Ich versuche nie bewusst, einer Geschichte meine Handschrift aufzudrücken. Und es ist mir auch gleichgültig, ob man jetzt oder später von Wolf-Filmen spricht. Ein guter Film ist zuerst einmal ein Zeitdokument", hat Konrad Wolf (1925-1982) in einem Dokumentarfilm gesagt, den das DDR-Fernsehen 1985, drei Jahre nach seinem Tod, ausstrahlte. Das Bekenntnis mag Koketterie eines Kunstschaffenden sein, im Falle Wolfs, des langjährigen Präsidenten der Akademie der Künste der DDR, ist es ein Bekenntnis.
Wolfgang Jacobsen und Rolf Aurich, Autoren einer materialreichen Biografie über Konrad Wolf, haben einen langen Anlauf genommen, um diesen außergewöhnlichen Menschen in den vielen Facetten seiner künstlerischen Haltung und politischen Arbeit zu beleuchten. Vor allem die Beschreibung seiner Kindheit und Jugend bringt viele interessante Entdeckungen.
Konrad und Markus, der spätere Spionageabwehrchef der DDR, erleben als Kinder des Schriftstellers und Arztes Friedrich Wolf glückliche Jahre in Hechingen und Stuttgart, geprägt von antiautoritärer Erziehung und den Segnungen der Naturheilkunde. Der Vater, jüdischer Mediziner, erfolgreicher Theater- und Hörspielautor kommunistischer Überzeugung, schreibt in den 20er-Jahren das vielbeachtete Buch "Die Natur als Arzt und Helfer". 1934 emigriert die Familie vor den Nazis nach Moskau, wo sie relativ unbeschadet die Jahre der stalinistischen Säuberungen übersteht. In dieser Atmosphäre tödlichen Misstrauens nimmt die Familie Konrads Freund Lothar und dessen Mutter Erna Wloch bei sich auf, nachdem der Vater Wilhelm Wloch, ein Berliner Kommunist, von den Schergen des NKWD abgeholt und später hingerichtet wurde.
Die Jahre der Verfolgung haben Konrad Wolf geprägt, seine Charakterstruktur aus solidarischem Mut und vorsichtigem Abwägen. Als sowjetischer Leutnant, der vor den Wehrmachtsschützengräben im Lautsprecherwagen zur Kapitulation aufrief, kommt er zurück in seine deutsche Heimat. Für kurze Zeit wird er Bürgermeister in Bernau bei Berlin. Nach einem Studium an der Moskauer Filmhochschule wird er Regisseur bei der DEFA.
Aurich und Jacobsen zeigen eine Chronologie seiner Filme, die das Auf und Ab in der DDR illustrieren, angefangen von dem kurz nach der Produktion verbotenen Film "Sonnensucher" (1959) über "Der geteilte Himmel" (1964), "Ich war neunzehn" (1968), "Goya" (1971), "Mama, ich lebe" (1977) und "Solo Sunny" (1980). Mit interessanten Quellen und kenntnisreichen Aussagen von künstlerischen wie politischen Wegbegleitern wie Christa Wolf, Günter Grass und Hans Modrow schildern die Autoren den Weg des Regisseurs vom Chronisten des Weltkriegs, dessen biografische Erfahrungen in seine ersten Filme einflossen, zum kritischen Begleiter des DDR-Alltags und seinen schwindenden sozialistischen Utopien.
Für den antifaschistischen Regisseur war das eine quälende Strecke. Er fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Kritik an herrschenden Zuständen und "Treue zur Sache". Es wäre interessant gewesen, Konrad Wolfs Reaktion auf die Wende von 1989 zu erfahren, aber der Regisseur starb 1982 an Lungenkrebs, mitten in der Arbeit zu seinem Filmzyklus "Busch singt" über den kommunistischen Sänger und Schauspieler Ernst Busch.
Die Arbeit blieb unvollendet, ebenso wie das Filmprojekt "Die Troika", in dem es um die drei Moskauer Freunde Konrad Wolf, Lothar Wloch und Viktor Fischer ging, die es später in die DDR, nach Westberlin (Wloch) und New York (Fischer) verschlug und deren Kontakt nie abbrach.
Vergleichsweise oberflächlich bleibt Wolfgang Gerschs Filmographie "Szenen eines Landes" über die Spiel- und Dokumentarfilme der DDR. Die leicht dahingeschriebenen Texte erinnern zeitweise an einen Reiseführer durch ein nicht mehr existierendes Land. Er erzählt einem westdeutschen Lesepublikum, was so los war in den östlichen Studios. Ein Problem derartiger Chronologien ist der Erkläransatz für eine weitgehend unwissende, vermutlich auch desinteressierte Leserschaft. So verbleibt der Autor notgedrungen im Allgemeinen und muss auf differenzierende Urteile weitgehend verzichten.
Gersch, zu DDR-Zeiten unter anderem Filmkritiker des FDGB-Organs "Tribüne" und in der Regierung de Maizière, schreibt flott und zuweilen witzig, kann aber demjenigen, der den Osten miterlebt hat, leider allzu wenig Neues bieten.
Wolfgang Jacobsen, Rolf Aurich: Der Sonnensucher. Konrad Wolf Aufbau-Verlag, Berlin 2005; 589 S., 24,90 Euro
Wolfgang Gersch: Szenen eines Landes. Die DDR und ihre Filme. Aufbau-Verlag, Berlin 2006; 226 S., 22,90 Euro
Detlev Lücke war bis Mai 2005 Leitender Redakteur dieser Zeitung; er arbeitet jetzt als freier Autor in Berlin.