Europa. Die Türkei hat große Fortschritte beim Aufbau eines funktionierenden Rechtsstaates und damit bei der Erfüllung der Kopenhagener Beitrittskriterien der EU gemacht. Dies nahm der Vorsitzende des Harmonisierungsausschusses des türkischen Parlaments, Yasar Yakis, am 10. März im Europaausschuss des Bundestages für sein Land in Anspruch. Er stimme mit EU-Kommissar Günter Verheugen überein, wonach "die Türkei in den letzten zwei Jahren mehr Reformen verwirklicht hat als in den 80 Jahren zuvor". Deshalb hofft Yakis, dass sich der Europäische Rat im Dezember dieses Jahres für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara entscheidet. Nach Überzeugung Yakis' kann der Zypern-Konflikt mit Hilfe des Annan-Plans gelöst werden, so dass ein vereinigtes Zypern der EU am 1. Mai dieses Jahres beitreten kann.
Die Abschaffung der Todesstrafe, der Ausbau der Grundrechte und die Zulassung anderer Sprachen neben Türkisch in Funk und Fernsehen seien Anzeichen dafür, dass die Türkei mittlerweile weiter sei als manche Mitgliedstaaten der EU. Er verwies auf Menschenrechtsverstöße in anderen EU-Staaten, in denen auch nicht alle Gesetze angewandt würden. Daher fühle sich die Türkei in der Frage der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien ungleich behandelt, wolle jedoch an dem begonnenen Weg festhalten. Weiter betonte Yakis den großen Rückhalt der Beitrittsbemühungen in der Bevölkerung. Onur Öymen, Mitglied der Oppositionspartei CHP, unterstrich die Zustimmung der Opposition zum eingeschlagenen Reformkurs der Regierung.
Die SPD würdigte die "eindrucksvolle Geschwindigkeit" der Reformen und betonte, dass ein geeintes Zypern ein wichtiges Signal wäre. Sie unterstütze die Bundesregierung in ihrer positiven Bewertung einer EU-Mitgliedschaft Ankaras. Die Fraktion hielt der Union vor, außenpolitische Ziele für innenpolitische Zwecke zu instrumentalisieren. Die CDU/CSU betonte die Unterstützung für die Reformen, da diese unabhängig von der Beitrittsfrage den Menschen zu Gute kämen. Eine Aufnahme Ankaras in die Türkei würde jedoch zur Zeit die Integrationskraft der Gemeinschaft überfordern, argumentierten die Parlamentarier. Es sei schwierig, ein Land mit einer Bevölkerung von 75 Millionen Menschen zu integrieren. Schließlich habe die Türkei mehr Einwohner als die zehn Beitrittsländer zusammen. Vor der Aufnahme weiterer Mitglieder solle zunächst die erweiterte Union erprobt werden, so die Fraktion. Das Konzept der "Privilegierten Partnerschaft", das die CDU-Vorsitzende Angela Merkel unlängst in der Türkei vorgeschlagen habe, sei ein guter Weg und trage den besonderen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei Rechnung.
Die Bündnisgrünen unterstützen die Beitrittsbemühungen der Türkei, sehen jedoch in der Praxis noch viel Arbeit. Die Parlamentarier äußerten die Hoffnung, beim nächsten Besuch der türkischen Parlamentarier auch eine weibliche Abgeordnete begrüßen zu dürfen. Nach Ansicht der Fraktion würde ein Beitritt der Türkei mehr Sicherheit für den europäischen Kontinent bedeuten und dabei helfen, die Situation der Türken in Deutschland zu verbessern. Außerdem wiesen die Abgeordneten auf die traditionell guten Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei und das große ökonomische Potenzial Ankaras hin.
Die FDP möchte ebenfalls an der Beitrittsperspektive festhalten, sieht jedoch trotz der großen Anstrengungen noch klare Defizite, insbesondere beim Minderheitenschutz. Die Fraktion forderte die türkischen Besucher auf, für eine konsequente Verfolgung von Straftaten einzutreten.