Gertrude I. Mongella ist Abgeordnete im Parlament von Tansania und will im nächsten Jahr wiedergewählt werden. Im Wahlkampf wird es unter anderem um neue Dächer für die Schulen in ihrem Wahlkreis gehen: eine Inselgruppe im Victoria-See. Wenn die Politikerin nach Hause fährt, steigt sie ins Kanu. "Natürlich nicht in meinen langen Kleidern, die ich hier anhabe", konstatierte sie schmunzelnd vor der Internationalen Frauenkonferenz "Geschlecht und Demokratie" vom 11. bis 13. September in Berlin, bei der sie als Hauptrednerin auftrat. Mongella kennt auch andere Podien. Sie war "Mama Beijing": diesen Ehrentitel erhielt sie 1995 als Leiterin der 4. UN-Frauenkonferenz in Peking und weiß ihn wohl zu nutzen, gelegentlich mit einem Hauch von Selbstironie. Im Frühjahr 2004 wurde sie zur ersten Präsidentin des neu gegründeten Pan-Afrikanischen Parlaments gewählt. Doch die kann Mongella nur bleiben, solange sie auch Mitglied ihres nationalen Parlaments ist. Keine einfache Sache für eine Frau, die als erste weibliche Bewerberin ihren Wahlkreis eroberte und dabei auf so manches Unverständnis stieß. Welche Strategien also müssen Frauen anwenden, wenn sie Frauenrechte durchsetzen wollen? Gertrude Mongella empfiehlt Solidarität und Durchsetzungsfähigkeit, ermuntert dazu, sich selbst ins Gespräch zu bringen, und genießt einen Vergleich aus dem Straßenverkehr: "Gas geben, überholen, winken!"
Langsamer reiste vor 100 Jahren der "Napoleon der Frauenbewegung" von New York nach Berlin. Die amerikanische Frauenrechtlerin Susan B. Anthony war wochenlang mit Dampfer und Eisenbahn unterwegs. Nicht per E-Mail und Telefon, sondern durch zahlreiche Briefe hielten sie und ihre Mitstreiterinnen Kontakt. Sogar die Kaiserin empfing die Damen. Und doch stifteten ihre Forderungen beim Kommentator der "Neuen Preußischen Zeitung" Unruhe: "Die Phrase von der absoluten Gleichberechtigung der Frau ist ebenso zugkräftig wie jede andere Phrase. Und kommt noch gar die geschickte Ausnutzung der Eitelkeit hinzu, so kann eine solche Bewegung Kreise ziehen, die unsere inneren Wirrnisse bedenklich vermehren."
Denn mehr als 1.000 Frauen aus Europa, Kanada, Amerika und Neuseeland hatten sich 1904 auf Einladung des Bunds Deutscher Frauenvereine eine Woche lang zum Internationalen Kongress des Weltfrauenbunds in Berlin getroffen. Viele von ihnen forderten das Stimmrecht. Das gab es zu dieser Zeit noch für keine Europäerin. Ein Grund mehr für die Radikalen unter den Frauen, auf dem Kongress den International Women Suffrage Council zu gründen, den Weltbund für Frauenstimmrecht. Die Gemäßigten, darunter die Mehrzahl der Deutschen, setzten dagegen zunächst mal auf Bildung und Erziehung zur Mitsprache im Staat. Zumal in Deutschland zu dieser Zeit noch jede politische Betätigung von Frauen verboten war.
"Geschlecht und Demokratie" - unter diesem Titel hatte jetzt 100 Jahre später der Deutsche Frauenrat mit Unterstützung des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ins Auswärtige Amt eingeladen, um über Möglichkeiten und Grenzen der Beteiligung von Frauen an politischen Entscheidungspro-zessen auf nationaler und internationaler Ebene zu diskutieren. Das Wahlrecht haben die Frauen inzwischen in fast allen Staaten errungen, doch es wurde ihnen nicht geschenkt. "Die Hoffnung, dass sie damit auch gleichberechtigt an Staat und Gesellschaft beteiligt werden, hat sich bisher jedoch noch nicht erfüllt", sagte Bundesfamilienministerin Renate Schmidt.
Einen Beweis dafür lieferte die Frauenrechtlerin Sonja Lokar: Nur weil Frauenverbände in ihrem Heimatland Slowenien Bündnisse eingingen, konnten sie im Wahlgesetz eine Quote von mindestens 40 Prozent für jedes Geschlecht bei den Europawahlen festlegen. Ergebnis: 41 Prozent der slowenischen Europarlamentarier sind Frauen, mehr als im EU-Durchschnitt. Für die jetzt anstehenden nationalen Wahlen gilt diese Bestimmung jedoch nicht. Auch bei der Chancengleichheit hapert es noch in vielen Ländern. Gemeinsam stellten die rund 200 Expertinnen von Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt fest, dass Frauenrechte seit Peking zwar vermehrt als Menschenrechte gesehen werden, insbesondere im Bereich der Gewalt an Frauen. Andererseits, so Inge von Bönninghausen, Präsidentin des Deutschen Frauenrats, gebe es neue Angriffe von Seiten religiöser und nationalistischer Fundamentalisten: "Über die angeborene Würde und die gleichen unveräußerlichen Rechte jedes Menschen setzen sie die Gebote ihrer Tradition und Religion." Deshalb sei es wichtig, die neben den Absichtserklärungen von Peking bestehenden Gesetze für Frauen zu nutzen. So wie die rechtsverbindlichen Bestimmungen der UN-Konvention CEDAW gegen die Diskriminierung von Frauen: als strategisches Instrument sei die Konvention wichtig und binde auch die Europäische Union, sobald diese sie nach dem Inkrafttreten der Europäischen Verfassung unterzeichne, sagte Hanna Beate Schöpp-Schilling, als deutsche Vertreterin .
Auch angesichts der Globalisierung könnten Frauen weltweit zwar manche Vorteile, aber auch massive Rückschritte verbuchen. Das rapide Anwachsen des Frauenhandels sei nur ein Beispiel für den Backlash, den die Globalisierung mit sich gebracht habe, betonte Babara Limanowska von der polnischen Organisation "La Strada". Staatsministerin Kerstin Müller unterstützte in ihrer Rede diese Sicht: Frauenhandel sei "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", und Deutschland gehöre zu den größten Zielländern.
Umso wichtiger sei es, forderte die Soziologin Ximena Zavala San Martin vom Instituto de la Mujer in Chile, die weltweite Armut zu bekämpfen. Eine Botschaft, der sich nicht nur die Präsidentin des Pan-Afrikanischen Parlaments Gertrude Mongella anschließen konnte: zwar sei die Befreiung Afrikas erreicht, doch ökonomisch seien die Staaten des Kontinents noch längst nicht unabhängig. Marianne Lange