Finanzen. Die finanzpolitische Situation in den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) ist in den meisten Fällen durch beachtliche Haushaltsdefizite gekennzeichnet. Zu diesem Ergebnis kommt die Bundesregierung in ihrem Bericht über die erstmalig vorgelegten Konvergenzprogramme dieser Staaten für 2004 ( 15/3704). Dementsprechend habe die EU-Kommission im Mai ein Defizitverfahren gegen Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Zypern und Malta eingeleitet.
Der Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister habe im Juli ein übermäßiges Haushaltsdefizit dieser Länder im vergangenen Jahr festgestellt und Empfehlungen zum Abbau der Defizite ausgesprochen. Die wirtschaftspolitischen Herausforderungen vieler neuer EU-Staaten konzentrierten sich auf die Reform der sozialen Sicherungssysteme sowie der Arbeitsmärkte. In den Empfehlungen seien den Staaten besondere Umstände zugebilligt worden, um ihnen eine mittelfristige Korrektur ihrer Haushaltsdefizite zu ermöglichen.
Das durchschnittliche Budgetdefizit habe 2003 in den Beitrittsstaaten 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht, teilt die Regierung mit. Für 2004 seien 4,8 Prozent, für 2005 3,9 Prozent, für 2006 3,2 Prozent und für 2007 2,1 Prozent geplant. Die Frühjahrsprognose der EU-Kommission habe dagegen für 2004 mit 5,0 und für 2005 mit 4,2 Prozent im Schnitt leicht höhere Defizite errechnet. Im Vergleich zu den alten Mitgliedstaaten hätten die neuen Mitglieder 2004 und 2005 durchschnittlich ein fast doppelt so hohes Haushaltsdefizit aufgewiesen.
Die Schuldenquote liege mit 44,3 Prozent des BIP 2003 durchschnittlich deutlich unterhalb des Bezugswerts von 60 Prozent. Die Staaten mit einem übermäßigen Haushaltsdefizit, die Strukturreformen bei den sozialen Sicherungssystemen aufgeschoben hätten, tendieren nach Darstellung der Regierung zu höheren Schuldenständen. Die Kommission erwarte steigende Schuldenquoten und liege mit ihren Schätzungen (44,4 Prozent für 2004 und 45,2 Prozent für 2005) unterhalb der Schätzungen der Beitrittsstaaten selbst. Die durchschnittlichen Schuldenstände stiegen, was darauf hinweise, dass die Staaten ihre strukturellen Herausforderungen "nicht immer mit großer Entschlossenheit" angingen. Die alten Mitgliedstaaten erreichten 2004 und 2005 durchschnittlich einen Schuldenstand von 64,2 Prozent des BIP.
Die durchschnittlichen Wachstumsprognosen im neuen EU-Raum haben den Angaben zufolge 2003 bei 3,6 Prozent und 2004 bei 4,2 Prozent gelegen. Für 2005 würden 4,4 Prozent, für 2006 und 2007 jeweils 4,8 Prozent erwartet, wobei die Prognosen der Staaten selbst leicht oberhalb der Prognose der EU-Kommission liegen. Einzelne Staaten hätten einen überraschenden Wachstumsschub in diesem Jahr erfahren. Die EU-Kommission rechne damit, dass das Wachstum in den neuen EU-Ländern 2004 und 2005 doppelt so hoch sein wird wie im alten EU-Gebiet.