In einem Punkt waren sich die Mitglieder des Visa-Untersuchungsausschusses einig: Mit dem innerhalb weniger Wochen verfassten Sachstandsbericht von über 800 Seiten hat das Sekretariat des Ausschusses ganze Arbeit geleistet und einen besonderen Dank verdient. Den verteilten die Redner während der etwa einstündigen Debatte über den Abschlussbericht am 7. September im Bundestag auch ohne Ausnahme.
Doch mit dem Lob endeten die Gemeinsamkeiten zwischen Regierung und Opposition auch. In der Bewertung der Arbeit - der Ausschuss hatte seit Februar 58 Zeugen vernommen und 1.600 Aktenordner durchforstet - prallten bekannte Argumente aufeinander. Für Eckart von Klaeden, Obmann der CDU/CSU im Ausschuss, stand fest, dass die Erlasse des Auswärtigen Amtes aus den Jahren 1999 und 2000 sowohl gegen das deutsche Ausländerrecht als auch gegen das europäische Schengen-Abkommen verstoßen haben. Aber nicht nur das: "Diese Erlasse haben die Kriminalität gefördert und sogar eine neue Form verursacht, nämlich die so genannte legendierte Schleusung. Diese legendierte Schleusung hat zu einem Anstieg der Schwarzarbeit, einer Gefährdung der inneren Sicherheit und zu Zwangsprostitution geführt." Darüber hinaus warf er der Koalition vor, die Arbeit des Ausschusses massiv behindert zu haben. Die Tatsache, dass es innerhalb kurzer Zeit möglich war, einen umfangreichen Sachstandsbericht zu verfassen, strafe Rot-Grün Lügen, sagte von Klaeden. "Sie haben versucht, auf verfassungswidrige Weise die Beweisaufnahme abzubrechen, mit der Begründung, dieser Sachstandsbericht müsse gefertigt werden." Im Juni hatte das Bundesverfassungsgericht einem Eilantrag der Opposition stattgegeben, mit dem diese sich gegen das von Rot-Grün verlangte vorzeitige Ende der Beweisaufnahme gewehrt hatte.
Für die Fraktion der Grünen erklärte Jerzy Montag: "Die CDU/CSU hat 2004 lange Zeit nach einem Thema gesucht, das ihr vermeintlich Munition für den Wahlkampf 2006 hätte liefern sollen." Er warf der Oppposition vor, lediglich an einer Skandalisierung interessiert gewesen zu sein. Während der Arbeit des Untersuchungsausschusses hätten sich jedoch die Vorwürfe nicht bestätigt, dass die rot-grüne Bundesregierung rechtswidrig gehandelt habe: "Der Volmer-Erlass war nach unserer Auffassung rechtlich eindwandfrei. Dies sage ich in Kenntnis der Auseinandersetzung."
SPD-Obmann Olaf Scholz betonte in dieser letzten Debatte vor der Bundestagswahl, dass es zwar "Schlamperei aber keinen Skandal" in der Visa-Politik seit 1998 gegeben hätte. Für die von der Opposition erzeugte "Hysterie" hätte es "keinen wirklichen Anlass" gegeben, da die Mängel schon längst behoben worden seien.
Das sah der FDP-Politiker Hellmut Königshaus anders. Er kritisierte, dass die Koalition den Eindruck erwecken wolle, es hätten sich nur ein paar Pannen ereignet: "Es gab im Auswärtigen Amt schlimme Erlasse. Diese hatten fatale Folgen." Zehntausende Menschen seien eingeschleust und nicht selten auf übelste Weise missbraucht worden. Im Außen- aber auch im Innenministerium habe der Ausschuss ein "Organisations- versagen" festgestellt. Hierzu brachte die FDP einen Antrag ( 15/5977) ein, in dem sie eine intensivere Koordination zwischen den Behörden und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Schengen-Staaten fordert. Der Antrag wurde am Ende der Debatte an den Auswärtigen Ausschuss überwiesen. Dass die Diskussion in Abwesenheit von Außenminister Fischer stattfand, wurde von Königshaus und vom Ausschuss-Vorsitzenden Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) verurteilt.
Positiv hervorgehoben wurden dagegen die Live-Übertragungen einiger Ausschuss-Sitzungen. Diese hätten den Bürgern ein klareres Bild vermittelt und Fehlinterpretationen ausräumen können, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Volker Neumann (SPD).