Schwitzend quälen sich die Soldaten über den Hindernisparcours, robben durch tiefen Schlamm, um anschließend in der Meeresbrandung zentnerschwere Boote auf ihren Schultern zu tragen. Stets das eigene Scheitern vor Augen, werden sie von gnadenlosen Ausbildern zu immer neuen Höchstleistungen angetrieben. Unter den Rekruten befindet sich auch Lieutenant Jordan O'Neil, die erste Frau, die das knallharte Ausbildungsprogramm der US Navy Seals über sich ergehen lässt - zumindest in Hollywood. Denn Jordan O'Neil heißt im wahren Leben Demi Moore und ist die Hauptdarstellerin in "Die Akte Jane". Der Film zeigt das Ringen einer Frau um Gleichberechtigung in einer reinen Männerwelt, natürlich mit Erfolg. Während ein Rekrut nach dem anderen aufgibt, übersteht O'Neil die Ausbildung und die Schikanen ihrer männlichen Kameraden. Sie stellt ihre physische und psychische Stärke unter Beweis und wird zum anerkannten Mitglied der Eliteeinheit.
Zugegeben, die Gleichstellung zwischen Soldatinnen und Soldaten verläuft nicht immer derart reißerisch, dennoch ist sie in den Armeen der meisten Staaten allgegenwärtig und hat auch das Gesicht der Bundeswehr in den letzten fünf Jahren nachhaltig gewandelt. Dabei galt das Thema Frauen und Truppendienst in der Bundesrepublik lange Zeit als Tabu. Nach 1945 hieß es nicht nur "nie wieder Krieg", sondern ebenso "nie wieder Frauen in Uniform". Ihr missbräuchlicher militärischer Einsatz während des "Totalen Krieges" galt den Verfassungsvätern als Lehre. Militärische Karrieren - abgesehen von zivilen Funktionen in der Bundeswehrverwaltung - blieben Frauen fortan per Grundgesetz verwehrt.
Erst seit 1975 steht ausgebildeten Ärztinnen und Apothekerinnen die Sanitätsoffizierslaufbahn offen. 1991 wurde Frauen zusätzlich der Einsatz in den Militärmusikkorps ermöglicht. Doch sowohl der Sanitäts- als auch der Militärmusikdienst findet für Soldatinnen ohne Ausbildung an der Waffe statt. Hinzu kam, dass sich über Jahrzehnte in den Köpfen der meisten Soldaten Vorurteile über Frauen in der Armee eingenistet hatten: Das vermeintlich schwache Geschlecht könne den Gefechtsdienst nie und nimmer bewältigen, psychisch sei es nicht stark genug belastbar und zudem schädlich für die Kameradschaft.
Zeit für einen Sinneswandel, meinte die Elektronikerin Tanja Kreil und bewarb sich 1996 für den Truppendienst bei der "Waffeninstandhaltung". Fachlich war die damals 19-Jährige hierfür bestens geeignet, dennoch wurde ihre Bewerbung abgelehnt. Begründung: Artikel 12a, Absatz 4 des Grundgesetzes verbiete Frauen den Dienst an der Waffe. Kreil empfand dies als Diskriminierung und reichte Klage beim Verwaltungsgericht Hannover ein. Ihre Argumentation basierte auf einer EG-Richtlinie aus dem Jahr 1976. Demnach sei die "Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung" zu gewährleisten. Die geschlechtsspezifische Begründung der Bewerbungsablehnung von Tanja Kreil wäre somit unzulässig. Das Verwaltungsgericht erkannte die Brisanz der Klage und bat 1998 den Europäischen Gerichtshof um eine Auslegung jener Richtlinie. Dürften nationale Rechte, welche die Verteidigung eines souveränen Staates regelten, einfach so ausgehebelt werden? Ja, meinten die Luxemburger Richter zwei Jahre später und entschieden in ihrem Urteil vom 11. Januar 2000 die uneingeschränkte Anwendung der Gemeinschaftsrichtlinie auch auf die deutschen Streitkräfte.
Der Bundesregierung blieb somit nichts anderes übrig als die (widerwillige) Umsetzung des Urteils. "Zukünftig sind die Streitkräfte in ihrer ganzen Vielfalt für den freiwilligen Dienst von Frauen geöffnet.", verkündete der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) vor fünf Jahren, am 1. Juni 2000. In seinem so genannten Eckpfeiler-Papier gab Scharping die Richtung für eine Reform der Bundeswehr vor: Die Armee des 21. Jahrhunderts sollte kleiner werden, effizienter und emanzipierter. Am 7. Juni 2000 folgte schließlich der Kabinettsbeschluss "für die konzeptionelle Neuausrichtung der Bundeswehr". Konkret bedeutete dies: Frauen zu den Waffen, sofern sie denn wollten. Der bundespolitische Grundstein für den Weg zur vollkommenen Gleichberechtigung von Soldatinnen und Soldaten war jedenfalls gelegt.
Doch schon bald machten Witze über "Flintenweiber" in Kampfstiefeln mit Absätzen die Runde in den Kasernen. Ebenso die Aussagen eines Oberstleutnants, wonach man die Frauen, "die zur Bundeswehr gehen wollen, ruhig lassen sollte, da sie zu Hause auch nur vergewaltigt werden", ließen starke Integrationsprobleme befürchten. Eine Männerdomäne per Gesetz abzuschaffen war die eine Sache, sie aus den Köpfen der Betroffenen zu verbannen offensichtlich eine andere. Bereits kurz nach dem Kabinettsbeschluss zeigten Umfragen des Sozialwissenschaftlichen Dienstes der Bundeswehr, dass zwei Drittel der Soldaten durch den Einsatz von Frauen vermehrt Probleme im Dienstalltag erwarteten. Allerdings konnten sich im Gegenzug 75 Prozent der Befragten Soldatinnen in der eigenen Einheit gut vorstellen, sofern für sie keine Sonderbedingungen gelten. Die Umfrageergebnisse machten also Zweierlei deutlich: Die Integration der Frauen in die Bundeswehr würde nicht reibungsfrei ablaufen. Jedoch war die große Mehrheit der Soldaten bereit, diese Herausforderung unter der Voraussetzung der vollkommenen Gleichberechtigung anzunehmen.
Nur die Frauen schienen sich der Herausforderung nicht stellen zu wollen. Der Run des schönen Geschlechts auf die Männerbastion Kaserne blieb aus. Begleitet von einer ausufernden medialen Berichterstattung, traten gerade einmal 244 Rekrutinnen im Januar 2001 den Dienst an der Waffe an. "Ernüchtert" nahm man im Verteidigungsministerium diese Zahl zur Kenntnis. Wurde die angestrebte Emanzipation nun seitens der Frauen boykottiert? Wohl kaum. Denn von 2001 bis 2005 erhöhte sich die Anzahl von 5.000 Sanitätssoldatinnen auf mehr als 16.000 Soldatinnen, verteilt auf die unterschiedlichsten Truppenteile.
Die steigende Tendenz wird zusätzlich durch das im Januar 2005 in Kraft getretene Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten verstärkt. Die nun festgesetzten Frauenquoten von 50 Prozent im Sanitätsdienst sowie 15 Prozent in den sonstigen Laufbahnen werden in den kommenden Jahren die bevorzugte Einstellung von Bewerberinnen zur Folge haben. Die Bundeswehr käme damit in Zukunft auf einen vergleichbaren Frauenanteil wie die US-Army.
Dabei steht für 90 Prozent der zukünftigen Soldatinnen die Unteroffiziers- beziehungsweise Mannschaftslaufbahn ganz oben auf der Karrierewunschliste, vorwiegend im Stabsdienst oder in einer Kampftruppe. Bei den Offiziersanwärterinnen sind dagegen Laufbahnen im Führungsdienst sowie im technischen oder fliegerischen Dienst am begehrtesten.
Immerhin gelingt es über 80 Prozent der Frauen in ihrem bevorzugten Tätigkeitsbereich zum Einsatz zu kommen. Ein Wunschtraum, der sich im übrigen für Tanja Kreil nicht erfüllte. Nach der Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofes, zog sie ihre Bewerbung bei der Bundeswehr zurück und arbeitet nun als Anlagenelektronikerin bei Siemens. Offenbar hatte ihr das vierjährige "Bewerbungsverfahren" die Lust am Armeeleben genommen.