Der Abschluss von Friedensverträgen hat in der Menschheitsgeschichte eine lange Tradition: Schon die antiken Herrscher besiegelten manche Fehde mit Hilfe einer Keilschrift- oder Hieroglyphentafel, auf der sie einander Anerkennung und Unterstützung versprachen - wie der ägyptische Pharao Ramses II. und der Hethitierkönig Muwatalli III. 1259 vor Christus. Sie hatten viele Jahre um die Vorherrschaft in Vorderasien gekämpft, aber im Angesicht der syrischen Eroberer zusammen gehalten. Zum beiderseitigen Vorteil: Ihre Reiche erlebten noch unter Ramses' und Muwatallis' Nachfolgern eine Zeit des Friedens und des Wohlstands. Das ist 3.000 Jahre her - der Pakt zwischen Ägyptern und Hethitiern gilt als ältester bekannter Friedensvertrag der Geschichte.
Viele Friedensschlüsse, Waffenstillstandsabkommen und Kapitulationserklärungen später, sind wir in der Gegenwart angekommen, bei einem der bedeutendsten Verträge des vergangenen Jahrhunderts: Nur wenige Monate nach dem Fall der Berliner Mauer stimmten am 12. September 1990 die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges der Einheit Deutschlands im Zwei-plus-Vier-Vertrag zu und gaben damit dem wiedervereinigten Staat seine volle Souveränität zurück. Das hieß: 45 Jahre nach Ende des Krieges zogen sich die Alliierten aus Deutschland zurück und übergaben die Verantwortung für die inneren und äußeren Angelegenheiten dem deutschen Souverän. Der Weg zur Wiedervereinigung war frei, die über Jahrzehnte unbeantwortete deutsche Frage gelöst.
Dabei war der Zwei-plus-Vier-Vertrag, den die sechs Außenminister in Moskau unterzeichneten, formell gar kein Friedensvertrag. Der "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" regelte zwar alles, was ein Friedensvertrag auch geregelt hätte, nämlich die Bündniszugehörigkeit des vereinigten Deutschland, die Reduzierung seiner Streitkräfte, den Verzicht auf ABC-Waffen und die endgültige Anerkennung der bestehenden Grenzen, aber er war kein Anknüpfungspunkt für mögliche Reparationszahlungen. Dafür hätten viele andere Staaten in die Moskauer Gespräche einbezogen werden müssen, jene nämlich, mit denen das Dritte Reich Krieg geführt hatte.
So aber beschäftigte die Außenminister der Siegermächte, Roland Dumas (Frankreich), Eduard Schewardnadse (Sowjetunion), James Baker (USA) und Douglas Hurd (Großbritannien) vor allem eine Frage: Sollte das künftig wiedervereinigte Deutschland Mitglied der NATO sein? Oder sollte es lieber neutral bleiben und weder NATO noch Warschauer Pakt angehören?
Amerikaner, Franzosen und Briten forderten von Beginn der Verhandlungen an, dass auch ein vereintes Deutschland seinen Verpflichtungen gegenüber der NATO nachkommen müsse. Die sowjetischen Verbündeten, allen voran Polen und die Tschechoslowakei, hielten ein in das westliche Bündnis eingebundenes Deutschland ohnehin für weit weniger gefährlich. Nur die sowjetische Führung plädierte für strikte Neutralität. Eine Ausweitung der NATO bis an die deutsch-polnische Grenze wollte sie nicht einfach hinnehmen. Um die Russen zu einem Kompromiss zu bewegen, machte die Bundesregierung ihnen ein Angebot: Den Abschluss eines umfassenden bilateralen Vertrages, der die Beziehungen beider Staaten auf eine gemeinsame Grundlage stellen sollte. Am 13. September 1990, einen Tag nach Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages, unterzeichneten der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein sowjetischer Amtskollege Eduard Schewardnadse, wie vereinbart, in Moskau den "Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion".
Das Entgegenkommen der Deutschen schaffte Vertrauen zwischen den Verhandlungsparteien und erleichterte der UDSSR manches Zugeständnis: Die Sowjetunion betonte fortan, dass ihr vor allem daran gelegen sei, die Zahl der Bundeswehrsoldaten und der Kernwaffen auf deutschem Boden deutlich zu verringern. Der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands stimmte sie zu.
Damit war, nur wenige Monate nach Beginn der Gespräche im kanadischen Ottawa, der Durchbruch gelungen. Alle vier Siegermächte hatten der Wiedervereinigung zugestimmt - für Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher Grund genug, am 20. September 1990 vor dem Deutschen Bundestag mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken: "Die Unterzeichnung dieses abschließenden Dokumentes bildet den Schlusspunkt der europäischen Nachkriegsgeschichte. Uns Deutschen eröffnet sich eine neue Chance."
Zwei Wochen später war die deutsche Einheit perfekt.