Was waren die 80er-Jahre für eine gefährliche Zeit - und kaum einer hat's bemerkt. In die kollektive Erinnerung ist hauptsächlich der modische Totalausfall dieses Jahrzehnts eingegangen: grellfarbige Blazer mit dicken Schulterpolstern, schreckliche Vokuhila-Frisuren und allgegenwärtige weiße Tennissocken. Dagegen erscheint das, was von der Politik im Gedächtnis geblieben ist, allenfalls harmlos: Ein beleibter Pfälzer zog ins Kanzleramt ein, die Grünen machten Turnschuhe Plenarsaal-fähig und die Flick-Spendenaffäre kostete Otto Graf Lambsdorff sein Ministeramt. Doch nun enthüllt endlich einer, der es wissen muss, dass alles ganz anders und viel brisanter war.
Nicht kriminelle Energie lenkte die Hände des damaligen CDU-Generalsekretärs und späteren Bundesinneministers Manfred Kanther Anfang der 80er-Jahre bei der Transaktion von etwa 20,8 Millionen Mark in die Schweiz - die Sorge um das Vaterland war's. Weil er einen "spätsozialistischen Generalangriff" befüchtet habe, sei die Entscheidung gefallen, die Kohle außer Landes zu schaffen, klärte Kanther dieser Tage auf. Getrieben von der Sorge, linke Kräfte könnten in ihrem Kampf gegen die Grundfesten der Republik schließlich erfolgreich sein, habe er das Geld an einem sicheren Ort gehortet, um die Kampagnenfähigkeit der Union zu sichern.
Anders als alle anderen hatte Kanther damals die Zeichen der Zeit erkannt: Die antiamerikanischen Züge der deutschen Außenpolitik, die Abkehr vom Wiedervereinigungsgedanken, die Vernachlässigung der inneren Sicherheit und nicht zuletzt die verheerende Schulpolitik waren ihm untrügliche Indizien für den drohenden Angriff. Führte nicht gerade ein Lied mit dem Titel "99 Luftballons" die Hitparaden an? Heute ist klar: Dabei handelte es sich um eine ganz subversive Methode der Linken, um gemeinsam mit der DDR-Führung den geplanten Angriff zu koordinieren. Und die hatte ja auch alle Möglichkeiten - frisch gestärkt vom Strauß-vermittelten Milliardenkredit schickte sie sich zur Zersetzung der bundesrepublikanischen politischen Kultur an. Neben der Fähigkeit, die aktuelle Lage zu durchschauen und Lösungen für künftige Probleme zu entwickeln, sticht die prophetische Gabe Kanthers ins Auge: Als andere noch an Honeckers Vorhersage glaubten, den Sozialismus in seinem Lauf halte weder Ochs noch Esel auf, war dem schneidigen Juristen schon klar, dass der Sozialismus in seine Spätphase eingetreten war. Und da letzte Kämpfe mit be- sonderer Härte geführt werden, tat entschlossenes Handeln not.
Dass der Generalangriff dann gar nicht stattfand und das Geld - geschmacklos als jüdische Vermächtnisse deklariert - zurückgeholt werden musste, ist zwar dumm gelaufen, für Kanther aber kein Grund zur Aufregung und erst recht kein Anlass, die Justiz zu bemühen. Und in der Tat: Im Strafgesetzbuch findet sich kein Paragraf, der Dummheit oder Dreistigkeit verbietet. Leider.