Kayla Williams trat im Jahr 2000 in die US-Armee ein: "Ich war ein aufmüpfiger Punk und jetzt bin ich Teil der autoritärsten Institution, die man sich nur denken kann." Nicht Patriotismus bewegt die 23-Jährige, sich für fünf Jahre zu verpflichten, sondern der Verlust ihres Jobs. Jetzt beschreibt sie ihre Erlebnisse in der Army und während ihres einjährigen Irak-Einsatzes. Sie will vermitteln, "wie man sich als Soldatin im Frieden und im Krieg fühlt".
Die amerikanische Armee hat einen Frauenanteil von 15 Prozent, ungleich mehr also als die Bundeswehr, die seit gut fünf Jahren Soldatinnen aufnimmt. Von den 250.000 deutschen Soldaten sind rund 6.000 Frauen. "Die Verbindung von Frausein und Soldatsein schafft eine ungewöhnliche sexuelle Verlockung." Williams schildert die aufgegeilte Stimmung, die ihre Anwesenheit auslöst, das Wechselspiel von Anmache ("Hey, Kayla! Zeig uns deine Titten!") und Machtgefühl ("Ihre Aufmerksamkeit, ihre Bewunderung, ihre Not: Die verleihen dir Macht.").
Im Umgang der Soldatinnen untereinander vermisst sie jedwede Solidarität. Sie erlebt aber auch, wie sie selbst Dinge tut, die sie sich nie zugetraut hätte - dass sie stärker ist, als sie je gedacht hatte. Da sie einige Zeit mit einem Araber zusammen war und Arabisch beherrscht, wird sie als Sprachspezialistin für die militärische Aufklärung rekrutiert. Nach dem 11. September 2001 rückt Arabisch in der Hierarchie der wichtigen Sprachen an erste Stelle. "Je länger ich dabei war, umso unausweichlicher schien mir der Einsatz."
Williams berichtet von häufigem Sex, exzessiven Feiern und reichlich Alkoholkonsum. Die Aussicht, in den Krieg geschickt zu werden, hat ihre Hemmschwelle gesenkt. Im Februar 2003 erhält sie den Einsatzbefehl. Der Ausspruch 'Fuck the Army', als Kürzel FTA, ist allgegenwärtig: "Natürlich wollte ich nicht hier sein. Der Gedanke, dass ich womöglich in der Wüste sterben würde ... und wofür? Für wen? Ich war aus Loyalität zu meiner Einheit und meinen Kameraden hier. Mein Loyalitätsgefühl bezog sich ausschließlich darauf."
Am 22. März 2003 beginnt die Invasion in den Irak. Williams' Aufklärungstrupp hat anfangs keine Landkarten und fährt ziellos herum; Unübersichtlichkeit und Chaos sind an der Tagesordnung. Die Dolmetscherin registriert, wie das Verhältnis der Soldaten zu den Irakern von kulturellen Missverständnissen bestimmt wird, wie die Feindseligkeit seitens der amerikanischen Truppen auf fehlenden Informationen, auf Unkenntnis von Land und Leuten und Unverständnis gründet.
Das Buch zeigt in Nahaufnahme, mit den Augen von Kayla Williams, das Verhalten der US-Soldaten gegenüber der irakischen Bevölkerung. Den "Befreiern" fehlt die Achtung vor den Bräuchen der Menschen, vor ihrem Lebensrhythmus und ihren Leidenserfahrungen. Als ein katholisches Kloster nach Waffen durchsucht wird und die Mönche ihre Gewehre, ihren einzigen Schutz, herausgeben müssen, weiß Williams, dass das zwar militärisch korrekt, aber nicht richtig ist: "Ist das die Art, wie wir den Irak befreien?"
Als ihr Trupp einen Horch- und Beobachtungsposten in den Sindschar-Bergen verlässt, bittet ein Jeside um die leeren Lebensmittelkartons - er will sie als Bodenbelag für sein Haus verwenden. US-Soldaten begeistern sich für die Osama-bin-Laden-Feuerzeuge eines kurdischen Händlers, auf denen die in Flammen stehenden Twin Towers zu sehen sind.
Diese Begebenheiten zeigen die vielen Facetten des vielzitierten Zusammenpralls der Kulturen (Clash of Civilizations): "Irgendwann fingen wir alle an, die verdammten Einheimischen zu hassen." Die anfängliche Kooperationsbereitschaft der Iraker schwindet. Sie sehen die Amerikaner als Besatzer. Einerseits fühlt sich Williams machtlos angesichts der Situation, andererseits bekommt sie Macht über andere. Im Gefängnis von Mossul soll sie bei einem "Verhör" helfen. Ein Mann wird nackt vorgeführt, beschimpft und gedemütigt, mit brennenden Zigarettenkippen malträtiert. Williams will damit nichts zu tun haben, bringt den Vorfall aber nicht zur Anzeige: "Wie viel Mitschuld trage ich?" Abu Ghraib ist kein Einzelfall.
Das Buch sammelt eine Fülle von Beobachtungen. Es ist mehr Bericht als Analyse und verschränkt zwei Erfahrungen - als Soldatin in der US-Armee zu dienen und ein Jahr im Irak-Kriegseinsatz zu erleben. Es bleiben ambivalente Eindrücke: Diskriminierung und Brutalität, Langeweile, Abwehr gegenüber den Irakern, Erniedrigung und Todesgefahr, aber auch Empfindungen wie Selbstsicherheit und Festigkeit. Da der Krieg auf Lügen basierte, zweifelt die Soldatin am Sinn ihres Einsatzes. Sie hat mit den Erlebnissen längst nicht abgeschlossen: "Man hat Schuldgefühle, weil man nicht bei den Kameraden ist, hat das Gefühl, immer noch dorthin zu gehören." Sie weiß: Noch bis 2008 kann sie wieder einberufen werden.
Kayla Williams: Jung, weiblich, in der Army. Ich war Soldatin im Krieg. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006; 320 S., 19,90 Euro
Frauke Hamann arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.