Wenn Eltern Risiken und Nebenwirkungen der Packungsbeilage studieren, erfahren sie meist nicht, ob das Präparat auch für Kinder geeignet ist. Bislang wird die Hälfte der Kindern verabreichten Heilmittel nicht speziell auf ihre Wirkung für kleine Patienten getestet. In vielen Fällen empfiehlt der Beipackzettel lediglich, eine entsprechend geringere Dosis einzunehmen. Mediziner warnen, dass den Besonderheiten des kindlichen Organismus damit nicht Rechnung getragen werde.
Am 7. September stimmten die EU-Parlamentarier in Straßburg in erster Lesung mit großer Mehrheit für eine neue Verordnung, mit der die Qualität von Kinderarzneimitteln verbessert werden soll. Sie änderten den Vorschlag der Kommission dahingehend ab, dass so wenig zusätzliche Tests wie möglich an Kindern vorgenommen werden. Nun muss der Rat zu dem geänderten Entwurf Stellung beziehen, bevor die Richtlinie voraussichtlich Ende des Jahres endgültig beschlossen werden kann.
Vor einem Jahr legten EU-Kommission und Rat einen gemeinsamen Verordnungsentwurf vor, der die Verdienstmöglichkeiten für Pharmahersteller in dem Bereich verbessern und dadurch sicherstellen soll, dass der entsprechende Forschungsetat der Firmen erhöht wird. Gleichzeitig soll ein neu eingerichteter Ausschuss für Kinderheilkunde innerhalb der Europäischen Arzneimittelagentur überwachen, dass nicht mehr Forschungsreihen als nötig an Kindern durchgeführt werden. Der Ausschuss stellt den Forschungsbedarf für jedes neu entwickelte Medikament fest und prüft, ob schon in einem anderen EU-Land Studien zu dem Wirkstoff vorliegen.
Als finanzieller Anreiz soll die Patentlaufzeit für Kinderheilmittel um sechs Monate verlängerte werden. Das bedeutet, dass billigere Nachahmerprodukte, so genannte Generika, erst später auf den Markt kommen könnten. Nach Berechnungen des Europäischen Verbands der Generika-Hersteller würde dies den Pharmaherstellern bis zu 2 Milliarden Euro pro Jahr an zusätzlichen Einnahmen bringen. Kritiker befürchten, dass ein erhöhter finanzieller Anreiz für die Entwicklung von Kinderarzneien auch zu einem erhöhten Medikamentenverbrauch bei Kindern führen könnte. Eine Nebenwirkung, die vom europäischen Gesetzgeber sicher nicht beabsichtigt ist.