamentarischen Mitwirkungsrechten anstreben. "Rasch" heißt in diesem Kontext, dass wir das nicht über Monate beraten wollen. "Umfassende Gewährung von parlamentarischen Mitwirkungsrechten" heißt, dass wir Ihnen selbstverständlich in jeder Form über den materiellen Gehalt der bis dahin getroffenen Vereinbarungen gerne Auskunft geben wollen. Wir als Bundesregierung lassen aber keinen Zweifel daran, dass wir für den Fall eines griechischen Hilfsbegehrens rasch zu Entscheidungen im parlamentarischen Bereich kommen wollen. Wir haben die Leistungsfähigkeit des deutschen Parlamentarismus auch im Zusammenhang mit dem gerade von mir angesprochenen Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz nachgewiesen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ach, so soll das wieder gehen!) Ihre zweite Frage bezog sich auf eine Festlegung der Bundesregierung innerhalb von Rangfragen. Soweit mir bekannt ist, hat der Bundesfinanzminister dazu im Finanzausschuss wie im Haushaltsausschuss festgestellt, dazu gebe es noch keinerlei Festlegungen. Ich will Ihnen versichern, dass wir im Rahmen eines möglichen gepoolten Kredits alles daransetzen werden, um sowohl die Eigeninitiative und Eigenverantwortung Griechenlands zu stärken als auch die Interessen der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umfassend zu wahren. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Zöllmer. Manfred Zöllmer (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Der Finanzausschuss hatte heute ein Gespräch mit dem Bundesfinanzminister, auch zu diesem Thema. Der Minister hat deutlich gemacht, dass die Obergrenze für eine mögliche Griechenlandhilfe im ersten Jahr bei insgesamt 30 Milliarden Euro liegt, was Deutschland angeht, bei 8,4 Milliarden Euro. Wir erleben also vielleicht, dass aus Deutschland Geld nach Griechenland fließt, obwohl die Bundeskanzlerin die ganze Zeit einen völlig anderen Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt hat. Meine Frage teilt sich in zwei Punkte: Wenn, was Deutschland angeht, die Obergrenze für eine mögliche Griechenlandhilfe bei 8,4 Milliarden Euro liegt, wie sieht es dann in einem Worst-Case-Szenario für die folgenden Jahre aus? Welche Risiken kommen auf den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland zu? Eine Ergänzungsfrage: Sehen Sie dieses Modell auch als Muster für den Umgang mit den anderen Ländern an, denen möglicherweise ähnliche Schwierigkeiten wie Griechenland drohen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Zöllmer, mit Respekt: Durch einen Großteil Ihrer Frage wird die Bundesregierung zu Spekulationen aufgefordert. Die Bundesregierung ist durch das Parlament beauftragt, bestimmte Handlungen durchzuführen; sie ist nicht beauftragt, sich an Spekulationen zu beteiligen. Wenn Sie sozusagen eine nichtspekulative Nachfrage stellen, ist die Präsidentin sicherlich bereit, mir die Möglichkeit zu geben, dann auch präzise zu antworten. Aber so verlangen Sie von mir Spekulationen über zukünftige Entwicklungen. Solche Spekulationen anzustellen, ist nicht Aufgabe der Bundesregierung. (Manfred Zöllmer [SPD]: Ich kann auch fragen: Schließen Sie aus, dass dieses Modell auch für andere Länder angewandt wird?) - Dazu will ich dann Folgendes sagen: Was die zukünftige institutionelle Fortentwicklung der Europäischen Union, des Rechtsrahmens des Stabilitätspakts und des europäischen Währungsverbundes angeht, sind für die Bundesregierung durch den Bundesfinanzminister in einem Namensbeitrag Vorschläge unterbreitet worden. Deren Kern ist ein abgestufter Sanktionsmechanismus für potenzielle zukünftige Sünder unter dem Stichwort "Europäischer Währungsfonds". Dies ist von manchen Beteiligten im ersten Schritt als eine Transferunion missverstanden worden. Im Kern geht es aber um einen Sanktionsmechanismus, der Anreize zu wirtschaftlich vernünftigem Verhalten in der Budgetpolitik bieten soll, der aber darüber hinaus den Spekulanten das Signal geben soll: Wir sind nicht einfach bereit, im Rahmen einer staatlichen Garantie jede Form der Spekulation gegen ein Land zu akzeptieren. Auf dem letzten europäischen Treffen ist eine Arbeitsgruppe zur institutionellen Fortentwicklung dieses europäischen Rechtsrahmens eingesetzt worden. Die Bundesregierung hat entschieden, dort nicht auf Beamtenebene, sondern durch den Bundesfinanzminister in persona vertreten zu sein. Wir wollen dadurch deutlich machen, wie wichtig uns dieses Anliegen ist. In diesem Kontext wollen wir die jetzt gefundenen Verfahren für Griechenland als Einzelfallverfahren interpretieren. Perspektivisch - perspektivisch! - strebt die Bundesregierung an, zu anderen Ergebnissen zu kommen. Zum ersten Teil Ihrer Spekulationen will ich ein paar Hinweise geben. Wir gehen davon aus, dass sowohl die jetzt getroffenen Maßnahmen der griechischen Regierung wie auch das klare Signal innerhalb der Euro-Zone zu einer Stabilisierung der Märkte beitragen werden. Die griechische Regierung hat ja Maßnahmen verkündet, die, übertragen auf die Bundesrepublik Deutschland, sicherlich zu breiten gesellschaftlichen Diskussionen führen würden. Die Glaubwürdigkeit dieser Maßnahmen gilt es in den nächsten Wochen und Monaten von griechischer Seite zu unterstützen. Wir flankieren diesen Prozess durch eine mögliche Entscheidung der europäischen Staats- und Regierungschefs. Von daher glaube ich, dass alle Spekulationen über größere Beträge, die derzeit hier angestellt werden, durch das Wirksamwerden sowohl der griechischen wie auch der europäischen Maßnahmen gegenstandslos sind. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir kommen nun zur dringlichen Frage 2 der Kollegin Priska Hinz: Wie soll das vom Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, im Spiegel vom 19. April 2010 angekündigte Bundesgesetz, das die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau Bankengruppe, KfW, und die dafür ausgesprochenen Garantien der Bundesregierung begleiten soll, ausgestaltet werden, und warum werden die darin enthaltenen finanziellen Verpflichtungen für die Bundesregierung, die laut Vereinbarungen der EU-Finanzminister vom 10./11. April 2010 nach dem jederzeit möglichen Antrag Griechenlands sofort fällig werden würden, nicht in den Bundeshaushalt in Form eines Nachtragshaushalts einbezogen? Gleichzeitig rufe ich die dringliche Frage 3 der Kollegin Priska Hinz zum selben Themenkreis auf: Wie beurteilt die Bundesregierung das finanzielle Risiko, das durch die im Zuge der Vereinbarungen der EU-Finanzminister vom 10./11. April 2010 nach einem entsprechenden Antrag Griechenlands sofort fällig werdende Bundesgarantie für Kredite der KfW für den Bundeshaushalt entstehen könnte (vergleiche Interview von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Spiegel vom 19. April 2010), und mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung auf diese Risiken zu reagieren? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Sehr geehrte Frau Kollegin Hinz, Ihre Fragen möchte ich wie folgt beantworten: Die Bundesregierung beabsichtigt, vor einer gesetzgeberischen Initiative erst die Fertigstellung des IWF-Programms abzuwarten und vor Aktivierung die notwendige Bewertung der Finanzstabilität in der Euro-Zone und des Kapitalmarktzugangs Griechenlands durch die EU-Kommission und die EZB einzubeziehen. Bei Bedarf wird ein passender Ermächtigungstatbestand zur Absicherung von Garantien der Kreditanstalt für Wiederaufbau dem Deutschen Bundestag sehr kurzfristig in Gesetzesform zur Entscheidung vorgelegt. Darüber hinaus wird der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vor der tatsächlichen Übernahme der Gewährleistung entsprechend den üblichen Verfahren unterrichtet. In Deutschland ist vorgesehen, dass im Bedarfsfall die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Rahmen eines sogenannten Zuweisungsgeschäfts für den Bund tätig wird und mögliche Kredite für Griechenland vergibt. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau würde für ihre Beteiligung am Hilfsprogramm für Griechenland eine Gewährleistung des Bundes benötigen. Die Übernahme von Gewährleistungen erfordert nach Art. 115 Abs. 1 unseres Grundgesetzes eine der Höhe nach bestimmte oder bestimmbare Ermächtigung durch ein vom Deutschen Bundestag formell beschlossenes Gesetz. Nach Auffassung der Bundesregierung ist vorliegend die Schaffung eines expliziten eigenen Ermächtigungstatbestands zur Absicherung von Krediten geboten. In der Regel - das hatte ich schon vorhin ausgeführt - hat der Gesetzgeber das bisher im Rahmen des Haushaltsgesetzes gemacht. Aber wie das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz zeigt, reicht hierzu ein formelles Bundesgesetz aus. Die Bundesregierung schätzt das Ausfallrisiko einer eventuellen Garantie für Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau als gering ein. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Kampeter, ich möchte trotz Ihrer Antwort gerne von Ihnen wissen, warum sich die Bundesregierung gegen ein Nachtragshaushaltsgesetz entscheiden will. Ich habe Ihren Worten entnommen, dass das so ist. Für den möglichen Fall, dass der Bund einspringen muss - es geht ja um viel Geld -, gibt es einen Ermächtigungsrahmen im Bundeshaushaltsgesetz. Ich frage Sie daher, warum die Bundesregierung meint, hierbei auf einen Nachtragshaushalt verzichten zu können. Da Sie vorhin mitgeteilt haben, dass der Bundesgesetzgeber nichtsdestotrotz umfänglich in ein solches Gesetzgebungsverfahren eingebunden wird, möchte ich Sie ferner fragen: Können Sie mir mitteilen, ob die Bundesregierung plant, dieses Gesetz in einem Eilverfahren oder im Rahmen des üblichen Gesetzgebungsverfahrens durch den Bundestag zu bringen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hinz, wir glauben, dass der übliche Gewährleistungsrahmen im Haushaltsgesetz keine einschlägige und verfassungsrechtlich abgesicherte Grundlage für den Sonderfall einer möglichen Hilfe innerhalb der Euro-Zone ist. Deswegen werden wir zur Sicherstellung der Transparenz des Entscheidungsprozesses mit Blick auf ein gesondertes Gesetz die Abwägungsgründe ausführlich darlegen und erläutern, warum wir glauben, dass diese gesetzliche Ermächtigungsnorm sowohl in der Sache zweckdienlich ist wie auch die parlamentarischen Mitwirkungsrechte umfassend gewährleistet. Da wir uns für diesen Weg entschieden haben, erschien uns die Entscheidung für eine rechtliche Alternative - in welcher Form auch immer - entbehrlich. Frau Kollegin Hinz, Ihre zweite Frage nach einem möglichen Eilverfahren könnte dahin gehend missgedeutet werden, dass wir in irgendeiner Form die parlamentarischen Mitwirkungsrechte nicht umfassend gewährleisten wollen. Diesem Eindruck würde ich namens der Bundesregierung entgegentreten wollen. Ich will allerdings keinen Zweifel daran lassen, dass wir für den Fall eines griechischen Hilfsantrags, den wir nicht anstreben, eine rasche parlamentarische Beratung, gegebenenfalls verbunden mit der Bitte um Fristverzicht, anstreben. Uns schiene das im Hinblick auf die außenpolitische Wirksamkeit unseres Vorgehens geboten zu sein. Ein sogenanntes Eilverfahren sieht, glaube ich, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages explizit nicht vor. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre weitere Nachfrage. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Kampeter. - Sie haben mich schon sehr gut verstanden. Das wollen wir doch einmal festhalten. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hinz, bisher hatten wir keine Verständigungsprobleme. Das bestätige ich nachdrücklich für die Bundesregierung. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. - Trotzdem meine Nachfrage: Da Sie sich schon jetzt für einen bestimmten Weg entschieden haben, da Sie wissen, dass die KfW das Programm abwickeln soll, und da es gleichzeitig eine Verfassungsgerichtsentscheidung zum Lissabon-Vertrag gibt, in der dem Bundestag umfängliche parlamentarische Beratungsrechte zugesichert wurden, frage ich Sie, warum Sie nicht bereits jetzt das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet haben, damit der Bundestag nicht am Ende mit verkürzten Fristen und unter Umgehung des Haushaltsrechtes Entscheidungen treffen muss. Sie hätten ja bereits ab dem 14. März 2010, nachdem die Regierungschefs entschieden hatten, mit der Erarbeitung eines Nachtragshaushalts beginnen können und hätten uns jetzt einen solchen Nachtragshaushalt vorlegen können, der dann ordnungsgemäß hätte behandelt werden können. Meine Frage lautet also: Wann beginnen Sie endlich mit dem Gesetzgebungsverfahren, damit wir eine ordentliche parlamentarische Beratung zu einem Nachtragshaushaltsplan durchführen können? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Hinz, entgegen meiner vorhin geäußerten Vermutung, dass wir keinerlei Verständigungsprobleme haben, scheint sich die Bewertung der Sachlage jetzt etwas anders darzustellen. Ich hoffte, Ihnen eigentlich verständlich gemacht zu haben, warum wir nach Abwägung von durchaus möglichen und von Ihnen teilweise beschriebenen rechtlichen Alternativen den von mir dargelegten Weg eines isolierten, nach dem Grundgesetz möglichen und die parlamentarischen Mitwirkungsrechte umfassend sichernden Einzelgesetzesverfahrens gewählt haben. Insgesamt war bei diesem Abwägungsprozess natürlich auch wichtig, dass wir im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht frühzeitig ein Signal zur Konditionalität einer möglichen deutschen Beteiligung an freiwilligen bilateralen, gegebenenfalls europäisch gepoolten Hilfen geben. Ein solches frühzeitiges Signal hätte von der griechischen Seite missverstanden werden können und hätte dazu führen können, dass sie in ihren Bemühungen um eine eigenverantwortliche Lösung der griechischen Finanzprobleme ein Stück weit nachlässt. Infolge der zeitlichen Abläufe, infolgedessen, dass wir nicht frühzeitig eine gesetzliche Grundlage geschaffen haben, hat die griechische Regierung in Abstimmung mit der Europäischen Kommission, aber auch in Abstimmung mit den Finanzministern innerhalb der Euro-Zone und des Ecofin zusätzliche, die Glaubwürdigkeit der griechischen Konsolidierungsanstrengungen untermauernde gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, sodass diese von der Bundesregierung gewählte Strategie die Interessen der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nachdrücklich besser gewahrt hat als alle Alternativen im Hinblick auf frühzeitige gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die dringliche Frage 3 wurde schon vorhin vom Staatssekretär mitbeantwortet. Sie haben keine Zusatzfrage dazu. Nach den dringlichen Fragen rufe ich jetzt zum selben Fragenkreis die Fragen 48 bis 50 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, Druck-sache 17/1388, auf, da diese nach Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde vorgezogen werden. Ich rufe die Frage 48 des Kollegen Dr. Gerhard Schick auf: Gab es seit Anfang des Jahres 2010 ein Angebot einer oder mehrerer privater Banken oder einer Gruppe von Gläubigern griechischer Staatsanleihen an die Bundesregierung, beim sogenannten Roll-over von fällig werdenden Griechenland-Anleihen zu helfen, und, falls ja, aus welchen Gründen ist die Bundesregierung auf das Angebot nicht eingegangen? Herr Staatssekretär, bitte. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Antwort auf die von Ihnen gestellte Frage lautet: Die Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt erwogen, eine eventuelle Finanzhilfe für Griechenland durch private Banken durchführen zu lassen. (Nicolette Kressl [SPD]: Aber gab es ein Angebot?) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Nachfrage. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Frage ist damit nicht wirklich beantwortet, wie Sie, Herr Kampeter, leicht selber feststellen können, wenn Sie das überdenken. Ich hatte gefragt, ob sich jemand vonseiten privater Gläubiger an die Bundesregierung gewandt hat. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Frage beantworten würden. Sie können gerne auch die Frage beantworten, ob sich die Bundesregierung in irgendeiner Form in Richtung privater Gläubiger initiativ gezeigt hat. Es gibt nämlich seit 2004 eine Vereinbarung in Bezug auf Schwellenländer, in der sich die internationalen Großbanken bereit erklärt haben, in solchen Fällen eine Umschuldung vorzunehmen. Eine Umschuldung unter Beteiligung privater Gläubiger hätte vielleicht die Einbeziehung deutscher Steuerzahler überflüssig oder zumindest weniger wahrscheinlich gemacht. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Dr. Schick, zunächst einmal will ich deutlich machen, dass kein Geld des Steuerzahlers nach Griechenland fließt. Der Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau an Griechenland wird in dem von uns gewählten Verfahren lediglich mit einer Garantie des deutschen Steuerzahlers abgesichert. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!) Ich habe ergänzend erklärt, dass wir das Ausfallrisiko für gering halten. Der tatsächliche Geldfluss wird von den Kapitalmärkten, nicht vom Steuerzahler organisiert. Die Refinanzierung des Kredites erfolgt über die Kapitalmärkte, die derzeit - an manchen Stellen vielleicht sogar überfließend - über Liquidität verfügen. Es liegt der Bundesregierung daran, klarzustellen, dass wir keine Steuergelder nach Griechenland verschieben, sondern lediglich mit der staatlichen Garantie einen Bonitätsvorteil schaffen, den die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Fall einer möglichen Krise in Griechenland zum Zweck der Stabilisierung nutzt. Ich glaube, das ist in diesem Kontext das Mittel der Wahl; so sollte sich die Bundesregierung nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge engagieren. Die Frage, ob darüber hinaus in dem von Ihnen beschriebenen Maße über ergänzende Maßnahmen, etwa über den Forderungsverzicht privater Gläubiger, zu entscheiden ist, wird nach meiner Einschätzung und nach Kenntnis der Bundesregierung Gegenstand des Programms sein, das der IWF in den nächsten ein bis zwei Wochen vorlegen wird. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege Dr. Schick, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kann jetzt also festhalten, dass Sie nicht ausgeschlossen haben, dass es ein solches Ansinnen von privater Seite gegenüber der Bundesregierung gab. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Schick, ich kann viele Dinge im Leben nicht ausschließen. Aber ich empfehle Ihnen, hier nicht die falschen Schlussfolgerungen aus den Einlassungen der Bundesregierung zu ziehen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Die Fragen 49 und 50 des Kollegen Manuel Sarrazin zu diesem Themenkreis werden schriftlich beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der dringlichen Fragen. Nachdem alle dringlichen Fragen und alle anderen Fragen zu diesem Themenkreis aufgerufen und beantwortet wurden, kommen wir nun zu den übrigen Fragen auf der Drucksache 17/1388 in der üblichen Reihenfolge. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Hier steht für die Beantwortung der Fragen Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Helge Braun zur Verfügung. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen René Röspel werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Daniela Kolbe auf: Wie bewertet die Bundesregierung die verfassungsrechtliche Umsetzbarkeit der vorgesehenen Bildungsschecks für lokale Bildungsbündnisse, in denen unter anderem Schulträger Mittel direkt an allgemeinbildende Schulen weitergeben können sollen? Herr Staatssekretär, bitte. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Frau Kollegin Kolbe, ich möchte Ihre Fragen 3 und 4 im Zusammenhang beantworten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kolbe, sind Sie damit einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann rufe ich die Frage 4 der Kollegin Kolbe auf: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Fördermittel für lokale Bildungsbündnisse für die Bekämpfung der Bildungsarmut genutzt werden, das heißt, diese sowohl bei den Bedürftigen zielgerichtet ankommen als auch für sinnvolle Bildungsangebote genutzt werden? Herr Staatssekretär, bitte. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, die lokalen Bildungsbündnisse sind im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP verankert. Dort ist bereits vorgesehen, dass unter Einbeziehung aller relevanten Akteure - Fördervereine, Kinder- und Jugendhilfe, Eltern, Schulen, Träger der Arbeitsförderung sowie Gruppen der Zivilgesellschaft - eine gezielte, individuelle Förderung von Kindern im Grundschulalter, die von Bildungsarmut bedroht sind, ermöglicht werden soll, um ihnen zusätzliche Bildungschancen zu eröffnen. Diese Bundesregierung ist 175 Tage im Amt und hat somit gerade einmal ein Achtel ihrer Amtszeit hinter sich. Insofern kann ich Ihnen die Details des Programms leider noch nicht vorstellen, weil wir uns momentan in der Erarbeitungsphase befinden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ihre Nachfrage bitte. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich gehe davon aus, dass das auch schon die Antwort auf die Frage 4 war. Ist das richtig? - Dann komme ich zu meinen Nachfragen. Frau Ministerin Schavan hat bereits einige Details genannt. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist vorgesehen, dass Grundschulen eine Einmalzahlung von bis zu 40 000 Euro erhalten können, um im Rahmen der lokalen Bildungsbündnisse nachhaltig gegen Bildungsarmut agieren zu können. Auch wenn Ihre Regierung noch nicht lange im Amt ist, bitte ich Sie darum, mir eine Vorstellung davon zu geben, welche Art von Aktionsplänen oder Aktivitäten mit einer Einmalzahlung von 40 000 Euro finanziert werden könnten. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, die lokalen Bündnisse für Bildung sollen keine Eintagsfliege sein, sondern entspringen der Tatsache - das hat die PISA-Studie gezeigt -, dass ungefähr 20 Prozent der 15-jährigen Schüler in Deutschland droht, keinen Ausbildungsplatz zu erhalten, weil sie ausbildungsunfähig bzw. nicht arbeitsmarktfähig sind. Deshalb ist es eine Daueraufgabe, dass wir uns an dieser Stelle bemühen, zu verhindern, dass junge Menschen keine Chance erhalten. Wir wollen diesen Jugendlichen mit gezielten und sehr individuellen Maßnahmen helfen. Es ist klar, dass es ein breites Spektrum unterschiedlicher Maßnahmen geben muss. Es ist weder Wunsch noch Wille noch Aufgabe der Bundesregierung, die Art und Weise der Unterstützung vorzugeben. Die lokalen Bildungsbündnisse sind - wie der Name schon sagt - eng mit dem lokalen Gedanken verbunden. Wir wollen es in die Hände der Akteure vor Ort geben, gezielte Maßnahmen gegen die bestehenden Probleme zu ergreifen, weil wir es in den Bildungsbiografien mit den unterschiedlichsten Defiziten zu tun haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Gibt es eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön. Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Ich stimme Ihnen zu: Es gibt viele junge Leute mit Bildungsdefiziten, die mit 15 Jahren ohne Schulabschluss dastehen. Ich stimme Ihnen auch zu, dass man schon in der Kita, der Grundschule und den weiterbildenden Schulen gezielt fördern muss. Wie verhält sich die Bundesregierung zu der Aussage, dass es vielleicht sinnvoller wäre, die bestehenden Maßnahmen, die in öffentlichen Kitas und Schulen - Stichwort "Ganztagsschulprogramm" - durchgeführt werden, stärker zu finanzieren? Ist es nicht sinnvoll, dort, wo mit Kindern ab drei Jahren oder noch jüngeren Kindern nachhaltig gearbeitet wird, zielgerichtet zu investieren, um allen Kindern gute Lebenschancen zu ermöglichen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, klar ist: Die Bundesregierung hat - darauf spielen Sie in Ihrer Frage an - verfassungsrechtlich gesehen keine Kompetenz im Bereich der originären Schulbildung. Darüber hinaus glauben wir aber, dass es nicht zwingend ist, den Schulen die individuelle Förderung alleine aufzubürden. Die Schule hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen immer mehr Aufgaben übernommen und sich neuen Herausforderungen stellen müssen. Deshalb ist es der Kerngedanke der lokalen Bündnisse für Bildung, den Schulen noch mehr Verantwortung und die Beantwortung der sich neu stellenden Fragen nicht alleine aufzubürden. Vielmehr wollen wir Mittel für ergänzende Maßnahmen zur Verfügung stellen, die zusätzliche Hilfen für die betroffene Klientel ermöglichen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Röspel. René Röspel (SPD): Vielen Dank. - Als Mitglied eines Fördervereins einer Grundschule möchte ich fragen, ob die Bundesregierung tatsächlich beabsichtigt, erstens einer solch ehrenamtlichen Struktur die Verantwortung für Finanzmittel in Höhe von bis zu 40 000 Euro und zweitens den Schulen für die Identifizierung möglicherweise benachteiligter Schüler die entsprechenden Kompetenzen zu geben. Wie soll die fachliche Begleitung aussehen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Röspel, die Einbeziehung der Fördervereine ist ein Weg, um sehr nah an die Schulen heranzukommen und eine sehr enge und vertrauensvolle Kooperationsstruktur zwischen Schulen und Zivilgesellschaft zu nutzen. Deshalb ist das eine der Möglichkeiten, die die Bundesregierung derzeit intensiv prüft. Klar ist, dass die Schulfördervereine diese Aufgabe nicht alleine schultern können. Deshalb ist im Koalitionsvertrag deutlich gemacht worden, dass die Fördervereine ein, wenn auch wesentlicher Partner sein sollen. Insgesamt ist es aber eine zivilgesellschaftliche Aufgabe, bei deren Erfüllung die verschiedenen Träger - zum Beispiel die Kommunen, die Bildungsträger und die verschiedenen karitativen Organisationen, die in diesem Bereich Kompetenzen haben - mithelfen. Von einer alleinigen Übertragung der Aufgaben, einer Kontrollfunktion oder einer Auswahlfunktion der Fördervereine kann hier keine Rede sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Schulz stellt die nächste Zusatzfrage. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf Nachfrage gesagt, dass Sie den lokalen Bildungsbündnissen keine Vorgaben machen möchten, wie mit den Mitteln konkret verfahren werden soll und wie die Schülerinnen und Schüler gefördert werden sollen. Meine Nachfrage lautet: Steht es den Verantwortlichen vor Ort vollkommen frei, was mit dem Geld gemacht wird - sei es die Anschaffung von Sportgeräten, sei es die Finanzierung von Auslandsreisen -, oder wird es doch einen bestimmten Rahmen geben, und, wenn ja, wie sähe er aus? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Schulz, wie ich eingangs gesagt habe, befindet sich die Bundesregierung derzeit in der Konzeptionsphase. Insofern kann ich Ihnen zu solchen Details noch keine konkreten Auskünfte geben. Klar ist, dass immer, wenn die Bundesregierung Geld ausgibt, dies nicht in völlig freihändiger Art und Weise passiert. Einen gewissen Rahmen muss es immer geben. Sehr wohl wird man dem Thema der lokalen Bildungsbündnisse nur dann gerecht, wenn man individuelle Lösungen für individuelle Bildungsprobleme zulässt. In diesem Spannungsfeld wird sich die Erarbeitung dieses Konzepts bewegen. Wir sind ganz zuversichtlich, dass wir Ihnen in Kürze kluge Lösungen vorlegen können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, stellt die Bundesregierung infrage, dass es verfassungsrechtlich zulässig ist, dass der Bund Schulsozialarbeit an Ganztagsschulen fördert? Wie bewerten Sie die Aussage des FDP-Schulministers Klug aus Schleswig-Holstein, der sagt, ihm wäre viel lieber, der Bund würde Schulsozialarbeit und nicht die lokalen Bündnisse fördern? Dies ist in einer Ausgabe der Schleswig-Holsteinischen Zeitung der letzten Tage nachzulesen. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Rossmann, die lokalen Bildungsbündnisse sind dezidiert etwas anderes als Schulsozialarbeit; denn sie sollen für Bildung im engeren Sinne sorgen. Sie sollen helfen, zum Teil leider brüchige Bildungsbiografien gradlinig zu gestalten. Unsere Ministerin sagt immer: Wir wollen niemanden zurücklassen. Auch wer bildungsbenachteiligt ist, soll alle Chancen haben. - Die lokalen Bildungsbündnisse sollen sich insbesondere an die Grundschulen richten, damit jegliche Defizite und Brüche, die in einer Bildungsbiografie auftreten können, schon sehr früh vermieden werden. Auf diese Weise sollen junge Menschen alle Chancen im Leben haben. Die Sozialarbeit ist ein weiterer Ansatz. Sie ist aber kein Bildungs- und Fürsorgeansatz im engeren Sinne. Deshalb bitte ich darum, Fragen der Sozialpolitik und Bildungspolitik in ihrer Notwendigkeit nebeneinander zu akzeptieren und nicht gegeneinander auszuspielen. Zu dem von Ihnen angesprochenen Zitat kann ich nichts sagen, da es mir nicht bekannt ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Burchardt. Ulla Burchardt (SPD): Herr Kollege Braun, wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie sich noch in der konzeptionellen Phase befinden und von daher natürlich keine Detailfragen beantworten können. Aber auch in der konzeptionellen Phase können Sie sicherlich Auskunft darüber geben, ob auch die vielen gut funktionierenden lokalen Bildungsbündnisse - beispielsweise in Dortmund und in Bochum -, die aus gut interagierenden Netzwerken von Akteuren bestehen, im Fokus Ihres Förderkonzepts stehen, oder richtet sich Ihre Förderung ausschließlich an diejenigen, die bislang nicht oder nur sehr rudimentär in diesem Bereich tätig gewesen sind? Wie wollen Sie in dem Fall, dass auch die gut funktionierenden lokalen Netzwerke in die Förderung einbezogen werden, gewährleisten, dass die Vorgaben des Ministeriums, die nicht so detailliert sind - in Dortmund hat man entsprechende Erfahrungen mit dem Konzept zur Berufseinstiegsbegleitung gemacht -, völlig an den Bedarfen vor Ort vorbeigehen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Liebe Frau Kollegin Burchardt, in der Konzeptionsphase, die wir gerade anstreben, ist es in der Tat von Vorteil, dass es in vielen Regionen in Deutschland schon profilierte Programme und Projekte für diese Zielgruppe gibt. Die Notwendigkeit der lokalen Bildungsbündnisse ergibt sich daraus, dass es sich um punktuelle Pilotprojekte handelt und noch nicht davon die Rede sein kann, dass wir der Zielgruppe in Deutschland flächendeckend Hilfe zur Verfügung stellen. Insofern ist es uns sehr wichtig, dass wir aus den vorhandenen Projekten lernen und die positiven Erfahrungen als Best-Practice-Beispiele in die Konzeption einbeziehen. Ganz klar ist, dass es auf gar keinen Fall Absicht der Bundesregierung ist, bestehende erfolgreiche Strukturen durch eine neue Struktur zu beeinträchtigen. Aufgabe ist es vielmehr, die Erfolge, die vor Ort mit positiven Einzelmaßnahmen erzielt werden, mit einem solchen Programm in die Fläche zu tragen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe jetzt die Frage 5 des Kollegen Gerdes auf: Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung beim angekündigten sogenannten Bildungssparen sicherstellen, dass die tatsächlich bedürftigen Familien auch in den Genuss der staatlichen Prämien gelangen, und wann kann mit Eckpunkten hierzu gerechnet werden? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfügung. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Nein, auch diese Fragen beantworte ich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Schau an! Ich nehme einmal an, dass es dem Kollegen fast egal ist, wenn die Frage nur vernünftig beantwortet wird. (Ulla Burchardt [SPD]: Die sind uns beide gleich lieb!) - Das halten wir im Protokoll fest, Frau Burchardt. Bitte schön, Herr Kollege Braun. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Präsident. - Ein konkretes Konzept zur Einführung des Bildungssparens hat die Bundesregierung noch nicht entwickelt. Fragen zu Einzelheiten sowie zu den Eckpunkten können wir Ihnen deshalb zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht beantworten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, eine Zusatzfrage. Michael Gerdes (SPD): Herr Staatssekretär, dann werden Sie sicherlich auch meine Anschlussfrage nicht beantworten können. Ich hätte gerne gefragt, mit welchen Maßnahmen die Bundesregierung in der Zwischenzeit ein angemessenes Förderangebot sicherstellen will, da die Nutzbarkeit der Spareinlagen für Bildungszwecke erst in 10 oder 20 Jahren greifen wird. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege, es ist ganz klar, dass es sich hierbei um ein zusätzliches Angebot handeln soll. Das Bildungssparen hat die Aufgabe, Menschen in ihrer Subsidiarität und bei ihrer Eigenvorsorge zu unterstützen. Ganz klar ist, dass Sparen grundsätzlich eine Aufgabe ist, für die mindestens ein Zeitraum von 16 bis 18 Jahren erforderlich ist, damit eine entsprechende Summe, die zur Unterstützung des Aufbaus einer Bildungsbiografie wirklich geeignet ist, angespart werden kann. Was die Bundesregierung jetzt bedauerlicherweise nicht tun kann, ist, ein Konzept zu entwickeln, das 18 Jahre rückwirkend greift. Wir müssen also proaktiv für die Zukunft arbeiten. Das soll ein zusätzliches Angebot im Sinne der Fortentwicklung unserer Bildungsrepublik sein. Insofern werden wir uns bemühen, zeitnah ein solches Konzept vorzulegen. Da das Bildungssparen ein zusätzliches, neues Angebot darstellt und nicht Teil der elementaren Fürsorge ist, ist eine Zwischenfinanzierungsmaßnahme aus unserer Sicht nicht erforderlich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann kommt der Kollege Schulz dran. Wir gehen in der Reihenfolge der hier erfassten Wortmeldungen vor. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, bei den Bildungsbündnissen haben Sie zuerst von einer Konzeptionsphase und dann von einer angestrebten Konzeptionsphase gesprochen. Zum Bildungssparen haben Sie sich noch keine Gedanken gemacht. Ich möchte zum Bildungssparen ebenso wie zu den Bildungsbündnissen fragen: Wann gedenken Sie denn, die Konzeptionsphase abzuschließen und dem Deutschen Bundestag Eckpunkte vorzulegen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Schulz, die Bundesregierung freut sich sehr, dass Sie die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und FDP intensiv lesen und es kaum erwarten können, dass wir alles, was darin steht, umsetzen. Das Problem ist, dass unser Ministerium und die Bundesregierung insgesamt mit Kapazitäten ausgestattet sind, die es nur ermöglichen, eine Konzeption nach der anderen auf den Weg zu bringen. Heute hat die Bundesregierung im Kabinett einen Entwurf vorgelegt, in dem eine Erhöhung der BAföG-Mittel und eine Entbürokratisierung des BAföG vorgesehen sind. Heute hat die Bundesregierung auch ein nationales Stipendienprogramm auf den Weg gebracht. Ich denke, wir sind an der Stelle sehr erfolgreich. Wir arbeiten ein Projekt nach dem anderen ab. Wir legen der Opposition keine konkreten Zeitpläne vor; denn wie Sie wissen, sind manche Projekte in der Abstimmung schnell umzusetzen, während es bei anderen Projekten länger dauert. Alle Projekte im Koalitionsvertrag sind so wichtig und so gut, dass wir sie am liebsten schon gestern umgesetzt hätten. Im Rahmen der Arbeitskapazitäten arbeiten wir so schnell, wie wir können. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das ist aber nicht schnell!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Schieder. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Herr Staatssekretär, wir machen in jeder Sitzung des Bildungsausschusses dieselbe Erfahrung wie jetzt. Sie reden von "zeitnah", aber keiner weiß, was damit gemeint ist. Es kann sein, dass Ihre Kapazitäten beschränkt sind. Aber angesichts dessen, was Sie vorwärtsbringen, sieht es so aus, als hätten Sie gar keine Kapazitäten. Ich frage konkret: Was heißt "zeitnah"? Was können wir uns darunter vorstellen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zeitnah heißt "sobald wie möglich". Ein Datum kann ich Ihnen heute noch nicht nennen. (Ulla Burchardt [SPD]: Vor Ende der Legislaturperiode!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Diese Definition wird vermutlich Eingang in die Lexika finden. Ich rufe jetzt die Frage 6 des Kollegen Gerdes auf: Wie bewertet die Bundesregierung Vorschläge zur Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Juni 2010, die Fortsetzung des Ganztagsschulprogramms sowie einen Ausbau der Schulsozialarbeit zu vereinbaren? Herr Kolleg Schulz, hier können Sie einen neuen Anlauf zu einer Zusatzfrage unternehmen. Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Gerdes, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung", IZBB, bekannt als Ganztagsschulprogramm, zum Aus- und Aufbau von Ganztagsschulen wurde mit einer Laufzeit von 2003 bis 2007 vereinbart. Dabei bestand die Möglichkeit, die Mittel bis Ende 2008 zu verausgaben. Auf Wunsch aller Länder wurde der Verausgabezeitraum bis Ende 2009 verlängert. Insgesamt wurden damit deutschlandweit 4 Milliarden Euro verausgabt und 7 200 Schulen gefördert. Eine Neuauflage dieses Bundesprogramms ist nach der Föderalismusreform I mangels Zuständigkeit nicht mehr möglich. In enger Abstimmung mit den Ländern führt der Bund die Förderung des Begleitprogramms "Ideen für mehr! Ganztägig Lernen" der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, DKJS, um weitere fünf Jahre von 2010 bis 2014 fort. Darüber hinaus fördert das BMBF mit Unterstützung der Länder Begleitforschung, in deren Mittelpunkt die empirische Längsschnittuntersuchung "Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen" steht. Diese Förderung wird ebenfalls fortgeführt. Gemäß dem Auftrag der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder vom 16. Dezember 2009 erarbeiten derzeit die zuständigen Fachminister von Bund und Ländern unter Einbeziehung der Finanzseite konkrete Vorschläge für die Maßnahmen zur finanziellen Absicherung des 10-Prozent-Ziels. Nach den Vorstellungen der Länder gehören unter anderem der Ausbau des Ganztagsangebots an Schulen und die Schulsozialarbeit an Ganztagsschulen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe zum Bündel der Maßnahmen, die sie in eigener Zuständigkeit umsetzen wollen. Am 10. Juni 2010 wird die Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder über sämtliche der vorliegenden Vorschläge ergebnisoffen beraten. Deshalb kann dem hier nicht vorgegriffen werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Keine weitere Zusatzfrage? - Kollege Rossmann hat um das Wort gebeten. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, das, was die Regierung jetzt weiterführt, ist im Vergleich zu den 4 Milliarden Euro, die unter Gerhard Schröder und Edelgard Bulmahn in die deutsche Schullandschaft investiert worden sind, wenig. Deshalb frage ich Sie als Vertreter der Bundesregierung: Geben Sie sich mit dem bisher erreichten Stand beim Ausbauprogramm für Ganztagsschulen zufrieden? Welche besonderen Anstrengungen wollen Sie unternehmen, um das Ausbauprogramm und die Förderung der Qualität von Ganztagsschulen deutlich zu verstärken, oder will die Bundesregierung kein besonderes bundespolitische Interesse und Engagement bei dieser Frage zeigen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Rossmann, von den verausgabten 4 Milliarden Euro haben 7 200 Schulen profitiert. Mit dem Ganztagsschulprogramm wurde in die Bausubstanz der Schulen investiert, und dies wirkt fort. Dass darüber auf der Konferenz am 10. Juni dieses Jahres diskutiert wird, macht deutlich, dass dieses Thema durchaus wichtig ist. Die Ganztagsschulen in Deutschland müssen weiter ausgebaut werden. Die Frage, wer sich dabei in welchem Rahmen engagiert, ist Gegenstand dieses Gipfels, dessen Ergebnissen ich nicht vorgreifen möchte. (Ulla Burchardt [SPD]: Darauf kommen wir noch zurück!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wie ich sehe, hat Kollege Schulz meine Anregung aufgegriffen, sich zu dieser Frage zu Wort zu melden. - Bitte schön. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Dabei hätte ich zu dem anderen Thema vorhin auch noch Fragen gehabt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich glaube es Ihnen aufs Wort. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, Sie sagten, Sie wollten den Ergebnissen der Konferenz der Regierungschefs der Länder am 10. Juni nicht vorgreifen. Gehe ich denn recht in der Annahme, dass die Bundesregierung anstrebt, mit den Ländern konkrete Bund-Länder-Programme für eine bessere Bildung zu vereinbaren und durchzuführen, anstatt einfach nur der Forderung der Länder nach höheren Umsatzsteueranteilen nachzukommen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege, die Bundesregierung wird auf dieser Konferenz selbstverständlich eigene Vorschläge zur Verbesserung des Bildungssystems in Deutschland zur Beratung vorlegen. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Wahrscheinlich sehr zeitnah, oder?) Die Fachminister befinden sich darüber gerade in der Abstimmung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe nun die Frage 7 der Kollegin Burchardt auf: Auf welche Weise bzw. aus welchem Titel in welcher Höhe will die Bundesregierung ihre Finanzzusagen von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vom 22. März 2010 einlösen, in den Jahren 2011 bis 2013 den Mehrbedarf für zusätzliche Studienanfänger aus dem Hochschulpakt I zu decken? Nun erhebt sich tatsächlich der Kollege Rachel, der diese Frage vermutlich für die Bundesregierung beantwortet. - Bitte schön. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Burchardt, laut den uns vorliegenden Zahlen sind im Vergleich zum Jahr 2005 in den Jahren 2007 bis 2009 bereits rund 102 000 zusätzliche Studienanfänger zu verzeichnen. Damit ist die angepeilte Zielmarke für diesen Zeitraum bereits um 37 600 übertroffen. Ich denke, man darf sagen: Dieser Zuwachs ist ein großer Erfolg des Hochschulpaktes; darüber freuen wir uns sehr. Bund und Länder haben sich in der Vereinbarung über die zweite Programmphase verpflichtet, auch die Zahl der zusätzlichen Studienanfänger, die die für die erste Programmphase ursprünglich angenommene Gesamtzahl von damals 91 370 überschreitet, in die Abrechnung einzubeziehen. Über die Ausgestaltung wird in weiteren Erörterungen zwischen Bund und Ländern sowie in den Verhandlungen zur Aufstellung des Bundeshaushaltes 2011 zu befinden sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Ulla Burchardt (SPD): Herr Kollege, wir freuen uns natürlich alle gemeinsam - ich denke: fraktionsübergreifend - über diesen wirklich großen Erfolg des Hochschulpaktes, der durch das Engagement der SPD-Bundestagsfraktion im Rahmen der Föderalismusreform I ermöglicht wurde. Damals haben wir durch die Änderung des Art. 91 b des Grundgesetzes dafür gesorgt, dass sich der Bund erstmals an der Finanzierung der Lehre beteiligen kann. Insofern begrüßen wir, dass die Große Koalition die Aktivitäten der rot-grünen Koalition fortgesetzt hat und auch diese Bundesregierung dies tun will. Angesichts des Umstandes, den Sie gerade beschrieben haben, dass der Mehrbedarf aus dem Hochschulpakt I vermutlich durch Mittel aus dem Hochschulpakt II zu decken sein wird, frage ich Sie, ob die Mittel aus dem Hochschulpakt I auf die mit den Ländern verabredeten Mittel aus dem Hochschulpakt II angerechnet werden. Sehen Sie sich in der Lage, heute die Zusage zu geben, dass die auf Basis der bisherigen Finanzierungsplanung zugesicherte Anzahl neu einzurichtender Studienplätze aus dem Hochschulpakt II eingehalten wird? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin Burchardt, in meiner Antwort habe ich gerade schon deutlich gemacht, dass wir zwischen Bund und Ländern bereits Gespräche über die Aufwüchse führen, die noch über die Zielmarke hinausgegangen sind, und dass es das Ziel ist, in den Verhandlungen zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2011 hier eine entsprechende Umsetzung sicherzustellen. Die Mittel für den Hochschulpakt werden im Haushalt in Kap. 3003 Tit. 685 05, Hochschulpakt 2020, veranschlagt. Wir gehen davon aus, dass wir das Gesamtziel beim Hochschulpakt II mit der Zahlenvorgabe von 275 000 neuen Studienplätzen in der nächsten Phase umsetzen. Wir werden uns in einer kollegialen Art darum bemühen, mit den Ländern hier zu einer entsprechenden Verständigung zu kommen; denn wir sind durchaus der Auffassung, dass der gerade von Frau Bundesbildungsministerin Professor Schavan stark geprägte Hochschulpakt I im Sinne eines gemeinsamen nationalen Zusammenwirkens zwischen Bund und Ländern in Deutschland insgesamt ein großer Erfolg ist. Ulla Burchardt (SPD): Wir gehen offensichtlich gemeinsam davon aus, dass noch ein Mehrbedarf für den Hochschulpakt II gegeben sein wird. Wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Ankündigung der hessischen Landesregierung, die von dieser Landesregierung den eigenen Hochschulen zugesagten Mittel für den zusätzlichen Ausbau der Studienplätze entgegen den Versprechungen um 30 Millionen Euro kürzen zu wollen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die von Ihnen angesprochene Äußerung aus Hessen ist mir nicht bekannt. Deswegen kann ich sie auch nicht kommentieren. Was die Frage eines Mehrbedarfs betrifft, ist Folgendes festzustellen: Wir werden dies zeitig Stück für Stück betrachten. Insofern nehmen wir jetzt auch keine Prognosen für die Jahre 2016/2017 vor. Vielmehr haben wir einen Zeitplan, der sich auf den Hochschulpakt I bezieht. Diesen haben wir mit bereits umgesetzten neuen Studienplätzen erfreulicherweise übererfüllt. Für die sich daran anschließenden Jahre haben wir einen Zeitplan und einen Mengenbedarf, der auf der KMK-Prognose basiert. Das ist die Grundlage. Alles andere wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 8, ebenfalls von der Kollegin Burchardt, auf: Welchen Beitrag soll nach Auffassung der Bundesregierung das nationale Stipendienprogramm zur Überwindung der sozialen Benachteiligung von Studierenden aus bildungsfernen Familien leisten? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Liebe Frau Kollegin Burchardt, die Stipendien des nationalen Stipendienprogramms sollen dezentral und gleichmäßig über alle Hochschulen vergeben werden. In der Endausbaustufe sollen 8 Prozent der Studierenden jeder Hochschule ein Stipendium erhalten, also auch der Fachhochschulen, die bei den Begabtenförderungswerken bisher ja unterrepräsentiert sind und deren Studierende überproportional häufig einen nichtakademischen familiären Hintergrund haben. Bei der Auswahl der Stipendiatinnen und Stipendiaten sollen neben den bisher erbrachten Leistungen und dem persönlichen Werdegang auch das gesellschaftliche Engagement, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, oder besondere soziale, familiäre oder persönliche Umstände berücksichtigt werden können, die sich beispielsweise aus der familiären Herkunft oder einem Migrationshintergrund ergeben. Dies ist in § 3 des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs enthalten. Da die Stipendien des nationalen Stipendienprogramms nicht auf das BAföG angerechnet werden, können begabte Studierende aus einkommensschwachen Familien das Stipendium zusätzlich zu einer bestehenden BAföG-Unterstützung erhalten. Insofern ist es mithilfe des Stipendienprogramms möglich, dass zusätzlich zu einer Vollförderung mit BAföG von 670 Euro für benachteiligte Studierende bei entsprechender Stipendienvergabe noch eine Förderung von 300 Euro erfolgt. Damit ergeben sich 970 Euro, ein in der Tat sehr hoher Förderbetrag, wie es ihn bisher in der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat. Ulla Burchardt (SPD): Ist der Bundesregierung, speziell dem BMBF, die eigene Widersprüchlichkeit bekannt, die in der aktuellen Debatte an zwei Punkten deutlich wird? Erstens sagen Sie, die Stipendien sollten unter verschiedenen Kriterien gleichmäßig verteilt werden. Die Ministerin hat heute im Rahmen der Befragung der Bundesregierung erklärt, dass die Bundesregierung darauf überhaupt keinen Einfluss hat, weil die Hochschulen selbst die Stipendien anwerben. Insofern scheint dort ein gewisser Widerspruch zu bestehen. Zweitens - darum ging es in meiner ursprünglichen Frage, und ich sehe diesen Punkt noch nicht beantwortet -: Die Ministerin und auch Sie haben gesagt, dass das Stipendienprogramm zum Abbau von Bildungsbarrieren beitragen soll. Wir wissen - wir haben uns im Ausschuss intensiv mit den entsprechenden Studien befasst -, dass diejenigen, die zwar eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, sich aber dagegen entschieden haben, ein Studium aufzunehmen, als größte Hürde finanzielle Gründe, die Angst vor einer übergroßen Verschuldung angegeben haben. Wie kann diesen jungen Menschen durch das nationale Stipendienprogramm geholfen werden, bei dem die Beantragung eines Stipendiums erst dann möglich ist, wenn man bereits im ersten Semester eingeschrieben ist? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Liebe Frau Kollegin Burchardt, das nationale Stipendienprogramm bietet an dieser Stelle ganz hervorragende Möglichkeiten. Die Aussicht darauf, im Rahmen des Studiums zusätzlich ein Stipendium erwerben zu können, mindert die Ängste, ein Studium aufzunehmen oder sich zum Studium in eine Stadt zu begeben, in der die Lebenshaltungskosten höher sind. Mit Blick auf die finanziellen Sorgen von BAföG-Beziehern oder Nicht-BAföG-Beziehern kann man doch auf jeden Fall sagen: Stipendien sind eine Chance, zusätzliche Unterstützung zu bekommen. Stipendien erlauben es, davon abzusehen, parallel zum Studium einer Berufstätigkeit nachzugehen, und die Energie voll auf das Studium zu verwenden. Diese Stipendien haben zusätzlich den Effekt, dass wir privates Kapital in die Bildungsfinanzierung einbeziehen. Bei der Förderung von Studierenden, die aus sozial benachteiligten Schichten kommen, sind wir schon ausgesprochen erfolgreich: Während die Anzahl der Studierenden in Deutschland allgemein zunimmt, steigt der Anteil der Studierenden, die aus einkommensschwachen Schichten kommen, sogar überproportional. Die Bundesregierung hat sich des von Ihnen angesprochenen Problems mit dem Stipendienprogramm, aber auch mit vielen anderen Maßnahmen angenommen und ist dabei, es in eine positive Richtung zu verändern. Ulla Burchardt (SPD): Ich komme zurück auf meine eigentliche Frage: Inwieweit hilft dieses Programm jemandem, der sich aus Sorge vor übermäßiger Verschuldung, aus Sorge, ein Studium finanziell nicht stemmen zu können, dagegen entscheidet, ein Studium aufzunehmen? Wenn man, um ein Stipendium beantragen zu können, bereits im ersten Semester eingeschrieben sein muss, ist das dann nicht eine Art Lotteriespiel? Es wird doch nur für einen minimalen Prozentsatz der Studierenden ein Stipendium zur Verfügung stehen. Dieser Prozentsatz ist noch nicht einmal berechenbar; denn ein potenzieller Studienbewerber kann überhaupt nicht wissen, in welchen Bereichen die Hochschule Mittel einwirbt, sprich: für welche Fächer Stipendiengeber auftreten. Das hat nicht den Hauch von Verlässlichkeit, ist also nicht geeignet, die Barrieren, die ich beschrieben habe und die wissenschaftlich belegt sind, abzubauen. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, ich könnte Ihre Argumentation nachvollziehen, wenn im Gegenzug zum Aufbau des nationalen Stipendienprogramms das BAföG abgeschafft würde. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Bundesregierung hat beschlossen, die Höhe des BAföG und die Höhe der Freibeträge anzuheben. Jemand, dem überhaupt keine finanzielle Unterstützung zur Verfügung steht, bekommt in Zukunft monatlich 670 Euro BAföG. Eine substanzielle materielle Hürde für die Aufnahme eines Studiums ist daher aus unserer Sicht nicht gegeben. Bei dem Stipendienprogramm geht es um ergänzende finanzielle Leistungen. Die SPD war längere Zeit Teil der Bundesregierung und hat an mehreren BAföG-Erhöhungen mitgewirkt. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die SPD in der Vergangenheit davon ausgegangen ist, dass die Höhe des BAföG nicht ausreicht, um ein Studium aufzunehmen. Das BAföG ermöglicht das sehr wohl. Das nationale Stipendienprogramm ergänzt die Studienfinanzierung in Deutschland um die von mir umrissenen Punkte. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Röspel. René Röspel (SPD): Lieber Kollege Braun, wie bewertet die Bundesregierung die allgemeine Lebenserfahrung, dass - die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien belegen dies - Stipendien gerade denen zugutekommen, die aus Akademikerfamilien kommen, weniger aber denen, die aus Arbeiterfamilien kommen und über weniger Einkommen verfügen als ein Staatssekretär oder ein Bundestagsabgeordneter? Wie stellen Sie tatsächlich und konkret sicher, dass diese soziale Ungerechtigkeit in unserem Land über das Stipendiensystem, das Sie planen, nicht noch weiter verfestigt wird? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Röspel, ich glaube, durch den von mir zitierten § 3 des Gesetzentwurfes wird klar, dass bei der Vergabe von Stipendien neben der Leistung und Begabung gerade auch die Aspekte Migrationshintergrund, familiärer Hintergrund, besondere Situationen und soziale Lage berücksichtigt werden sollen. Ich glaube, durch dieses Stipendienprogramm, das in seiner Art neu ist, sind wir sehr gut in der Lage, gezielt Angebote gerade für diese Klientel zu machen. Das Stipendienprogramm soll einer Evaluationsphase von drei Jahren unterliegen. Ich denke in der Vorabeinschätzung, dass wir mit diesem Stipendienprogramm, das den dezidierten Ansatz hat, dass auch Benachteiligungen, familiäre Probleme und ein etwaiger Migrationshintergrund explizit berücksichtigt werden, in der Lage sind, das Problem eben nicht zu verfestigen, sondern möglicherweise sogar aufzulösen. Wenn sich im Rahmen der Evaluation etwas anderes herausstellt, dann muss politisch darauf reagiert werden. Ich glaube aber nicht, dass das, was Sie hier sagen, in der Konzeption unseres Stipendienprogramms angelegt ist. Insofern plädiere ich eindringlich dafür, es in der jetzigen Form in die Realität umzusetzen und dann zu schauen, welche Wirkungen sich hinsichtlich der Stipendien entfalten. Klar ist, dass wir uns mit diesem Stipendienprogramm hinsichtlich der Frage, wer die Stipendiengeber sind, an die gesamte Zivilgesellschaft richten, also nicht nur zum Beispiel an Stipendiengeber aus der Wirtschaft; vielmehr haben auch und gerade karitative Organisationen, Stiftungen und andere Institutionen, die sich mit der Überwindung von Bildungsbenachteiligungen beschäftigen, die Chance, als Stipendiengeber aufzutreten und damit einen aktiven Beitrag - ergänzt um die Finanzierung von Bund und Ländern - zur Beseitigung von Bildungsbenachteiligungen zu leisten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Schulz. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Herr Staatssekretär, Sie sind in Ihrer Beantwortung von kritischen Fragen jetzt mehrfach auf den § 3 des Gesetzentwurfs zu sprechen gekommen. Dort stehen die Auswahlkriterien. Danach werden die Stipendien nach Begabung und Leistung vergeben. Daneben sollen Kriterien wie gesellschaftliches Engagement, soziale, familiäre, persönliche Umstände, familiäre Herkunft oder Migrationshintergrund in die Entscheidung, wer ein Stipendium erhält, mit einbezogen werden. Damit wollen Sie sagen, dass das Ganze sozial ausgewogen ist und dass der soziale Aspekt berücksichtigt wird. Ich frage deswegen: Wie verbindlich ist denn diese Vorschrift, die von der Bundesregierung in dem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, und wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die einzelnen Hochschulen tatsächlich anhand solcher Auswahlkriterien auswählen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Schulz, ein Ziel, das mit diesem Stipendienprogramm verbunden ist, besteht darin, die Eigenständigkeit der Hochschulen sehr stark zu unterstützen. Deshalb ist dies nicht das Stipendienprogramm der Bundesregierung, sondern es ist ein nationales Stipendienprogramm, bei dem der Bund, die Länder und die Zivilgesellschaft anteilig finanzieren. Es ist auch vorgesehen, dass die Stipendiengeber und die Hochschulen, die die Auswahl zu treffen haben, die Kompetenzen bekommen, die sie benötigen, um das entscheiden zu können. Leistung und Begabung sind bei diesem Stipendienprogramm sozusagen die Grundvoraussetzung. Dies ist in § 3 Satz 1 des Gesetzentwurfs verankert. Die weiteren Kriterien, die Sie eben richtig zitiert haben, stehen in § 3 Satz 2 des Gesetzentwurfs. Damit sollen darüber hinaus die sozialen Aspekte gemäß dem Wunsch des Gesetzgebers berücksichtigt werden. In welchem Umfang das geschieht, hängt sehr stark mit der Rolle der Hochschulen und deren eigenverantwortlicher Entscheidung und mit der Rolle der Stipendiengeber zusammen. Dort, wo es solche Stipendienprogramme schon gibt, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, sieht man, dass ein ganz erheblicher Anteil der Stipendien gar nicht aus dem Bereich der Wirtschaft, sondern aus dem Bereich der Verbände und Stiftungen und aus dem sozial engagierten Teil der Zivilgesellschaft kommt. Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass das gelingt und durch die Freiheit, die dieses Stipendienprogramm bietet, realisiert werden kann. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, in welcher Weise identifizieren Sie das Hauptproblem in der Ansprache von Familien in finanziellen Grenzbereichen, das wir über eine moderne und rechtssichere Förderung erfassen müssten? Ist es nicht so, dass vor allen Dingen Familien der unteren und mittleren Mittelschicht, die nicht über zwei volle Einkommen verfügen, in denen es mehrere Kinder gibt, die studieren wollen, erleben, dass die Kinder nicht in die BAföG-Förderung fallen, die sie aber bräuchten, um eine sichere Entscheidung für ein Studium treffen zu können? Liegt es nicht viel näher, sich diesen Familien mit Blick auf ihre Bildungsentscheidung mit einem klaren Rechtsanspruch innerhalb eines modernen BAföG-Systems zuzuwenden, als zu dem System des 19. Jahrhunderts mit seinem Lotterieprinzip - früher hieß es Dotationssystem - zurückzukehren? Weshalb versagt sich die Bundesregierung diesem modernen Ansatz, die untere und mittlere Mittelschicht rechtlich klar zu fördern und damit Bildungssicherheit zu bieten? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Rossmann, genau das tut die Bundesregierung nicht; denn sie versetzt mit der Erhöhung des BAföG und der Anhebung der Freigrenzen eine sehr breite Bevölkerungsschicht in die Lage, ein Studium aufzunehmen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Anteil derjenigen aus bildungsfernen Schichten, die ein Studium aufnehmen, deutlich angestiegen ist. Das ist ein Erfolg der vergangenen BAföG-Novelle, aber auch der Hochschulpolitik der Bundesregierung. Wir sind damit auf einem guten Weg. Auch Sie argumentieren so, als wäre das nationale Stipendienprogramm ein Ersatz für das BAföG, und lassen dabei außer Acht, dass die Bundesregierung vorweisen kann, dass der Anteil Bildungsbenachteiligter an den Hochschulen gegenwärtig steigt. Wir sind also bei der Bewältigung des Problems mit den Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen, auf einem sehr guten Weg. Das nationale Stipendienprogramm ist ein neuer Weg in der Bildungsfinanzierung, der eine gezielte Förderung vorsieht, die unabhängig vom Elternhaus erfolgt. Er berücksichtigt die besonderen Lebenslagen, in denen sich Studierende jeweils befinden. Damit ist es ein Finanzierungsprogramm, das sich sehr individuell auf die Lage des Studierenden bezieht statt wie die bisherigen Systeme allein auf die finanzielle Lage des Elternhauses. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das muss ich erst mal verstehen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Alpers. Agnes Alpers (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich verstehe einen Punkt nicht. Heute Nachmittag haben wir schon von der Bildungsministerin gehört, dass das Stipendienprogramm nicht an die soziale Herkunft gekoppelt ist. Sie hat zweimal betont, dass sich das neue Stipendienprogramm für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Dafür machen Sie Werbung, auch heute Abend. Sie führen immer wieder aus - das ist auch sinnvoll -, dass Sie einen vorhandenen Migrationshintergrund, die persönlichen Umstände, soziale Aktivitäten und vielfältige Punkte berücksichtigen und mit einbeziehen werden. Wenn es aber darum geht, welchen Einfluss die Bundesregierung darauf hat, dass dies mit einem großen Prozentsatz umgesetzt wird, sagen Sie, dass es kein Programm der Bundesregierung ist und dass Sie keinen Einfluss darauf haben. Das verstehe ich nicht. Sie benutzen es als Werbung, haben aber keinen Einfluss darauf. Sie haben gesagt, dass die Stipendiengeber in Nordrhein-Westfalen schon auf entsprechende Auswahlkriterien achten werden. Ich kenne etliche Stipendiengeber und weiß, dass es sich tatsächlich eingebürgert hat, das zu machen, aber nur zu höchstens 5 Prozent. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin. Agnes Alpers (DIE LINKE): Noch einen Satz. Ich komme sofort zum Schluss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Keine Regierungserklärung. Agnes Alpers (DIE LINKE): Nein. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das wäre schön, wenn wir auch in die Regierung kämen!) Die Frage ist, wie es dazu kommt. Wenn Sie dafür Werbung machen, dann haben Sie als Regierung auch dafür zu sorgen, dass die sozialen Punkte tatsächlich in den Vordergrund treten. Wie wollen Sie dabei Ihre Verantwortung durchsetzen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, ich glaube, Sie unterschätzen die Hochschulen und diese Zivilgesellschaft. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein solches Instrument in der Breite der Gesellschaft ankommen wird und dass wir ein vielfältiges Portfolio an verschiedenen Stipendiengrundlagen bekommen werden. Die kategorische Angst von Ihrer Seite, die sozialen Belange, die ja im Gesetz explizit erwünscht werden, würden am Ende vernachlässigt werden, kann ich nicht nachvollziehen. Gleichwohl beinhaltet dieses Gesetz zwei Dinge, die ich zu Ihrer Beruhigung noch anfügen möchte: Das Erste ist die Evaluationsphase von drei Jahren. Das Zweite ist die Möglichkeit, die sich die Bundesregierung für den Fall vorbehält, dass es bei diesem Stipendienprogramm im Vollzug zu Ungleichgewichten kommen sollte, nämlich in einer Rechtsverordnung noch weitere Details über das hinaus zu regeln, was momentan im Gesetz steht. Klar ist aber, dass wir - das ist die Absicht dieser Bundesregierung - nach Möglichkeit zunächst nicht ein Regelwerk aufstellen wollen, das die Hochschulen sehr stark in ihrer Freiheit und ihren Möglichkeiten, dieses Stipendienprogramm inhaltlich auszufüllen, beschneidet. Vielmehr wollen wir zunächst in Freiheit und Eigenverantwortung ein solches Stipendienprogramm auf den Weg bringen, weil die Menschen und diejenigen, die sich in dieser Zivilgesellschaft für Bildung engagieren und ein solches Stipendiensystem an den Hochschulen aufbauen oder als Stipendiengeber auftreten, sehr wohl wissen und entscheiden können, was gesellschaftliche Notwendigkeiten sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe nun die Frage 9 der Kollegin Marianne Schieder auf: Wie bewertet die Bundesregierung die wachsende Kritik an dem geplanten Stipendiengesetz von Studierenden, Hochschulen und aus der Wirtschaft gerade im Hinblick darauf, das diese drei Gruppen die Träger des Stipendiensystems darstellen sollen? Darf ich vielleicht darauf aufmerksam machen, dass mit Blick auf andere Geschäftsbereiche vielleicht auch Berücksichtigung finden sollte, dass die hier diskutierten Fragen vorhin schon einmal Gegenstand einer ähnlichen Befragung im Rahmen der Berichterstattung der Bundesregierung waren? (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das wird aber heute nichts mehr! - Ulla Burchardt [SPD]: Wir haben ja schon keine Dringlichkeit geltend gemacht!) Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Präsident, vielleicht kommt es Ihnen entgegen, wenn ich die Fragen 9 und 10 im Zusammenhang beantworte. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich auch gleich noch die Frage 10 auf: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Stipendienvergabe regional, fachlich und sozial ausgewogen erfolgt und die empirisch zuletzt von der Hochschul-Informations-System GmbH bestätigte soziale Selektivität bisheriger Stipendienangebote nicht reproduziert? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Von den Studierenden, Frau Kollegin, wird das Stipendienprogramm teilweise begrüßt. Andere sprechen sich dagegen für einen weiteren Ausbau des BAföG aus. Wie ich heute schon betont habe, macht die Bundesregierung genau beides: Wir führen ein Stipendiensystem ein und weiten die Freibeträge und Bedarfssätze des BAföG aus. Insofern haben wir etwas getan, was, denke ich, die Interessen beider Gruppierungen der Studierenden trifft. Dass es Kritik aus den Hochschulen geben soll, kann die Bundesregierung so nicht nachvollziehen. Wir haben im Rahmen der Entwicklung dieses nationalen Stipendienprogramms viele Gespräche geführt, und seitens der Hochschulen werden nach dem, was wir gesehen haben, solche neuen Möglichkeiten dezidiert begrüßt. Insbesondere die Fachhochschulen haben ein sehr großes Interesse an dem geäußert, was wir hier tun, weil sie sich erhoffen, dass sie in diesem Zusammenhang einen höheren Anteil an Stipendien durch ihre Nähe zu möglichen Stipendiengebern haben werden, da sie bei den bisherigen Begabtenförderungswerken nicht so stark repräsentiert sind. Der anfänglichen Sorge mancher Hochschulen, möglicherweise nur einen geringeren Anteil an Stipendien generieren zu können, ist in dem Gesetzentwurf dadurch Rechnung getragen worden, dass wir die Quote von 8 Prozent der Studierenden hochschulbezogen festgelegt haben. Auch sind wir mit den Verbänden der Wirtschaft im Vorfeld der Errichtung dieses Stipendienprogramms sehr intensiv im Gespräch gewesen. Hier war von vielen Seiten die Frage aufgeworfen worden, inwiefern dieses neue Stipendienprogramm eine Konkurrenzsituation zu bestehenden Initiativen der Wirtschaft darstellen werde. Nach Vorlage unserer Gedanken haben wir auch aus der Wirtschaft durch die Bank positive Reaktionen auf diese neue Form der Studienfinanzierung erhalten. (Ulla Burchardt [SPD]: Dann kennen Sie wohl noch nicht die Stellungnahme der BDA!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, eine weitere Zusatzfrage. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn bekannt, dass sich zu diesen Kritikern auch ganz prominente Vertreter Ihrer eigenen Regierungsfraktion gesellen, zum Beispiel der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Albert Rupprecht? Das ist in der Berichterstattung des Neuen Tags, Weiden, vor einigen Wochen über eine bildungspolitische Veranstaltung nachzulesen, in der ganz deutlich steht, dass er dieses Stipendienprogramm ablehnt. Haben Sie intern schon darüber gesprochen, oder wollen Sie uns das nicht sagen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, mit dem bildungs- und forschungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Albert Rupprecht sind wir über dieses nationale Stipendienprogramm selbstverständlich im ständigen Gespräch. Den Eindruck, den Sie hier vermitteln, nämlich dass er es ablehnen würde, kann ich aufgrund der zahlreichen Gespräche, die ich mit ihm geführt habe, nicht bestätigen. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Dann muss das ja ein falscher Fuffziger sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Zusatzfrage. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Dann sollte er vor Ort etwas anderes sagen. Ich habe eine Frage zum Thema Hochschulen. Wir haben heute schon einmal darüber gesprochen, aber keine befriedigenden Antworten bekommen. Die Hochschulen befürchten, dass ihnen durch das Verwaltungsverfahren, das für die Umsetzung des nationalen Stipendienprogramms notwendig ist, erhebliche Kosten entstehen werden. Wie soll dabei eine Entlastung herauskommen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Liebe Frau Kollegin, die Durchführung des Stipendienprogramms obliegt den Hochschulen. Insofern sind die administrativen Aufgaben dort angesiedelt. Natürlich haben wir ein großes Interesse daran, dass dieses nationale Stipendienprogramm ein Erfolg wird. Die Kritik ist an dieser Stelle teilweise etwas schwer nachzuvollziehen. Auf der einen Seite wird gesagt, wir würden es nie schaffen, eine so große Zahl von Stipendien zu gewinnen; auf der anderen Seite macht man sich aber, schon bevor das erste Stipendium überhaupt vergeben ist, Gedanken darüber, einen vollflächigen Verwaltungsapparat organisieren zu müssen. Ich denke, man muss erst einmal beginnen. Die Bundesregierung gibt das klare Signal, dass sie die Stipendienvergabe selbstverständlich im Blick behält. Wir wollen, dass das ein Erfolg wird. Wir wollen, dass die Administration gut und erfolgreich ist und dass die Stipendienvergabe sowohl für die Stipendiennehmer als auch für die Stipendiengeber und die Hochschulen leicht und unbürokratisch durchführbar wird. Wenn es zu erhöhten Aufwendungen kommt, dann ist die Bundesregierung zu Gesprächen darüber bereit. Da primär die Länder Ansprechpartner sind, kann so ein Thema auch Gegenstand zum Beispiel des Gipfels sein, der im Juni stattfinden wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Haben Sie noch weitere Zusatzfragen? Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Ich habe eine Zusatzfrage zur Frage 10. - Herr Staatssekretär, ich finde, dass Sie nicht beantwortet haben, wie Sie sicherstellen wollen, dass die Stipendienvergabe regional, fachlich und sozial ausgewogen erfolgt und sich eben nicht die hohe soziale Selektivität fortsetzt. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, sehen Sie mir nach, dass ich den Eindruck habe, dass wir schon eine ganze Weile über die mögliche bzw. nichtvorhandene soziale Selektivität des Programms gesprochen haben. Was die regionale Verteilung angeht, habe ich deutlich gemacht, dass wir eine hochschulbezogene Quote festgelegt haben. Das heißt, es ist nicht möglich, dass sich alle Stipendien dieses nationalen Stipendienprogramms in irgendeiner Region Deutschlands ballen; denn jede Hochschule soll in die Lage versetzt werden, 8 Prozent ihrer Studierenden ein solches Stipendium zu ermöglichen. Eine absolute regionale Gleichverteilung ist im Grunde genommen sichergestellt. Was die soziale Selektivität betrifft, so verweise ich noch einmal auf den von mir mehrfach zitierten § 3, in dem die Vorgabe enthalten ist, dass neben den Kriterien Leistung und Begabung, die dezidiert nicht nur an Noten festgemacht werden sollen, auch die weiteren sozialen, familiären und migrationsbedingten Faktoren Berücksichtigung finden sollen. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Das heißt, ich interpretiere Sie richtig, wenn ich sage, dass Sie nicht sicherstellen, sondern nach der Devise "Schauen wir einmal, dann sehen wir schon" handeln? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Nein, ich glaube, dass dieser § 3 das sicherstellt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun hat die Kollegin Burchardt das Wort. Ulla Burchardt (SPD): Herr Kollege, wir können dem Kabinettsbeschluss entnehmen, dass das Projekt des nationalen Stipendienprogramms die Konzeptionsphase schon verlassen hat. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das kann ich bestätigen. Ulla Burchardt (SPD): Das müssen wir doch einmal würdigen. - In die Vorlage haben auch kalkulatorische Überlegungen Eingang gefunden. Gehen Sie nicht mit mir davon aus, dass die Zahlen, die auf dem Papier stehen, möglicherweise nicht ganz real sind, sowohl was die veranschlagten Kosten, den Mittelaufwand, für die Stipendien als auch was den Anteil der öffentlichen und privaten Finanzierung eines Stipendiums angeht? Das sage ich vor dem Hintergrund, dass die Stipendien - ich gehe davon aus, das ist ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen - steuerlich absetzbar sind. Das verändert zum einen die Anteile öffentlicher und privater Stipendiengeber; denn wenn man die Finanzierung von Stipendien steuerlich absetzen kann, bekommen Stipendiengeber sozusagen noch etwas heraus oder zahlen zumindest weniger Steuern; für den Bundeshaushalt ist das letztendlich aber das Gleiche. Wie hoch veranschlagen Sie die Steuerausfälle - Sie haben das sicherlich durchgerechnet -, die dem Bundeshaushalt durch die steuerlichen Absetzbarkeit erwachsen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Liebe Frau Kollegin, die Zahlen, die wir da zugrunde legen, halten wir schon für realistisch. Zur Frage, wie hoch der Aufwuchs durch dieses Stipendienprogramm sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Anzahl der Stipendien ist: Wir haben festgelegt, dass die Obergrenze bei 8 Prozent liegt. Wir möchten diese Grenze gerne schnell erreichen. Klar ist aber auch: Wir haben momentan eine Quote, die unter 2 Prozent liegt; das hängt mit den Begabtenförderungswerken zusammen. Insofern werden wir schauen müssen, wie schnell sich eine viermal so hohe Quote erreichen lässt. Was die Stipendien kosten, kann man selber ausrechnen. Im Gesetzentwurf ist ausgewiesen, wie sich die Anteile der Finanzierung zusammensetzen. Der von Ihnen angesprochene Steuertatbestand ist im Gesetzentwurf nicht ausgewiesen. Ich kann Ihnen dazu gerne eine schriftliche Unterlage zukommen lassen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, im Gesetzentwurf und in der Begründung zum Gesetzentwurf ist wegen der Absetzbarkeit sehr wohl von steuerlichen Mehraufwendungen in Höhe von 100 Millionen Euro die Rede. Diese Ausgaben kommen auf den Bund und die Länder zu. Damit sollen insgesamt 300 Millionen Euro aus öffentlichen Haushalten bereitgestellt werden. Faktisch wird damit nur ein Sechstel privat finanziert, während drei Sechstel direkt von Bund und Ländern und zwei Sechstel durch Steuerverluste der Bundes- und der Länderseite aufgebracht werden, was entsprechend zu Buche schlägt. Halten Sie das Verhältnis für angemessen, dass die privaten Geldgeber, die nur ein Sechstel finanzieren, faktisch über zwei Drittel des von Ihnen ausgewiesenen Volumens mit verfügen können? Die öffentliche Hand gibt hingegen fünf Sechstel der Mittel, belässt den Hochschulen aber nur ein Drittel, mit dem sie selber über die Stipendien verfügen können. Der Staat zahlt und Private legen fest: Ist das Ihre neue Form der modernen Zivilgesellschaft? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege, die von Ihnen vorgenommene Rechnung kann ich jetzt nicht umfassend bestätigen. Sie gehen nämlich davon aus, dass bei jedem möglichen Stipendiengeber die steuerliche Absetzbarkeit in gleichem Umfang gegeben ist. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber im Gesetz steht 100 Millionen!) Ich habe bereits deutlich gemacht, dass die Gruppe der Stipendiengeber sehr heterogen sein wird, dass es sich hierbei nicht ausschließlich um Wirtschaftsvertreter oder um steuerpflichtige Privatpersonen handelt, sondern dass das Spektrum sehr breit sein wird. Insofern kann man das Ganze sowieso nicht exakt beziffern, sondern man kann es nur fallbezogen darstellen. Was die Verfügungsgewalt über das Stipendium angeht, möchte ich deutlich machen: Natürlich liegt die Verfügungsgewalt insgesamt bei der Hochschule. Derjenige, der quasi Stipendiengeber ist, hat keine Möglichkeit, über das Geld zu verfügen oder den Stipendiaten auszuwählen. Nach unserem Gesetzentwurf ist es so, dass der Stipendiengeber zwar die Möglichkeit hat, Kriterien festzulegen, aber nicht, den Stipendiaten auszuwählen. Das heißt, die Verfügenden über die Mittel sind die Hochschulen. (Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD] meldet sich zu einer Zusatzfrage) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich dachte, dass ich diese Wortmeldung zu dem Zeitpunkt, wo sie noch hätte notiert werden können, nicht gesehen habe. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich dachte, ich hätte mich gemeldet!) Ich verweise auf meine bereits vorhin vorgetragene Empfehlung, zumal es einzelne Kollegen gibt, die möglicherweise noch die Hoffnung auf Auskünfte zu anderen Bereichen haben. Deswegen bitte ich um Nachsicht, dass ich jetzt weiteren Zusatzfragen mit etwas größerer Zurückhaltung als den Fragestellungen gegenübertrete. Ich rufe jetzt die Frage 11 des Kollegen Rossmann auf: Welche Überlegungen haben die Bundesregierung geleitet, von den Berechnungen des Wissenschaftsrates, die für die Verbesserung der Lehre an den Hochschulen mindestens 1 Milliarde Euro zusätzlich im Jahr ausweisen, abzusehen und lediglich ein Fünftel des Volumens vorzusehen? Herr Staatssekretär Rachel, bitte. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Präsident, vielen Dank. - Lieber Herr Kollege Dr. Rossmann, der Wissenschaftsrat weist in seinen Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium aus dem Juli 2008, auf die Sie sich beziehen, darauf hin, dass die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland die Verantwortung für eine substanzielle Verbesserung der Lehrsituation und der Studiensituation den Bundesländern zuweist. Zugleich empfiehlt der Wissenschaftsrat, diese Aufgabe in gesamtstaatlicher Verantwortung zu lösen. Entsprechend dieser beschriebenen Verantwortung hat die Bundesministerin, Frau Professor Schavan, den Ländern ein gemeinsames Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre als quasi dritte Säule des Hochschulpakts angeboten. Es baut auf den bestehenden Maßnahmen von Ländern und Hochschulen einerseits sowie auf dem Beitrag der ersten Säule des Hochschulpakts für bessere Studienbedingungen andererseits auf. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, es ist ja bemerkenswert, dass der Wissenschaftsrat einen Bedarf von rund 1 Milliarde Euro jährlich vorgestellt hat - gut begründet - und auch die Ministerin auf Milliarden Euro kommt. Aber die Ministerin kommt darauf, indem sie 200 Millionen Euro mal zehn nimmt, während der Wissenschaftsrat "1 Milliarde Euro in einem Jahr" sagt. Darf ich dem, was Sie ausgeführt haben, entnehmen, dass die Bundesregierung erwartet, dass die Länder auf die 200 Millionen Euro, die der Bund jährlich einbringt, 800 Millionen Euro obendrauf legen? Oder: Mit welcher Quote, was die Bund-Länder-Finanzierung angeht, gehen Sie in die Verhandlungen auf der großen Bildungsratschlagsrunde am 10. Juni? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Diese Schlussfolgerung können Sie für sich persönlich ziehen, allerdings nicht für die Bundesregierung. Wir haben vor, über die nähere Ausgestaltung der dritten Säule des Hochschulpakts zwischen Bund und Ländern intensiv zu verhandeln. Dabei ist klar, was auch der Wissenschaftsrat deutlich beschrieben hat, nämlich dass die Verantwortung für die Lehrsituation an den Hochschulen bei den Ländern liegt. Insofern ist es bemerkenswert, dass sich der Bund hierbei trotzdem zusätzlich einbringt. Wir werden das Gespräch mit den Ländern in der dafür eigens vorgesehenen Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz suchen, um zu erreichen, dass die Lehrsituation an den Hochschulen deutlich verbessert werden kann. Dabei ist klar, dass sich die Länder hier in ganz erheblichem Maß einbringen müssen. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, wenn das nur eine private Schlussfolgerung ist, die ich daraus ziehen darf, muss nach dem, was Sie gesagt haben, die Bundesregierung die Schlussfolgerung ziehen, dass sie, wenn sie von den Ländern nicht 800 Millionen Euro erwartet, selbst aber nur 200 Millionen Euro geben will, den Betrag von 1 Milliarde Euro, den der Wissenschaftsrat jährlich für notwendig hält, reduzieren muss. Meine Frage ist: Auf welches Volumen reduzieren Sie den Bedarf? Bei dem, was Sie bisher gesagt haben, gibt es ja nur die folgenden Möglichkeiten: Entweder Sie müssen den Betrag von 200 Millionen Euro erhöhen, oder Sie müssen 800 Millionen Euro von den Ländern erwarten, oder Sie müssen dem Wissenschaftsrat sagen, dass der Betrag von 1 Milliarde Euro, den er für notwendig hält, zu hoch bemessen ist und sachlich geboten nur 400 oder 500 Millionen Euro sind. Deshalb meine Frage, was sich die Bundesregierung an der Stelle bei dem, was Sie für die Bundesregierung bisher erklärt haben, gedacht hat oder denkt. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, die Frage der finanziellen Volumina wird Gegenstand der Besprechungen zwischen Bund und Ländern in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz sein. Die Bundesregierung ist initiativ geworden und hat Vorschläge für eine dritte Säule des Hochschulpakts zum Bereich der Lehre gemacht. Klar ist, dass nach der föderalen Zuständigkeit hier vor allem die Länder gefordert sind. Dies wird Gegenstand der weiteren Besprechungen sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 12 auf, ebenfalls vom Kollegen Dr. Rossmann: Mit welchen konkreten Vorschlägen geht die Bundesregierung in die Beratungen mit den Ländern zur Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Juni 2010, um die notwendigen Nachbesserungen der Bologna-Reform im Sinne besserer Studienbedingungen, einer besseren Studierbarkeit sowie einer einfacheren nationalen wie europäischen Mobilität zu unterstützen? Es antwortet Herr Kollege Braun. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Lieber Herr Kollege Rossmann, die Bundesregierung geht selbstverständlich mit konkreten Vorschlägen in die Beratungen mit den Ländern zur Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Juni. Der vom Kollegen Rachel eben schon angesprochene "Qualitätspakt Lehre" ist ein Gegenstand. Darüber hinaus ist es natürlich die 23. BAföG-Novelle, in der auch auf die Besonderheiten des Bologna-Prozesses eingegangen wird. Zum Beispiel sind wir dazu übergegangen, vorzuschlagen, dass im Interesse der Master-Studierenden in Zukunft eine Bezugsdauer bis zum 35. Lebensjahr ermöglicht wird. Ebenso ist Teil des Verhandlungspakets des Bundes das nationale Stipendienprogramm. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Ich weiß Ihre Antwort zwar zu schätzen. Aber ich glaube, dass auch bei weiteren Nachfragen nicht viel mehr herauskommen wird. Mit Blick auf die noch verbleibende Zeit verzichte ich auf weitere Nachfragen, sodass der Kollege Brase noch die Chance hat, seine Fragen zur beruflichen Bildung zu stellen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wie schön. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Auch ich habe keine Lust mehr!) - Ich mache darauf aufmerksam, dass Lust keine Kategorie in unserer Geschäftsordnung ist. Das kann ich allenfalls subjektiven Präferenzen zuordnen, die ich nicht weiter kommentieren möchte. (Heiterkeit) Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Brase auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass beim Hochschulpakt I allein Nordrhein-Westfalen die Zahl der zugesagten zusätzlichen Studierenden bisher bei weitem nicht erreicht hat, wohingegen andere Länder ihre Zusagen sogar übererfüllt haben? Bitte, Herr Kollege Rachel. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Brase, in Nordrhein-Westfalen wurden allein im Jahr 2009 über 10 000 zusätzliche Studienmöglichkeiten geschaffen. Die Bundesregierung sieht angesichts der Tatsache, dass der Hochschulpakt jetzt auch in Nordrhein-Westfalen deutliche Wirkungen entfaltet und dass die bundesweit angestrebten Ziele zudem bereits deutlich übererfüllt worden sind, dass wir insgesamt auf einem guten Wege sind. Willi Brase (SPD): Herr Staatssekretär, nach den Unterlagen, die uns in den letzten Monaten von Ihrem Hause zugeleitet wurden, kann ich den Aufwuchs von 10 000 Plätzen in Nordrhein-Westfalen nicht ganz nachvollziehen. Weil wir also keine ausreichende schriftliche Erläuterung bekommen haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir das jetzt einmal genauer erklären könnten. Für Nordrhein-Westfalen, dieses schöne und wichtige Bundesland, ist das mit Blick auf die Bildungspolitik ein ganz wesentlicher Punkt. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Brase, es ist tatsächlich so. Um es präzise zu sagen: Allein im Jahr 2009 sind 10 717 neue Studienanfänger in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen. Nordrhein-Westfalen hat erhebliche Anstrengungen unternommen, um zusätzliche Studienplätze zur Verfügung zu stellen. Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, werden in Nordrhein-Westfalen drei neue Fachhochschulen gebaut. Acht bestehende Fachhochschulen werden ausgebaut. Dies sind wichtige Maßnahmen, die zur Schaffung von Tausenden zusätzlicher Studienplätze führen. Wir begrüßen diese Anstrengungen außerordentlich. Man kann daran sehen, dass sich in der Breite in Nordrhein-Westfalen Erhebliches bewegt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage? - Nein. Kollege Rossmann, bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, angesichts der Größe des Landes Nordrhein-Westfalen und der großen Zahl von Studierenden ist es nicht damit getan, mit absoluten Zahlen zu operieren, wie Sie es bei den Stipendienzahlen tun: Im Falle Nordrhein-Westfalens entsprechen 1 000 Plätze einem Anteil von 0,2 Prozent. Können Sie uns die Prozentzahlen bezogen auf die Studienanfängerplätze nennen? Denn die 10 000 zusätzlichen Studienplätze für Nordrhein-Westfalen, die Sie hier ankündigen, sind in Relation zu den 91 000 insgesamt geplanten Plätzen ein Neuntel. Aber Nordrhein-Westfalen hat mehr als ein Neuntel aller Studienplätze in Deutschland. Daher ist das, was Sie uns hier eben vorgefügt haben, eine besonders elegante Form der Nichtdarlegung von wahren Sachverhalten. Nennen Sie also bitte die Prozentzahlen für die einzelnen Bundesländer, damit wir sehen können, was Sie bis jetzt in Bezug auf den Hochschulpakt I umgesetzt haben. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Rossmann, die Umrechnung überlasse ich Ihren mathematischen Fähigkeiten. Das Land Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr 10 717 zusätzliche Studienanfängerplätze geschaffen. Es ist im Rahmen des Hochschulpaktes vereinbart worden, dass, bezogen auf das Vergleichsjahr 2005, in Nordrhein-Westfalen insgesamt 26 000 zusätzliche Studienanfängerplätze geschaffen werden. (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Aha!) Jetzt im Jahr 2010 sehen wir, dass in erheblichem Maße ausgebaut wird. Es gibt in Nordrhein-Westfalen drei neue Fachhochschulen, die am 1. Mai 2009, also Mitte letzten Jahres, gegründet worden sind. Es ist natürlich klar: Bevor der Studienbetrieb aufgenommen werden kann, müssen diese Fachhochschulen erst einmal errichtet werden. Das ist die Fachhochschule Hamm-Lippstadt, das ist die Fachhochschule Rhein-Waal, und das ist die Fachhochschule Ruhr West. Das sind drei ganz neue Fachhochschulen. Dazu kommt, dass die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beschlossen hat, in Bochum die bundesweit erste Hochschule für Gesundheit zu errichten. Hier werden 1 000 neue Studienplätze zu einem gesellschaftlich sehr wichtigen Thema entstehen. Davon werden wir alle profitieren. Darüber hinaus sind neben den Aktivitäten an den verschiedenen Universitäten umfangreiche Ausbaumaßnahmen in acht weiteren Fachhochschulen vorgesehen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ich muss meinen Rechenschieber zum Staatssekretär rüberschicken!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Brase auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, dass nicht ein zu geringes Ausbildungsplatzangebot, sondern eine mangelnde Ausbildungsreife das Hauptproblem auf dem Ausbildungsmarkt ist? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Brase, im Hinblick auf die Ausbildungsplatzsituation geht die Bundesregierung davon aus, dass man nicht ein Hauptproblem definieren kann. Es gibt sowohl das Problem mangelnder Ausbildungsreife als auch das Problem fehlender Ausbildungsplätze. Zum Teil sind das regionale Probleme. Es gibt auch ein globales Problem; das hat mit Mobilität zu tun. Wir haben natürlich die Aufgabe, die Wünsche von Bewerbern um Ausbildungsplätze nach gewissen Ausbildungsberufen mit den Belangen der Wirtschaft zusammenzubringen. Die Bundesregierung ist hier auf einem guten Weg. Wir fördern die Berufsorientierung junger Menschen. Wir fördern die Bereitschaft zur Mobilität, und wir wollen uns - das haben wir heute in einem anderen Zusammenhang besprochen - intensiv darum kümmern, Brüche in Bildungsbiografien zu vermeiden, um bei allen Jugendlichen Ausbildungsreife zu erzielen. In diesem Dreiklang der unterschiedlichen Probleme, die wir haben, betrachtet die Bundesregierung die Ausbildungsplatzsituation in Deutschland. Willi Brase (SPD): Herr Staatssekretär Braun, wir haben heute eine Pressenotiz des Statistischen Bundesamtes über die Zahl der neu eingetragenen Ausbildungsverhältnisse, bezogen auf 2009, erhalten. Es gibt bundesweit ein Minus von über 7 Prozent. - Das als Eingangsbemerkung. Im Rahmen einer Umfrage der IHK - darauf bezieht sich meine Frage - wurde von vielen - nicht von allen - befragten Unternehmen zum Ausdruck gebracht, dass dieses Minus an eingetragenen Ausbildungsverhältnissen daran liegt, dass ein Großteil der Jugendlichen offensichtlich nicht ausbildungsreif sei. Ich kann diese These nicht nachvollziehen und frage Sie, ob Sie nicht mit mir der Auffassung sind, dass immer dann, wenn von den Unternehmen nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden, das Argument kommt, es gebe nicht genügend ausbildungsfähige junge Leute. Ich halte es für nicht richtig, so mit Menschen umzugehen. Mich würde interessieren, ob das zuständige Haus, sprich: die zuständige Ministerin und ihr Haus, das ähnlich sieht oder ob man der Industrie und den Unternehmen angesichts dessen, dass das Statistische Bundesamt, bezogen auf 2009, ein Minus von 7,9 Prozent gegenüber 2008 errechnet hat, nicht deutlich sagen muss: "So einfach lassen wir das nicht durchgehen." Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Kollege Brase, zunächst zum Jahr 2009. Infolge der Wirtschaftskrise muss man die statistischen Zahlen für dieses Jahr mit sehr gemischten Gefühlen betrachten. Auf der einen Seite gibt es in der Tat einen erheblichen Rückgang der Zahl neuer Ausbildungsverhältnisse. Auf der anderen Seite gibt es, bedingt durch die demografische Situation, einen deutlichen Rückgang der Zahl der Ausbildungsplatzbewerber, sodass sich das Verhältnis insgesamt sogar verbessert hat. Sie wissen auch, dass sich im Jahr 2009 zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland trotz der Krise verringert hat. Ich denke, es existiert aufgrund des Ausbildungspaktes, den wir in Deutschland vereinbart haben, der insgesamt gute Konsens zwischen Wirtschaft und allen beteiligten Partnern, dass es eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Jugendlichen Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Wenn Einzelne, wie Sie es eben angesprochen haben, sozusagen um Ausreden ringen, warum sie keine Ausbildungsplätze schaffen können, ist das betrüblich. Ich habe nicht den Eindruck, dass der DIHK - Sie haben ihn genannt - und andere große Verbände, die im Ausbildungspakt mit uns eng zusammenarbeiten, das tun. Es ist unsere Aufgabe, individuell zu schauen, welche verschiedenen Hindernisse es gibt, dass Jugendliche vergeblich einen Ausbildungsplatz suchen, obwohl es noch offene Stellen gibt. Die Frage ist: Wie können wir diese Lücke schließen? Hier tritt zum einen das Problem auf, dass es Jugendliche gibt, die eine mangelnde Ausbildungsreife haben. Ein anderes Problem sind regionale oder andere Mobilitätsfaktoren. Ein drittes Problem habe ich schon angesprochen. Es gibt also verschiedene Varianten. Ich denke, es wird dem wichtigen Anliegen, Ausbildungsplätze zu schaffen, nicht gerecht, bei diesem Thema eine Monokausalisierung vorzunehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihre Zusatzfrage, bitte. Willi Brase (SPD): Herr Staatssekretär, bei der Frage, ob hier tatsächlich verallgemeinert wird, wäre ich zurückhaltend. Der DIHK hat, wenn ich das richtig mitbekommen habe, diese Zahlen an uns alle versandt. Der Hauptgeschäftsführer hat das in der Presse entsprechend gewürdigt. Das ist ein erster Punkt, der feststeht. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Otto Kentzler, hat dies nicht getan. Er hat gesagt, dass die Voraussetzungen der Auszubildenden heute im Wesentlichen nicht schlechter als früher bzw. teilweise genauso gut wie früher sind. Beide arbeiten nach meinem Kenntnisstand als Mitglieder des Komitees am Ausbildungspakt mit. Meine Frage ist: Sind Sie bereit, im Zusammenhang mit dem Ausbildungspakt intensiv über die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Beurteilung von jungen Leuten zu debattieren? Können Sie, wenn Sie meine Einschätzung teilen - man kann nicht allein die jungen Menschen dafür verantwortlich machen, wenn es nicht genügend Ausbildungsplätze gibt -, dies thematisieren? Können Sie mit den Verbänden überlegen, wie man zusätzliche und bessere Maßnahmen - von der alten Regierung und von Ihrem Hause wurden schon Maßnahmen angestoßen - verstärkt auf den Weg bringen kann, damit die jungen Leute nicht mit solch einer negativen Zuschreibung versehen werden? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrter Herr Brase, um es deutlich zu sagen: Die Bundesregierung wird sich gegen die einseitige negative Zuschreibung verwahren, nach der allein die mangelnde Qualifikation der Jugendlichen Ursache dafür ist, dass nicht genügend Ausbildungsplätze gewonnen werden können. Wir haben allerdings nicht den Eindruck, dass Sie die Positionen, die Sie angesprochen haben, vollinhaltlich wiedergegeben haben. Beim Ausbildungspakt hat sich aber mehrfach offenbart, dass es bei der Bewertung des Problems - offene Stellen auf der einen Seite, Ausbildungsplatzsuchende auf der anderen Seite - unterschiedliche Schwerpunktsetzungen gibt. Die Bundesregierung wirbt dafür, sich im Interesse einer entspannten und sachorientierten gesamtgesellschaftlichen Diskussion im Vorfeld des nächsten Ausbildungspakts allen drei Ursachen zu widmen, anstatt sie im Sinne einer Schwerpunktsetzung zu gewichten. Es geht darum, an allen drei Punkten zu arbeiten. Ich denke, das wird der Ausbildungspakt auch dieses Mal tun, um der Situation der Jugendlichen gerecht zu werden. Der Ausbildungspakt ist in der Vergangenheit in der Tat immer sehr erfolgreich gewesen, und zwar in Zusammenarbeit mit den Beteiligten, die Sie hier angesprochen haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe auf die Frage 15 der Kollegin Alpers: Wann will die Bundesregierung den Berufsbildungsbericht 2010, der bereits vor einiger Zeit von den Autorinnen und Autoren vorgelegt und über den bereits Anfang März 2010 in den Medien diskutiert wurde (vergleiche diverse Meldungen der dpa vom 3. März 2010), der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, und mit welchen Akteuren wie etwa Lobbyvertreterinnen oder -vertretern bzw. Vertreterinnen oder Vertretern von Verbänden steht sie in Bezug auf die Freigabe des Berichtes in Kontakt? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin Alpers, der Entwurf des Berufsbildungsberichts ist der Bundesregierung zugegangen. Derzeit ist es beabsichtigt, ihn in der Kabinettssitzung am 28. April 2010 zu beraten. Wenn er dort verabschiedet wird, wird er dem Bundestag und dem Bundesrat unmittelbar zugeleitet und zeitgleich auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung online gestellt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin, Ihre Zusatzfrage. Agnes Alpers (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, es wundert mich, dass seit sechs Wochen über einen unveröffentlichten Bericht gesprochen wird. Als ausbildungspolitische Sprecherin erhalte ich von der Presse, von Verbänden usw. Nachfragen. Wie kann es sein, dass die festgesetzte Frist für die Veröffentlichung des Berichts - nämlich die Sitzung am Freitag - nicht eingehalten wird, dass wir die Unterlagen nicht rechtzeitig erhalten, obwohl die Öffentlichkeit schon seit dem 3. März über den Vorabentwurf diskutiert? Es gibt offenbar ein Missverständnis in der berufspolitischen Debatte. Ich frage mich, woran es liegt und welche Ergebnisse vorliegen. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin, dieses Missverständnis kann man aufklären. Im Rahmen der Erstellung des Berufsbildungsberichtes gibt es verschiedene Ausschüsse, die sich mit dem Entwurf beschäftigen und Stellungnahmen abgeben. Diese Stellungnahmen sind Teil des Berufsbildungsberichts. Sofern Personen in dieses Gremium berufen sind, haben sie den Entwurf zwecks Erstellung einer Stellungnahme erhalten. Erst wenn der Entwurf seitens des BIBB fertiggestellt ist, wird er uns zugeleitet und von uns nach der Ressortabstimmung im Kabinett beschlossen. Dann wird er dem Bundestag zur Verfügung gestellt. Die Personen, die in dem Gremium für die Erstellung des Berichts sowie für andere Aufgaben zuständig sind, gehören keinen Verbänden an. Agnes Alpers (DIE LINKE): Herr Braun, habe ich es richtig verstanden, dass Sie in keinerlei Verbindung zu Verbänden stehen? Sie stehen bezüglich der Freigabe des Berichts auch nicht mit den entsprechenden Stellen in Kontakt, stimmt das? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Nach der Zuleitung wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer eigenen Kompetenzen, aber auch ihrer eigenen Ressorts eine Abstimmung herbeiführen, darüber hinaus nicht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Agnes Alpers auf: Teilt die Bundesregierung die von der Gruppe der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berusbildung, BIBB, in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2010 (vom BIBB zusammen mit der gemeinsamen Stellungnahme des Hauptausschusses zum Entwurf des Berufsbildungsberichts 2010 vom 11. März 2010 veröffentlicht) formulierte Auffassung - bitte begründen -, dass der Berufsbildungsbericht auf die Angabe einer sogenannten Erweiterten Angebots-Nachfrage-Relation auf dem Ausbildungsmarkt verzichten sollte? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sehr geehrte Frau Kollegin Alpers, Sie wollen wissen, ob es auch in Zukunft im Rahmen des Berichtes die Erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation gibt. Ich kann Ihnen das bejahen. Die Bundesregierung beabsichtigt, diesen Indikator auch in Zukunft zu erheben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Es gibt keine weitere Zusatzfrage. Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich bedanke mich bei den Kollegen, die für die Bundesregierung geantwortet haben. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Kopp zur Verfügung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Lischka auf: Wie soll die vom Bundesminister Dirk Niebel beabsichtigte "Verzahnung" von Bundeswehr und Entwicklungshilfe konkret umgesetzt werden, insbesondere hinsichtlich des Abschlusses von Vereinbarungen mit Hilfsorganisationen und Vorgaben durch die Bundeswehr unter anderem? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Herr Präsident! - Die Entwicklung in den Bereichen Sicherheit, Regierungsführung und ziviler Aufbau steht in Afghanistan in einem Wechselverhältnis. Die deshalb angestrebte bessere Verzahnung des zivilen und militärischen Engagements Deutschlands erfolgt über eine intensive Abstimmung zwischen den zivilen und den militärischen Akteuren. Die Koordination der zivilen Beiträge der Bundesregierung, die teils über staatliche und teils über nichtstaatliche Durchführungsorganisationen umgesetzt werden, erfolgt über die Vertreter der zivilen Ressorts vor Ort. Die Abstimmung zwischen den zivilen Ressortvertretern und der Bundeswehr erfolgt im Rahmen des vernetzten Ansatzes und gemäß den jeweiligen Zuständigkeiten. Die Bundesregierung stärkt das zivilgesellschaftliche Engagement in Afghanistan mit zusätzlich bereitgestellten Mitteln in Höhe von 10 Millionen Euro im Jahr 2010, die über den aktuellen Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bereitgestellt werden. Diese Mittel sollen entwicklungspolitischen Maßnahmen deutscher Nichtregierungsorganisationen insbesondere in der Schwerpunktregion des deutschen Engagements in Nordafghanistan zugutekommen. Burkhard Lischka (SPD): Frau Staatssekretärin, zu der von Ihnen angesprochenen Verzahnung zwischen der Bundeswehr im Norden und deutscher Entwicklungshilfe. Bedeutet das, dass künftig Entwicklungshilfegelder in erster Linie nur noch in den Norden Afghanistans fließen? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Nein, sehr geehrter Herr Kollege Lischka, das bedeutet es nicht. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Sicherheit die grundsätzliche Voraussetzung für den zivilen Aufbau ist. Ohne Sicherheit kein Aufbau. Eine relative Sicherheit gibt es im Norden des Landes, wo wir die Bundeswehr stationiert haben. Dort sehen wir in allererster Linie die Möglichkeit, den zivilen Aufbau zu verstärken. Aber wir beschränken uns nicht nur auf den Norden, sondern es gibt auch Projekte zum Beispiel im Süden und im Grenzbereich zu Pakistan. Präsident Dr. Norbert Lammert: Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? Burkhard Lischka (SPD): Das ist gut zu hören. Meine Zusatzfrage lautet: Sind Ihnen Zahlen bekannt, die besagen, wie viele deutsche Hilfsorganisationen derzeit in Afghanistan tätig sind und wie viele von ihnen eine Förderung durch Bundesmittel erhalten? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Die Anzahl der in Afghanistan tätigen Organisationen habe ich nicht präsent. Ich kann Ihnen aber Zahlen nennen, die bereits Ihre nächste Frage betreffen: Im Jahre 2009 wurden 2,3 Millionen Euro der vom BMZ bereitgestellten Mittel in Höhe von 252 Millionen Euro sowie 6,1 Millionen Euro der vom Auswärtigen Amt bereitgestellten rund 108 Millionen Euro aus dem Stabilitätspakt den deutschen Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um einen kleinen Betrag, wenn man bedenkt, dass das Gros der zivilen Beiträge der Bundesregierung für Afghanistan über die staatlichen Durchführungsorganisationen finanziert und durchgeführt wird. Es liegt in der Entscheidung der zivilen Organisationen, sich um diese Mittel zu bewerben. Das impliziert natürlich folgende Frage: Wollen die privaten Durchführungsorganisationen diese Projekte unter Begleitung der Bundeswehr als Sicherheitsfaktor durchführen? Ich denke, dass das ein guter Ansatz ist. Die Bundesregierung legt Wert darauf, im neuen Afghanistankonzept einen Schwerpunkt auf den zivilen Aufbau zu legen. Das ist durch die Verdoppelung der Mittel zum Ausdruck gekommen. Wir befinden uns jetzt in der Phase der Umsetzung und sind zuversichtlich, dass sie erfolgreich sein wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wenn Sie sich beeilen, Frau Kopp, haben Sie jetzt noch 40 Sekunden für die Beantwortung der Frage 18 des Kollegen Lischka. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Gerne. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich jetzt die Frage 18 des Kollegen Lischka auf: Wie will die Bundesregierung für einen vollständigen Mittelabfluss der auf 430 Millionen Euro aufgestockten Gelder für den zivilen Wiederaufbau sorgen, vorausgesetzt, die in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen bleiben bei ihrer Ablehnung einer derartigen Verzahnung? Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Herr Präsident. - Diese Frage habe ich eben zum Teil bereits beantwortet. Ich möchte noch ergänzen, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass weiterhin zahlreiche deutsche Nichtregierungsorganisationen Projekte in Nordafghanistan umsetzen wollen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher, diese mit zusätzlichen Mitteln zu unterstützen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir sind damit am Ende der Fragestunde und damit auch am Schluss der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 22. April 2010, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen und interessanten Abend. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.32 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.04.2010 Binder, Karin DIE LINKE 21.04.2010 Bollmann, Gerd SPD 21.04.2010 Buchholz, Christine DIE LINKE 21.04.2010 Dörmann, Martin SPD 21.04.2010 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.04.2010 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 21.04.2010 Haibach, Holger CDU/CSU 21.04.2010 Herrmann, Jürgen CDU/CSU 21.04.2010 Karl, Alois CDU/CSU 21.04.2010 Kolbe (Leipzig), Daniela SPD 21.04.2010 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.04.2010 Kumpf, Ute SPD 21.04.2010 Lutze, Thomas DIE LINKE 21.04.2010 Dr. Maizière de, Thomas CDU/CSU 21.04.2010 Dr. Miersch, Matthias SPD 21.04.2010 Mißfelder, Philipp CDU/CSU 21.04.2010 Dr. Mützenich, Rolf SPD 21.04.2010 Nietan, Dietmar SPD 21.04.2010 Pothmer, Brigitte BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.04.2010 Dr. Raabe, Sascha SPD 21.04.2010 Riegert, Klaus CDU/CSU 21.04.2010 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 21.04.2010 Dr. Röhlinger, Peter FDP 21.04.2010 Dr. Sieling, Carsten SPD 21.04.2010 Storjohann, Gero CDU/CSU 21.04.2010 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.04.2010 Dr. Volkmer, Marlies SPD 21.04.2010 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.04.2010 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 1): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Aussage des ehemaligen Präsidenten des Medizinischen Fakultätentages, Professor Dr. Gebhard von Jagow, in Forschung & Lehre (April 2010), dass die von der Bundesregierung geplanten Gesundheitszentren auch über langfristige Projektförderungen finanzierbar seien? Zur Finanzierung der geplanten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung wurden alle denkbaren Finanzierungsmodelle geprüft, insbesondere auch im Hinblick auf die haushaltsrechtliche Zulässigkeit langfristiger Projektförderung. Auch eine langfristige Projektförderung kann nur befristet sein, deshalb wurde grundsätzlich der Weg über die Weiterleitung institutioneller Mittel der Helmholtz-Zentren an die Partnereinrichtungen gewählt. Dadurch wird die Nachhaltigkeit der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung gewährleistet und gleichzeitig die haushaltsrechtlich unzulässige "Quasi-institutionelle Förderung" vermieden. Der amtierende Präsident des Medizinischen Fakultätentages, Professor Dieter Bitter-Suermann, ist in die Entwicklung der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung eingebunden und stimmt den Ausschreibungsmodalitäten für die Zentren zu. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 2): Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, welche im "Konzept für ein integriertes Energieforschungsprogramm für Deutschland" formulieren, dass die Kernfusion den erneuerbaren Energien gleichzustellen sei, und, wenn ja, warum wird diese dann nicht konsequenterweise aus einem gemeinsamen Haushaltstitel "Erneuerbare Energie" finanziert? Erneuerbare Energien basieren auf nach menschlichem Ermessen unerschöpflichen Energiequellen und kommen ohne Verbrauch nicht-regenerierbarer Brennstoffe aus. Dies ist bei der Kernfusion nicht der Fall. In Fusionsreaktoren werden zur Gewinnung nutzbarer Energie Brennstoffe, zum Beispiel Deuterium und Tritium, das aus Lithium im Fusionsreaktor erbrütet werden soll, verbraucht. Die Umkehrung des Prozesses, also die Regenerierung der Ausgangsstoffe, ist nahezu unmöglich und energetisch nicht sinnvoll. Die Kernfusion wird daher in der Regel nicht als erneuerbar bezeichnet. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Hendricks (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 19): Hält die Bundesregierung die Steigerung der deutschen Official-Development-Assistance-Quote, ODA-Quote, auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens bis zum Jahr 2015 für erreichbar? Die Bundesregierung steht zu dem im EU-Kontext vereinbarten Ziel einer ODA-Quote von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) bis 2015 und hat mit der deutlichen Erhöhung der ODA-anrechenbaren Haushaltsmittel in den letzten zwei Jahren um rund 1,55 Milliarden Euro unter Beweis gestellt, dass sie entsprechend handelt. Trotz der schwierigen Haushaltslage hat das BMZ auch im Haushalt 2010 noch einmal 256 Millionen Euro mehr als 2009 erhalten. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Hendricks (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 20): Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, eine internationale Finanztransaktionsteuer zu etablieren, um einen Teil aus dem daraus resultierenden Steueraufkommen dafür einzusetzen, die Verpflichtungen der Bundesregierung aus dem ODA-Stufenplan zu erfüllen, oder hat die Bundesregierung eine andere zusätzliche Finanzierungsquelle ins Auge gefasst? Zurzeit erarbeitet der Internationale Währungsfonds im Auftrag der G-20-Staaten einen Bericht über die verschiedenen Möglichkeiten zur Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Bewältigung der Krise. Hierbei wird auch eine international abgestimmte Finanztransaktionsteuer thematisiert. Die Bundesregierung hält das Instrument der Finanztransaktionsteuer nur dann für sinnvoll, wenn es international umgesetzt wird. Der Abschlussbericht des IWF, der für Juni 2010 geplant ist, wird eine wertvolle Grundlage für die internationale Diskussion bieten. Grundsätzlich gilt, dass Steuern keiner Zweckbindung unterliegen und über die Verwendung im jährlichen Haushaltsaufstellungsverfahren entschieden wird. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 21): Ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Auffassung, dass zum Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele 4 und 5 - Kinder- und Müttergesundheit -, die bisher nur zu 32 bzw. 9 Prozent erreicht wurden, die Anstrengungen zur Verbesserung des Zugangs zu freiwilliger Familienplanung vermehrt werden müssen, und, wenn ja, welche konkreten Schritte wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Rahmen der Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung unternehmen, dass freiwillige Familienplanung in Verbindung mit Zugang zu Gesundheitsfürsorge, Programmen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit und HIV/AIDS-Aktivitäten Eingang in die Verhandlungen im Rahmen des G-8- bzw. G-20-Gipfels findet? Ja, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist der Auffassung, dass die Anstrengungen zur Verbesserung des Zugangs zu freiwilliger Familienplanung in Entwicklungsländern vermehrt werden müssen. Freiwillige Familienplanung, Zugang zu Gesundheitsfürsorge, Programme zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit und HIV/AIDS-Aktivitäten haben bereits Eingang in die Verhandlungen im Rahmen des G-8/G-20-Gipfels genommen. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 22): In welchen Bereichen und in welchem Umfang wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung seine Unterstützung im Rahmen der Vorbereitung der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika auch nach der WM für die gesamte Subsahara-Region dauerhaft nutzbar machen? Das BMZ unterstützt im Rahmen der Fußball-WM 2010 folgende Projekte: Das TZ-Projekt "Jugendentwicklung durch Fußball" nutzt die Begeisterung von Jugendlichen für den Fußball zur Jugendentwicklung und Gewaltprävention. Durch Fußballspielen unter Anleitung und begleitende Freizeitaktivitäten lernen Kinder und Jugendliche nicht nur Teamgeist und Fair Play, sondern auch ein soziales und integratives Miteinander, verschiedene Möglichkeiten der gewaltfreien Konfliktlösung, HIV/Aids-Aufklärung und Umweltbewusstsein. Projektaktivitäten finden nicht nur in Südafrika, sondern auch in Ghana, Lesotho, Namibia, Sambia und Mosambik statt. Aktivitäten in Kenia, Ruanda und Botswana befinden sich in Vorbereitung. Bis Ende 2011 sollen 30 lokale NRO mit dem Ansatz arbeiten. Dadurch wird sichergestellt, dass auch nach Projektabschluss dieser erfolgreiche Ansatz zur Jugendförderung und Gewaltprävention weiter genutzt wird. Das BMZ unterstützt die Organisation der WM über das "Host City"-Programm (InWEnt, GTZ, DED). Deutsche Experten aus den WM Austragungsorten 2006 vermitteln ihren südafrikanischen Kollegen ihre Erfahrungen in Bereichen wie Unterkunftsplanung, Abfallmanagement, Fan-Parks, Verkehrsplanung, (Stadion-)Sicherheit, Feuerwehr- und Notarzteinsätzen und Katastrophenvorsorge. Die bisher über 170 Beratungseinsätze deutscher Experten und zahlreiche Besuche südafrikanischer Verantwortlicher in deutschen Kommunen tragen dazu bei, dass die WM-Städte mit ihren Vorbereitungen gut im Zeitplan sind und die südafrikanischen Kommunen nachhaltig Kompetenzen aufbauen. In den letzten Monaten kam es in Südafrika wiederholt zu Bürgerprotesten, weil die kommunalen Verwaltungen ihre Dienstleistungen nicht zufriedenstellend erbrachten. Durch die Förderung der Kommunen im Rahmen des "Host City"-Programms und die Maßnahmen zur Stärkung lokaler Regierungsführung (unter dem Schwerpunkt Regierungsführung/öffentliche Verwaltung) leistet das BMZ einen Beitrag zur inneren Stabilisierung Südafrikas. Vor dem Hintergrund des Vorbildcharakters Südafrikas ist dies für die Stabilität der gesamten Region von hoher Bedeutung. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 23): Welche Mittel sind für den Haushalt 2011 vorgesehen, um die Kapitalaufstockung der Weltbank sowie die Wiederauffüllung der Mittel für die IDA - International Development Association - zu leisten, und welche Aufwüchse sind für die Regionalbanken zu erwarten? Es entspricht der guten Übung der letzten Jahre - und im Übrigen auch der letzten Bundesregierung - vor Abschluss des regierungsinternen Haushaltsaufstellungsverfahrens keine Verhandlungszwischenstände zu veröffentlichen. Über die Höhe der Ansätze für die Entwicklungsbanken - sei es für Kapitalerhöhungen, sei es für Wiederauffüllungen - wird im Zusammenhang mit der Festlegung der Höhe des Gesamtplafonds für den Einzelplan 23 entschieden werden müssen. Dabei streben wir an, eine ausgewogene Balance zwischen bilateralen und multilateralen Ansätzen zu schaffen. Zugleich wollen wir versuchen, unseren Einfluss auf die Entwicklungsbanken zu erhöhen und auch weiterhin angemessene Anteile am Kapital und an den Wiederauffüllungen zu halten. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 24): Wie schätzt die Bundesregierung die finanziellen Anforderungen an Deutschland ein, die bei der Ende April 2010 stattfindenden Weltbankkonferenz mit der Bundesregierung verhandelt werden, und sieht die Bundesregierung für die Verhandlungen der Weltbankkonferenz Möglichkeiten im Vergleich zu anderen Gebern, den deutschen Beitrag zu erhöhen oder zumindest nicht unter das bisherige Niveau zurückzufallen? Erstens: Einschätzung der Bundesregierung über die finanziellen Anforderungen an Deutschland, die bei der Ende April 2010 stattfindenden Weltbankkonferenz mit der Bundesregierung verhandelt werden. Die G 20 haben beschlossen, die Entwicklungsbanken mit einer hinreichenden Kapitalbasis auszustatten, um ihr Mandat auch in den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise wahrnehmen zu können. Für die Frühjahrestagung hat die Weltbank einen Vorschlag erarbeitet, über den die Gouverneure befinden werden. Die Bundesregierung hält die finanziellen Anforderungen für angemessen. Die Haushaltsbelastungen werden sich voraussichtlich im moderaten Rahmen halten. Darüber hinaus wird der Kapitalbedarf der IBRD aus verschiedenen Quellen gespeist, was der Forderung Deutschlands entspricht. Unseren Vorstellungen wurde damit weitestgehend entsprochen. Zweitens: Sieht die Bundesregierung für die Verhandlungen der Weltbankkonferenz Möglichkeiten im Vergleich zu anderen Gebern, den deutschen Beitrag zu erhöhen oder zumindest nicht unter das bisherige Niveau zurückzufallen? Die Bundesregierung hat sich stets für eine faire Lastenteilung eingesetzt. Gleichzeitig ist wichtig, unsere strukturellen Einflussmöglichkeiten bei der Weltbank nicht zu schmälern. Deshalb beabsichtigen wir, uns gemäß unserem Stimmrechtsanteil an der Kapitalerhöhung zu beteiligen. Auf der Frühjahrstagung soll die Stimmrechtsreform der Weltbank beschlossen werden, deren Ziel es ist, die Vertretung von Entwicklungsländern zu stärken (auch dies eine politische Verpflichtung aus dem G-20-Prozess). Für den notwendigen Stimmentransfer geben Industrieländer Stimmenanteile ab. Deutschland wird jedoch aufgrund seiner bisherigen Unterrepräsentation relativ zu vielen anderen Industriestaaten weniger Stimmengewicht übertragen. Im Rahmen der 15. Wiederauffüllung hat die Bundesregierung 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt (dies entspricht einem deutschen Anteil von 7,11 Prozent). Auch an der 16. Wiederauffüllung beabsichtigt die Bundesregierung sich - vorbehaltlich der parlamentarischen Zustimmung - entsprechend zu beteiligen. Zum jetzigen Zeitpunkt steht der Beitrag dieser Beteiligung noch nicht fest, da erst ab Juni 2010 die Gesamthöhe der Wiederauffüllung international verhandelt wird. Beitragsleistungen anderer Geber sind deshalb derzeit noch nicht absehbar. Wir rechnen damit, dass Deutschland seine Stellung als viertgrößter IDA-Geber (hinter USA, UK, JAP) halten kann. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Frage 25): Mit welchen Partnerländern und in welchen Bereichen ist die vom Bundesminister Dirk Niebel angestrebte trilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Israel geplant oder findet bereits statt? Anlässlich der 2. Deutsch-Israelischen Regierungskonsultationen am 18. Januar 2010 in Berlin haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die Entwicklungsagentur im israelischen Außenministerium MASHAV eine verstärkte Zusammenarbeit an gemeinsamen Entwicklungsvorhaben vor allem in Ländern in Afrika und in Zentralasien und mit besonderem Fokus auf den Wassersektor vereinbart. Konkrete Kooperationsperspektiven werden derzeit in Abstimmung mit einzelnen Partnerländern geprüft. Bisher existiert ein trilaterales Kooperationsvorhaben im Bereich Bewässerungslandwirtschaft in Äthiopien. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Frage des Abgeordneten Axel Schäfer (Bochum) (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 26): Wer vertritt die Bundeskanzlerin im Europäischen Rat, sollte ihre persönliche Teilnahme nicht möglich sein, und wäre nach Auffassung der Bundesregierung auch eine Vertretung der Bundeskanzlerin auf dem Europäischen Rat durch einen anderen Staatschef möglich? Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sieht in Art. 235 Abs. 1 vor: "Jedes Mitglied des Europäischen Rates kann sich das Stimmrecht höchstens eines anderen Mitglieds übertragen lassen." Diese Regelungen für den Europäischen Rat entsprechen den für den Rat schon lange in den europäischen Verträgen verankerten Vorschriften - Art. 239 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. In der Bundesregierung besteht zudem Konsens, dass im besonderen Ausnahmefall einer tatsächlichen Verhinderung der Bundeskanzlerin eine Vertretung durch ein anderes Regierungsmitglied möglich sein muss. In diesem Zusammenhang gilt grundsätzlich die Regelung des Art. 69 Abs. 1 GG, nach der die Bundeskanzlerin den Bundesminister des Auswärtigen zu ihrem Stellvertreter ernannt hat. Anlage 12 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Frage 27): Teilt die Bundesregierung die Sorgen israelischer Menschenrechtsorganisationen, dass die neue israelische Verordnung "Order regarding Prevention of Infiltration", welche der israelischen Armee ermöglicht, alle Personen aus den besetzten Gebieten auszuweisen, die keine ausdrückliche Bleibeerlaubnis durch die israelische Armeeverwaltung besitzen, zu Massendeportationen führen könnte? Die Bundesregierung hat die Frage der Reichweite der Abänderung der bestehenden Armeeverordnungen mit der israelischen Regierung und der palästinensischen Behörde, PA, unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden aufgenommen. Im Lichte einer umfassenden Bewertung der veränderten Vorschriften sowie einer Beobachtung der israelischen Praxis wird die Bundesregierung gegebenenfalls weitere Schritte in Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern prüfen. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Frage 28): Wird die Bundesregierung gegenüber der israelischen Regierung den dringenden Appell des Bischöflichen Hilfswerks Misereor e. V. und des Evangelischen Entwicklungsdienstes, EED, an den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak zur Sprache bringen, um befürchtete Massendeportationen von palästinensischen Bürgerinnen und Bürgern, die über keine Bleibeerlaubnis verfügen, abzuwenden? Auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage wird verwiesen. Die im Appell des bischöflichen Hilfswerk Misereor sowie des Evangelischen Entwicklungsdienstes, EED, geäußerten Einschätzungen sind der Bundesregierung bekannt und fließen - wie auch Einschätzungen anderer Nichtregierungsorganisationen - in die Bewertung der Bundesregierung ein. Hierbei wurde eine Reihe von Widersprüchen zur Frage der Sachhintergründe, der Reichweite und der Anwendbarkeit deutlich. Anlage 14 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 29): Wie schätzt die Bundesregierung die am Dienstag, dem 13. April 2010, wirksam gewordenen Aufenthaltsregeln für das Westjordanland ein, die auf den zwei Verordnungen "Order regarding Prevention of Infiltration (Amendment No. 2)" und "Order regarding Security Provisions (Amendment No. 112)" basieren und nach denen es dem israelischen Militär erlaubt ist, Personen aus dem Westjordanland auszuweisen, die keine von Israel anerkannte Aufenthaltsgenehmigung haben? Die Bundesregierung hat die Frage der Reichweite der Abänderung der bestehenden Armeeverordnungen mit der israelischen Regierung und der palästinensischen Behörde, PA, unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden aufgenommen. Im Lichte einer umfassenden Bewertung der veränderten Vorschriften sowie einer Beobachtung der israelischen Praxis wird die Bundesregierung gegebenenfalls weitere Schritte in Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern prüfen. Anlage 15 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 30): Teilt die Bundesregierung die Befürchtungen von Menschenrechtsorganisationen, wonach die neue Erlasslage die Ausweisung Tausender Palästinenser aus dem Westjordanland zur Folge haben könnte? Auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage wird verwiesen. Die von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen geäußerten Einschätzungen sind der Bundesregierung bekannt und fließen in die Bewertung der abgeänderten Armeebefehle ein. Hierbei wurde eine Reihe von Widersprüchen zur Frage der Sachhintergründe, der Reichweite und der Anwendbarkeit deutlich. Anlage 16 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Frage 31): Aus welchem Grund lehnte das Auswärtige Amt, wie aus einem Schreiben der deutschen Botschaft in Kairo vom 31. Dezember 2009 hervorgeht, die Erstellung eines Empfehlungsschreibens an die ägyptische Regierung bezüglich einer Ende Dezember 2009 geplanten Einreise einer Gruppe deutscher Ärzte mitsamt Medikamenten und medizinischen Instrumenten in den Gazastreifen ab, zumal klar ist, dass die Begründung für die Ablehnung, nämlich die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts für den Gazastreifen, keine entscheidende Rolle gespielt haben kann, da eine Woche zuvor eine Gruppe europäischer Parlamentarier völlig unbehelligt in den Gazastreifen reiste und dort einige Tage verbrachte und zudem die Ärzte betonten, dass sie jegliche Verantwortung für die Reise und entstehende Risiken selbst übernehmen würden und es nicht genügen würde, nur die Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu schicken, da die Anwesenheit der Ärzte zur Einweisung in den Gebrauch der Instrumente dringend erforderlich sei? Das Auswärtige Amt hat Anfang Dezember 2009 dem besagten Ärzteteam mitgeteilt, dass für den Gazastreifen eine Reisewarnung besteht und deutschen Staatsangehörigen dringend von einer Reise abgeraten wird. Speziell zum Zeitpunkt des Jahreswechsels 2009/ 2010 ist es im Gebiet des ägyptischen Grenzübergangs Rafah zu teilweise tumultartigen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern einer internationalen Demonstration, ägyptischen Sicherheitskräften sowie Hamas-Anhängern gekommen. Dabei ist mindestens eine Person zu Tode gekommen, es gab zahlreiche Verletzte. Unmittelbar im Vorfeld sind Äußerungen der ägyptischen Behörden medienöffentlich bekannt geworden, wonach diese zum Jahreswechsel 2009/2010 keinerlei Demonstrationen oder Grenzübertritte im Gebiet um Rafah zulassen werden. Das Auswärtige Amt hat vor diesem Hintergrund gegenüber der Gruppe von deutschen Ärzten wiederholt seine Bereitschaft erklärt (gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt), bei der Übersendung der humanitären Güter in den Gazastreifen behilflich zu sein und ein Gespräch in der Deutschen Botschaft Kairo angeboten. Das Auswärtige Amt steht weiterhin zu dieser Unterstützungszusage und hatte die Botschaft Kairo um die Jahreswende angewiesen, die Frage der Einfuhr der entsprechenden Güter in geeigneter Form mit den ägyptischen Stellen aufzunehmen. Im Übrigen ist die Kontrolle der Grenzübergänge eine originär hoheitliche Aufgabe des jeweiligen Staates. Daher hat das Auswärtige Amt im Falle einer Einreiseverweigerung keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Entscheidung der ägyptischen Grenzbehörden. Dies galt auch und in besonderem Maße für die Situation zum Zeitpunkt des Jahreswechsel 2009/2010. Anlage 17 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 32): Welche Informationen hat die Bundesregierung über Zeitpunkt und Vorbereitung der Afghanistan-Konferenz in Kabul, die bei der Londoner Konferenz am 28. Januar 2010 vereinbart wurde und die eigentlich bereits im April dieses Jahres stattfinden sollte? Die Kabuler Afghanistan-Konferenz steht unter der Verantwortung der afghanischen Regierung. Diese hat nach wie vor keinen festen Konferenztermin benannt. Die Konferenz war zuletzt für Anfang Juni 2010 geplant, könnte aber nach neuesten Informationen auf Mitte bis Ende Juli verschoben werden. Die Vorbereitung der Konferenz ist angelaufen, muss aber noch an Fahrt aufnehmen. Geleistet wird die Vorbereitungsarbeit in von der afghanischen Regierung eingerichteten Kabinettsausschüssen sowie im Gemeinsamen Koordinierungs- und Überwachungsgremium - Joint Coordination and Monitoring Board JCMB -, einem gemeinsamen Gremium der internationalen Gemeinschaft und Afghanistans. Die Kabinettsausschüsse sollen in den vier Bereichen Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Bildung und Aufbau von Humanressourcen, Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung sowie Governance Vorschläge für ressortübergreifende, nationale Entwicklungsprogramme erarbeiten, die mit überprüfbaren Zielvorgaben für die nächsten Jahre unterlegt sind. Anlage 18 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 33): Welche Vorkehrungen wird die Bundesregierung treffen, um zu verhindern, dass die Verschiebung der Kabuler Afghanistan-Konferenz auch zu einer Verschiebung der schrittweisen Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Kräfte ab Ende 2010, wie sie Punkt 11 des Abschlussdokuments der Londoner Konferenz vorsieht, führen wird? Die schrittweise Übergabe der Sicherheitsverantwortung ist nach den Londoner Beschlüssen ab Ende 2010/ Anfang 2011 vorgesehen. Das Londoner Schlussdokument indossiert einen weiteren Aufwuchs der afghanischen Sicherheitskräfte. Es reflektiert außerdem die Zusage der internationalen Gemeinschaft, die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte zu intensivieren. Das im NATO-ISAF-Rahmen ausgearbeitete Konzept der Übergabe von Sicherheitsverantwortung soll auf dem Außenministertreffen in Tallinn am 22./23. April 2010 beraten werden. Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, ISAF, beabsichtigt, die Grundlagen für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung bis zum NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 zu legen. Damit sind die entscheidenden Grundlagen für den Übergabeprozess gelegt. Die Kabuler Afghanistan-Konferenz hat deshalb keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an afghanische Kräfte. Ihre Aufgabe ist vielmehr, die Maßnahmen der afghanischen Regierung für die Erfüllung der in London eingegangenen Verpflichtungen, vornehmlich bei Regierungsführung und wirtschaftlich-sozialer Entwicklung, weiter zu konkretisieren. Anlage 19 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 34): In welchem Umfang bzw. in welcher Häufigkeit werden nach Kenntnis der Bundesregierung Angehörige der Roma-Minderheit in den Mitgliedstaaten der EU und in den Staaten des westlichen Balkans Opfer von Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung und von fremdenfeindlicher Gewalt? Zur Frage des Umfangs und der Häufigkeit von Diskriminierung von Angehörigen der Roma-Minderheit in den gesamten Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat die EU-Grundrechteagentur im Jahr 2009 eine Umfrage durchgeführt, bei der über die Hälfte der Befragten angegeben hat, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten Opfer von Diskriminierung geworden ist. Die Situation der Sinti und Roma ist innerhalb der EU von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich. So sehr einzelne Anstrengungen der betroffenen Regierungen zu würdigen sind: Es bedarf weiter besonderer Aufmerksamkeit und Anstrengungen, um Roma und Sinti aus einer nachteiligen Lage in Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft zu befreien. Armut, schlechterer Zugang zur Gesundheitsfürsorge und teilweise Ausgrenzung sind feststellbar. Größtes Problem ist der schlechtere Zugang zu Bildung durch Segregation von Roma in der Schule, weshalb nur wenige Roma eine höhere Schulbildung erhalten, wodurch wiederum Armut perpetuiert wird. Vorurteile gegenüber Roma sind weit verbreitet und leider auch teilweise "salonfähig", das heißt sie sind nicht nur auf Schichten mit geringer Bildung beschränkt. Leider kommen auch Gewalttaten gegen Roma vor, so zum Beispiel in Ungarn. Die Situation der Roma auf dem westlichen Balkan stellt in sämtlichen Ländern eine Herausforderung dar. Die Lebensbedingungen der Roma sind insgesamt schlechter als die der jeweiligen Mehrheitsbevölkerungen, wobei die Bereiche Unterkunft und Zugang zu Bildungseinrichtungen am schwierigsten sind. Fremdenfeindliche Gewalt gehört jedoch glücklicherweise heute grundsätzlich zur Ausnahme. Insgesamt ist in den Staaten der Region inzwischen eine höhere Sensibilität und ein höheres Engagement für die Situation der Roma bzw. deren Schutz vorhanden. In der Mehrheit dieser Länder gibt es heute mindestens eine, wenn nicht mehrere politische Roma-Parteien oder Gruppierungen, die die Verbesserung der Situation dieser Bevölkerungsgruppe zum Ziel haben. Außerdem trägt die Bedeutung des Minderheitenschutzes für die EU-Heranführung zu einer stärkeren Berücksichtigung der Belange der Roma bei. Deutschland unterstützt die Integration der Roma in den Ländern des westlichen Balkans sowohl in internationalen Foren wie der OSZE und dem Europarat als auch durch eine Reihe bilateraler Projekte. Anlage 20 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Uta Zapf (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 35 und 36): Wie will die Bundesregierung sichern, dass neu zu entsendende Expertinnen und Experten auf ihre Einsätze in Friedensmissionen qualifiziert vorbereitet sind, wenn durch Einsparungen beim Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, ZIF, spezifische Vorbereitungskurse entfallen sollen? Wie werden die Nachbereitung und Auswertung ziviler Friedenseinsätze trotz der Einsparungen beim ZIF gewährleistet, damit garantiert wird, dass die Erfahrungen aus Missionen - "lessons learned" - nicht verloren gehen? Zu Frage 35: Die qualifizierte Vorbereitung der zivilen Expertinnen und Experten für internationale Friedensmissionen wird durch die verschiedenen im Jahr 2010 durchzuführenden Expertenkurse des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) sichergestellt. Zu Frage 36: Im Haushaltsjahr 2010 wird die Auswertung ziviler Friedenseinsätze durch das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, ZIF, in etwas geringerem Umfange als sonst erfolgen. Über die Zuwendung 2011 für das ZIF wird angesichts der Konsolidierungserfordernisse des Bundeshaushalts in der Gesamtschau der Haushaltsaufstellung 2011 zu entscheiden sein. Anlage 21 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 37 und 38): Welche Rolle soll das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze in Zukunft im Bereich "Vernetzte Sicherheit" übernehmen? Ist aufgrund des Bekenntnisses der Bundesregierung zu einer vernetzten Sicherheitspolitik und zur zivilen Krisenprävention in den kommenden Jahren mit einem Aufwuchs der dafür zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, insbesondere auch beim ZIF, zu rechnen? Zu Frage 37: Die Bundesregierung hat das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) 2002 als eigene Durchführungsorganisation für die Rekrutierung, Vorbereitung und Entsendung von Personal für internationale zivile Friedensmissionen und Wahlbeobachtungseinsätze gegründet. Seither erfolgt die Rekrutierung, Ausbildung und Entsendung ziviler deutscher Experten für internationale Friedenseinsätze über das ZIF. Im Rahmen der Bemühungen um eine verbesserte Vernetzung aller Akteure in der Krisenprävention und Konfliktbewältigung im Interesse eines kohärenten Vorgehens wird das ZIF entsprechend diesem Mandat zum Gesamtansatz beitragen. Zu Frage 38: Die zivile Krisenprävention ist ein zentraler Aufgabenbereich des Auswärtigen Amts. Der entsprechende Titel wird 2010 daher mit rund 129 Millionen Euro ausgestattet sein. Das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) leistet in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag (1,783 Millionen Euro). Über die Haushaltsansätze der kommenden Jahre wird in den jeweiligen Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein, die wesentlich durch die Vorgaben der Schuldenregel geprägt sein werden. Anlage 22 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Edelgard Bulmahn (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 39 und 40): Wie ist eine Kürzung der Zuwendungen an das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze zu vereinbaren mit der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP dargestellten Ankündigung, das ZIF verstärkt zu nutzen, sowie mit der international anerkannten Priorität, zivile Kapazitäten für Konflikt- und Krisenmanagement auszubauen? Welche Folgen hat die mit der Kürzung der institutionellen Förderung des ZIF einhergehende Einschränkung der Personalbetreuung gegenüber Sekundierten in EU- und OSZE-Missionen für die Durchführung zukünftiger Einsätze und für die Höhe des Personalpools? Zu Frage 39: Die Ankündigung im Koalitionsvertrag wird unter anderem dadurch umgesetzt, dass sich das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) im Bereich Ausbildung stärker mit den Ausbildungseinrichtungen der Bundesverwaltung vernetzt. Zum Aufbau nationaler deutscher Kapazitäten im Bereich Krisenprävention und Konfliktbewältigung trägt das ZIF durch die Rekrutierung und Ausbildung von Personal für internationale Friedenseinsätze bei. Zudem nimmt das ZIF eine wachsende Rolle bei den internationalen Bemühungen um den Aufbau ziviler Kapazitäten der Krisenprävention und Konfliktbewältigung ein. Diese Aktivitäten werden projektbezogen aus Mitteln der Krisenprävention des Auswärtigen Amts gefördert. Zu Frage 40: Die punktuelle Einschränkung der Personalbetreuung im Jahr 2010 hat keine Folgen für die Durchführung zukünftiger Einsätze. Der Personalpool hat seine Soll-Größe erreicht, auch hier sind keine Auswirkungen zu erwarten. Anlage 23 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Axel Schäfer (Bochum) (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 41): Welche Konsequenzen ergeben sich für die Verhandlungsführung und das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung im Europäischen Rat, wenn zu einem EU-Vorhaben keine Stellungnahme des Deutschen Bundestages im Sinne von § 9 Abs. 4 bzw. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, EUZBBG, vorliegt? Die Bundesregierung setzt sich aktiv für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Deutschem Bundestag ein. Ihren Verpflichtungen gegenüber dem Bundestag kommt sie entsprechend den einschlägigen gesetzlichen Regelungen nach. Hierzu gehören insbesondere auch die einschlägigen Unterrichtungsverpflichtungen. Vor ihrer Mitwirkung an Vorhaben gibt die Bundesregierung dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme. Durch die Berichterstattung nach § 7 Abs. 1 EUZBBG ist eine frühzeitige Unterrichtung über alle EU-Vorhaben sichergestellt. Der Bundestag wird damit in die Lage versetzt, zu entscheiden, ob er eine Stellungnahme nach § 9 EUZBBG abgeben will. In den Fällen des § 10 EUZBBG, Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, Aufnahme von Verhandlungen zur Änderung der vertraglichen Grundlagen, weist die Bundesregierung den Bundestag explizit auf sein Recht zur Stellungnahme hin. Die Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Bundestag ist eng und vertrauensvoll und es findet ein intensiver Gesprächsaustausch vor allem im Rahmen der Ausschussberatungen statt. Auch wenn der Bundestag keine förmliche Stellungnahme abgegeben hat, berücksichtigt die Bundesregierung das Meinungsbild im Bundestag bei ihrer Willensbildung und bei ihrer Verhandlungsführung in den EU-Gremien. Anlage 24 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 42 und 43): Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Ausnahmeregelung der Nuclear Suppliers Group für Indien - die erstmals einem Kernwaffenstaat außerhalb des NPT, Non-Proliferation Treaty: Atomwaffensperrvertrag, den Handel mit Nuklearmaterial ermöglicht, ohne dass Indien dafür Abrüstungsverpflichtungen auferlegt wurden - mit einem wesentlichen Prinzip des NPT gebrochen hat? Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorwurf, dass damit zugleich ein internationaler Doppelstandard bei Zugang und Nutzung von ziviler Nukleartechnologie geschaffen wurde, der die Frage aufwirft, ob sich vertragskonformes Verhalten überhaupt lohnt? Zu Frage 42: Die Ausnahmeregelung für Indien wurde am 6. September 2008 getroffen. Sie erfolgte im Konsens aller NSG-Mitgliedstaaten, einschließlich der damaligen Bundesregierung. Die Bundesregierung strebt die weitere Annäherung Indiens an das internationale Nichtverbreitungsregime an. Sie hat in der Vergangenheit Indien wiederholt zu weiteren Abrüstungsschritten aufgefordert und tut dies auch weiterhin. Damit soll Indien zu einer Stärkung des internationalen Nichtverbreitungssystems beitragen. Dazu gehört zum Beispiel die Zeichnung des Atomteststoppvertrags, ein nationales Produktionsmoratorium für waffenfähiges nukleares Spaltmaterial sowie unilaterale nukleare Abrüstung. Die indische Regierung hat in ihrer Erklärung vom 5. September 2008 ihre Selbstverpflichtung bekräftigt, die NSG-Richtlinien sowie die Richtlinien des Trägertechnologie-Kontrollregimes, MTCR, zu befolgen. Nach Unterzeichnung eines Safeguards-Rahmenabkommens hat Indien im November 2009 14 Atomanlagen für Safeguards gelistet. Indien hat mit der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO, ein Zusatzprotokoll ausgehandelt, das am 4. März 2009 vom lAEO-Gouverneursrat gebilligt wurde und derzeit dem indischen Parlament zur Ratifikation vorliegt. Zu Frage 43: Indien ist kein Unterzeichnerstaat des Nichtverbreitungsvertrags und somit nicht an dessen Bestimmungen gebunden. Die Bundesregierung bewertet aber die Selbstverpflichtung der indischen Regierung zur Einhaltung der Richtlinien der Nuclear Suppliers' Group sowie des Trägertechnologie-Kontrollregimes MTCR, auch unter Nichtverbreitungsgesichtspunkten positiv. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Halina Wawzyniak (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Frage 44): Hält es die Bundesregierung für richtig, in die Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex keine Frauen als neue Mitglieder zu berufen, obwohl die Bundesministerin Dr. Kristina Schröder eine gesetzliche Quotenregelung für Aufsichtsräte nicht ausschließt? Nein, im Gegenteil wird die Bundesregierung auch bei einer zukünftigen Neubesetzung einer Mitgliedschaft in der Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex bemüht sein, ein qualifiziertes weibliches Mitglied zu finden. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/1388, Fragen 45 und 46): Wie hoch wird das SED-Vermögen von der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung beziffert, und wie hoch ist der Anteil des SED-Vermögens, welches laut Einigungsvertrag den neuen Ländern zusteht und bis heute unauffindbar ist? Gibt es weitere offene Rechtsstreitigkeiten im Inland oder Ausland, die dazu führen könnten, dass ehemaliges SED-Vermögen dem deutschen Fiskus zugeführt wird, und, wenn ja, um welche Fälle handelt es sich dabei? Zu Frage 45: Das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR, PMO-Vermögen, darunter das SED-Vermögen, wurde durch § 20 b Parteiengesetz der DDR, PartG-DDR, unter die treuhänderische Verwaltung der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR, UKPV; zum 31. Dezember 2006 aufgelöst, und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, BvS; vormals Treuhandanstalt, gestellt. Der in die Treuhandverwaltung übergegangene Gesamtwert des PMO-Vermögens beläuft sich auf rund 1,73 Milliarden Euro, Stand 31. Dezember 2009. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass weitere Mittel ins Ausland verschoben wurden. Belastbare Hinweise dafür gibt es aber nicht. Bereits 2006 hatte die UKPV keine Anhaltspunkte, dass weitere Vermögensermittlungen Erfolg versprechend sein könnten, Vorwort zum Schlussbericht, Bundestagsdrucksache 16/2466. Nach den Maßgaben des Einigungsvertrages hat die BvS das PMO-Vermögen, das nicht an früher Berechtigte zurückzugeben oder nicht wegen materiell-rechtsstaatlichen Erwerbs im Sinne des Grundgesetzes der jeweiligen Partei oder Massenorganisation wieder zur Verfügung zu stellen ist, für gemeinnützige Zwecke in den neuen Ländern und Berlin (Ost) zu verwenden, verfügbares PMO-Vermögen. Bis zum 31. Dezember 2009 konnte sie für gemeinnützige Zwecke im Beitrittsgebiet über 1 Milliarde Euro bereitstellen. Zu Frage 46: Die BvS führt zurzeit zwei Verfahren, um ins Ausland verschobenes SED-Vermögen zurückzuholen. Im Verfahren gegen die AKB Privatbank Zürich AG, letztes Verfahren zum Novum-Komplex, hat das Obergericht Zürich am 25. März 2010 der Klage der BvS stattgegeben. Danach müsste die Bank unter Berücksichtigung der seit 1994 aufgelaufenen Zinsen und einer Prozesskostenentschädigung insgesamt rund 230 Millionen Euro an die BvS zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die UniCredit Bank AustriaAG, Nebenintervientin, hat bereits angekündigt, nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung zum Kassationsgericht des Kantons Zürich sowie zum Schweizer Bundesgericht zu gehen. Darüber hinaus läuft in der Schweiz noch die Klage der BvS gegen die griechische Druckerei Typoekdotik A. E., die ein Darlehen durch eine Auslandsfirma der SED erhalten hat. Im Falle des Obsiegens der BvS fließen die Mittel nicht den öffentlichen Haushalten zu. Das PMO-Vermögen ist ein Sondervermögen, das im Beitrittsgebiet für investive und investitionsfördernde Maßnahmen vorrangig im Bereich der wirtschaftlichen Umstrukturierung und für investive und investitionsfördernde Maßnahmen im sozialen und kulturellen Bereich einzusetzen ist. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 47): Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung der Bundesländer nach zusätzlichen Umsatzsteuermitteln zur Erreichung des sogenannten 10-Prozent-Zieles für Bildung und Forschung? Die Bundesregierung lehnt es ab, den Ländern Umsatzsteueranteile abzutreten. Die Gespräche zwischen der Bundeskanzlerin und der Regierungschefin und den Regierungschefs der Länder zum sogenannten 10-Prozent-Ziel werden am 10. Juni 2010 fortgesetzt werden. Den Ergebnissen kann nicht vorgegriffen werden. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 49): Wie positioniert sich die Bundesregierung gegenüber den Vorschlägen von Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, der EU mehr Einfluss auf die nationale Haushaltspolitik und eine intensivere Überwachung wirtschaftlicher Entwicklungen, auch die der auseinanderlaufenden Wettbewerbsfähigkeit und unterschiedlichen Lohnpolitik, zu gewähren? Wir müssen Lehren aus dem Fall Griechenland ziehen und die Euro-Zone stärken - sowohl in der Prävention als auch in der Krisenbewältigung. Dies haben auch die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 25. März 2010 festgehalten. Sie haben den ER-Präsidenten Van Rompuy beauftragt, eine Task Force einzurichten, in die sich die Bundesregierung aktiv einbringen wird. Die EU-Kommission hat für den 12. Mai 2010 Vorschläge angekündigt, um die Eurozone zu stärken. Kommissar Renn hat erste Vorstellungen skizziert - für eine umfassende Bewertung ist es zu früh. Zu einer stärkeren Ex-ante-Koordinierung der Haushaltspolitik: Es ist aus Sicht der Bundesregierung völlig klar: Die Mitgliedstaaten tragen die Verantwortung für die Haushaltspolitik, sind aber gleichzeitig den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes unterworfen. Eine Aushöhlung der Budgetrechte der Mitgliedstaaten und ihrer nationalen Parlamente wird es nicht geben. Wir sollten uns darüber unterhalten, wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt besser in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden kann, nicht zuletzt auch im präventiven Teil und in guten Zeiten. Wir müssen in Zukunft dafür sorgen, dass die haushaltspolitischen Ziele der MS nicht nur im Einklang mit den EU-Regeln formuliert, sondern vor allem auch in der Praxis und im Vollzug des Haushalts durchgesetzt werden. Das deutsche Beispiel hierfür ist die Schuldenbremse. Sie lehnt sich ganz bewusst an die Vorschriften des präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspaktes an. Zu breiterer wirtschafts- und finanzpolitischer Überwachung: Die Krise hat gezeigt: Es reicht nicht, alleine auf die Haushaltsentwicklung zu schauen. Auch Wettbewerbsentwicklungen sind für den langfristigen Zusammenhalt der Wirtschafts- und Währungsunion von großer Wichtigkeit. Wir unterstützen daher regelmäßige Überprüfungen der Wettbewerbsfähigkeit, wie die Kommission sie bereits Anfang des Jahres eingeleitet hat. Dies werden wir fortsetzen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 50): Inwieweit wird die Bundesregierung die Überlegungen von Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, unterstützen, als ständigen Krisenlösungsmechanismus einen Rettungsfonds zu gründen, und hält sie an dem der europäischen Idee widersprechenden Vorschlag fest, Defizitländer im Notfall aus der Euro-Zone auszuschließen? Die Bundesregierung setzt sich für eine Stärkung der Währungsunion ein, damit krisenhafte Entwicklungen künftig besser vermieden werden und die Handlungsfähigkeit der Eurozone in etwaigen Krisenfällen gestärkt wird. Vor diesem Hintergrund hat sie sich beim Europäischen Rat am 25./26. März 2010 erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Präsident des Europäischen Rates eine Task Force einrichtet, die bis Jahresende einen Bericht über die dafür erforderlichen Maßnahmen vorlegt, wobei alle Optionen der Stärkung des rechtlichen Rahmens zu prüfen sind. Damit sind auch vertragliche Änderungen erfasst. Die Bundesregierung wird sich an diesem Prozess aktiv beteiligen. Insbesondere hat der Bundesminister der Finanzen in seinem Art. vom 12. März 2010 bereits einige Elemente für eine Stärkung der Währungsunion skizziert, die auch Eingang in die Diskussion der Task Force finden werden. Dabei muss aus Sicht der Bundesregierung darauf geachtet werden, dass einzelne Elemente aufeinander aufbauen und sich gegenseitig ergänzen. Daher ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die einzelnen Elemente als Teil eines Gesamtpaketes zu diskutieren sein werden. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Peter Friedrich (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 51): Wurde oder wird in absehbarer Zeit die dem Land Baden-Württemberg angebotene Steuerhinterzieher-CD vom Bundesministerium der Finanzen - gegebenenfalls unter Mitwirkung eines anderen Landes - aufgekauft werden, wie dies die Bundesregierung Anfang März 2010 erklärt hat, und, wenn ja, zu welchem Anteil hat oder wird sich das Land Baden-Württemberg an dem Ankauf der Steuerhinterzieher-CD finanziell beteiligen? Das Bundesministerium der Finanzen hat mit dem Land Baden-Württemberg vereinbart, dass der Bund die dem Land angebotenen Daten ankauft - gegebenenfalls unter Mitwirkung eines anderen Landes. Nach dem mit den Ländern verabredeten Verfahren, werden Offerten, die nicht von einem Land abgearbeitet werden können, einem anderen Land zur weiteren Befassung zugewiesen. Die Absprachen darüber werden einvernehmlich zwischen den infrage kommenden Ländern und dem Bund getroffen. Wesentliche Kriterien dabei sind "Betroffenheit" und "Auslastung". In Betracht kann dabei allerdings nur ein Land kommen, in dem Steuerpflichtige wohnen, auf die sich die Informationen beziehen. Nachdem das Bundeszentralamt für Steuern die Daten von Baden-Württemberg erhalten hatte, wurden deshalb die Länder ermittelt, die in einem größeren Ausmaß betroffen sind. Aufgabe des Bundes ist, darauf zu achten, dass nicht einzelne Finanzverwaltungen mit Datenankauf-Offerten über einen längeren Zeitraum über Gebühr belastet werden. Ob es zu einem Ankauf von steuerlich werthaltigen Daten kommt, hängt letztlich auch vom Verhalten des Informanten ab. Die Entscheidung über den Ankauf erfolgt in enger Abstimmung mit dem Bund. Die Kosten des Ankaufs tragen die Länder nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Hierbei entfällt auch auf das Land Baden-Württemberg ein entsprechender Anteil. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fragen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Fragen 52 und 53): Welche im Bundesbesitz befindlichen Seen wurden aufgrund ihrer Naturschutzwürdigkeit von der Privatisierung ausgenommen, wie es die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Julia Klöckner, in der Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 24. März 2010 ausführte, und in das Nationale Naturerbe aufgenommen bzw. darüber hinaus aufgrund ihrer Naturschutzwürdigkeit von der Privatisierung ausgenommen? Wie wird die Bundesregierung mit diesen Gewässern, insbesondere den letztgenannten, zukünftig verfahren? Zu Frage 52: Die in das nationale Naturerbe, NNE, aufzunehmenden Flurstücke der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, BVVG, sind in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz ausgewählt worden. Die Abstimmung der konkreten "Flächenkulisse" mit den Ländern ist noch nicht vollständig beendet. Zu den genannten Flurstücken gehören auch Gewässerflächen. Zurzeit werden die Daten der BVVG über die Gewässerflächen in ihrem Bestand mit den hierzu den Ländern vorliegenden Informationen abgeglichen. Darüber hinaus können weitere im Bundesbesitz befindliche Gewässer der BVVG von Naturschutzorganisationen erworben werden. Der Bund kann nicht auf Dauer Eigentümer von nicht Bundesaufgaben dienenden Gewässern bleiben. Die in das NNE aufzunehmenden Flurstücke der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, LMBV, sind in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz und den jeweiligen Bundesländern ausgewählt. Nachfolgend aufgeführte Gewässer des Landes Brandenburg sind Bestandteil der vorgesehenen Übertragungskulisse: Teichgruppe Fortschritt Schwarzheide, Ferdinandsteich, Teilfläche Südteich Schwarzheide, Heide VI - See, Kahnsdorfer See, Teilfläche zukünftiger Cottbuser See, Teilfläche Klinger See, Teilfläche Sedlitzer See, 6 Seen im Raum Tröbitz/ Domsdorf. Eine Liste der Gewässerflächen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImA, liegt gegenwärtig noch nicht vor. Zu Frage 53: Die Bodenverwaltungs- und -verwertungs GmbH, BVVG, die Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbauverwaltungsgesellschaft, LMBV, und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BlmA, übertragen die für das Nationale Naturerbe vorgesehenen Flurstücke auf der Grundlage von mit den einzelnen Bundesländern abzuschließenden Rahmenvereinbarungen unentgeltlich entweder auf das Land selbst oder auf von den Ländern benannte Naturschutzverbände und -stiftungen. Außerdem wurde zwischen der BlmA und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, DBU, eine Rahmenvereinbarung für die Übertragung von Flurstücken abgeschlossen. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 54): Wie viele Jahresvolllaststunden - angenommene jährliche statistische Auslastung - werden bei dem Zielszenario mit 28 Jahren Laufzeitverlängerung, das für das Energiekonzept der Bundesregierung erstellt wird, für Atomkraftwerke für den Zeitraum der Laufzeitverlängerung zugrunde gelegt, und mit welchen zusätzlichen Reststrommengen wird in diesem Szenario gerechnet? Das BMWi hat die Bietergemeinschaft PROGNOS; Energiewirtschaftliches Institut an der Universität Köln, EWI, und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung, GWS, beauftragt, Energieszenarien für das Energiekonzept der Bundesregierung zu erstellen. Der Hauptbericht für die Energieszenarien soll bis Ende Juni 2010 vorgelegt werden. Bis zum 15. Mai 2010 soll ein Zwischenbericht vorgelegt werden. Der Endbericht ist bis November 2010 vorzulegen. Bundesregierung und Institute sind über die zugrundeliegenden Annahmen in einem fortlaufenden Austausch. Dabei geht es beispielsweise um die Konsistenz der Annahmen. Die dabei diskutierten Annahmen liegen im Spektrum aktuell vorliegender Prognosen und Szenarienrechnungen kompetenter wissenschaftlicher Institutionen. Angesichts der Vorläufigkeit der Annahmen kann die Bundesregierung im Hinblick auf den laufenden Arbeitsprozess dazu nicht Stellung nehmen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage der Abgeordneten Agnes Malczak (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 55): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Diskussionen des Washingtoner Nukleargipfels zur Dual-use-Problematik im Hinblick auf den Atomausstieg in Deutschland und die durch die Bundesregierung praktizierte Förderung von Atomtechnologieexporten? Die Ergebnisse des Washingtoner Nukleargipfels werden derzeit noch mit Blick auf ihre Bedeutung und Auswirkung in der Bundesregierung geprüft. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 56): Wie bewertet die Bundesregierung die vom Bundeskartellamt und von vielen Stadtwerken geäußerte Befürchtung, dass längere Laufzeiten für Atomkraftwerke zu einer Hemmung des Wettbewerbs auf dem Strommarkt und zu einer Verfestigung der marktbeherrschenden Stellung der vier großen Energiekonzerne führen könnten, und ist das ein reales Problem, das bei der Entscheidung über etwaige Laufzeitverlängerung berücksichtigt werden muss oder nicht? Die Bundesregierung hat in dem Jahreswirtschaftsbericht 2010 darauf hingewiesen, dass sie aus Gründen der Versorgungssicherheit, des Klimaschutzes und der Wirtschaftlichkeit bereit ist, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung strengster Sicherheitsstandards zu verlängern. Sie hat dort unter anderem auch darauf hingewiesen, dass bei der Regelung darauf geachtet werden muss, dass sich hierdurch keine Wettbewerbsverzerrungen auf dem Strommarkt ergeben, die neuen Stromanbietern den Marktzutritt erschweren. Bei der Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung werden alle wirtschafts- und energiepolitischen Aspekte berücksichtigt werden. Welche Regelungen im Einzelnen zu treffen sein werden, wird auch im Zusammenhang mit dem energiepolitischen Gesamtkonzept entschieden werden, das im Herbst 2010 vorliegen soll. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 57): Kann die Bundesregierung einen Bericht der österreichischen Zeitung Die Presse vom 1. April 2010 bestätigen, in dem es heißt: "Die Europäische Kommission plant auf Druck von Deutschland und Polen, ab 2013 bis zu 15 Prozent der Baukosten neuer Kohlekraftwerke zu übernehmen", und, wenn ja, welche Ziele verfolgt die Bundesregierung mit dieser Subventionspolitik? Nein. Tatsache ist, dass die Kommission auf dem Europäischen Rat am 11./12. Dezember 2008 im Zusammenhang über die Einigung zur EU-Emissionshandelsrichtlinie eine Grundsatzerklärung abgegeben hat, wonach die Mitgliedstaaten von 2013 bis 2016 die Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten auch zur Unterstützung des Baus von hocheffizienten, CCS-fähigen Kraftwerken verwenden können (Erklärung zu Art. 10 Abs. 3 der Emissionshandelsrichtlinie, Anhang V des Ratsdokuments 17215/08). Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 58): Plant die Bundesregierung, die im Steinkohlefinanzierungsgesetz des Bundes vom 20. Dezember 2007 für den Steinkohlebergbau zugesagten Plafondsmittel - Steinkohlesubventionen - zu reduzieren und damit einen früheren Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau zu erreichen? Es gelten die im Steinkohlefinanzierungsgesetz festgelegten Finanzplafonds. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 59): Welcher Anteil der im Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, KWKG, zur Verfügung gestellten 150 Millionen Euro (§ 7 a KWKG) für den Neu- und Ausbau von Wärmenetzen wurde im Jahr 2009 abgerufen, und geht die Bundesregierung von einer steigenden Abfrage dieser Mittel im Jahr 2010 aus, obwohl nach Aussagen der Branche fast die Hälfte der 20-prozentigen Förderung für Gutachten von Wirtschaftsprüfern und Ähnliches verwendet werden muss, um die Förderung überhaupt erlangen zu können? Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, sind für im Jahr 2009 realisierte Wärmenetzprojekte 440 Anträge auf eine Förderung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz mit einem geschätzten Fördervolumen von 25 Millionen Euro gestellt worden. Es wird nach Einschätzung des BAFA für 2010 mit einer steigenden Anzahl von Förderanträgen bei Wärmenetzen gerechnet. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 60): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem einseitigen Austritt des niedersächsischen Wirtschaftsministers Jörg Bode, FDP, bei der einzelbetrieblichen Förderung niedersächsischer Unternehmen im Rahmen der vom Bund geförderten Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", und wie will sie gegebenenfalls die damit verbundenen Wettbewerbsnachteile niedersächsischer Unternehmen gegenüber anderen Bundesländern ausgleichen, die nach wie vor die Investitionsförderung bei heimischen Betrieben durchführen? Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bode hat einen Rückzug des Landes aus der Förderung der gewerblichen Wirtschaft angekündigt. Die Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", GRW, ist nach der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung Sache der Länder. Jedes Land hat die Möglichkeit, eigene Akzente und Schwerpunkte zu setzen. Der Bund stimmt mit den Ländern einen allgemeinen Rahmen für die Gemeinschaftsaufgabe ab. Mittelanteile für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft und für die der wirtschaftsnahen Infrastruktur sind darin nicht festgelegt. Ein unmittelbarer Wettbewerbsnachteil für die niedersächsischen Unternehmen ist aus der Entscheidung von Minister Bode nicht zu erkennen. Die Bundesmittel für die Regionalförderung stehen dem Land Niedersachsen auch unabhängig von dieser Entscheidung im Rahmen der festgelegten Quote zur Verfügung. Niedersachsen will zukünftig vor allem die Infrastruktur in den strukturschwachen Regionen fördern. Damit wird der Standort insgesamt gestärkt, der Strukturwandel gefördert und damit auch die niedersächsischen Unternehmen unterstützt. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 61): Welche Planungen bestehen seitens der Bundesregierung, die Regelungen zum Wirtschaftsfonds Deutschland über das Jahr 2010 hinaus zu verlängern und in einen Zukunftsfonds umzuwandeln, wie dies vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, gegenüber der Rheinischen Post am 31. März 2010 geäußert worden ist, und welche zeitliche Planung besteht dafür? Die Regelungen zum Wirtschaftsfonds Deutschland laufen zum Jahresende 2010 aus. Die Bundesregierung und die EU-Kommission prüfen zu gegebener Zeit, ob und gegebenenfalls in welchen Bereichen auch künftig staatliche Maßnahmen erforderlich sind, um den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise entgegenzuwirken. Eine Entscheidung ist hier noch nicht getroffen worden. Falls eine Verlängerung der Programme des Wirtschaftsfonds Deutschland oder Elementen davon erforderlich ist, wird der Deutsche Bundestag damit rechtzeitig vor Jahresende befasst werden. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 62 und 63): In welchen konkreten Sitzungen der Bund-Länder-Koordinierung war der gemeinsame Abstimmungsbedarf zur Erstellung der Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bund und Ländern Teil der Tagesordnung, und welche konkreten Abteilungen und Fachreferate des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind in die Erarbeitung des Aktionsplanes der Bundesregierung eingebunden? Wird die Bundesregierung die gesetzliche Reform der Eingliederungshilfe nach Maßgabe der Beschlüsse der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im Rahmen der Erstellung eines Aktionsplanes der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durchführen, und wann genau werden die einzelnen Regelungsbereiche dieser Reform mit den Ausführungsgesetzen der Länder mit ebendiesen abgestimmt? Zu Frage 62: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention war Gegenstand einer Bund-Länder-Besprechung im März 2010 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Weitere Besprechungen sollen folgen. Darüber hinaus werden die Länder eingeladen, an den für Juni und Herbst geplanten Fachtagungen zur Entwicklung des Aktionsplans der Bundesregierung teilzunehmen. Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales werden alle Abteilungen und Referate bei der Erarbeitung des Aktionsplans beteiligt. Die Federführung obliegt dem Referat "Gleichstellung behinderter Menschen, Grundsatzfragen der Behindertenpolitik", Va1. Zu Frage 63: Erklärtes Ziel der voraussichtlich noch bis in die zweite Jahreshälfte 2010 hinein andauernden Beratungen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe" unter Verbändebeteiligung sind Verabredungen zu einer Gesetzesinitiative des Bundes im breiten Konsens zwischen allen Beteiligten. Die endgültige Entscheidung über die Durchführung des Weiterentwicklungsvorhabens steht in Abhängigkeit von den Beratungsergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe". Voraussetzung für die Erfüllung der Bitte der Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2009 um Vorlage eines Entwurfs für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in dieser Legislaturperiode ist allerdings, dass ein breiter Konsens mit Ländern und Verbänden erreicht wird. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 64): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 hinsichtlich der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Bildung zu erfüllen, und wie soll die zielgenaue Förderung von Kindern und Jugendlichen ausgestaltet sein? Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2010 eine Neuregelung für die Regelleistungen zu treffen. Innerhalb der Bundesregierung liegt die Federführung für die Entwicklung einer verfassungsgemäßen Neuregelung beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Zu diesem Zweck ist dort eine interne Projektgruppe eingerichtet worden, die die konzeptionellen Arbeiten mit dem erforderlichen juristischen und statistischen Wissen abteilungsübergreifend und unter Einbeziehung der betroffenen Bundesressorts begonnen hat. Die Projektgruppe prüft derzeit eine Reihe von Fragen, die für die Umsetzung des Urteils zu klären sind. Nicht nur die Bedarfslagen von Kindern sind Teil der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch der Fortschreibungsmechanismus und die rationale Begründung der einzelnen regelsatzrelevanten Positionen aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Insofern ist die Aufgabe mehrschichtig und bedarf einer genauen Analyse der möglichen Optionen. Daher ist es noch zu früh, um Aussagen zu den geplanten Maßnahmen zu treffen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE ) (Drucksache 17/1388, Frage 65): Was waren 2009 im Bereich des Zweiten und Dritten Buches Sozialgesetzbuch die 20 wichtigsten Instrumente/Maßnahmen gemessen an Ausgabevolumen, Teilnehmerzahlen sowie Ausgaben je Teilnehmer? Die jährlich erstellten Eingliederungsbilanzen geben Aufschluss über die Ausgaben, die Teilnehmer und die Kosten je Teilnehmer im Monat für einzelne arbeitsmarktpolitische Instrumente. Die folgenden Informationen stammen aus den Eingliederungsbilanzen für das Jahr 2008. Aktuellere Daten stehen nicht zur Verfügung. 1. Rechtskreis SGB III Im Rechtskreis des SGB III war der Gründungszuschuss mit Ausgaben in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2008 das wichtigste Instrument nach Höhe der Ausgaben. Es folgten - jeweils gerundet - die Berufliche Weiterbildung mit 787 Millionen Euro, die Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter mit 737 Millionen Euro, Eingliederungszuschüsse mit 488 Millionen Euro, Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen mit 161 Millionen Euro, Mobilitätshilfen mit 140 Millionen Euro, Eingliederungszuschüsse für schwerbehinderte Menschen mit 122 Millionen Euro, die Beauftragung Dritter mit der Vermittlung mit 116 Millionen Euro, die Unterstützung der Beratung und Vermittlung mit 74 Millionen Euro, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit 69 Millionen Euro, die Freie Förderung mit 61 Millionen Euro, Maßnahmen zur Berufsorientierung mit 51 Millionen Euro, die Einstiegsqualifizierung mit 51 Millionen Euro, die Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen mit 30 Millionen Euro, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen mit 22 Millionen Euro, Personal-Service-Agenturen mit 8 Millionen Euro und der Eingliederungsgutschein mit 6 Millionen Euro. Ist-Ausgaben in Tausend Euro Teilnehmer Ausgaben je Teilnehmer je Monat (Eintritte) 1 Gründungszuschuss 1.493.896 119.309 1.011 2 Berufliche Weiterbildung 787.391 249.599 904 3 Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter 737.289 89.864 4 Eingliederungszuschüsse 488.311 130.159 653 5 Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahmen 161.274 575.583 463 6 Mobilitätshilfen (Zuschuss und Darlehen) 140.067 166.650 840 7 Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen 122.255 9.728 814 8 Beauftragung Dritter mit der Vermittlung 116.289 248.063 144 9 Unterstützung der Beratung und Vermittlung 74.244 1.348.824 55 10 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 68.643 6.486 1.133 11 Freie Förderung 60.554 76.342 253 12 Maßnahmen zur Berufsorientierung 50.695 122.239 167 13 Einstiegsqualifizierung 50.619 20.055 316 14 Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen 29.944 1.747 15 Einstellungszuschuss bei Neugründungen 22.447 3.703 925 16 Personal-Service-Agentur (PSA) 7.653 2.652 700 17 Eingliederungsgutschein 5.888 2.764 571 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Eingliederungsbilanzen nach § 11 SGB III. Die meisten Eintritte hatte im Rechtskreis SGB III im Jahr 2008 die Maßnahme der Unterstützung der Beratung und Vermittlung mit 1,3 Millionen Eintritten. Es folgten die Eignungsfeststellungsund Trainingsmaßnahmen mit 576 000 Eintritten, die Berufliche Weiterbildung mit 250 000 Eintritten, die Beauftragung Dritter mit der Vermittlung mit 248 000 Eintritten, Mobilitätshilfen mit 167 000 Eintritten, Eingliederungszuschüsse mit 130 000 Eintritten, Maßnahmen zur Berufsorientierung mit 122 000 Eintritten, der Gründungszuschuss mit 119 000 Eintritten, die Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter mit 90 000 Eintritten, Maßnahmen der Freien Förderung mit 76 000 Eintritten, die Einstiegsqualifizierung mit 20 000 Eintritten, Eingliederungszuschüsse für schwerbehinderte Menschen mit 8 000 Ein-tritten, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit 6 000 Ein-tritten, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen mit 4 000 Eintritten, der Eingliederungsgutschein und Personal-Service-Agenturen mit jeweils 3 000 Eintritten sowie die Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen mit 2 000 Eintritten. Teilnehmer (Eintritte) 1 Unterstützung der Bera tung und Vermittlung 1.348.824 2 Eignungsfeststellung / Trainingsmaßnahmen 575.583 3 Berufliche Weiterbildung 249.599 4 Beauftragung Dritter mit der Vermittlung 248.063 5 Mobilitätshilfen (Zuschuss und Darlehen) 166.650 6 Eingliederungszuschüsse 130.159 7 Maßnahmen zur Berufs orientierung 122.239 8 Gründungszuschuss 119.309 9 Förderung der Berufsaus bildung Benachteiligter 89.864 10 Freie Förderung 76.342 11 Einstiegsqualifizierung 20.055 12 Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Men schen 9.728 13 Arbeitsbeschaffungs maßnahmen 6.486 14 Einstellungszuschuss bei Neugründungen 3.703 15 Eingliederungsgutschein 2.764 16 Personal-Service-Agentur (PSA) 2.652 17 Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen 1.747 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Eingliederungsbilanzen nach § 11 SGB III. Das kostenintensivste Instrument im Rechtskreis SGB III im Jahr 2008 waren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit Ausgaben von 1 133 Euro je Teilnehmer im Monat. Es folgten der Gründungszuschuss mit 1 011 Euro, der Einstellungszuschuss bei Neugründungen mit 925 Euro, die Berufliche Weiterbildung mit 904 Euro, Mobilitätshilfen mit 840 Euro, Eingliederungszuschüsse für schwerbehinderte Menschen mit 814 Euro, Personal-Service-Agenturen mit 700 Euro, Eingliederungszuschüsse mit 653 Euro, der Eingliederungsgutschein mit 571 Euro, Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen mit 463 Euro, die Einstiegsqualifizierung mit 316 Euro, die Freie Förderung mit 253 Euro, Maßnahmen zur Berufsorientierung mit 167, die Beauftragung Dritter mit der Vermittlung mit 144 Euro sowie die Unterstützung der Beratung und Vermittlung mit 55 Euro. Ausgaben je Teilnehmer je Monat 1 Arbeitsbeschaffungs maßnahmen 1.133 2 Gründungszuschuss 1.011 3 Einstellungszuschuss bei Neugründungen 925 4 Berufliche Weiterbildung 904 5 Mobilitätshilfen (Zuschuss und Darlehen) 840 6 Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Men schen 814 7 Personal-Service-Agentur (PSA) 700 8 Eingliederungszuschüsse 653 9 Eingliederungsgutschein 571 10 Eignungsfeststellung/ Trainingsmaßnahmen 463 11 Einstiegsqualifizierung 316 12 Freie Förderung 253 13 Maßnahmen zur Berufs orientierung 167 14 Beauftragung Dritter mit der Vermittlung 144 15 Unterstützung der Bera tung und Vermittlung 55 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Eingliederungsbilanzen nach § 11 SGB III. 2. Im Rechtskreis SGB II Die im Folgenden genannten Zahlen für den Rechtskreis SGB II enthalten keine Angaben zu den zugelassenen kommunalen Trägern, da solche Angaben nicht für alle Maßnahmen verfügbar waren. Im Rechtskreis des SGB II waren die Arbeitsgelegenheiten mit Ausgaben von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2008 das wichtigste Instrument nach Ausgabenhöhe. Es folgten die Berufliche Weiterbildung mit Ausgaben von 671 Millionen Euro, sonstige weitere Leistungen mit 519 Millionen Euro, Eingliederungszuschüsse mit 454 Millionen Euro, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit 444 Millionen Euro, die Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter mit 374 Millionen Euro, Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen mit 184 Millionen Euro, der Beschäftigungszuschuss (BEZ) mit 136 Millionen Euro, die Beauftragung Dritter mit der Vermittlung mit 119 Millionen Euro, Mobilitätshilfen mit 103 Millionen Euro, das Einstiegsgeld mit 64 Millionen Euro, die Unterstützung der Beratung und Vermittlung mit 53 Millionen Euro, Eingliederungszuschüsse für schwerbehinderte Menschen mit 36 Millionen Euro, die Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen mit 26 Millionen Euro, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen mit 25 Millionen Euro, die Einstiegsqualifizierung mit 13 Millionen Euro, die Personal-Service-Agenturen mit 6 Millionen Euro sowie die Maßnahmen zur Berufsorientierung mit 1,6 Millionen Euro. Ist-Ausgaben in Tausend Euro Teilnehmer (Eintritte) Ausgaben je Teilnehmer je Monat 1 Arbeitsgelegenheiten 1.406.189 695.648 451 2 Berufliche Weiterbildung 671.247 165.620 803 3 sonstige weitere Leistungen 518.748 399.407 1.299 4 Eingliederungszuschüsse 453.839 120.622 663 5 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 444.421 60.389 1.123 6 Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter 374.299 31.700 7 Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahmen 184.219 478.077 444 8 Beschäftigungszuschuss 136.387 23.040 1.106 9 Beauftragung Dritter mit der Vermittlung 118.800 175.897 199 10 Mobilitätshilfen (Zuschuss und Darlehen) 102.858 169.855 606 11 Einstiegsgeld 64.085 43.974 221 12 Unterstützung der Beratung und Vermittlung 53.368 1.104.207 48 13 Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen 36.402 3.760 801 14 Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen 25.558 30.043 15 Einstellungszuschuss bei Neugründungen 25.013 4.044 847 16 Einstiegsqualifizierung 13.200 6.767 301 17 Personal-Service-Agentur (PSA) 6.159 1.984 741 18 Maßnahmen zur Berufsorientierung 1.582 4.112 100 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Eingliederungsbilanzen nach § 54 SGB II, ohne Daten der zkT. Die meisten Eintritte im Rechtskreis SGB II im Jahr 2008 gab es bei der Unterstützung der Beratung und Vermittlung mit 1,1 Millionen Eintritten. Es folgten die Arbeitsgelegenheiten mit 696 000 Eintritten, Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen mit 478 000 Ein-tritten, sonstige weitere Leistungen mit 399 000 Eintrit-ten, die Beauftragung Dritter mit der Vermittlung mit 176 000 Eintritten, Mobilitätshilfen mit 170 000 Ein-tritten, die Berufliche Weiterbildung mit 166 000 Ein-tritten, Eingliederungszuschüsse mit 121 000 Eintritten, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit 60 000 Eintritten, das Einstiegsgeld mit 44 000 Eintritten, die Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter mit 32 000 Ein-tritten, die Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen mit 30 000 Eintritten, der Beschäftigungszuschuss mit 23 000 Eintritten, die Einstiegsqualifizierung mit 7 000 Eintritten, Maßnahmen zur Berufsorientierung, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen und Eingliederungszuschüsse für schwerbehinderte Menschen mit jeweils rund 4 000 Eintritten sowie Personal-Service-Agenturen mit 2 000 Eintritten. Teilnehmer (Eintritte) 1 Unterstützung der Bera tung und Vermittlung 1.104.207 2 Arbeitsgelegenheiten 695.648 3 Eignungsfeststellung/ Trainingsmaßnahmen 478.077 4 sonstige weitere Leistungen 399.407 5 Beauftragung Dritter mit der Vermittlung 175.897 6 Mobilitätshilfen (Zuschuss und Darlehen) 169.855 7 Berufliche Weiterbildung 165.620 8 Eingliederungszuschüsse 120.622 9 Arbeitsbeschaffungs maßnahmen 60.389 10 Einstiegsgeld 43.974 11 Förderung der Berufsaus bildung Benachteiligter 31.700 12 Berufliche Weiterbildung behinderter Menschen 30.043 13 Beschäftigungszuschuss 23.040 14 Einstiegsqualifizierung 6.767 15 Maßnahmen zur Berufs orientierung 4.112 16 Einstellungszuschuss bei Neugründungen 4.044 17 Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Men schen 3.760 18 Personal-Service-Agentur (PSA) 1.984 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Eingliederungsbilanzen nach § 54 SGB II, ohne Daten der zkT. Die höchsten Ausgaben je Teilnehmer im Monat im Jahr 2008 gab es bei den sonstigen weiteren Leistungen mit 1 300 Euro. Es folgten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit 1 123 Euro, der Beschäftigungszuschuss mit 1 106 Euro, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen mit 847 Euro, die Berufliche Weiterbildung mit 803 Euro, Eingliederungszuschüsse für schwerbehinderte Menschen mit 801 Euro, Personal-Service-Agenturen mit 741 Euro, Eingliederungszuschüsse mit 663 Euro, Mobilitätshilfen mit 606 Euro, Arbeitsgelegenheiten mit 451 Euro, Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen mit 444 Euro, die Einstiegsqualifizierung mit 301 Euro, das Einstiegsgeld mit 221 Euro, die Beauftragung Dritter mit der Vermittlung mit 199 Euro, Maßnahmen zur Berufsorientierung mit 100 Euro sowie die Unterstützung der Beratung und Vermittlung mit 48 Euro. Ausgaben je Teilnehmer je Monat 1 sonstige weitere Leistun gen 1.299 2 Arbeitsbeschaffungsmaß nahmen 1.123 3 Beschäftigungszuschuss 1.106 4 Einstellungszuschuss bei Neugründungen 847 5 Berufliche Weiterbildung 803 6 Eingliederungszuschüsse für besonders betroffene schwerbehinderte Men schen 801 7 Personal-Service-Agentur (PSA) 741 8 Eingliederungszuschüsse 663 9 Mobilitätshilfen (Zuschuss und Darlehen) 606 10 Arbeitsgelegenheiten 451 11 Eignungsfeststellung/ Trainingsmaßnahmen 444 12 Einstiegsqualifizierung 301 13 Einstiegsgeld 221 14 Beauftragung Dritter mit der Vermittlung 199 15 Maßnahmen zur Berufs orientierung 100 16 Unterstützung der Bera tung und Vermittlung 48 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Eingliederungsbilanzen nach § 54 SGB II, ohne Daten der zkT Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Fragen 66 und 67): Wie viele der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik sind in den einzelnen Rechtskreisen im Jahr 2009 abgeflossen - bitte absolute und relative Zahlen angeben -, und wofür will die Bundesregierung gegebenenfalls nicht verausgabte Mittel verwenden? Wie viele Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik pro Kopf standen in den einzelnen Rechtskreisen rechnerisch jährlich seit 2005 zur Verfügung, und wie viele Mittel wurden jährlich seit 2005 tatsächlich verausgabt? Zu Frage 66: Für den Rechtskreis des SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, wurden im Jahr 2009 durch den Bund 5,9 Milliarden Euro verausgabt. Diese Ausgaben beinhalten auch die Bundesprogramme "Beschäftigungspakte für Ältere" und "Kommunal-Kombi", die seit dem Jahr 2009 in einem gemeinsamen Titel veranschlagt werden. Somit wurden rund 89 Prozent des Haushaltssolls des Jahres 2009 verausgabt. § 46 Abs. 3 SGB II sieht eine Übertragbarkeit nicht verausgabter Mittel des Gesamtbudgets, Budget für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten, eines Jahres auf das Folgejahr vor. Dabei kann die Hälfte der nicht verausgabten Mittel, aber maximal 10 Prozent der Ansätze übertragen werden. Abweichend hiervon können die nicht verausgabten Mittel für die beiden Bundesprogramme "Beschäftigungspakte für Ältere" und "Kommunal-Kombi" nach der Bundeshaushaltsordnung in das nächste Jahr übertragen werden. Ziel der oben genannten Regelung ist es, einem unwirtschaftlichen Ausgabeverhalten insbesondere am Jahresende entgegenzuwirken. Die gesetzliche Regelung wurde im Bundeshaushalt durch die Ausbringung von Haushaltsvermerken zur Übertragbarkeit von Ausgaben nachvollzogen. Ausgabereste können im folgenden Haushaltsjahr allerdings nur in Anspruch genommen werden, wenn sie an anderer Stelle des Bundeshaushaltes, in der Regel desselben Einzelplans, durch Einsparungen in gleicher Höhe kassenmäßig gedeckt werden. Denn es werden nur Ermächtigungen, nicht aber die Kassenmittel übertragen. Für den Rechtskreis des SGB III, Bereich der Arbeitsförderung, hat die Bundesagentur für Arbeit aus den im Eingliederungstitel zusammengefassten Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung rund 3,6 Milliarden Euro und für die in Kapitel 3 des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit veranschlagten "Sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung" rund 13,2 Milliarden Euro verausgabt. Zusammen belaufen sich die Ausgaben für die aktive Arbeitsförderung damit auf rund 16,8 Milliarden Euro. Im Ergebnis hat die Bundesagentur für Arbeit rund 90 Prozent des Haushaltssolls des Jahres 2009 verausgabt. Nicht verausgabte Mittel des Eingliederungstitels im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit werden nach § 71 c SGB IV grundsätzlich einer Eingliederungsrücklage zugeführt. Die Eingliederungsrücklage ist bis zum Schluss des nächsten Haushaltsjahres aufzulösen und dient zur Deckung von gebildeten Ausgaberesten des Eingliederungstitels. Eine Zuführung an die Eingliederungsrücklage kommt nicht in Betracht, soweit die Bundesagentur auf die Inanspruchnahme von Liquiditätshilfen des Bundes nach § 364 SGB III angewiesen ist. Zu Frage 67: Die mit der Fragestellung erbetenen Angaben zur durchschnittlichen Förderung eines Erwerbslosen mit Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik liegen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht vor. Sie werden nicht ermittelt, weil sie kein sinnvoller Ansatz für die Planungs- und Abrechnungszwecke der aktiven Arbeitsmarktpolitik wären. Im Übrigen wird auf die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Arbeit und Soziales a. D., Klaus Brandner, vom 10. Februar 2009 auf Ihre schriftliche Frage, Bundestagsdrucksache 16/11955; S. 41, sowie auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage vom 21. Dezember 2009, Drucksache 17/350; Frage 5, verwiesen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Fragen 68 und 69): In welchem Zeitrahmen wird die Bundesregierung unter Mitwirkung von externen Fachleuten - Bereiche zum Beispiel: Forst, Holz, Energie, Umwelt, Tourismus etc. - einen Entwurf zur Waldstrategie 2020 erarbeiten und dem Bundestag vorlegen, und wie werden die Mitglieder des Bundestages einbezogen? Welche Vorbereitungen laufen zur Bundeswaldinventur 3, BWI 3, und wie wird die Bundesregierung die Aufnahme der Erfassung und Bewertung naturnaher Waldstrukturen - zum Beispiel Biotopbäume oder Totholz - im Rahmen der BWI 3 sicherstellen? Zu Frage 68: Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat unter Einbeziehung externer Fachleute aus den in der Frage genannten Bereichen und der Wissenschaft zuletzt am 12. und 13. April 2010 in einem Symposium die Grundlagen für die Waldstrategie 2020 erarbeitet. Unter anderem waren die Forstpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Fraktionen eingeladen. Das BMELV ist gerne bereit, in den Fachausschüssen über den Fortgang bei der Waldstrategie 2020 zu berichten. Zu Frage 69: Die 3. Bundeswaldinventur wird derzeit auf Fachebene vorbereitet. Hierzu stimmen die Inventurleiter des Bundes und der Länder unter der Federführung des BMELV und unter Beteiligung des Bundesamtes für Naturschutz Details zu den erhebenden Merkmalen ab. Bei wenigen Merkmalen ist noch zu klären, in welchen Abstufungen sie zu erheben sind. Biotopbäume und Totholz sind auf jeden Fall Merkmale der 3. Bundeswaldinventur. Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem BfN gewährleistet das BMELV, dass Naturschutzbelange berücksichtigt werden. Ständige Aufgabe ist dabei, Wünschbares und Machbares sowie Kosten und Informationsgewinn gegeneinander abzugleichen. Der Beginn der Außenaufnahmen ist für Anfang 2011 geplant. Bis dahin sind alle methodischen Arbeiten abzuschließen, die EDV-Programme zu erstellen und die Schulung vorzubereiten. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 70): Auf welche Art will die Bundesregierung bei den sogenannten Energy Drinks angesichts der Warnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung die Gesundheitsgefahren - Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle - verhindern, die von den Getränken ausgehen können, und hält die Bundesregierung bloße Warnhinweise gerade im Hinblick auf die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen für ausreichend? Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat bereits weitergehende Regelungen für die Produktgruppe der sogenannten Energy Drinks vorbereitet. Ein entsprechender Verordnungsentwurf wurde den Bundestagsfraktionen und dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages mit Schreiben vom 24. Juni 2009 zugeleitet. Der Verordnungsentwurf wurde nach Abschluss der Anhörung der beteiligten Kreise und der sich daraus ergebenden Überarbeitung Anfang Februar diesen Jahres bei der Europäischen Kommission notifiziert. Der Verordnungsentwurf sieht weiterhin zum einen die Festlegung von Höchstmengen für die relevanten Stoffe Koffein, Taurin, Glucuronolacton und Inosit vor. Zum anderen werden über die bestehenden Regelungen hinaus auf Basis der Empfehlungen des BfR zusätzliche Kennzeichnungsanforderungen festgelegt, nämlich Hinweise, dass der Verzehr größerer Mengen, insbesondere bei ausgiebiger sportlicher Betätigung, sowie ein gleichzeitiger Genuss alkoholischer Getränke vermieden werden sollte. Damit wird die Verbraucherinformation in Bezug auf den Umgang mit diesen Erzeugnissen deutlich verbessert werden. Zu beachten ist, dass sich etwaige nationale Regelungen im Rahmen der nach dem EU-Recht zulässigen Möglichkeiten bewegen müssen. So existieren für Getränke mit hohen Gehalten an Koffein - also auch Energy Drinks - bereits mit der Richtlinie 2002/67/EG EU-einheitliche Regelungen - umgesetzt in § 8 Abs. 5 der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Demnach ist bei Getränken, die mehr als 150 mg Koffein pro Liter enthalten, der Hinweis "erhöhter Koffeingehalt" und die Angabe der Menge in Milligramm pro 100 Milliliter anzubringen. Diese Regelung wurde damals speziell mit Blick auf die Bevölkerungsgruppen "Kinder und Schwangere" erlassen. Zur besseren Verbraucherinformation soll mit dem in Rede stehenden Verordnungsentwurf diese Angabe zukünftig auch für lose abgegebene Lebensmittel vorgeschrieben werden statt wie bisher nur für verpackte Produkte. Der von Deutschland notifizierte Verordnungsentwurf wird einen neuen Anstoß für eine Diskussion dieser Produktgruppe auch auf EU-Ebene geben. Dies ist zu begrüßen. Zunächst bleibt nunmehr der Ausgang des Notifizierungsverfahrens abzuwarten. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 71): Mit welchen konkreten Gesetzesformulierungen wird die Bundesregierung der Forderung der CDU/CSU-Fraktion nach strengeren gesetzlichen Regelungen zur Kennzeichnung von sogenanntem Klebeschinken in Abgrenzung zu natürlich gewachsenem Schinken nachkommen, und mit welchen konkreten Initiativen strebt die Bundesregierung auf europäischer Ebene ein Verbot von Klebeenzymen in der Fleischwarenerzeugung an? Zu den Kennzeichnungsvorschriften für "Klebeschinken": Das vorhandene gesetzliche Instrumentarium des geltenden Lebensmittelrechts ermöglicht es den zuständigen Überwachungsbehörden bereits jetzt, irreführend gekennzeichnete Lebensmittel, darunter auch sogenannter Klebeschinken, zu beanstanden und die Verstöße sanktionieren zu können. Konkret sind diese Instrumente: der § 11 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, LFGB, die Vorschriften der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung und flankierend, als untergesetzliches Instrumentarium, die in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches definierten Verkehrsbezeichnungen für Rohschinkenerzeugnisse, wie zum Beispiel "Nussschinken" und "Lachsschinken". Eine Regelungslücke besteht somit nicht, daher sehen wir keinen Handlungsbedarf im Hinblick auf neue gesetzliche Vorgaben. Im Hinblick auf das Deutsche Lebensmittelbuch wird sich das BMELV für eine Erweiterung der Formfleischdefinition einsetzen. Zum Thema "Klebeenzyme": Die Bundesregierung strebt auch kein Verbot von Klebeenzymen in der Fleischwarenerzeugung an, da sie ein solches Verbot nicht als begründet ansieht. Nach den Vorschriften des LFGB dürfen Enzyme unter Beachtung der allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften grundsätzlich ohne spezifische Zulassung bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden. In der EU werden Enzyme künftig grundsätzlich einem Zulassungsverfahren unterliegen. Voraussetzung für die Zulassung und die Aufnahme in die noch zu erstellende Gemeinschaftsliste sind der Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit und der technologischen Notwendigkeit sowie der Ausschluss der Irreführung der Verbraucher. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 72): Standen die vier in den Meldungen nach dem Kunduz-Luftschlag vom 4. September 2009 genannten Taliban-Führer auf der Joint Effects List oder der Joint Priority Effects List der ISAF oder auf einer entsprechenden OEF-Liste in Afghanistan? Von den vier in den Meldungen nach dem Luftangriff am 4. September 2009 genannten Unterführern der Opposing Militant Forces, OMF, war zum Zeitpunkt des Luftangriffs keiner als Zielperson auf der ISAF Joint Effects List, JEL, oder auf der ISAF Joint Prioritized Effects List, JPEL, aufgeführt. Einzelheiten zu den in Rede stehenden OMF-Unterführern wurden durch Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Kossendey in einem Sachstandsbericht an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Unterrichtung der Vorsitzenden, der Stellvertretenden Vorsitzenden und der Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages übermittelt. Über gesonderte Ziellisten der Operation Enduring Freedom in Afghanistan liegen keine Erkenntnisse vor. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 73): Welchen Inhalts waren am 3./4. September 2009 im Raum Kunduz/Afghanistan die - jeweils parallel zum Bundeswehreinsatz mit der schließlichen Bombardierung der zwei Tanklaster durchgeführten - Operationen der Bundeswehrsondereinheit TF 47 gegen Taliban-Führer sowie der geheimen US Task Force 373 gegen Aufständische, bei denen ein Erdnahkampfflugzeug A-10 "Warthog" sowie ein weiteres Flugzeug (A-28 A?) eingesetzt waren, und inwieweit trifft es zu, dass die Task Force 373 im deutsch-befehligten ISAF-Regionalkommando Nord "fast jede Nacht aktiv" ist, Verdächtige festnimmt und schon mehrfach gesuchte Taliban-Anführer "eliminierte" (vergleiche Spiegel Online vom 4. Januar 2010)? Die Bundesregierung hält an dem mit den Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen im Jahr 2008 abgestimmten und bewährten Verfahren zur Unterrichtung über den Einsatz von Spezialkräften der Bundeswehr fest. Demnach werden über den Einsatz von Spezialkräften der Bundeswehr die Vorsitzenden, die stellvertretenden Vorsitzenden sowie die Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses unverändert regelmäßig auf vertraulicher Basis informiert. Dies ist zuletzt durch den Bundesminister der Verteidigung am 18. März 2010 erfolgt. Im Rahmen dieser vertraulichen Unterrichtungen werden auch die bekannten Informationen zum Einsatz von Spezialkräften verbündeter Streitkräfte in den deutschen Einsatzgebieten dargelegt. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 74): Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass der geplante Einsatz von Panzerhaubitzen und MARDER-Schützenpanzern durch die Bundeswehr in Afghanistan, die teils wenig zielgenau sind und große Kollateralschäden nach sich ziehen können, die gesamte dortige, auf Vermeidung solcher Schäden wie beim Bombardement am 3./4. September 2009 in Kunduz angelegte Einsatzstrategie der Bundeswehr sowie der ISAF infrage stellen kann, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die geplante Militäroffensive mit der Bundeswehr auch im Raum Kunduz eines neuen Bundestagsmandats bedarf sowie nicht ohne bzw. gegen den erklärten Willen der dortigen Bevölkerung - abgesehen von Voten des dortigen Gouverneurs - durchgeführt werden sollte, wie der Präsident Hamid Karzai dies bezüglich der Offensive in Kandahar bereits formulierte? Der Einsatz zusätzlicher schwerer Waffen, der aufgrund der im Norden Afghanistans derzeit vorherrschenden Bedrohungslage mit Schwerpunkt im Raum Kunduz vorgesehen ist, stellt die Einsatzstrategie der Bundeswehr in Afghanistan nicht infrage. Die Befürchtungen, dass eine unzureichende Zielgenauigkeit dieser Waffen große Kollateralschäden nach sich ziehen könnte, werden durch die Bundesregierung nicht geteilt, da die unterschiedlichen Waffensysteme jeweils der Lage und Bedrohung sowie der Fähigkeiten der einzelnen Waffensysteme angepasst eingesetzt werden. Der Schützenpanzer MARDER wird bereits jetzt vom Deutschen Einsatzkontingent ISAF im Norden Afghanistans eingesetzt. Um der aktuellen Bedrohung vor Ort gerecht zu werden, ist nun eine Erhöhung der Anzahl der eingesetzten Systeme vorgesehen. Darüber hinaus soll zusätzlich die Panzerhaubitze 2000 in das Einsatzgebiet verbracht werden. Beim Einsatz dieses Waffensystems sind durch die Wahl der Munitionsarten - Nebel-, Leucht- und Sprengmunition - verschiedene, der jeweiligen Bedrohung angepasste Eskalationsstufen möglich. Insbesondere einem Einsatz von Sprengmunition wird dabei immer eine tiefgreifende und detaillierte Aufklärung der Lage vorausgehen. Eine Anpassung des aktuellen Bundestagsmandates ist hierfür nicht erforderlich. Die Entscheidung zum Einsatz schwerer Waffen wird durch die verantwortlichen Führer vor Ort unter Berücksichtigung der vom multinationalen Oberbefehlshaber der ISAF vorgegebenen taktischen Auflagen zur Vermeidung von Opfern unter der unbeteiligten afghanischen Zivilbevölkerung sowie unter Beachtung der Einsatzregeln, Rules of Engagement, erfolgen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das derzeitige Mandat auch vor dem Hintergrund der Entwicklung der Sicherheitslage im Norden Afghanistans dem Auftrag des Deutschen Einsatzkontingentes Rechnung trägt und weiterhin den Rahmen für unser zielgerichtetes, eigenes Handeln bildet. Die Äußerungen des afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karzai zur geplanten ISAF-Operation in Kandahar bei einer lokalen Shura sind unseres Ermessens in einem innenpolitischen Kontext zu sehen. Sie waren publikumsorientiert und vor dem Hintergrund der durch ihn propagierten Versöhnungs- und Reintegrationspolitik wohlkalkuliert. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Rainer Arnold (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 75): Warum verzögert sich die Auslieferung des Kampfhubschraubers TIGER an die Truppe, und ab wann werden die ersten Kampfhubschrauber TIGER einsatzbereit der Bundeswehr zur Verfügung stehen? Die Verzögerungen im Programm Unterstützungshubschrauber, UH, TIGER beruhen überwiegend auf technischen Problemen. So bestehen zum Beispiel trotz der Einleitung von Abhilfemaßnahmen nach wie vor erhebliche Mängel im Bereich der Verkabelung. Diese sind eine maßgebliche Ursache für die bis heute anhaltenden Lieferverzögerungen. Die Bundeswehr hat bis Ende des Jahres 2009 insgesamt elf UH TIGER in zwei verschiedenen, nicht einsatzfähigen Vorserienstandards erhalten. 2010 werden voraussichtlich fünf weitere UH TIGER geliefert werden. Bei der Lieferplanung für die Jahre 2011 und 2012 wird eine Erhöhung des Lieferumfangs angestrebt. Die Fähigkeiten künftig zur Auslieferung anstehender UH TIGER sollen stufenweise aufwachsen. Unter Berücksichtigung der für eine operationelle Ausbildung erforderlichen Voraussetzungen wird derzeit von einer frühestmöglichen Einsatzfähigkeit des UH TIGER nicht vor der zweiten Jahreshälfte 2012 ausgegangen. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist, dass einsatzfähige UH TIGER im Serienstandard ab November 2010 zur Verfügung stehen und die erforderlichen Flugstunden für die Ausbildung abgeleistet werden können. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Rainer Arnold (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 76): Für welche Fahrzeuge und in welchem Zeitraum beabsichtigt das Bundesministerium der Verteidigung die Waffenstationen FLW 100 und FLW 200 zu beschaffen? Mit den Waffenstationen kann die Besatzung aus den geschützten Fahrzeugen heraus die Waffe zum Zweck der Selbstverteidigung einsetzen. Abhängig von der sensorischen Ausstattung der Waffenstationen können damit auch Überwachungs- oder Sicherungsaufgaben wahrgenommen werden. Von den insgesamt 979 geplanten Waffenstationen entfallen 573 Stück auf die leichte Version FLW 100 und 403 Stück auf die schwere Version FLW 200. Es ist beabsichtigt, die Waffenstationen nach Einsatzerfordernis auf die Fahrzeugtypen BOXER, DINGO, TPz FUCHS, EAGLE IV, YAK, ENOK und GTF ZLK 2-15to zu verteilen. Verträge mit den beiden Hauptlieferanten, Krauss-Maffei Wegmann, KMW, über die Waffenstationen und Firma Rheinmetall Defence Electronics, RDE, über die Sensoreinheiten, wurden im Jahr 2008 geschlossen. Bis Ende 2009 wurden 160 FLW 100 und 23 FLW 200 geliefert. Dieses Jahr sollen 70 FLW 100 und 122 FLW 200 geliefert werden. Im Jahr 2011 ist die Lieferung weiterer 78 FLW 100 und 62 FLW 200 vorgesehen. 117 FLW 200 sind optional vereinbart. Die Einlösung der Option hängt von der Verfügbarkeit der HHM ab. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1388, Frage 77): Auf welche konkrete Bedrohung bzw. Fähigkeitslücke wird mit der Verlegung von Panzerabwehrlenkflugkörpern des Typs TOW nach Afghanistan reagiert? Die Verlegung von Panzerabwehrlenkflugkörpern TOW erweitert unsere bereits vorhandene Fähigkeit, über große Entfernungen Ziele präzise bekämpfen zu können. Die Panzerabwehrlenkflugkörper TOW haben mit fast vier Kilometern eine annähernd doppelt so große Reichweite wie die bereits in Afghanistan im Einsatz befindlichen Lenkflugkörper vom Typ MILAN sowie ein leistungsfähigeres Nachtsichtgerät. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Frage 78): Welche Verbesserung der Sicherheitslage in Afghanistan verspricht sich die Bundesregierung durch den Einsatz von Panzerhaubitzen und anderer neuer Waffensysteme? Die Ausstattung des DEU-Einsatzkontingentes in Afghanistan orientiert sich an der Bedrohung vor Ort. Durch den Einsatz weiterer Waffensysteme werden notwendige militärische Fähigkeiten erweitert bzw. ergänzt, sodass zeitnah auf rasch auftretende Bedrohungen reagiert werden kann. Die Panzerhaubitze 2000 ermöglicht durch die Wahl der Munitionssorte auch eine abgestufte Eskalation. So kann mit der Panzerhaubitze 2000 nicht nur Spreng-, sondern auch Leucht- und Nebelmunition als "Show of Force" verschossen werden. In der Folge kann durch die erweiterte Fähigkeit des Kontingents, Ziele auf große Entfernung schnell zu bekämpfen - TOW und Panzerhaubitze 2000 -, und die erhöhte Feuerkraft - mehr Schützenpanzer vom Typ MARDER - gegebenenfalls eine "abschreckende" Wirkung auf die Opposing Militant Forces, OMF, erreicht werden. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Frage 79): An welchen Einsätzen der britischen Luftwaffe in Afghanistan hat der deutsche Waffensystemoffizier teilgenommen, der zwischen Oktober 2009 und Januar 2010 Teil der Bordbesatzung eines britischen Tornado-Kampfflugzeugs in Afghanistan war? Zurzeit ist ein deutscher Waffensystemoffizier als Austauschoffizier auf dem Flugzeugmuster TORNADO bei der 31 Squadron der Royal Air Force auf dem britischen Luftwaffenstützpunkt MARHAM eingesetzt. Der Offizier war von Oktober 2009 bis Januar 2010 mit seiner Einheit in Kandahar im südlichen Afghanistan eingesetzt und nahm an 27 Einsätzen teil. Von diesen 27 Einsätzen waren acht Aufklärungseinsätze, 15 Einsätze im Rahmen der Luftnahunterstützung und vier Alarmstarts. Nach dem ISAF-Bundestagsmandat können deutsche Soldaten, die im Rahmen von Austauschprogrammen bei den Streitkräften anderer NATO-Nationen dienen, in ihren Verwendungen verbleiben und auf Ersuchen der Gastnation an Einsätzen ihrer Streitkräfte im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan teilnehmen. Auf dieser Grundlage hatte der damalige Bundesminister der Verteidigung den Einsatz im Mai 2009 gebilligt, dessen Einsatzspektrum neben Aufklärungsmissionen auch Einsätze zur Luftnahunterstützung im Rahmen von ISAF umfasste. Das Parlament wurde hierüber im Rahmen der UdP 45/09 unterrichtet. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Agnes Malczak (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 80): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von der durch das britische Verteidigungsministerium bestätigten Beteiligung deutscher Soldaten an mindestens 18 Kampfeinsätzen in Tornado-Flugzeugen GR 4 der britischen 31. Schwadron in Kandahar zwischen Dezember 2009 und Januar 2010 (Times Online vom 4. April 2010; Mail Online vom 4. April 2010), und inwiefern sieht sie diese als durch das Bundestagsmandat für den Einsatz gedeckt? Zurzeit ist ein deutscher Waffensystemoffizier als Austauschoffizier auf dem Flugzeugmuster TORNADO bei der 31 Squadron der Royal Air Force auf dem britischen Luftwaffenstützpunkt MARHAM eingesetzt. Der Offizier war von Oktober 2009 bis Januar 2010 mit seiner Einheit in Kandahar im südlichen Afghanistan eingesetzt. Nach dem ISAF-Bundestagsmandat können deutsche Soldaten, die im Rahmen von Austauschprogrammen bei den Streitkräften anderer NATO-Nationen dienen, in ihren Verwendungen verbleiben und auf Ersuchen der Gastnation an Einsätzen ihrer Streitkräfte im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan teilnehmen. Auf dieser Grundlage hatte der damalige Bundesminister der Verteidigung den Einsatz im Mai 2009 gebilligt, dessen Einsatzspektrum neben Aufklärungsmissionen auch Einsätze im Rahmen von Luftnahunterstützung im Rahmen von ISAF umfasste. Das Parlament wurde hierüber im Rahmen der UdP 45/09 unterrichtet. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fragen des Abgeordneten Jan van Aken (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Fragen 81 und 82): War die Patrouille aus afghanischen und ISAF-Einheiten, die bei Baghlan am Donnerstag, dem 15. April 2010, angegriffen wurde, wobei vier Soldaten getötet und fünf weitere Bundeswehrsoldaten verletzt wurden, im Rahmen der veränderten ISAF-Strategie zur Begleitung afghanischer Einheiten unterwegs, und wie genau sieht diese Strategie aus? Hätte eine zusätzliche Ausstattung der deutschen Einheiten bei der Patrouille am 15. April 2010 das Risiko eines für die deutschen Bundeswehrsoldaten tödlichen Angriffs auf ihre Fahrzeuge wesentlich verringert bzw. ausgeschlossen? Zu Frage 81: Die gefallenen Soldaten waren nicht im Rahmen des neuen Partnering-Ansatzes eingesetzt. Drei der vier Gefallenen und die fünf verwundeten Soldaten waren im Rahmen der laufenden Ausbildung, Mentoring, der afghanischen Armee in einem Operational Mentor and Liaison Team, OMLT, eingesetzt. Der Einsatz von OMLT zur Begleitung von afghanischen Einheiten wird seit Langem durchgeführt und hat sich bewährt. Dabei steht die angeleitete Ausbildung im Vordergrund. Die Operationsführung wird hierbei den afghanischen Kräften überlassen. Ein weiterer Soldat, der in einem beweglichen Arzttrupp eingesetzt war, ist durch den Beschuss mit einer Panzerabwehrhandwaffe gefallen. Der neue Ansatz des Partnering bedeutet dagegen das gemeinsame Planen, Vorbereiten, Durchführen und Nachbereiten von Operationen mit den afghanischen Sicherheitskräften - Afghan National Security Forces, ANSF - sowie die Durchführung der dazu notwendigen gemeinsamen vorbereitenden Ausbildung. Somit handelt es sich beim Partnering nicht um eine neue Einsatzoption, sondern um eine besonders intensive Form von "angeleiteter Ausbildung". Durch das "Miteinander" von deutschen ISAF-Kräften und der afghanischen Armee - Afghan National Army, ANA - im Rahmen der Operationsführung soll die Fähigkeit der ANA verbessert werden, eigenständig Operationen durchführen zu können. Zu Frage 82: Die Soldaten, die verwundet wurden oder gefallen sind, befanden sich zur Auftragserfüllung teilweise außerhalb der Fahrzeuge. Der Angriff auf die Soldaten erfolgte mit behelfsmäßigen Sprengvorrichtungen - Improvised Explosive Device, IED - und Panzerabwehrhandwaffen. Abgesessen ist ein Schutz gegen IED, auch durch zusätzliche Ausrüstung, nicht möglich. Die geschützten Fahrzeuge, ein EAGLE IV und ein YAK, sind moderne Fahrzeuge, die für den entsprechenden Auftrag - OMLT bzw. beweglicher Arzttrupp, BAT - ein hohes Maß an Schutz gegen IED bieten. Einen absoluten Schutz gegen IED gibt es jedoch nicht. Stärker geschützte Fahrzeuge könnten unter Umständen zu höheren Wirkladungen der IED bei vergleichsweise geringem Aufwand für die OMF führen. Darüber hinaus gibt es gegen Panzerabwehrwaffen, RPG, auf absehbare Zeit keinen 100-prozentigen Schutz. Auch schwere Panzer können mit Panzerabwehrwaffen wirksam bekämpft werden. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Frage 83): Welche Schlüsse zieht das Bundesministerium der Verteidigung aus den jüngsten Äußerungen des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, nach denen die internationale Gemeinschaft die Präsidentschaftswahlen im August 2009 gefälscht habe und der Präsident Hamid Karzai die geplante Großoffensive der NATO im Juni 2010 in der Provinz Kandahar gegebenenfalls untersagen wolle? Der vom Staatspräsidenten Karzai geäußerte Vorwurf, die internationale Gemeinschaft sei für Wahlfälschungen verantwortlich, war aus hiesiger Sicht innenpolitisch motiviert. Hintergrund für die Äußerung könnte der große innenpolitische Druck sein, unter dem Staatspräsident Karzai derzeit steht. Auch seine Äußerungen zur geplanten ISAF-Operation in Kandahar bei einer lokalen Shura waren publikumsbezogen und in diesem Sinne wohlkalkuliert. Diese Shura, bei der auch COM ISAF, General McChrystal, anwesend war, hatte zum Ziel, die lokalen Repräsentanten einzubeziehen und ihre Zustimmung für die geplante Operation zu gewinnen. Gleichwohl wird die Bundesregierung in ihren Gesprächen mit Vertretern der AFG-Regierung deutlich machen, dass derartige Äußerungen unsere gemeinsamen Stabilisierungsbemühungen in Afghanistan erschweren und nicht akzeptabel sind. Eine öffentliche bzw. medial geführte Auseinandersetzung würde Staatspräsident Karzai innenpolitisch aber weiter in die Enge treiben; eine Situation, die wir vermeiden müssen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fragen des Abgeordneten Kai Gehring (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Fragen 84 und 85): Wann genau wird die Bundesregierung den bisher zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend abgestimmten Entwurf eines Gesetzes zu Änderungen wehrrechtlicher Vorschriften 2010 dem Bundestag und dem Bundesrat zur Beratung vorlegen? Inwiefern sieht die Bundesregierung für die oben genannten Regelungen eine Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates als gegeben an, und in welcher Form wird sie den Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren beteiligen? Zu Frage 84: Der Entwurf für ein "Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2010" wurde auf Grundlage der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien am 26. März 2010 in die Ressortbeteiligung gegeben. Die Ressortbeteiligung ist noch nicht abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der nicht vorhersehbaren Stellungnahmen der Bundesressorts bitte ich um Verständnis, dass kein genauer Termin für die Vorlage im Bundestag bzw. im Bundesrat benannt werden kann. Zu Frage 85: Die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates in Bezug auf die Regelungen im Entwurf für ein "Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2010" ist ebenfalls Gegenstand der zurzeit stattfindenden Ressortbeteiligung. Vor Abschluss der Ressortbeteiligung ist daher keine verbindliche Antwort hierzu möglich. Anlage 59 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 86 und 87): Ist der Bundesregierung bekannt, dass es in Deutschland nach wie vor möglich ist, aufbereitete Einmalprodukte mit schweren Mängeln auf den Markt zu bringen, worüber zum Beispiel das Deutsche Ärzteblatt (Jahrgang 107, Heft 6, 12. Februar 2010) berichtet? Wann wird die Bundesregierung die angekündigte Studie zur Sicherheit der Aufbereitung von Einmalprodukten vorlegen, und in welchem Zeitrahmen sollen gegebenenfalls die entsprechenden gesetzlichen Regelungen geändert werden? Zu Frage 86: Der Bundesregierung ist bekannt, dass entgegen bestehender Straf- und Bußgeldvorschriften die strengen Vorgaben zur Aufbereitung von Medizinprodukten nicht immer von allen Aufbereitern angewendet werden. Allerdings ist die Schlussfolgerung nicht zulässig, von solchen nicht zu entschuldigenden Einzelfällen auf eine generell unzureichende Qualität aufbereiteter Medizin-produkte zu schließen. Bei den in dem Artikel des Deutschen Ärzteblattes untersuchten Medizinprodukten handelt es sich um Medizinprodukte der Gruppe "Kritisch C", zum Beispiel Herzkatheter. An die Aufbereitung dieser Medizinprodukte werden in der Empfehlung des Robert Koch-Instituts, RKI, und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten" besonders hohe Anforderungen gestellt. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den Medizinprodukten um sogenannte Einmalprodukte oder Produkte, die zum Mehrfachgebrauch vorgesehen sind, handelt. Die Überwachung der Einhaltung der Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten liegt bei den zuständigen Landesbehörden. Zu Frage 87: Die Studie "Qualität aufbereiteter Medizinprodukte" wird vom BfArM durchgeführt. Gegenstand der Studie sind sowohl sogenannte Einmalprodukte als auch Medizinprodukte, die zum Mehrfachgebrauch vorgesehen sind. Die Komplexität der gestellten Aufgabe erforderte eine Vorstudie, deren Abschluss im 1. Halbjahr 2010 erfolgen soll. Das BfArM geht nach derzeitigem Stand davon aus, dass im 2. Halbjahr 2010 mit der Hauptstudie begonnen werden kann. Für die Bundesregierung besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dieser Studie und etwaigen gesetzlichen Änderungen im Zusammenhang mit der Aufbereitung von Medizinprodukten. Solche Änderungen sind derzeit auch nicht beabsichtigt. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU ) (Drucksache 17/1388, Frage 88): Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen der Verhandlungen mit der Schweiz über die Überflüge im süddeutschen Raum zum Flughafen Zürich-Kloten die gemachten Lärmmessungen in den betroffenen Gebieten Süddeutschlands zur Grundlage der Verhandlungen zu machen? Die von Deutschland und der Schweiz gemeinsam beauftragte Lärmbelastungsanalyse "Ermittlung der durch An- und Abflüge auf den Flughafen Zürich hervorgerufenen Lärmbelastung, insbesondere auch in der Grenzregion" wird bei den weiteren Verhandlungen als eine Grundlage dienen. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurden zur Plausibilisierung auch Vergleiche zwischen gemessenen und berechneten Immissionswerten für verschiedene Messstationen durchgeführt. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 17/1388, Frage 89): Welche Position bezieht die Bundesregierung zur geplanten Verlängerung der vorrangigen Transeuropäischen Verkehrsachse 1 (Messina-München-Erfurt-Halle/Leipzig-Berlin) über Rostock nach Skandinavien unter Anbindung von Saßnitz in Verbindung mit der Verlängerung der ebenfalls vorrangigen Verkehrsachse 22 (Prag-Dresden-Berlin-Rostock/Saßnitz) unter entsprechender Anbindung des Raumes Halle/Leipzig/ Magdeburg und der entsprechenden Anmeldung dieses sogenannten Vier-Meeres-Schienenkorridors - im Koalitionsvertrag kurz Nord-Süd-Verbindung genannt - bei der EU-Kommission als zusätzliche, weiterführende und prioritäre Projekte für die für 2010 geplante Revision der Leitlinien für das transeuropäische Verkehrsnetz? Im Rahmen der Revision der TEN-Leitlinien soll das derzeitige Konzept der sogenannten prioritären Projekte zu einem Konzept eines europäischen Kernnetzes weiterentwickelt werden. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass der Nord-Süd-Korridor in einem solchen Kernnetz angemessen berücksichtigt wird. Derzeit gibt es allerdings weder einen Termin noch eine Aufforderung der EU-Kommission zur Anmeldung von Vorhaben für die TEN-Revision. Zurzeit erarbeitet die EU-Kommission eine Methodik, nach deren Kriterien das Kernnetz definiert werden soll. Über konkrete Projekte wird frühestens Ende des Jahres 2010 diskutiert werden. Dessen ungeachtet hat die Bundesregierung das deutsche Interesse an der Aufnahme des obigen Nord-Süd-Korridors in das Kernnetz schon mehrmals gegenüber der EU-Kommission angesprochen. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/1388, Fragen 90 und 91): Welche Ergebnisse und Erfahrungen erbrachte das seit dem 1. April 2009 gültige KfW-Programm "Altersgerecht Umbauen" bisher, und wie bewertet die Bundesregierung diese angesichts des weiterhin bestehenden großen Defizites an barrierefreien Wohnungen? Welche Überlegungen bzw. Vorhaben gibt es seitens der Bundesregierung zu Veränderungen bei diesem KfW-Programm hinsichtlich Umfang, Konditionen und Betitelung des Programms ("Barrierefrei Umbauen" statt "Altersgerecht Umbauen")? Mit dem Konjunkturpaket I wurde das KfW-Programm "Altersgerecht Umbauen" aufgelegt, das Investitionsanreize für Eigentümer und Nutzer setzt, um das Angebot an altersgerechten (barrierefreien/-reduzierten) Wohnungen auszuweiten. Ziel ist, dass vor allem ältere Menschen so lange wie möglich selbstständig in ihrer vertrauten Umgebung wohnen können. Darüber hinaus werden zusätzliche Beschäftigungsimpulse, vor allem für die mittelständische Bauwirtschaft und das Handwerk, ausgelöst. Für die Haushaltsjahre 2009 bis 2011 werden jeweils rund 80 Millionen Euro für Zinsverbilligungen von Darlehen bereitgestellt. Zusätzlich stehen im Haushalt 2010 Investitionszuschüsse in Höhe von 20 Millionen Euro für selbstnutzende Wohneigentümer bereit. Seit Programmbeginn am 1. April 2009 bis zum 31. März 2010 konnten rund 2 760 Darlehen mit einem Gesamtvolumen von über 250 Millionen Euro für Maßnahmen in rund 23 140 Wohnungen zugesagt werden. Maßnahmenschwerpunkte sind der Einbau von Aufzügen, Anpassungen im Sanitärbereich, die Veränderung von Türen sowie des Wohnungszuschnitts. Erwartungsgemäß liegt das höhere Kreditvolumen bei den Wohnungsunternehmen. Doch von den passgenauen Förderbausteinen profitieren auch Selbstnutzer und private Kleinvermieter in hohem Maße: Etwa 88 Prozent aller Zusagen gingen an private Haushalte. Gemäß Koalitionsvertrag soll "das KfW-Förderprogramm zur Versorgung mit altersgerechtem Wohnraum weiterentwickelt" werden. Daher werden gegenwärtig 20 Modellvorhaben, davon 6 Vorhaben zur Infrastruktur, sowie deren wissenschaftliche Begleitung gefördert. Mit den Vorhaben werden mehrere Ziele verfolgt. Es geht um beispielgebend gute Lösungen beim Abbau von Barrieren in Wohngebäuden und im Wohnumfeld. Beratungs- und Moderationsangebote zum altersgerechten Umbauen sollen erweitert werden. Aus den Erfahrungen der Modellprojekte und dem KfW-Programm sollen Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Förderinstrumentariums abgeleitet werden. Eine Umbenennung des inzwischen gut eingeführten Programmnamens ist derzeit nicht vorgesehen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Edgar Franke (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 92 und 93): Trifft es zu, dass der hessische Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, Dieter Posch, und der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Rainer Bomba, in einem intensiven Dialog stehen, um zu ermitteln, wie viele Gelder für den Bau der Bundesautobahn 49 zur Verfügung gestellt werden können, und welche Ergebnisse sind dabei erzielt worden? Plant die Bundesregierung eine Änderung ihres ursprünglichen Vorgehens, erst dann Bundesmittel für den Weiterbau der BAB 49 freizugeben, wenn für alle Bauabschnitte der BAB 49 das Baurecht abschließend vorliegt? Zu Frage 92: Zwischen dem hessischen Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, Dieter Posch, dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Jan Mücke, MdB, und dem Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Rainer Bomba, haben Gespräche über die Finanzierung und den Bau der Autobahn 49 stattgefunden. Für dieses Jahr wurde vorgesehen, erste vorbereitende Maßnahmen einzuleiten. Zu Frage 93: Um eine möglichst verträgliche Bauphase der Gesamtstrecke der Autobahn 49 mit möglichst kurzzeitigen zusätzlichen Verkehrsbelastungen in den Gemeinden, in denen die einzelnen Bauabschnitte jeweils enden, zu ermöglichen, strebt der Bund eine kontinuierliche Baudurchführung für die Gesamtstrecke an. Hinsichtlich der Einstellung der Autobahn 49 in den Straßenbauplan als Anlage zum Bundeshaushalt muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in Hessen in den letzten Jahren zahlreiche wichtige Maßnahmen, wie der Bau der A 66/A 661 im Raum Frankfurt, der 4-streifige Ausbau der Bundesstraße 49 zwischen Limburg und Wetzlar und diverse Ortsumgehungen begonnen wurden. Diese bereits im Bau befindlichen und noch zu finanzierenden Projekte binden derzeit einen Großteil der für Hessen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für den Bundesfernstraßenbau. Haushaltseinstellung und Baubeginne für die Abschnitte sollen nach Vorliegen des Baurechts erfolgen, sobald dies im Rahmen der für das Land Hessen zur Verfügung stehenden Bundesmittel möglich ist. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 94): Ist die Bundesregierung bereit, die durch die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, BImSchG, in deutsches Recht übergegangene Umgebungslärmrichtlinie und die deshalb in das BImSchG eingeführten gesetzlich vorgeschriebenen Lärmaktionspläne umsetzen zu helfen, und, wenn ja, in welcher Höhe wird die Bundesregierung finanzielle Mittel für die lärmdämmenden Maßnahmen, wie Errichtung von Lärmschutzwällen bzw. -wänden an Autobahnen, Tests von Straßenbelägen, die weniger Fahrgeräusche verursachen, wie zum Beispiel Flüsterasphalt, oder den Einbau von speziellen Fenstern für Anwohner an besonders lauten Straßen, zur Verfügung stellen? Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung bei Hauptverkehrsstraßen ist Aufgabe der Gemeinden, soweit nicht das Landesrecht eine andere Regelung trifft. Die Straßenbaulastträger sind bei der Aufstellung zu beteiligen. Sofern im Einvernehmen mit ihnen konkrete Maßnahmen im Lärmaktionsplan enthalten sind, besteht keine zeitliche Vorgabe, festgelegte Maßnahmen umzusetzen. Sie sind jedoch im Rahmen von Planungen zu berücksichtigen. Gleichwohl wird der Bund auch weiterhin den Lärmschutz an bestehenden Bundesfernstraßen verbessern und freiwillig auf haushaltsrechtlicher Grundlage Lärmsanierungsmaßnahmen durchführen. Im Haushaltsplan für das Jahr 2010 stehen hierfür bundesweit etwa 50 Millionen Euro zur Verfügung, die sowohl für aktive Lärmschutzmaßnahmen - zum Beispiel Lärmschutzwände oder -wälle, lärmmindernde Fahrbahnoberflächen -, als auch für passive Lärmschutzmaßnahmen - zum Beispiel Lärmschutzfenster - verwendet werden können. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 95): Unterstützt die Bundesregierung den Vorstoß des hessischen Verkehrsministers Dieter Posch, FDP, Verstöße gegen das Nachtfahrverbot von Lastwagen - bisher 20 Euro - härter zu bestrafen, und, wenn ja, hält die Bundesregierung die vorgeschlagene Höhe von 300 Euro und einen Monat Führerscheinentzug für Ersttäter und 500 Euro und zwei Monate Fahrverbot beim zweiten Übertritt für angemessen? Die Bundesregierung steht einer Überprüfung des Sanktionsniveaus bei Verstößen gegen Anordnungen eines Nachtfahrverbotes offen gegenüber. Sie wird einem entsprechenden Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 14./15. April 2010 Folge leisten. Die Überprüfung wird unter Beachtung des Sanktionsgefüges des Ordnungswidrigkeitenrechts vom zuständigen Bund-Länder-Gremium durchgeführt werden. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 96 und 97): Wie ist angesichts letzter Medienberichte (8. April 2010: ARD, Kontraste-Sendung) die aktuelle Haltung der Bundesregierung zur Einführung einer Pkw-Maut? Gibt es derzeit Pläne in der Bundesregierung zur Erarbeitung einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, LuFV, für Bundesfernstraßen, und, wenn ja, wie soll die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern konkret inhaltlich ausgestaltet werden? Zu Frage 96: Durch diesen oder ähnlich lautende Medienberichte hat sich die bisherige Haltung der Bundesregierung zur Einführung einer Pkw-Maut nicht verändert. Eine Pkw-Maut steht nicht im Koalitionsvertrag und somit nicht auf der Tagesordnung der Bundesregierung. Zu Frage 97: Nein, derzeit gibt es keine Pläne der Bundesregierung zur Erarbeitung einer LuFV für Bundesfernstraßen. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 98): Warum hat die Bundesregierung die Fördermittel für den kombinierten Verkehr mit der Begründung mangelnder Nachfrage um die Hälfte gekürzt, sodass nunmehr lediglich 55 Millionen Euro zur Verfügung stehen, obwohl das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung selbst bestätigt hat, dass für den kombinierten Verkehr und private Gleisanschlüsse Förderanträge in Höhe von insgesamt 450 Millionen Euro vorliegen, was ein Fördervolumen von rund 385 Millionen Euro bedeutet? Der Deutsche Bundestag hat auf Vorschlag des Haushaltsausschusses abweichend vom Haushaltsentwurf der Bundesregierung beschlossen, disponible Mittel im gesamten Bundeshaushalt zu kürzen. Im Einzelplan 12 ist die Förderung des Kombinierten Verkehrs um insgesamt 64 Millionen Euro abgesenkt worden. Zutreffend weisen Sie darauf hin, dass den Bewilligungsbehörden EBA und WSD West Förderanträge mit einem Gesamtvolumen von 450 Millionen Euro vorliegen. Allerdings ist dies eine Bruttosumme, und jeder Antrag muss einzeln geprüft werden. Deswegen kann das genaue Fördervolumen - bis zu 85 Prozent des Gesamtvolumens - derzeit noch nicht seriös beziffert werden. Erfahrungsgemäß wird es deutlich geringer ausfallen als die genannten 385 Millionen Euro. Außerdem werden regelmäßig Zuwendungen über mehrere Haushaltsjahre entsprechend des Baufortschritts erteilt. Um einem Mehrbedarf in 2010 zu entsprechen, können nach abgeschlossener haushaltsrechtlicher Prüfung im Übrigen noch nicht gebundene Mittel aus dem sogenannten Konjunkturpaket II zusätzlich zu den im Haushalt 2010 vorgesehenen Mittelansatz in Höhe von insgesamt 57,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, wenn die Voraussetzungen des Investitions- und Tilgungsfondsgesetzes erfüllt sind - bis Ende 2010 begonnen und bis zum 31. Dezember 2011 abgerechnet. Die Mittel für das Gleisanschlussförderprogramm sind nicht von der Kürzung betroffen. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 99): Wann legt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der auslaufenden Kompensationszahlungen für die ehemalige Gemeindeverkehrsfinanzierung ein Konzept für die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs, ÖPNV, vor, das dem Bedarf an Investitionen in die ÖPNV-Infrastruktur gerecht wird, und gibt es bereits erste Eckpunkte eines solchen Konzepts? In der Koalitionsvereinbarung ist festgelegt worden, dass über die Höhe der Finanzausstattung für die ehemalige Gemeindeverkehrsfinanzierung für die Zeit von 2014 bis 2019 in der Mitte dieser Legislaturperiode - das heißt im Herbst 2011 - entschieden wird. Derzeit finden zur Klärung der Frage, in welcher Höhe die den Ländern zugewiesenen Finanzierungsmittel für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zur Aufgabenerfüllung der Länder noch angemessen und erforderlich sind, vorbereitende Gespräche zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Bundesministerium der Finanzen statt. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/1388, Frage 100): Wie will die Bundesregierung künftig die Wettbewerbsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr und die Gestaltungsspielräume der Kommunen ausgestalten, um so die Daseinsfürsorge und eine bezahlbare Nahverkehrsversorgung zu garantieren sowie die Struktur von kleinen und mittelständischen Verkehrsanbietern zu erhalten? Entsprechend der Ankündigung im Koalitionsvertrag wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für eine Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes an den europäischen Rechtsrahmen vorlegen. Sie teilt die Auffassung, dass sowohl die Daseinsvorsorge im ÖPNV als auch die Beteiligung kleiner und mittelständischer Unternehmen als wichtige Ziele anzusehen sind. Zu dem Inhalt des Gesetzentwurfs können zurzeit noch keine näheren Angaben gemacht werden. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/1388, Fragen 101 und 102): Wird die Bundesregierung zur Finanzierung der zusätzlich zum Bundeshaushalt 2010 angekündigten 100 Millionen Euro für die Beseitigung von Frostschäden an Straßen (siehe FAZ.NET vom 14. April 2010) einen Nachtragshaushalt aufstellen, und, wenn nein, aus welchem Haushaltstitel des beschlossenen Bundeshaushalts 2010 sollen die 100 Millionen Euro zusätzlich finanziert werden? Wie begründet die Bundesregierung den Positionswandel des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, der ursprünglich zusätzliche Bundesmittel für die Beseitigung von Frostschäden ausdrücklich für Straßen in der Trägerschaft der Kommunen angekündigt hatte und jetzt lediglich Mittel für Bundesstraßen zur Verfügung stellen will? Zu Frage 101: Die Länder erhalten vom Bund aus verschiedenen Titeln des Bundeshaushalts jährlich erhebliche Summen für die Erhaltung der Bundesfernstraßen, so auch aus dem beschlossenen Bundeshaushalt 2010. Die Beseitigung der erheblichen Frostschäden des letzten Winters hat derzeit Priorität. In Anbetracht dessen hat Bundesminister Ramsauer entschieden, dass aus den grundsätzlich zur Verfügung stehenden Mitteln nunmehr 100 Mil-lionen Euro vorrangig für Sofortmaßnahmen in diesem Zusammenhang an Autobahnen und Bundesstraßen bereitgestellt werden. Damit können die Straßenbauverwaltungen der Länder schnell handeln. Eines Nachtragshaushaltes bedarf es hierfür nicht. Zu Frage 102: Aufgrund der Zuständigkeiten beziehen sich Aussagen des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung grundsätzlich auf den für den Bund verfassungsrechtlich festgelegten Zuständigkeitsbereich, hier also auf die Autobahnen und Bundesstraßen. Der Bundesminister hat in mehreren Verlautbarungen klargemacht, dass Bund, Länder und Kommunen jeweils für ihre eigenen Straßen selbst aufkommen müssen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung gegenüber den Ländern erklärt, dass ihrer Auffassung nach Mittel des Zukunftsinvestitionsgesetzes unter bestimmten Bedingungen auch für die Beseitigung von Winterschäden an kommunalen Straßen eingesetzt werden können. Anlage 71 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1388, Frage 103): Welche Transportdatenerhebungen bezüglich von Transporten radioaktiver Stoffe in Deutschland hat die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, in dieser und in der letzten Wahlperiode für die Bundesregierung durchgeführt - bitte vollständige Angabe -, und inwiefern wurden für die sogenannte Transportstudie Konrad der GRS Daten von Transporten radioaktiver Stoffe, die nicht das Endlager Konrad betreffen, erhoben, unabhängig davon, ob diese letztlich in die Transportstudie Konrad eingeflossen sind? Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, hat in der 16. und 17. Legislaturperiode keine Transportdatenerhebungen zu Transporten von radioaktiven Stoffen in Deutschland durchgeführt. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, hatte im März 2004 - also während der 15. Legislaturperiode - dem BMU einen Bericht zur "Strahlenexposition des Transportpersonals und der Bevölkerung beim normalen (unfallfreien) Transport radioaktiver Stoffe in ausgewählten Anwendungsbereichen" vorgelegt. Von der GRS wurden für die "Transportstudie Konrad" ausschließlich Daten von radioaktiven Abfällen erhoben, die nur das Endlager Konrad betreffen; darüber hinausgehend wurden in diesem Zusammenhang keine weiteren Daten erhoben. Anlage 72 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜ NDNIS 90/DIE GRÜ NEN ) (Drucksache 17/1388, Fragen 104 und 105): Welche anlagenbezogenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Atommülllager Asse II, die im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle in Gorleben standen, wurden bis Ende der 13. Wahlperiode durchgeführt und beschlossen - bitte auch zeitlichen und finanziellen Gesamtumfang angeben oder, falls nicht anders möglich, abschätzen -, und welche wesentlichen Forschungs- und Entwicklungsprogramme gab es in diesem Zusammenhang? Kann die Bundesregierung bestätigen, dass dem Vermerk an den ehemaligen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, Helmut Stahl, vom 2. April 1997, der im BMBF anlässlich eines die Öffentlichkeitsarbeit im Atommülllager Asse II betreffenden Briefes von einem Vorstand der PreussenElektra AG vom 14. März 1997 erstellt wurde, eine Kopie für das Ministerbüro beilag, und auf welche Weise wurde das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, über den Vorgang - bitte mit Angabe, wie hoch in der BMU-Hierarchie die Kenntnis gelangte - in Kenntnis gesetzt? Zu Frage 104: Aufgrund der gesichteten Akten, soweit dies in der für die Beantwortung von mündlichen Fragen zur Verfügung stehenden Zeit möglich ist, schätzt die Bundesregierung die Situation wie folgt ein: In den Jahren 1974 bis 1993 wurden insgesamt rund acht Projekte in der Schachtanlage Asse II durchgeführt, die im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle in Gorleben standen. Die im Rahmen dieser Projektförderung verausgabten Bundesmittel belaufen sich insgesamt auf rund 53 Millionen Euro. Zu Frage 105: Von Vorgängen mit Leitungsbefassung wird meistens eine Kopie für das Ministerbüro erstellt. Ob diese Kopie auch im vorliegenden Fall erstellt wurde, kann mit letzter Sicherheit erst aufgrund eines eingehenden Studiums aller in Betracht kommenden Akten festgestellt werden. Dies kann im Rahmen der für die Beantwortung von Mündlichen Fragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden. Allerdings bedeutet auch die Erstellung einer Kopie für das Ministerbüro nicht, dass der Minister diese auch persönlich zur Kenntnis genommen hat. Auch die Frage, in welcher Weise das BMU über diesen Vorgang in Kenntnis gesetzt wurde und wie hoch in der BMU-Hierarchie diese Kenntnis gelangte, kann nicht in der für die Beantwortung mündlicher Fragen verfügbaren Zeit beantwortet werden. 3448 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 36. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 21. April 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 36. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 21. April 2010 3449 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 3480 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 36. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 21. April 2010 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 36. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 21. April 2010 3481