Es war eine längst überfällige Entscheidung, die der Bundestag am 14. April 2000, 55 Jahre nach Kriegsende, traf. Mit der Verabschiedung des von allen Fraktionen mitgetragenen Gesetzentwurfs, der die Errichtung einer Stiftung zur finanziellen Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter vorsah, beendete er Jahre währende Verhandlungen, die schließlich sogar US-amerikanische Gerichte beschäftigt hatten. Künftig wollte die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" den Opfern eine Entschädigung zahlen und zugleich über einen Fonds Projekte fördern, die der Völkerverständigung, den Inte-ressen der Überlebenden des nationalsozialistischen Regimes und der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme dienen sollten. Zehn Milliarden Mark stellten der Bund und die in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen dafür zu gleichen Teilen zur Verfügung. Am 2. August 2000 nahm die Stiftung ihre Arbeit auf.
Eile war geboten. Über zwei Millionen Anträge, überwiegend aus Ost- und Mitteleuropa, galt es zügig zu bearbeiten, damit noch Lebende die Zuwendungen erhalten. Denn ihre Zahl sinkt bis heute kontinuierlich - Monat für Monat stirbt rund ein Prozent. So zeigte sich der FDP-Abgeordnete Otto Graf Lambsdorff, der als Beauftragter des Bundeskanzlers die Verhandlungen mit den Opferverbänden und amerikanischen Interessenvertretern geführt hatte, sichtlich erleichtert über die Einigung. Er bezeichnete die Stiftung als "öffentliches Zeichen der Versöhnung". Das Leid der ehemaligen Sklaven und Zwangsarbeiter sei damit aber nicht wieder gut zu machen. "Wer kann denn überhaupt sagen, welche Summe Geldes für einen KZ-Aufenthalt angemessen wäre?", fragte er, betonte aber, dass durch den den Beschluss das begangene Unrecht erstmals offiziell anerkannt werde - von der Bundesregierung, aber vor allem auch von den deutschen Unternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt hatten.
Bitter nötig. Denn rund neun Millionen Menschen mussten während des Krieges als Zwangs- oder Fremdarbeiter in deutschen Unternehmen schuften, nicht wenige starben aufgrund der unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Ob ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und europäische Juden, Männer, Frauen und sogar Kinder - in fast allen Wirtschaftsbereichen mussten sie, meist ohne Lohn, schwerste Arbeiten verrichten. Nur so konnte das Regime die Kriegswirtschaft aufrecht erhalten und die Arbeitnehmer ersetzen, die in großer Zahl zum Wehrdienst herangezogen wurden.
Die Überlebenden forderten schon nach Ende des Krieges eine nachträgliche Vergütung für die geleistete Zwangsarbeit, klagten gegen deutsche Firmen und gegen die Bundesrepublik Deutschland. Ohne Erfolg. Denn das Londoner Schuldenabkommen von 1953 behandelte alle Forderungen aus dem Ausland, also auch die ehemaliger ausländischer Zwangsarbeiter auf Entschädigung, als Reparationen. Diese sollten erst nach Abschluss eines Friedensvertrages abgegolten werden. Den aber hat es nie gegeben. Und so veränderte erst die Deutsche Einheit die rechtliche Situation zugunsten der Opfer. Der 2+4-Vertrag erfüllte die Funktion eines Ersatzfriedensvertrages, die Gerichte konnten die Klagen nicht länger abweisen. Über die Tochterfirmen deutscher Unternehmen in den USA strengten ehemalige Zwangsarbeiter Sammelklagen an und setzen damit die deutsche Wirtschaft und die Bundesregierung unter Druck.
Erst zehn Jahre nach der Wiedervereinigung kam es mit Verabschiedung des Zwangsarbeiter-Entschädigungsgesetzes zu einem Beschluss. Ein weiteres Jahr dauerte es, bis der Bundestag die vertraglich vereinbarte "ausreichende Rechtssicherheit" des Gesetzes formell feststellen konnte - die letzte notwendige Bedingung für den Beginn der Auszahlungen an die Opfer. Die Klausel im Stiftungsgesetz sollte deutsche Firmen künftig vor eventuellen Klagen schützen und die Stiftung als einzige und zentrale Stelle für Entschädigungsansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter etablieren.
Seither haben rund 1,6 Millionen leistungsberechtigte Zwangsarbeiter Gelder bekommen, insgesamt 3,85 Milliarden Euro. Jeder Empfänger erhielt einmalig 5.000 bis 15.000 Euro. Im Sommer dieses Jahres sollen die letzten Auszahlungen erfolgen. Dann hat die Stiftung hat ihren Auftrag erfüllt und stellt ihre Arbeit ein. Der Fonds "Erinnerung und Zukunft" wird weitergeführt und soll in Zukunft internationale Austauschprogramme, die psychosoziale und medizinische Betreuung von NS-Opfern oder Programme zur politisch-historischen Bildung von Jugendlichen fördern.