Aus seiner Leidenschaft für Köln - die kommt noch vor der Politik - macht der Sozialdemokrat Martin Dörmann keinen Hehl. Die westliche Metropole sei seine Heimatstadt. Auch wenn er dort nicht geboren ist, so hat er dort fast sein ganzes Leben verbracht. Die kölsche Lebensart, die Offenheit der Menschen, die tolle Musikszene, all das schätzt er besonders. So verwundert es auch nicht, dass er jüngst Kollegen und Kolleginnen des "Netzwerk Berlin" zum ersten Programmforum der Friedrich-Ebert-Stiftung ins Kölner Literaturhaus lotste. Es stand unter der Überschrift "Die neue SPD - Menschen stärken - Wege öffnen". Bekanntlich will die SPD bis 2005 mit einem neuen Programm ihr Profil schärfen.
Die Netzwerker, ein Zusammenschluss von jüngeren SPD-Bundestagsabgeordneten, die in dieser Vereinigung aber auch das Gespräch mit Wissenschaftlern und Journalisten pflegen, hatten vergangenen Herbst einen Programmentwurf erarbeitet. Des Bürgers Meinung wurde eingeholt in dieser ersten öffentlichen Diskussion. Der Talk mit Workshopcharakter ließ eine große Nähe zwischen den Parlamentariern und Parlamentarierinnen aus Rheinland-Pfalz, NRW sowie Hessen und dem Publikum zu, die der Kommunikation gut tat. Auch Dörmanns Einführung hatte dazu beigetragen, die Atmosphäre zu lockern. Am Rednerpult fühlte er sich sichtlich wohl. Es war spürbar, dass er seine Zuhörer interessieren und erreichen will. Dörmann hält "Kommunikation für das A und O erfolgreicher Politik". Gespräch und Diskussion schätzt er dabei mehr als die Frontalrede. Eben nicht nur selber zu reden, sondern intensiv zuzuhören war für die Bundestagsabgeordneten an diesem Abend Programm. Was hat der Abgeordnete Dörmann denn von der Veranstaltung mitgenommen? "Für mich ist es wichtig, Konzepte und Vorstellungen im Dialog und im Diskurs mit der Partei und der Öffentlichkeit und nicht im ,stillen Kämmerlein' oder in geschlossenen Parteizirkeln zu entwickeln. Die sehr positive Resonanz, vor allem auch von vielen jungen Teilnehmern, gibt mir zusätzliche Motivation, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen", so der 41-jährige Rechtsanwalt gegenüber "Das Parlament".
Dass der persönliche Weg des Rheinländers in den Deutschen Bundestag führte, ist keineswegs überraschend. In den 90ern arbeitete er in den Abgeordnetenbüros von Walter Rempe und Anke Fuchs beziehungsweise bei Renate Schmidt, als sie Bundestagsvizepräsidentin war. "Ich habe mich in der Fraktions- und Parlamentsarbeit gleich heimisch gefühlt, da ich viele Gesichter, Abläufe und Gepflogenheiten schon vorher kannte", so Dörmann. Bundespolitische Themenstellungen beschäftigten ihn, seit er politisch denken kann. Natürlich war es dann irgendwann reizvoll für ihn, selber als MdB an wichtigen Weichenstellungen für das Land mitwirken zu können. Was die parlamentarische Arbeit betrifft, zieht er ein überwiegend positives Resümee. Das habe vor allem mit dem guten "Betriebsklima" innerhalb der Fraktion zu tun, aber auch mit dem guten Verhältnis zu Mitstreitern in anderen Fraktionen. "Ein besonderes Ärgernis ist es allerdings, dass inzwischen die meisten Gesetze mit gravierenden finanziellen Auswirkungen von der Zustimmung des Bundesrates abhängen. Das engt die Handlungsspielräume zu sehr ein und erschwert auch die Vermittlung von Politik vor Ort", findet er, zu dessen Wahlkreis die Stadtbezirke Porz und Kalk sowie die nördliche Innenstadt gehören. Mit der "Berlin Depesche", dem "Berlin Newsletter", seiner Homepage und zahlreichen Veranstaltungen, auch zusammen mit anderen Abgeordneten, betreibt Dörmann eine intensive Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit. Sein Jahrbuch 2003 versteht er sowohl als Dokumentation als auch als eine Art Rechenschaftsbericht. Die Rolle, nun selber den Kopf für Entscheidungen hinhalten zu müssen, ist auch für Dörmann nicht nur angenehm: "Bei einigen Ent- scheidungen, die belastende Wirkungen für Bürger und Bürgerinnen haben, ist mir eine zustimmende Entscheidung schon schwer gefallen, auch wenn ich sie mit Überzeugung vertreten kann. Man muss zwischen kurzfristigen Einzelinteressen und dem langfristigen Gemeinwohl unterscheiden können. Eine besondere Herausforderung ist es, diesen Spagat den Menschen in meinen Wahlkreis zu vermitteln." Auf die Frage, ob sich die Erwartungen, mit denen Dörmann 2002 startete, erfüllt haben, antwortet er: "Inhaltlich ist die Arbeit in der großen Regierungsfraktion aufgrund der ökonomischen Lage sicher noch schwieriger geworden, als ich mir das zu Beginn der Legislaturperiode vorgestellt habe. Die SPD war gezwungen, in sehr kurzer Zeit umfangreiche und tief greifende Reformen umzusetzen, die besser schon vor zehn oder 15 Jahren angepackt worden wären. Wir sind diese nun mutig angegangen, wohlwissend, dass damit zum Teil auch schmerzhafte Einschnitte für Bürgerinnen und Bürger verbunden sind. Ich sehe hierzu leider keine vernünftige Alternative, wenn wir beispielsweise auch in Zukunft eine solidarische Krankenversicherung und auskömmliche Renten erhalten wollen."
Fachpolitisch kümmert sich der Jurist im Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft um Verbraucherschutzthemen, speziell um die Verbraucherinformation und um Verbraucherschutzverbände. "Es kommt mir darauf an, die Konsumenten und Konsumentinnen als aktive Teilnehmer im Wirtschaftsleben zu stärken", erläutert der Parlamentarier sein Anliegen. Innerhalb der SPD-Arbeitsgruppe im Europaausschuss konzentriert er sich auf Inneres und Justiz. Sein besonderes Interesse gilt der Europäischen Verfassung, von der Dörmann hofft, dass sie bald verabschiedet werden kann. "Sie wäre ein ganz entscheidender Schritt für Europa, auch um die Europaskepsis vieler Bürger und Bürgerinnen zu überwinden."
"Handle so, wie Du es von anderen erwartest", lautet Dörmanns anspruchsvolles, politisches Leitmotiv. Wie gut lässt es sich denn in der Praxis umsetzen? "Ich bemühe mich jedenfalls redlich, ihm stets zu folgen und glaube auch, dass mir das im Großen und Ganzen gelingt. Natürlich wünschte ich mir oft mehr Zeit und auch stärkere unmittelbare Entscheidungsmöglichkeiten, um noch mehr 'Handeln' umsetzen zu können."