Nachdem die EU-Kommission beim Automobilhandel und bei den Kfz-Werkstätten bereits das Monopol der Automobilfabriken in den letzten Jahren eingeschränkt hat, will sie nun auch noch die letzte Bastion im Bereich der Autoersatzteile einreißen und den Markt für freie Produzenten öffnen. Das jedenfalls sieht ein von dem holländischen Binnenmarktskommissar Frits Bolkestein erarbeiteter Richtlinienentwurf vor, der von der EU-Kommission am 14. September in Straßburg beschlossen wurde.
Dabei geht es um sichtbare Ersatzteile wie Kotflügel, Außenspiegel, Türen oder Scheinwerfer, die in einigen Ländern wie Deutschland und Frankreich noch unter den Designerschutz, ähnlich einem Patentschutz, fallen. Der freie Wettbewerb für Verschleißteile wie Bremsbeläge, Stoßdämpfer oder Luftfilter wurde schon vor längerer Zeit freigegeben. Für das gesamte Autodesign bleibt natürlich der Schutz erhalten.
Und ähnlich wie bei der bereits erfolgten Zulassung von freien Werkstätten läuft die Automobilindustrie Sturm gegen diese Marktöffnung. Sie warnt vor einem Verlust von Arbeitsplätzen, weil die von der freien Konkurrenz gelieferten Ersatzteile zumeist aus Asien stammten. Im selben Atemzug entkräften die Autobauer aber das Arbeitsplatzargument, indem sie behaupten, die Passgenauigkeit der Teile sei viel schlechter, sodass der Arbeitsaufwand beim Einbau wesentlich größer sei.
Dass die Wirklichkeit anders aussieht, beweist die Preisentwicklung für Ersatzteile in Irland, Großbritannien, Holland, Belgien, Luxemburg und Italien. So hat Ford nach der Liberalisierung des britischen Marktes dort seine Preise für Ersatzteile um 40 Prozent gesenkt, ist damit aber immer noch um fast die Hälfte teurer als entsprechende frei verkaufte Produkte, wie der deutsche EVP-Abgeordnete Christoph Konrad erklärte. Dieses Beispiel mache deutlich, welche Gewinnspannen auf Original-Autoersatzteilen liegen und warum die Industrie so verbissen um ihr Monopol kämpft. So erzielt Volkswagen allein mit Ersatzteilen 37 Prozent seiner Gewinne, und der Umsatz in diesem lukrativen Sektor ist höher als der seiner nicht gerade kleinen Tochterfirmen Skoda und Seat zusammen.
Selbst die bereits beschlossene Liberalisierung versuchen die Autoproduzenten zu unterlaufen, indem sie die Garantiezeit für Neufahrzeuge von zwei Jahren, wie sie für alle Industrieprodukte in der EU gelten soll, teilweise wieder auf sechs Monate reduziert haben. Daran anschließend soll es statt dessen eine zweijährige Gewährleistung geben, über deren Höhe aber der Vertragshändler entscheidet. Und da dieser einen Teil der Kosten selbst tragen muss, wird er großzügig nur gegenüber langjährigen guten Kunden sein.
Freie Werkstätten können da nicht mithalten, weswegen viele Autofahrer doch wieder bei den alten Vertragshändlern landen werden, so das Kalkül der Industrie. Da dieses Verhalten nicht im Sinne des Gesetzgebers sein kann, hat Konrad inzwischen eine Anfrage an die Kommission gestellt, um diese zum Handeln zu veranlassen.
Doch unumstritten waren die neuen Maßnahmen auch in der Kommission nicht. Nach Presseberichten waren mehrere Kommissare, allen voran die beiden Deutschen Günter Verheugen und die ausscheidende Haushaltskommissarin Michaele Schreyer von den Grünen, gegen die Liberalisierung, die damit in ihrer Argumentation den Schulterschluss mit den Regierungen in Berlin und Paris übten. Sie blieben aber klar in der Minderheit. Die Autoindustrie hatte auf eine Verschiebung der Vorlage gehofft, damit sich der Beginn des Gesetzgebungsverfahrens dadurch bis zum Antritt der neuen Kommission an 1. November verzögert. Nach diesem Datum wäre Verheugen für die Industriepolitik zuständig und der konsequente Marktwirtschafter Bolkestein nicht mehr im Amt.
Jetzt haben die Autobauer bereits eine Rückzugsposition aufgebaut: Bei den Gesetzgebungsberatungen in Ministerrat und Europaparlament soll zumindest der Kompromiss durchgesetzt werden, dass den Nachbauern von Ersatzteilen dies nur im Rahmen einer kostenpflichtigen Lizenz erlaubt wird. Vielleicht nimmt das Parlament ihre Position ein und überzeugt damit auch den EU-Ministerrat.
Unterstützung könnte es vor allem im Rechtsausschuss des Straßburger Parlaments geben. "Man kann doch den Urheberschutz nicht einfach mit einem Federstrich vom Tisch fegen", meint der EVP-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne, der überzeugt ist, dass am Ende ein Lizenzverfahren beschlossen werden wird.
H. H.