Auch der spätere Versuch, mit einer Troika für die SPD zu werben, war mehr politisches Larifari. Die Troika der 90er-Jahre mit Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping war noch weniger ein an einem Strang ziehendes Dreiergespann.
Der "klassischen" SPD-Troika hat Martin Rupps sein jüngstes Werk gewidmet. Der 1964 in Stuttgart geborene Politologe und Historiker hat bereits zwei Bücher über Helmut Schmidt veröffentlicht und für sein jüngstes Werk einen hohen Maßstab angelegt. Er zitiert Golo Mann: "Überhaupt mache ich der neuesten Historie den Vorwurf, dass sie sich viel zu wenig um wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut kümmert, dass sie zu wenig Sympathien für Menschen hat oder gar keine, dass sie also Hamlet ohne den Prinzen von Dänemark spielt."
Rupp ist voller Sympathie für seine drei Helden. Er nennt sie schwärmerisch eine einzigartige Konstellation, "dass hier der eine den anderen als Bundeskanzler ablöst, nachdem ein Dritter beiden erst diese Möglichkeit verschafft hat". Am liebsten würde er für sie ein Triptychon im neuen Berliner Parteihaus der SPD malen lassen.
Das ist von Rupps keineswegs ironisch gemeint. Angesichts seiner Faszination und der tatsächlichen Lebensleistung der drei so gegensätzlichen Charaktere wird über Anspruch und Wirklichkeit der Troika jedoch zu großzügig hinweggegangen. Rupps scheint dergestalt in das Gelingen der Troika verliebt zu sein, dass er darüber ihr Scheitern vernachlässigt. Andererseits kann jeder aus Rupps' lebendigen Schilderungen und dem intensiven Quellenstudium des Autors selbst beurteilen, dass die "Troikaner" zwar viel gemeinsam erreichten, aber am Ende doch kein wirkliches "Triumphirat", sondern ein Zweckbündnis waren, das jedoch selbst bei Feindseligkeiten untereinander die SPD dominierte.
Keiner konnte und wollte die drei stürzen, was Egon Bahr, einer ihrer besten Kenner und vor allem Freund und Ratgeber Willy Brandts, bei seiner antithetischen Vorstellung des Buches in Berlin festgestellt hat. Bahr lobte indirekt Rupps, indem er ihm widersprach: "Das war keine Troika, und schon gar nicht wider Willen." Bahr würde das Bild vom "Triumphirat" der Troika vorziehen, denn "sie hatten keinen Lenker über sich". "Sie bändigten sich durch die Eigenschaften, die alle drei auszeichneten; ihr Sinn für Realitäten." "Alle drei teilten das Wissen, das der alten großen SPD fehlte, der Wille zur Macht."
Aber auch Bahr stützt letztlich die Grundthese vom Scheitern der Troika (oder des "Triumphirats"): "Wehner und Schmidt haben gar nicht versucht, Nachfolgern ihrer Vorstellung den Weg zu ebnen, und Brandt hatte als Parteivorsitzender auch keinen großen Erfolg, die Uhr Bebels langfristig in stärkere Hände zu geben." Tatsächlich sind vor allem die "Enkel" Brandts als Parteiführer gescheitert: Björn Engholm, Rudolf Scharping. Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder. Der neue Parteichef Müntefering gehört nicht in diese Enkelgeneration.
30 Jahre nach dem Ende der Kanzlerschaft Willy Brandts und seiner Ablösung durch Helmut Schmidt ist Rupps um Gerechtigkeit für jeden der drei bemüht; dabei fühlt er wohl am meisten mit Helmut Schmidt. Im Grunde gibt er schon eine Antwort auf die politisch-historische Frage, in welcher Folge er die Troika aufstellt: Er hat sich für die Reihe: "Wie Brandt, Wehner und Schmidt die Republik regierten" entschieden und widerspricht damit seiner eigenen These, dass Herbert Wehner der Motor für die beiden anderen auf der Dienstfahrt ins Kanzleramt war.
Was politischen Büchern heute oft fehlt, darauf wurde diesmal von Autor und Verlag nicht verzichtet. Martin Rupps nennt seine Primärquellen wie Briefe von Herbert Wehner, Willy Brandt und Helmut Schmidt aus dem Privatbesitz von Greta Wehner in Dresden und das Archiv der Sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Dem Nutzen des Lesers dienen auch die Auswahlbiographie und das Personenregister.
Martin Rupps
Troika wider Willen. Wie Brandt, Wehner und Schmidt die Republik regierten.
Propyläen Verlag. Berlin 2004;
338 S., 24,- Euro.