Grüne Gentechnik - für deutsche Ohren klingt das irgendwie dialektisch. Denn "grün" assoziieren die Deutschen mit der Umweltpartei und einer möglichst unberührten Natur, die Gentechnik wird dagegen eher mit einem Eingriff in die Gesetze der Natur verbunden, unkalkulierbare Folgen eingeschlossen. So verwundert es nicht, dass sich die "grüne" Umweltministerin aus Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn, über diesen Begriff ärgert. Sie verwendet lieber den Terminus technicus "Gentechnik in der Landwirtschaft", verriet sie bei einer Diskussionsrunde des Max-Planck-Forums in Berlin. Unter dem Motto "Alles im grünen Bereich?" stritten auf dem Podium Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über die Chancen und Risiken der Gentechnik in der Pflanzenzucht.
Das Thema weckt Emotionen - es geht ja um die Gesundheit und den täglichen Essgenuss. Und - nicht zu verachten - natürlich ums Geld. Die Vorstellungen des deutschen Otto Normalverbrauchers über die grüne Gentechnik schweben irgendwo zwischen Horror-szenarien und Heilsvisionen. Die Skepsis überwiegt jedoch. Die Deutschen wollen in ihrer überwiegenden Mehrheit keine genveränderten Lebensmittel auf ihren Tellern. Umfragen belegen es - 70 Prozent der Bevölkerung lehnen Genfood ab. Das tiefe Misstrauen gegen genmanipulierte Nahrung lässt sich jedoch nicht nur mit dem ausgeprägten Sicherheitsdenken der Deutschen erklären, denn die neue Technologie in der Lebensmittelproduktion kann - von einigen Anbauflächen in Spanien, Rumänien und jüngst in Deutschland abgesehen - auch sonst in Europa bislang nicht richtig Fuß fassen. Die Gesetze des Marktes bestimmen das Spiel. So würden die großen Lebensmittelproduzenten sehr wohl gentechnisch veränderte Produkte anbieten, zumal weltweit bereits mehr als 60 Millionen Hektar Ackerland mit genmanipulierten Pflanzen bebaut sind, doch die Konsumenten signalisieren keine Bereitschaft, die Produkte zu kaufen. Sie sind verunsichert.
Dabei sind die Versprechungen der Verfechter der neuen Technologie sehr verlockend. Sie reichen von einer haltbaren "Anti-Matsch-Tomate" über Raps als Vitaminfabrik, dürre- und schädlingresistente Pflanzen, Kartoffeln mit größerem Stärkegehalt bis zu genmanipulierten Wäldern, die mehr Kohlendioxid binden und damit das Klima schützen sollen.
Für die Gegner der Gentechnik ist die Technologie noch nicht ausgereift, ihre Risiken für die Umwelt und die Gesundheit des Menschen sind daher noch unabsehbar. Auch sei es nicht bewiesen, ob etwa die Genvitamine überhaupt vom menschlichen Organismus absorbierbar sind. Nicht erforscht seien auch die Folgen der unbeabsichtigten Kreuzung einer Malaria-Banane, die teure Medikamente ersetzen soll, mit herkömmlichen Pflanzen.
Die Fronten sind verhärtet. Dies zeigte sich auch bei der Podiumsdiskussion des Max-Planck-Forum. Starke Argumente für und wider wechselten sich dabei beim Thema Bekämpfung der Hungersnot in der Welt ab. Bereits heute leiden darunter etwa 800 Millionen Menschen. Mit Hilfe der Gentechnik könnte der Hunger, so die Erwartungen der Forscher, mit ertragsreicheren Pflanzensorten zumindest gelindert werden.
Über die Möglichkeit, diese beschämende Plage der Menschheit mit der Genforschung zu besiegen, zeigte sich Heinz Saedler, Direktor am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln bei der Diskussion fasziniert. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfenden Anbauflächen ist die grüne Gentechnik seiner Ansicht nach ein "absolutes Muss" und alternativlos. Das wachsende Problem der Ernährung der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten sah auch Klaus-Dieter Jany von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe: "Wir werden die Nahrungsmittelproduktion verdoppeln müssen." Dabei werde auch die Gentechnik unabdingbar sein. Dem widersprach Höhn entschieden. Die einzigen, die daraus einen wirklichen Nutzen ziehen würden, seien die internationalen Saatgutkonzerne. Die Vorstellung, dass die Kleinbauern in den Entwicklungsländern künftig auf die Lieferungen der Saatgutmonopolisten restlos angewiesen sein könnten, sei erschreckend. Man solle vielmehr die Ursachen der Hungerkatastrophe bekämpfen und den armen Ländern ermöglichen, sich selbst zu ernähren, statt sie vom subventionierten Lebensmittelimport abhängig zu machen.