Die Angst der Linkspartei.PDS, die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) könne ihr entscheidende Prozentpunkte wegnehmen, haben sich inzwischen verflüchtigt. Die Berliner WASG kann zwar nach einem Rechtsgutachten von Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskas an der Abgeordnetenhauswahl teilnehmen, ist aber so zerstritten mit der Bundespartei - sie lehnt einen Zusammenschluss mit der PDS zur Linkspartei ab -, dass ihre Wahlchancen auf ein bis höchstens zwei Prozent geschätzt werden - zumal sie sich inzwischen auch noch gespalten hat und wegen der Absetzung des Landesvorstandes durch den Bundesvorstand auch nicht mit Geldern von der Bundespartei rechnen kann.
Wowereit (52) hat sich auf dem SPD-Wahlparteitag zu keiner Koalitionsaussage verleiten lassen. Allerdings hat er eine große Koalition mit der CDU ausgeschlossen. Denn er ist überzeugt, dass die SPD auch auf Bundesebene eine linke Mehrheit zustande bringen kann. Also unter Einschluss der Linkspartei, was auf Bundesebene allerdings von der SPD-Führung abgelehnt wird. Seit längerem aber hat Wowereit seine Vorliebe für ein weiteres Zusammengehen mit der Linkspartei.PDS erkennen lassen.
Herausforderer Friedbert Pflüger (51) will zwar seinen Wohnsitz von Hannover nach Berlin verlegen, aber bei einer Niederlage Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung bleiben. Er hat bereits seinen Anspruch angemeldet, bei einer Niederlage in fünf Jahren erneut anzutreten. Ob er auch den Berliner Landesvorsitz seiner Partei anstrebt, ist noch unklar. Jedenfalls dürfte sich Amtsinhaber Ingo Schmitt auf seinem Stuhl nicht gar zu sicher fühlen. In den Umfragen liegt Pflüger nach wie vor weit unter der 30-Prozent-Grenze. "Warum sollte sich Berlin unterpflügen lassen?", fragte Vizekanzler Müntefering auf dem SPD-Landesparteitag in Anspielung auf den Herausforderer von Wowereit.
Die SPD tritt mit einem Wahlprogramm unter dem Titel "Konsequent Berlin" an. Schwerpunkte bilden Wirtschaft, Bildung und "soziale Stadt". Konkret will sich die SPD unter anderem dafür einsetzen, dass bei ihrer Einschulung alle Kinder "angemessen Deutsch" können. Die Schulabbrecherquote von gegenwärtig elf Prozent soll in den nächsten zehn Jahren halbiert werden. Stärker unterstützt werden sollen Schulen mit einem Anteil von mehr als 30 Prozent nichtdeutscher Kinder. Man will prüfen, ob die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe rückgängig gemacht werden kann. Kleinere und mittlere Unternehmen sollen stärker untersützt werden. Davon erhofft man sich auch mehr Arbeitsplätze.
Die CDU unter ihrem Generalsekretär Frank Henkel will vor allem dafür sorgen, intensiver mit den Bürgern Ostberlins ins Gespräch zu kommen, wo die Partei bislang weit unter 20 Prozent der Stimmen erzielt. Gegenwärtig wird mit dem - alten - DDR-Motto im Osten der Stadt geworben: "Arbeite mit, plane mit, regiere mit." Eine "Rote-Socken-Kampagne" wird es mit Pflüger nicht geben, wohl aber will er intensiv die Linkspartei.PDS zur Rede stellen. Pflüger sagte gegenüber der Berliner Zeitung: "Ich möchte mit der PDS lieber darüber reden, ob unter ihrer Regierungsbeteiligung die Stadt sozialer oder ärmer wurde. Sie ist ärmer und unsozialer geworden."
Selbstverständlich wird die CDU im bevorstehenden Wahlkampf ein Schwergewicht auf die Schulpolitik legen. Dabei geht es nicht nur um die zunehmende Gewalt an den Berliner Schulen, sondern auch um den von der rot-roten Regierungskoalition durchgesetzten Ethik-Pflichtunterricht. Die CDU tritt ebenso wie die FDP für ein Wahlpflichtfach Religion oder Ethik/Philosophie ein, das auch die Kirchen fordern und in den alten Bundesländern weithin üblich ist.
Viele Themen werden im Wahlkampf von allen Parteien in den Mittelpunkt gerückt, wobei die Lösungen sehr unterschiedlich sind. Es geht um die hohe Arbeitslosigkeit in der Stadt, um die Auswirkungen von Hartz IV, die Ausländerpolitik, die Sicherheit und auch um die Stellung der Stadt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Und nicht zuletzt spielt das Geld eine große Rolle. Denn mit 60 Milliarden Euro Schulden ist die Bundeshauptstadt praktisch pleite.
Der rot-rote Senat hofft auf eine positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Berliner Klage gegen den Bund und eine spürbare Hilfe bei der Entschuldung. Lehnt Karlsruhe die Klage ab, dann muss die Bundeshauptstadt noch mehr sparen und wird sich angesichts der hohen Zinszahlungen kaum noch etwas leisten, zu dem sie nicht gesetzlich verpflichtet ist. Außerdem wird man den öffentlichen Dienst weiter einschränken.
Die Linkspartei tritt unter dem Motto "Gemeinsam sind wir Stadt" dem Bürger gegenüber. Sie fordert unter Verrechnung aller Leistungen für Arbeitslose einen Mindestlohn von 1.000 Euro netto pro Monat. Die entsprechenden Stellen könnten überwiegend vom Staat geschaffen werden. Studiengebühren werden abgelehnt und schrittweise soll für alle Berliner Schüler die Einheitsschule eingeführt werden - was die SPD ablehnt. Von der Linkspartei.PDS abgelehnt wird ein weiterer Verkauf von Landeswohnungen - den beispielsweise die FDP fordert.
In Gunst und Bekanntheit liegt der Regierende Bürgermeister bei den Berlinern weit vorn, während sein Herausforderer Pflüger noch stark abgeschlagen ist. CDU-Parteichef Ingo Schmitt aber wird nicht müde zu betonen, man wolle am 17. September die Wahl gewinnen und nicht vorher die Umfragen.
Mehr als 20 Parteien werden am 17. September antreten. Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen aber haben lediglich SPD, CDU, PDS, FDP und Grüne.