Gleich zum Auftakt der Frühjahrssession liegt Spannung in der Luft: Thomas Hammarberg, der als neuer Menschenrechtskommissar des Europarats vor wenigen Tagen Alvaro Gil-Robles (Spanien) ablöste, will vor der Parlamentarischen Versammlung des Staatenbunds sein Programm skizzieren. Die Abgeordneten aus 46 Nationen wird sehr interessieren, wie der Schwede dieses Amt öffentlich aufwerten will, nachdem Gil-Robles vor allem hinter den Kulissen wirkte. Und die Deputierten möchten auch wissen, wie Hammarberg einen bereits angekündigten inhaltlichen Schwerpunkt seiner Arbeit umzusetzen gedenkt: nämlich in den Europarats-Ländern stärker auf die Respektierung demokratischer Freiheitsrechte bei der Terror-Bekämpfung zu pochen.
Von Belang ist vielmehr auch, wie der Kommissar sein Verhältnis zur EU-Grundrechtsagentur mit Sitz in Wien definiert. In dieser Einrichtung sieht man schließlich im Palais de l'Europe den Versuch Brüssels, als Konkurrent im Gehege des Straßburger Staatenbunds zu wildern, dessen Auftrag die Durchsetzung demokratischer Rechtsstaatlichkeit ist. Die EU-Agentur gehört zu den heiklen Themen dieser Sitzungswoche, die vor allem im Zeichen der Debatte über den Bericht des Luxemburger Premiers Jean-Claude
Juncker zum Verhältnis zwischen Europarat und Brüsseler Union steht. Wie brisant diese Frage ist, zeigt sich daran, dass eigens EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso anreist. Auch der Generalsekretär des Europarates Terry Davis wird sich zu diesem Thema äußern.
Auf Juncker lastet ein hoher Erwartungsdruck: Seine Vorschläge sollen Straßburg helfen, sich gegenüber der Konkurrenz der immer mächtiger werdenden EU zu behaupten. Ein aktuelles Beispiel, Fälle dieser Art gab es öfters in den vergangenen Jahren: Im Umfeld der Präsidentschaftswahl in Weißrussland nahm vor allem Brüssel die Fäden in die Hand bei der Unterstützung der dortigen demokratischen Opposition - und dies, obwohl sich der Europarat seit Jahren in zäher Kleinarbeit um eine Demokratisierung im Land des autokratischen Herrschers Alexander Lukaschenkow bemüht.
Neben dem dominierenden Juncker-Rapport erörtern die Abgeordneten mehrere andere Initiativen, die allesamt ein altes Dilemma des Europarats offenbaren: Die Berichte sind oft von hoher Qualität, zeigen jedoch keine große öffentliche Resonanz und wenig politische Wirkung. So erinnert etwa das Straßburger Parlament an das weithin vergessene Schicksal der Vertriebenen im Südkaukasus. Bei der Mehrheit der Betroffenen handelt es sich um Flüchtlinge aus Berg-Karabach, ein immer noch ungelöstes Problem, sowie um vertriebene Bevölkerunsgruppen aus Armenien und Aserbaidschan. In Georgien leben wiederum viele Menschen, die aus den umkämpften Provinzen Abchasien und Südossetien geflohen sind - und nicht zu vergessen die Tschetschenen, die sich aus der heimischen Kriegsregion in Richtung Südkaukasus davongemacht haben. Der Bericht ruft die Europarats-Länder zu verstärkter humanitärer Hilfe für die Flüchtlinge auf und appelliert an Georgien, Aserbaidschan und Armenien, mehr für die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat zu tun. Fraglich bleibt, wer diese Alarmrufe aus Straßburg hört, denn auch die Medien berichten meist nur wenig aus dem Palais de l'Europe, dem Sitz der Organisation in Straßburg.
Auch die Debatte über die Bekämpfung der in West und Ost verbreiteten Korruption, die besonders in Osteuropa die wirtschaftliche Entwicklung hemmt, dürfte kaum praktische Folgen haben. Ähnliches ist zu befürchten bei der Diskussion über die Beachtung und die Gefährdung der Menschenrechte von Soldaten. Auf der Ebene internationaler Organisationen wurde dieses Thema bislang noch kaum thematisiert, obwohl gerade in jüngerer Zeit machte vor allem die Misshandlung von Soldaten in der russischen Armee unrühmliche Schlagzeilen. Aber vielleicht sorgen ja die von Juncker entwickelten Reformen dafür, dem Europarat in Zukunft politisch mehr Schlagkraft zu verschaffen.