Holon in Israel. Ein palästinensischer Selbstmordattentäter sprengt sich auf einer Familienfeier in die Luft. 29 Israelis reißt er mit in den Tod. Keine 50 Kilometer weiter südlich bangt eine palästinensische Familie um das Leben ihres jüngsten Kindes: Chirurgen des israelischen Wolfson-Krankenhauses haben das kleine Mädchen operiert - kostenlos nach ihrer Arbeitszeit in der Klinik. Als die ersten Verletzten des Anschlags eintreffen, fürchten die Eltern die Wut der Israelis. Doch nichts passiert. Schwestern und Ärzte versorgen das frisch operierte Kind wie die anderen kleinen Patienten auf der Intensivstation.
"Wenn du Leute umbringst, erfahren es alle in den Nachrichten. Wenn du etwas Gutes tust, hört es kaum jemand", stellt Sion Houri lakonisch fest und wendet sich wieder seinem Patienten zu. Der kleine Iyad schläft ruhig - unter einer Decke in den israelischen Nationalfarben weiss und blau. In seinem Gesicht klebt ein mächtiges Pflaster.
"Er ist seit zwei Monaten hier", erklärt Dr. Houri, "eine lebensrettende Nieren- und Herzoperation." Medizinische Routine in Europa, ein Drama auf Leben und Tod zwischen Tel Aviv und dem palästinensischen Flüchtlingslager Beit Hanoun bei Gaza. Fünf Stunden brauchte Mutter Kifah mit ihrem damals sieben Monate alten Sohn für die kaum 60 Kilometer weite Reise ins Wolfson-Hospital.
Am einzigen Grenzübergang zwischen dem israelisch besetzten Gazastreifen und Israel stauen sich Lastwagen und Taxis. Mit der Maschinenpistole im Anschlag filzen die jungen Soldaten jeden, der nach Israel will. An den meisten Tagen ist die Grenze für Palästinenser ganz geschlossen. Niemand weiss, wer einen Sprengstoffgürtel trägt, um sich und möglichst viele andere im nächsten Moment in die Luft zu jagen. "Die Terroristen benutzen auch Krankenwagen, um Selbstmordattentäter nach Israel zu schmuggeln", behauptet die israelische Armee. Tatsächlich versuchte sich unlängst ein Palästinenser an der Grenze in die Luft zu sprengen. In der Tasche hatte er Papiere für eine Notoperation in Israel. "Ich bin selbst an die Grenze gefahren, um mit den Soldaten zu reden", erzählt Dr. Houri. "Wenn es noch länger gedauert hätte, wäre der kleine Iyad gestorben."
Inzwischen hat der Junge die Notoperation gut überstanden. Er ist wach geworden und staunt mit seinen großen braunen Augen über den Rummel an seinem Bett. Journalisten aus Deutschland machen Fotos. Seine Mutter Kifah streichelt seinen Kopf. Seit zwei Monaten weicht die 32-Jährige nicht von der Seite ihres Sohnes. Nachts versucht sie, auf dem Stuhl oder einer Klappliege neben dem Krankenbett ein wenig zu schlafen. Verwandte kümmern sich inzwischen zuhause in Beit Hanoun um Iyads sieben Geschwister. Sie strahlt den Doktor an: "Ich bin so dankbar. Sie haben Iyad gerettet."
Der große Mann mit den vielen lockeren Sprüchen und den kräftigen Händen wird für einen Moment ganz still. "Sehen Sie, warum ich das mache", sagt er leise auf Englisch. "Ich denke immer an das Lächeln der Mütter - und natürlich an die Kinder, wenn sie wieder aufblühen und gesund werden."
Dann erzählt er von dem Mädchen aus Moldawien. Ganz blau sei sie schon gewesen, mehr tot als lebendig, weil ihr schwaches Herz den kleinen Körper nicht mit Sauerstoff versorgen konnte. Zuhause konnte ihr niemand helfen. Kein Krankenhaus dort hat die Geräte, die man für eine Operation am offenen Kinderherzen braucht. Für eine Behandlung im Ausland fehlte den Eltern das Geld. Schließlich nahmen sie all ihren Mut zusammen und schickten die Kleine zu Save a Child's Heart nach Israel.
Einige Wochen nach der Operation ist das Mädchen wieder putzmunter, tanzt gern, lacht und singt. Im Kinderhaus des Vereins Save a Child's Heart, wo sich die Kinder, betreut von Freiwilligen, nach der Operation erholen, hat sie sogar ein wenig Hebräisch gelernt. Zum Abschied zeichnete die Kleine ein Kind mit einem großen Herz in die Hand eines Erwachsenen. "Ich hatte einen Traum", erklärte sie später einer Betreuerin. "Es waren viele Farben über meinem Bett. Und dann kam eine ganz große Hand. Sie nahm mich, und wir flogen in ein weit entferntes Land. Dort gaben sie mir ein neues Herz, und ich konnte wieder laufen und tanzen." Heute ziert die Zeichnung alle Briefe, Visitenkarten und die Internetseite von Save a Child's Heart.
Seit 1995 organisiert der Verein am Wolfson-Krankenhaus im Tel Aviver Vorort Holon kostenlose Herzoperationen für Kinder aus armen Ländern: Aus den palästinensischen Gebieten, Eritrea, Äthiopien, Tansania oder Moldawien: Rund 1200 Operationen in neun Jahren, davon ein Drittel an schwerkranken Kindern aus Palästina.
Mitten im Krieg zwischen den jüdischen Siedlern, der israelischen Armee und den Palästinensern im israelisch besetzten Westjordanland kam die vierjährige Ala Abo Asab aus dem arabischen Westbankdorf Balata mit einem schweren, angeborenen Herzfehler ins Wolfson-Krankenhaus. Elena, eine Siedlerin, hatte ihr den Platz im Save a Child's Heart Programm besorgt. Sie brachte sie persönlich in die Klinik und wieder nach Hause. Alas Eltern durften nicht über die Grenze nach Israel.
"Das ist wie eine Sucht, irgendwann bist Du völlig abhängig von diesem Projekt", gesteht Sion Houri lachend. Zwölf bis 14 Stunden arbeiten die Kinderchirurgen täglich. Neben ihrer regulären Arbeitszeit in der Klinik operieren sie unbezahlt für Save a Child's Heart. "Als mich der Gründer Ami Cohen vor ein paar Jahren fragte, ob ich mitmache, habe ich die Idee für verrückt gehalten". Wer soll für die Kosten aufkommen, war Houris naheliegende Frage. 7.000 US-Dollar zahlt der Verein für jede Operation an das Krankenhaus. "Das ist der Selbstkostenpreis der Klinik". Dazu kommen der Flug, die Nachsorge im Hospital und im Kinderhaus.
Inzwischen bitten Houri und seine Kollegen "jeden, außer der Mafia" um Spenden. Allein im Gazastreifen warten rund 600 Kinder auf eine lebensrettende Herzoperation.
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