Die Parlamentarische Versammlung des Europarates war nicht nur das allererste parlamentarische Gremium auf europäischer Ebene nach dem Zweiten Weltkrieg, mit heute 626 Abgeordneten (313 ordentliche und 313 stellvertretende) ist es auch das größte politische Forum Europas. Die Versammlung begleitet die Arbeit des Ministerkomitees und gibt immer wieder eigene Anstöße. Vier Mal im Jahr tagt die Plenarversammlung, alle sechs bis sieben Wochen treten die Ausschüsse zusammen. Außer dem Politischen Ausschuss gibt es einen für Geschäftsordnungsangelegenheiten, einen für Wirtschaft und Entwicklung, einen für Sozialordnung, Gesundheit und Familie, einen für Recht und Menschenrechte, einen für Kultur, Wissenschaft und Bildung, einen für Umwelt und Landwirtschaft, einen für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, einen für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen und einen für die Gleichstellung von Frauen und Männern – auch diese Fülle vermittelt einen Eindruck von dem wichtigen und breiten Aufgabenspektrum.
Die deutsche Delegation besteht aus 18 ordentlichen Mitgliedern (acht von der SPD, sieben von der CDU/CSU, zwei von Bündnis 90/Die Grünen und eines von der FDP). Sie wird geleitet von Rudolf Bindig (SPD), der zugleich Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung ist. Wie stark sich die deutschen Abgeordneten engagieren, wird unter anderem auch darin deutlich, dass Vizedelegationsleiter Eduard Lintner (CDU/CSU) Vorsitzender des Ausschusses für Recht und Menschenrechte ist.
Nebenbei ist nach Bindigs Erfahrungen die verantwortungsvolle Arbeit im Europarat nicht zu erledigen. Er schätzt die Verteilung seines Zeitaufwandes auf ein Drittel Bundestag, ein Drittel Wahlkreis und ein Drittel Europarat. Und dieser Einsatz lohnt sich. Bei der Weiterentwicklung des Völkerrechtes auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes konnte er verantwortlich mitarbeiten, die Aufnahme Estlands in den Europarat hatte er zu betreuen, dann die Aufnahme der Russischen Föderation, für die er eine lange Liste vorher zu erfüllender Bedingungen mit aufstellte. Jetzt beobachtet er, ob die eingegangenen Verpflichtungen erfüllt werden. Das bedeutet, dass Bindig direkten Zugang zu höchsten Repräsentanten hat, sich jederzeit ein eigenes Bild etwa von der Situation in Tschetschenien machen kann – und dass natürlich viele seiner Telefonate und Gespräche nicht ohne Folgen bleiben. Am Beispiel des Umgangs mit der Türkei schildert Bindig zudem den Unterschied zwischen Bundestag und Europarat: „Wenn die Betroffenen dabei sind und direkt reagieren können, wenn man nicht über jemanden, sondern mit einem spricht, verläuft das Gespräch natürlich völlig anders.“ So nehme jeder deutsche Parlamentarier aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarates immer wieder eine Fülle wichtiger Erkenntnisse mit in den Bundestag.
Text: Gregor Mayntz
Foto: picture-alliance
Europarat in
Kürze:
Der Europarat wurde am 5. Mai 1949 als erste europäische
Staatenorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen.
Er zählt 45 Mitgliedsländer und eine Reihe von
Beobachtern. Deutschland gehört ihm als Vollmitglied seit 1951
an. Zu den Aufgaben des Europarats gehören mit Blick auf eine
größere europäische Einheit der Schutz der
Menschenrechte und die Stärkung der pluralistischen
Demokratie, die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen
Fortschritts sowie die Erarbeitung gemeinsamer Lösungen
für die Probleme unserer Zeit wie Fremdenhass,
Minderheitenschutz und Umweltschutz.
Schrittmacherfunktion bekam der Europarat nach dem Fall der Mauer
und der Öffnung des Ostens für die Integration der
entstehenden neuen Demokratien. Frühzeitig mit eingebunden,
fanden sie im Europarat Orientierung und Verankerung. Wichtiger
Meilenstein war die Aufnahme Russlands, dem eine intensive
Überprüfung (und damit auch innere Korrektur) des
institutionellen und rechtlichen Gefüges voranging.
Der Europarat hat unter anderem durch rund 200 europäische
Abkommen und Rahmenkonventionen maßgeblich zur
Rechtsangleichung in Europa, zum Schutz von Menschenrechten, zur
Entwicklung der parlamentarischen Demokratie und zu einem
Bewusstsein für die europäische Identität
beigetragen. Sein Aufbau besteht aus dem Ministerkomitee mit den
Außenministern, der Parlamentarischen Versammlung und dem
Kongress der Regionen und Gemeinden.
Nicht verwechselt werden sollte der Europarat mit dem
Europäischen Rat, dem die Staats- und Regierungschefs der EU
angehören. Der Europäische Rat spielt eine zentrale Rolle
bei der Gestaltung der EU-Politik.
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