Doch nicht nur der zeitliche Aspekt habe die baden-württembergische Landesregierung dazu veranlasst, den vom Bundesrat schon im März 2005 beschlossenen Entwurf eines Anti-Stalking-Gesetzes erneut vorzulegen. Es gehe auch um den Inhalt der Gesetzgebung, da auch ein konkurrierender Gesetzentwurf der früheren Bundesregierung existiere. Dieser enthalte, so Reinhart, einen abschließenden Katalog der strafbaren Stalking-Handlungen. Dies sei aber ein für die Opfer unzureichender Ansatz, da die Täter viel Phantasie darauf verwendeten, ihre Opfer mit imme neuen Aktionen zu traktieren.
Sie seien in der Lage, jedem noch so sorgfältig formulierten abschließenden Handlungskatalog auszuweichen und andere Wege zu finden, dem Opfer "straffrei" ein normales Leben unmöglich zu machen. Daher müsse, wie in dem Länderentwurf vorgesehen, jede den benannten Tathandlungen vergleichbar schwerwiegende Beeinträchtigung ebenfalls unter Strafe gestelt werden.
Ein weiteres, in dem Regierungsentwurf ungelöstes Problem, sei die Möglichkeit der Inhaftierung gefährlicher Stalker. Es müsse die Möglichkeit bestehen, die in Gang gekommene Gewaltspirale durch eine Inhaftierung des Stalkers zu unterbrechen. Nur wenn man diese beiden Punkte berücksichtigen würde, könne man ein wirksames Stalking-Bekämpfungsgesetz schaffen, so Reinhart.
Unterstützung für sein Ansinnen erfuhr der baden-württembergische Bundesratsminister von Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU). Die wiederholte Beschäftigung des Bundesrates mit dem Thema Stalking dokumentiere die unverminderte Aktualität und Dringlichkeit des Anliegens.
Es habe einige Zeit gebraucht, um über alle Parteigrenzen hinweg zu der Erkenntnis zu gelangen, dass es spezifischer Straftatbestände für Stalking bedarf. Über diese Einigkeit freue sie sich, sagte die Bayerische Justizministerin, denn sie sei nicht selbstverständlich. Es galt, erhebliche Widerstände zu überwinden, denn noch zu oft werde das Phänomen Stalking bagatellisiert. Neue Straftatbestände allein reichten für den notwendigen Opferschutz allerdings nicht aus. Die Erfahrung zeige, dass sich ein Teil der hartnäckigen Verfolger auch von laufenden Strafverfahren nicht abschrecken lässt. In solchen Fällen müsse man die Deeskalationshaft ermöglichen. Nach geltendem Recht sei dies aber nur selten möglich. "Es darf nicht länger so sein", kritisierte Merk, "dass Strafverfolgungsbehörden im Extremfall hilflos zusehen müssen, bis es zur Katastrophe kommt." Ohne die Deeskalationshaft drohe das ganze Konzept zum Torso zu werden, sagte sie abschließend und forderte die Unterstützung der Länder bei diesem Vorhaben.
Auch die Bundesregierung, so der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesjustizministerin, Alfred Hartenbach (SPD) habe sich mit dem Problem beschäftigt und am 8. Februar ebenfalls einen Entwurf gegen das Stalking beschlossen.
Das nun zwei Entwürfe in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden, sei nicht unbedingt ein Nachteil, so Hartenbach in der Debatte. Hinter beiden Vorlagen stecke das gleiche Ziel: man wolle die Täter bestrafen, vor allem aber die Opfer schützen. Dies zeige den verantwortungsvollen Umgang mit dem Problem auf beiden Seiten. Nun gelte es, eine gemeinsame Lösung zu finden. Dazu habe das Bundesjustizministerium die Rechtspolitiker der Koalition und Vertreter der Länder Bayern, Hessen, Berlin und Bremen zu Gesprächen eingeladen. Er sei zuversichtlich, dass dies gelingen werde. "Wir sind bereit auf die Länder zuzugehen," sagte Hartenbach. Wenn dies umgekehrt auch für die Länder gelte, können man voller Zuversicht davon ausgehen, in Kürze einen gemeinsamen Entwurf zu beschließen.