Trotz großer Vorbehalte gegeneinander wird in Mecklenburg-Vorpommern ein linkes Wahlbündnis immer wahrscheinlicher. Die 7.000 Mitglieder starke PDS und die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) mit nur 70 Mitgliedern gehen Schritt für Schritt aufeinander zu. Wilfried Freier, Mitglied im Landesvorstand der WASG, bringt es auf den Punkt: Man dürfe die "historische Chance", eine starke linke Opposition aus Ost und West in den Bundestag zu bringen, nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Die PDS in Mecklenburg-Vorpommern trägt als Koalitionspartner der SPD seit der Landtagswahl von 1998 Regierungsverantwortung. Damit ist sie auch in der Pflicht, im Kielwasser der SPD zu bleiben. Für Landes-Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) beispielsweise hat das seit letztem Herbst beinahe kuriose Folgen. Vormittags saß er in seinem Ministerium oder am Kabinettstisch mit seinen sozialdemokratischen Kollegen und leitete die Umsetzung der Hartz-IV-Reform. Nachmittags demonstrierte er gemeinsam mit seinen Genossen, Arbeitslosen-Verbänden und Gewerkschaften dagegen. Seinen ideologischen Spagat rechtfertigte Holter so: "Als PDS-Mitglied bin ich gegen die Reform. Hartz IV taugt nicht, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen. Als verantwortlicher Minister muss ich aber alles dafür tun, dass die Betroffenen pünktlich ihr Arbeitslosengeld II erhalten."
Inzwischen stört sich niemand mehr daran. Hartz IV ist Alltag im Land. Lediglich in der Landeshauptstadt Schwerin zogen noch bis weit in das Frühjahr hinein Montagsdemonstranten Woche für Woche durch das Zentrum. Ein Dutzend zuletzt; das von der PDS geführte Arbeitsministerium erreichten sie nie.
So sehr sich die PDS im Nordosten nun auch eine Präsenz der Linken im Bundestag wünscht - selbst Arbeitsminister Holter will sich um ein Direktmandat bewerben -, so sehr ist man auch hier von Skepsis in Sachen WASG befallen. Vor allem wegen der geplanten Namensänderung der PDS in "Die Linkspartei". Deutlich wurde dies auf dem jüngsten Landesparteitag der Linkssozialisten Ende Juni in Güstrow.
Zwar bekam WASG-Vorstandsmitglied Gerhard Kratzke starken Applaus von den 97 PDS-Delegierten, als er verkündete: "Die WASG will auf der offenen Liste mit der PDS kandidieren." Doch gab es auch andere Töne. "Euphorisch macht mich das Zusammengehen nicht", meinte Wolfgang Diedrich vom PDS-Kreisverband Uecker-Randow. PDS-Fraktionschefin Angelika Gramkow mahnte, die PDS müsse ihr ureigenstes Profil schärfen. Und der ehemalige PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch bekannte: "Herz und Bauch sind dagegen. Aber mit dem Kopf kriegen wir das schon hin."
Schließlich sprach PDS-Landeschef Peter Ritter eine Art Machtwort: "Wer mit der PDS in Mecklenburg-Vorpommern zusammenarbeiten will, der muss die PDS nehmen, wie sie ist." Die PDS in Mecklenburg-Vorpommern sei nun einmal in Regierungsverantwortung. Man sei bereit, die Wahllisten für die WASG zu öffnen, aber nicht, das Profil der PDS zu ändern. Auf jeden Fall werde man als "Die Linkspartei" das Kürzel PDS im Namen führen.
Deutlichen Argwohn gegenüber der sich neu formierenden Kraft lässt die SPD spüren. Landeschef Till Backhaus treibt schon einmal ein paar Keile in das sich anbahnende Bündnis. Im NDR machte er das so: "Ein Bündnis, das im Osten als PDS antritt, im Westen als eine Wählergemeinschaft, wo man den Namen PDS oder - ich sage ganz bewusst: SED - herauslassen will, ist für mich der blanke Populismus und Etikettenschwindel."
Der Rostocker PDS-Kreisvorsitzende Wolfgang Leuchter sieht darin einen "Ausdruck der Hysterie unter den Sozialdemokraten" und ein "Zeichen eines grundsätzlichen Misstrauens der SPD gegenüber ihren eigenen Wählern". Möglicherweise hat er damit sogar recht. Denn einen Grund für derart scharfe Töne hat Backhaus nicht. Seit 1998 ist die PDS ein eher bequemer Regierungspartner, der so manche bittere Pille um der Regierungsbeteiligung willen schluckte.
Treibt Backhaus mit seinen Angriffen die Koalition auseinander, wird der Machterhalt nach der Landtagswahl 2006 noch unwahrscheinlicher. Auf kommunaler Ebene sind CDU und PDS längst die stärkeren Kräfte in Mecklenburg-Vorpommern. Die Sozialdemokraten hinken regelrecht hinterher. Das schlägt sich auch in den Mitgliederzahlen nieder: CDU 8.000, PDS 7.000, SPD 3.300. So war die Reaktion von PDS-Fraktionschefin Gramkow wohl durchaus als ernstgemeinte Warnung zu verstehen: "Mit seinem Griff in die politische Mottenkiste gefährdet Backhaus wichtige Zukunftsprojekte der Koalition."
Auch der CDU-Landesvorsitzende Eckhardt Rehberg meldete sich jetzt zu Wort. Er wittert "eine starke Verunsicherung" bei der SPD: "Zu Ende gedacht, müsste Backhaus' Kritik an WASG und PDS zum Ausstieg seiner Partei aus der Koalition führen."