Sei es nun aus Höflichkeit gegenüber den "alten" Hausdamen und -herren, oder aus Gründen der inneren Logik einer Großen Koalition oder gar aus politischer Überzeugung - das Wort "Kontinuität" fiel verdächtig oft, während der Amtsübergabe im Kanzleramt und den elf Bundesministerien, in denen ein Führungswechsel anstand. Mit den sozialdemokratischen Ministerinnen Ulla Schmidt, Heidemarie Wieczorek-Zeul und Brigitte Zypries bleibt obendrein auch eine personelle Kontinuität zur Vorgängerregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder gewahrt.
Zusammen mit Angela Merkel zog Thomas de Maizière (CDU) ins Kanzleramt, dessen Chef er wird. Zudem bekleidet der 51-jährige bisherige sächsische Innenminister das Amt des Bundesministers für besondere Aufgaben. Die Koordination der Regierungsarbeit und die Aufsicht über die Geheimdienste fallen in sein Ressort. Er übernahm das Amt von Frank-Walter Steinmeier (SPD). Ebenfalls beim Kanzleramt angesiedelt sind die drei Staatsminister (alle CDU) Maria Böhmer als Ausländerbeauftragte, Hildegard Müller als Bund-Länder-Koordinatorin und Bernd Neumann zuständig für Kultur.
Frank-Walter Steinmeier übernimmt das Auswärtige Amt (AA). Wie schon sein Vorgänger Joschka Fischer (Grüne) beim Regierungswechsel 1998, betonte der 49-Jährige die Kontinuität der deutschen Außenpolitik. Auf der Agenada ganz oben stehen die EU-Finanzen, der Konflikt um das iranische Atomprogramm und die anvisierte Verbesserung des Verhätnisses zu den USA. Zur Seite stehen ihm die Staatsminister Gernot Erler und Günter Gloser zur Seite.
Eng mit dem AA zusammenarbeiten wird der neue Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Denn ein Hauptaugenmerk des 56-jährigen Dienstherren über 270.000 Soldatinnen und Soldaten sowie 120.000 zivile Angstellte der Bundeswehr wird auf deren Auslandseinsätzen liegen. Der ehemalige hessische Unions-Fraktionsvorsitzende wird zudem den von seinem Vorgänger Peter Struck (SPD) forcierten Umbau der Streitkräfte fortsetzen. Christian Schmidt und Friedbert Pflüger (beide CDU) werden die Posten der zwei Parlamentarischen Staatssekretäre im BMVg bekleiden.
Zur Außenpolitik zählt in weiten Teilen auch die Arbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), das seit dem Regierungswechsel im Jahr 1998 von Heidemarie Wieczorek-Zeul geführt wird. Auch in ihrer dritten Amtszeit wird die 63-Jährige um mehr Geld für ihr Ressort kämpfen müssen, um die anvisierte Erhöhung der Entwicklungshilfe von derzeit 0,28 Prozent auf 0,51 des Bruttoinlandproduktes im Jahr 2015 schrittweise zu realisieren. Ihr zur Seite steht dabei Katrin Kortmann (SPD) als neue Parlamentarische Staatssekretärin.
Nicht nur in der äußeren, sondern auch im Bereich der inneren Sicherheit wird es wenige Unterschiede zwischen CDU und SPD geben. So sieht sieht es der neue Chef des Innenministeriums (BMI) Wolfgang Schäuble (CDU), der die Nachfolge von Otto Schily antrat. Der 63-Jährige kehrt damit an eine alte Wirkungsstätte zurück. Im Kabinett Helmut Kohls hatte er als Innenminister von 1989 bis 1991 entscheidend an der Ausarbeitung der Verträge zur deutschen Einheit mitgewirkt. Peter Altmaier und der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Christoph Bergner, sind seine Parlamentarische Staatssekretäre (beide CDU).
Organisatorisch strikt getrennt zum Innenministerium, aber inhaltlich durchaus verbunden, kann Brigitte Zypries ihre Arbeit im Bundesjustizministerium (BMJ) fortsetzen, das sie seit Oktober 2002 leitet. Auf der Arbeitszettel des BMJ stehen eine Neuregelung der Telefonüberwachung, die geplante Kronzeugenregelung und die rechtliche Absicherung von Patientenverfügungen. Auch Alfred Hartenbach (SPD) behält seinen Posten als Parlamentarischer Staatssekretär.
Eine Doppelfunktion am Kabinettstisch bekleidet der ehemalige SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering - als Vizekanzler und als Chef des neuen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). In das Ressort, das der 65-Jährige teilweise aus dem Superministerium von Wolfgang Clement (SPD) übernahm, wird zukünftig auch der Bereich Rente aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung von Ulla Schmidt (SPD) fallen. Müntefering war bereits für ein Jahr im Bundeskabinett Schröder als Verkehrsminister tätig. Gerd Andres und Franz Thönnes (beide SPD) übernahmen die Posten der Parlamentarischen Staatssekretäre im BMAS.
Auch Michael Glos (CSU) übernimmt einen Teil der "Erbmasse" von Clement. Das neu geschnittene Ressort des 61-Jährigen nennt sich nun Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das in dieser Form ursprünglich für Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber geschaffen worden war. Peter Hintze (CDU) und Dagmar Wöhrl (CSU) werden ihn als Parlamentarische Staatssekretäre unterstützen.
Wolfgang Tiefensee (SPD) führt nun das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und ist zugleich Beauftragter für den Aufbau Ost. Der 50-jährige bisherige Oberbürgermeister von Leipzig übernahm das Ministerium von seinem Parteifreund Manfred Stolpe. Mehr private Gelder für öffentliche Projekte will er anwerben und die neuen Länder konzentrierter und gezielter fördern. Als Parlamentarische Staatssekretäre begleiten ihn Karin Roth, Ulrich Kasparick und Achim Großmann (alle SPD).
Ulla Schmidt ist die dritte Ministerin im Kabinett, die ihr Haus, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), nicht verlassen muss. Allerdings ist sie nicht mehr für den Bereich der Sozialen Sicherung zuständig. Auf die 56-jährige Ministerin wartet eine heikle Aufgabe: die Reform der Gesundheitswesen als auch der Pflegeversicherung. Marion Caspers-Merk bleibt ihr als Parlamentarische Staatssekretärin erhalten, Franz Thönnes (beide SPD) kam neu in dieses Amt.
Mit Hort Seehofer sitzt der zweite CSU-Mann und ein "alter Bekannter" Schmidts am Kabinettstisch. Der 56-jährige Sozialpolitiker übernahm das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) von Renate Künast (Grüne). Seehofer will unter anderem Tierschutzauflagen lockern und gentechnisch veränderte Pflanzen fördern. Gerd Müller (CSU) und Peter Paziorek (CDU) sind seine Parlamentarischen Staatssekretäre.
Aus dem Kultusministerium in Baden-Württemberg zog Annette Schavan (CDU) ins Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) um. Die 50-jährige enge Vertraute von Angela Merkel wird jedoch im Bereich der Bildung Kompetenzen an die Bundesländer abtreten. Die Nachfolgerin von Edelgard Bulmahn will dafür die Ausgaben für Forschung bis 2010 auf drei Prozent des Bruttoinlandproduktes anheben, die Spitzenforschung soll ebenfalls besser gefördert und der Ausbildungspakt mit der Wirtschaft soll erneuert werden. Mit ins BMBF wechselten als Parlamentarische Staatssekretäre die CDU-Politiker Andreas Storm und Thomas Rachel.
Die bessere Vereinbarkeit von Familie von Beruf und Famile hat sich die neue Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen (CDU) auf die Fahne geschrieben. Die 47-jährige bisherige Sozialministerin aus Niedersachsen setzt als Nachfolgerin von Renate Schmidt (SPD) dabei unter anderem auf die Einführung des einkommensunabhängigen Erziehungsgeldes und den Ausbau der Kinderbetreuung. Als Parlamentarischer Staatssekretär im BMFSFJ tritt Hermann Kues (CDU) an.
Mit 46 Jahren übernahm Sigmar Gabriel (SPD) als "Benjamin" des Kabinetts das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) von seinem Amtsvorgänger Jürgen Trittin (Grüne). Erste Bewährungsprobe wird die Klimakonferenz in Montreal über das Kyoto-Protokoll. Und der frühere niedersächsische Ministerpräsident darf sich auf die Suche begeben nach einem geeigneten Endlager für den Atommüll. Unterstützt wird er dabei von den zwei Parlamentarischen Staatssekretären Michael Müller und Astrid Klug (beide SPD).
Bei allen Vorhaben der neuen Regierungen richten sich die Augen automatisch auf den neuen Herrn im Bundesfinanzministerium (BMF). Peer Steinbrück (SPD) hat die sanierungsbedürftige Bundeskasse aus der Hand von seinem Parteifreund Hans Eichel übernommen. Dem 58-jährigen, ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten wird beim Rechnen mit der spitzen Feder von seinen Parlamentarischen Staatssekretären Barbara Hendricks und Karl Diller (beide SPD) unterstützt.
Zu nennen bleibt Ulrich Wilhelm als Regierungssprecher und Leiter des Bundespresseamtes im Rang eines Staatssekretärs. Der 44-jährige Nachfolger von Bela Anda muss die Politik der Großen Koalition den Medien und der Öffentlichkeit möglichst überzeugend "verkaufen".