Das Parlament: Herr Professor Köhler, Sie sind vor zwei Monaten von der Union als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten nominiert worden. Sie haben in den vergangenen sechs Jahren in Großbritannien und den USA gelebt. Nun sind Sie erstmals wieder für einen längeren Zeitraum in Deutschland. Was haben Sie über Deutschland in dieser Zeit gelernt?
Horst Köhler: Nach sechs Jahren im Ausland finde ich Deutschland liebenswerter und interessanter denn je. Es ist vor allem die Vielfalt Deutschlands, die unterschiedlichen Dialekte und Landschaften, die ich im Moment sehr stark wahrnehme. Außerdem weiß ich durch meine frühere Tätigkeit beim Internationalen Währungsfonds, dass andere Gesellschaften auch ihre Probleme haben. Da relativiert sich manches. Tatsache ist aber auch, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wirtschaftlich an Boden verloren hat. Momentan spüre ich bei den Deutschen eine große Verunsicherung. Und manchmal habe ich sogar das Gefühl, es ist Angst, die die Menschen umtreibt. Gut ist: Die meisten Bürger akzeptieren, dass man die Reformdiskussion führen muss und Reformen braucht. Aber die Bürger wissen noch nicht so recht, ob das Reformen sind, die ihnen wirklich weiter helfen und in ihrem Interesse sind. Insofern herrscht Konfusion. Hinzu kommt eine Verunsicherung über das, was sich in der Welt abspielt. Wir reden über Globalisierung. Die Menschen wissen aber nicht, was das eigentlich ist. Wie wirkt sich das auf mein Leben, auf mein Land aus? Wo wird künftig Deutschlands Platz in der Welt sein? Werden wir unseren Wohlstand halten können? Wie sollen wir mit dem bedrohlichen Thema Terrorismus umgehen? All das sind Fragen, die sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs stellen.
Das Parlament: Wir sind in einem Suchprozess ohne Konzepte?
Horst Köhler: Wir haben sicherlich auf viele Fragen noch keine schlüssigen Antworten. Aber jedenfalls bewegt sich endlich etwas in Deutschland mit der Agenda 2010 und den noch weiter gehenden Reformvorschlägen von Union und FDP. Jetzt müssen diese Konzepte allerdings auch in die Tat umgesetzt werden, damit wieder neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen und auch unsere Kinder noch die Chance auf eine gute Zukunft haben. Was die Frage der Globalisierung angeht, stimme ich ausdrücklich mit Bundespräsident Johannes Rau überein, wenn dieser fordert, dass die Globalisierung der politischen Gestaltung bedarf. Das Ende des Ost-West-Konflikts, über das wir uns alle gefreut haben, hat gewaltige Kräfte freigesetzt, deren ganze Wirkung wir noch gar nicht voll abschätzen können. Leider haben wir bislang noch keine strukturierte Diskussion über eine neue Weltordnung geführt.
Das Parlament: Können Sie eine neue Weltordnung skizzieren?
Horst Köhler: In meiner Zeit als IWF-Chef habe ich mir vor allem Gedanken darüber gemacht, wie man eine bessere Globalisierung erreichen kann, also eine Globalisierung, die für alle Menschen auf diesem Planeten ein besseres Leben schafft. Die wichtigste Aufgabe ist der Kampf gegen die weltweite Armut. Die Vereinten Nationen haben sich zum Ziel gesetzt, die Weltarmut bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Dies setzt aber eine gleichermaßen große Anstrengung auf Seiten der armen und der reichen Länder voraus. Das Konzept hierfür wurde 2002 auf der Entwicklungskonferenz im mexikanischen Monterrey definiert. Dieses Konzept muss jetzt Wirklichkeit werden. Hier reden mir die reichen Länder noch immer zu viel und machen zu wenig.
Das Parlament: Können Sie das erklären?
Horst Köhler: Nehmen Sie die Subventionen im Agrarbereich: Hier sind die Europäische Union und die USA nach wie vor große Sünder. Während diese Länder Marktwirtschaft predigen, subventionieren sie ihre eigenen Produkte so massiv, dass sie Anbietern aus armen Ländern das Leben zusätzlich schwer machen. In der OECD, also in den reichen Ländern, werden rund 300 Milliarden Dollar pro Jahr für Subventionen ausgegeben. Die offizielle Entwicklungshilfe dieser Länder beläuft sich dagegen lediglich auf rund 55 Milliarden Dollar pro Jahr. In dieser riesigen Differenz drückt sich auch ein Stück Unglaubwürdigkeit der Entwicklungspolitik aus. Zum Glück geht die jetzt begonnene Diskussion um die EU-Agrarreform in die richtige Richtung.
Das Parlament: Und Deutschland spricht auch mit gespaltener Zunge?
Horst Köhler: Sie können in das Haushaltsgesetz des Bundes für 2004 schauen und dort feststellen, dass der Anteil der Entwicklungshilfe 0,25 Prozent beträgt. Aber die Vereinten Nationen fordern schon seit mehr als 30 Jahren, dass 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts von den Industrieländern als Entwicklungshilfe geleistet werden soll. Dies macht deutlich, dass die Entwicklungshilfe in der politischen Prioritätenliste nicht sehr weit oben steht. Insgesamt leistet Deutschland aber einen konstruktiven Beitrag, insbesondere was die technische Zusammenarbeit angeht. Viel zu lange haben wir die Rolle intakter Institutionen für Demokratie und Marktwirtschaft unterschätzt. Insbesondere in Afrika geht es darum, ein funktionierendes Staatswesen aufzubauen, etwa um der Korruption beizukommen.
Das Parlament: Sie glauben, dass Deutschland schon aus eigenem wohlverstandenem Interesse "eine Welt" denken muss? Letztendlich ist das die Konsequenz aus der Globalisierung?
Horst Köhler: Wir müssen in den Industrieländern noch besser begreifen, dass Wohlstand und politische Stabilität bei uns wesentlich auch davon abhängen, was im Rest der Welt geschieht. Bereits vor einiger Zeit habe ich sechs Grundgedanken zur Gestaltung der Globalisierung formuliert. Erstens: Jedes Land muss die Rückwirkungen seiner Politik auf die Nachbarn, und vor allem auf die Armen dieser Welt, berücksichtigen. Zweitens: Die Eigenverantwortung der armen Länder muss gestärkt und nicht geschwächt werden. Drittens: Wir brauchen einen globalen Ordnungsrahmen für das internationale Handels- und Finanzwesen und den Schutz der Umwelt als globales öffentliches Gut. Viertens: Die Bekämpfung der weltweiten Armut muss in der Zielhierarchie der Industrieländer ganz nach oben rücken. Fünftens: Wir müssen die Vielfalt der Kulturen und der Schöpfung auf diesem Planeten als Reichtum anerkennen und respektieren. Sechstens: Eine globale Welt braucht ein globales Ethos, also weltweit akzeptierte Grundnormen ethischen Verhaltens.
Das Parlament: Die Entwicklung im Irak ist besorgniserregend. Womöglich installiert sich nach dem Abzug der Amerikaner am 30. Juni ein Gottesstaat. Die von Ihnen beschriebene Weltordnung findet dort nicht einmal in Ansätzen statt.
Horst Köhler: Zunächst einmal muss ich Sie korrigieren: Die Amerikaner werden am 30. Juni nicht aus dem Irak abziehen, sondern haben lediglich die Absicht, die Regierungsgewalt an die Iraker zu übergeben. Das ist zu begrüßen. Sicherlich haben die Amerikaner, ebenso wie die Europäer, Fehler gemacht. Jetzt kommt es aber darauf an, nach vorn zu schauen. Die internationale Gemeinschaft muss unter Führung der Vereinten Nationen zusammenstehen, um Sicherheit und Wiederaufbau im Irak möglich zu machen. Ich persönlich denke, dass sich gerade die Deutschen in dieser schwierigen Zeit als Freunde der Amerikaner erweisen sollten.
Das Parlament: Was muss jetzt konkret passieren?
Horst Köhler: Ich hoffe, dass die Vorschläge des UN-Sonderbotschafters Lakhdar Brahimi für die Übergabe der Souveränität an den Irak auf die notwendige Zustimmung stoßen. Die Koalition muss weiterhin für die Sicherheit im Irak sorgen und die internationale Gemeinschaft die konkreten Beiträge für den Wiederaufbau definieren.
Das Parlament: Die EU-Erweiterung ist gerade zwei Tage alt. Ihre Eltern waren deutschstämmige Bauern im rumänischen Bessarabien (heute Moldawien). Ihre Familie wurde vor ihrer Geburt 1943 nach Ost-Polen umgesiedelt. Ihre Mutter floh aus Polen mit Ihnen als einjährigem Kind und vier weiteren Geschwistern vor der Roten Armee gen Westen in die Gegend um Leipzig. Was haben Sie für Erinnerungen an die schwierige Zeit?
Horst Köhler: Über Polen kann ich nicht viel erzählen, da war ich noch zu klein. Aber ich weiß, dass vor allem meine Mutter
traumatische Erlebnisse hatte. An die Zeit in Markkleeberg bei Leipzig erinnere ich mich dagegen gut. Ich hatte eine vergleichsweise unbeschwerte Kindheit. Ich war noch nicht alt genug, um die Schattenseiten des Sozialismus zu erleben. Und meine Eltern und wir Kinder lebten auf einem Bauernhof. Da hatten wir viel Platz zum Spielen in der Scheune oder mit den Tieren. Ich bin gern mit meinem Vater hinaus gefahren, wenn er das Feld bestellt hat. Es gab aber zwei Dinge, an denen ich merkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Der direkte Nachbar war ein ausgewiesener Kommunist, ein Hardliner, würde man wohl heute sagen. Der hat uns ständig malträtiert, und meine Mutter hat mehrmals über den Zaun hinweg mit ihm gestritten.
Kurz vor Weihnachten 1952 wurde mein Vater wegen einer Schwarzschlachtung verhaftet. Der Fleischer, bei dem wir ein Schwein hatten schwarz schlachten lassen, war verraten worden. Schwarzschlachtungen waren in der Ostzone ein schweres Vergehen. Es gab ständig Kontrollen, wie viele Tiere man hatte, und entsprechend musste man dann abliefern. Der Anlass für unsere Schwarzschlachtung war eigentlich eine schöne Geschichte: Als unsere Sau Junge bekam, hatte mein Vater zunächst gedacht, eines davon sei tot. In der rauen Bauernwirklichkeit wurde das tote Ferkel auf den Misthaufen geworfen. Einer meiner Brüder hat schließlich bemerkt, dass das kleine Ferkel noch lebte. Er hat das Ferkel vom Misthaufen genommen und in die Küche gebracht. Mein Bruder und meine Mutter haben es mit der Flasche aufgepeppelt. Daraus wurde dann ein kapitales Schwein, und das war nicht im sozialistischen Planungs- und Kontrollsystem vorgesehen. Mein Vater kam dann erst kurz vor Silvester aus der Untersuchungshaft zurück, und es war dann klar, dass wir es in der Ostzone nicht mehr aushalten konnten. Ostern 1953 sind wir dann geflohen. Da war ich zehn Jahre alt.
Das Parlament: Wie hat sich Ihre Familie durchgeschlagen?
Horst Köhler: Wir sind zunächst nach West-Berlin geflohen und haben für mehrere Monate in einem Notaufnahmelager gelebt. Das war eine Turnhalle, in der viele Familien untergebracht waren. Dann haben wir in Flüchtlingslagern in Weinsberg, Back-nang und Ludwigsburg gelebt. Wir haben erst viereinhalb Jahre nach der Flucht eine eigene Wohnung bekommen.
Das Parlament: Wie haben Sie die Zeit erlebt? Wie haben Sie es in dieser Situation überhaupt geschafft, auf das Gymnasium zu kommen?
Horst Köhler: Ich hatte keine Vorstellung davon, aufs Gymnasium zu gehen. Meine Eltern waren ganz einfache Leute, Bauern. Und auch sonst ging keines meiner Geschwister auf eine höhere Schule. Bei mir war es Glück und Zufall. Ein sehr aufmerksamer Lehrer, der Lehrer Balle, der hat dafür gesorgt, dass ich aufs Gymnasium kam. Ich war ihm offenbar aufgefallen. Im Flüchtlingslager musste ich mich in einem ganz schön rauen Umfeld behaupten. Viele Menschen lebten auf engem Raum zusammen. Die meiste Zeit haben wir als Familie in einem Zimmer mit vier bis sechs anderen Familien gelebt. Wir hatten eine Ecke mit drei Stockbetten. Diese Zimmerecke wurde mit grauen Militärdecken abgehängt. In der Mitte stand ein kleiner Tisch. 1956 haben wir in Ludwigsburg als Familie ein eigenes Zimmer bekommen. Das empfanden wir wie ein kleines Schloss. Als wir 1957 eine Dreizimmerwohnung bekamen, haben wir geglaubt, jetzt sind wir wirklich angekommen. Jetzt haben wir ein Zuhause.
Das Parlament: Wie hat Sie das bis heute geprägt?
Horst Köhler: Mir war immer bewusst, dass einem im Leben nichts geschenkt wird. Man muss für alles arbeiten. Wir waren aber trotzdem dankbar, dass wir aus der sowjetischen Besatzungszone heraus kamen. Wir hatten begriffen, was Freiheit ist. Meine Eltern hatten dann auch diskutiert, was sie wählen sollten. Das war für sie eine völlig neue Erfahrung, da es in der Ostzone keine wirkliche demokratische Alternative gab. Ich selbst hatte das Glück, eine gute Ausbildung zu erhalten und einen steilen beruflichen Aufstieg zu erleben. Dafür bin ich noch heute dankbar.
Das Parlament: Sie haben einmal gesagt, man muss wissen, wo man seine Wurzeln hat, und die soll man auch nicht verdorren lassen. Wo sind Ihre Wurzeln?
Horst Köhler: Das ist nicht so einfach. Die Eltern aus Bessarabien. Geboren in Polen, bis zum zehnten Lebensjahr in der sowjetischen Besatzungszone und dann in Süddeutschland, was ich als meine Heimat betrachte. Dieses Leben hat mein Bewusstsein geschärft, dass man etwas braucht, wo man seine Verankerung hat. Die Verankerung ist als erstes mein Elternhaus und dann meine Familie mit meiner Frau und meinen zwei Kindern. Ich bin seit 35 Jahren verheiratet. Und wenn man im Ausland lebt, wächst auch die Verbundenheit mit dem eigenen Land. Für meine emotionale Verankerung ist der Glaube an Gott wichtig. Meine Eltern kamen aus einer bäuerlichen, einfachen Welt. Aber sie hatten ein unmittelbares, fast naives religiöses Verständnis, dass es da etwas gibt, was der Mensch nicht mit seinem Verstand erfassen kann, aber braucht, um sich in der Welt Ordnung und Zuversicht zu erhalten. Dieses Erleben, Zuversicht aus dem Glauben zu nehmen, hat mich von der frühesten Kindheit an geprägt und mir in meinem Leben immer wieder geholfen. Ich habe mich in schwierigen Situationen immer wieder gefunden, indem ich mich an meinen Konfirmationsspruch erinnert habe, der da lautet: "Gott lädt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch." Ich glaube, dass ich Verantwortung mir selbst gegenüber habe, meiner Familie gegenüber, aber auch Verantwortung gegenüber Anderen, dem Nachbarn, der Gemeinschaft. Freiheit, von der ich zutiefst überzeugt bin, dass sie das Beste im Menschen wecken und befördern kann, ist ein hohes Gut. Aber Freiheit ohne Bindung ist nichts. Freiheit muss sich in Verantwortung bewähren. Freiheit verstehe ich nicht als exzessive Individualität. Denn Freiheit heißt eben auch, Veränderungen im Interesse der Gemeinschaft zu erreichen.
Das Parlament: Fehlt den Deutschen ihr gerade umschriebenes Verständnis von Freiheit und Verantwortung?
Horst Köhler: Ich glaube, dass uns dieser fast ungebrochene materielle Wohlstandszuwachs in Westdeutschland in den vergangenen 30 Jahren ein bisschen eingelullt hat. Wir haben auf einige gravierende Veränderungen in unserer Gesellschaft - wie die Alterung der Bevölkerung oder den Wandel der Arbeitswelt - noch nicht wirklich mit einer neuen Politik reagiert. Dazu kommt jetzt noch der starke Wettbewerbsdruck. Die Zeiten der Behaglichkeit sind vorbei. Man muss um Wohlstand und soziale Sicherheit erneut ringen.
Das Parlament: Sind wir darauf zu wenig vorbereitet?
Horst Köhler: Die Deutschen haben leider zu wenig Vertrauen in sich selbst. Wenn man kein Selbstvertrauen hat, wird man ängstlich, zumindest risikoscheu. Wir müssen wieder lernen, stärker mit Risiken umzugehen - nicht in der Mentalität eines Spielers, sondern mit der Bereitschaft, gesellschaftspolitisch neue Wege zu gehen. Wir haben doch eine unhaltbare Situation: Die Zahl der Geburten geht kontinuierlich zurück, und die Staatsverschuldung nimmt gleichzeitig kontinuierlich zu. Ich finde das unverantwortlich, insbesondere gegenüber unseren Kindern. Wenn Kinderlärm als störend in der Gesellschaft empfunden wird, dann stimmt irgendetwas nicht. Für mich ist Kinderlärm die Musik der Zukunft. Wir müssen eine Diskussion über die gesellschaftliche Rolle von Frauen und Männern führen. Frauen wie Männer müssen ihre jeweilige Berufstätigkeit besser mit ihren Kindern vereinbaren können. Wir müssen mehr Flexibilität im Arbeitsleben anstreben. Wenn wir das verstehen, haben wir einen wichtigen Schritt zur Zukunftsfähigkeit der Deutschen getan.
Das Parlament: Und wie steht es mit dem Selbstverständnis der Deutschen als Nation?
Horst Köhler: Wir sollten zu einem aufgeklärten Patriotismus finden. Nach meiner Beobachtung sind die Menschen umso weltoffener, je mehr sie sich ihrer eigenen Identität bewusst sind. Diese Weltoffenheit ist gerade für eine Exportnation wie Deutschland wichtig. Es geht also nicht darum, die nationale Fanfare lauthals anzustimmen. Ziel ist es vielmehr, ruhiges Selbstvertrauen gegenüber der eigenen Nation zu entwickeln. Um die Zukunft der Globalisierung zu gewinnen, könnte es helfen, wenn wir mehr in uns selbst ruhten.
Das Parlament: Wenn Sie als sehr alter Herr sich eines Tages in den Lehnstuhl zurücklehnen und auf Ihr Leben blicken. Was möchten Sie da gern sehen?
Horst Köhler: Einen zufriedenen Menschen. Wenngleich ich nicht weiß, ob das geht, weil ich von Natur aus ein neugieriger, bisweilen unzufriedener und unruhiger Mensch bin. Deshalb weiß ich noch nicht, wie ich mein Leben am Ende bewerten würde. Aber aus der heutigen Sicht und Befindlichkeit würde ich mich möglicherweise fragen, warum hast du hier nicht mehr nachgefragt und da nicht mehr erreicht. Aber insgesamt habe ich viel geschenkt bekommen von Gott. Der hat mir Fähigkeiten gegeben, die ich gut einsetzen konnte. Und das, was ich bisher gemacht habe, konnte ich auch am richtigen Platz machen. Das ist ein gutes Gefühl.
Das Interview führte Annette Rollmann.