Bayern, das mit seinem kürzlich verabschiedeten Nachtragshaushalt 2006 als erstes Land der Bundesrepublik einen Staatshaushalt ohne neue Schulden auf den Weg gebracht hat, will künftig auch bei der Technik der Haushaltsführung in neue Dimensionen vorstoßen. Das Schlagwort heißt produkt- und leistungsorientierter Haushalt, und Sympathien dafür lassen die Mitglieder aller drei Landtagsfraktionen erkennen. Finanzminister Kurt Faltlhauser erläuterte vor dem Haushaltsausschuss, dass er das neue Verfahren bereits im kommenden Doppelhaushalt 2007/2008 erproben werde.
Gleichzeitig hält Bayern aber am klassischen System des kameralistischen Haushaltsplans mit Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen fest. Ergänzt wird das Zahlenwerk jedoch mit einem vorangestellten Produktplan, in dem die Aufgaben der jeweiligen Verwaltung beschrieben werden und einer abschließenden Überleitungsrechnung.
Dabei fließen unter anderem auch die betriebswirtschaftlichen Kosten einer Verwaltungsaufgabe, erzielbare Erlöse, Aussagen beispielsweise zur Fördersumme, der Anzahl der Förderanträge, Bearbeitungsdauer und der erzielten Wirkung mit ein. Sichtbar wird dann auch, wie Faltlhauser an einem Modell erläuterte, dass zum Beispiel die durchschnittlichen Verwaltungskos-ten je erledigtem Antrag auf Familienförderung 39 Euro betragen. Möglich werden diese Aussagen mit Hilfe bereits bestehender Daten der Kosten-Leistungsrechnung (KLR), wie sie in vielen Fachressorts und Fachverwaltungen ohnehin eingeführt ist, und von Fachstatistiken. Das eigentlich Neue sei, so der Finanzminister, dass diese Kosten- und Leistungsrechnung, die ja ein internes Steuerungsinstrument der Verwaltung sei und auch bleiben solle, mit dem nach außen wirkenden Haushalt zusammengeführt werde.
Als Ziel des produkt- und leistungsorientierten Haushalts nannte Faltlhauser eine Erhöhung der Transparenz im Haushaltsplan, eine noch bessere Beurteilungsmöglichkeit über die Angemessenheit der bewilligten Stellen und Mittel, eine weitere Stärkung des Kosten- und Leistungsbewusstseins und damit insgesamt einen noch wirtschaftlicheren und zielgenaueren Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen. Die stärkere Betonung der Ziele und Ergebnisse des Verwaltungshandelns mache nicht zuletzt für den Landtag als Haushaltsgesetzgeber deutlich, welche Auswirkungen Entscheidungen auf der Leistungsseite für die Bewilligungsseite hätten.
Der Minister hob insbesondere auch die Vorteile des produkt- und leistungsorientierten Haushalts in den Förderbereichen hervor. Bisher werden die Fördermittel jeweils in anderen Haushaltskapiteln veranschlagt als die Ausgaben der mit der Förderung befassten Verwaltung. Mit der Umstellung werden sie den Verwaltungskosten, die durch das Ausreichen der Fördermittel verursacht werden, gegenübergestellt. Damit schaffe man mehr Bewusstsein für finanzielle Zusammenhänge im Haushalt, so Faltlhauser.
Bayern wird die Neuerung im nächsten Doppelhaushalt zunächst bei drei Haushaltskapiteln einführen, nämlich im Geschäftsbereich des Finanzministeriums bei der Vermessungsverwaltung (zwei Kapitel) und im Bereich des Sozialministeriums (Kapitel "Zentrum Bayern Familie und Soziales"). Dort gibt es auch bereits entsprechende Fachstatistiken sowie Kosten- und Leistungsrechnungsdaten. Der Minister machte zudem deutlich, dass er eine flächendeckende Einführung des produkt- und leistungsorientierten Haushalts nicht für sinnvoll halte. Insbesondere will er kleinere und überschaubare Verwaltungen ausklammern wie den Landtag oder den Obersten Rechnungshof.
Eine entschiedene Absage erteilte Faltlhauser Überlegungen, von der Kameralistik zum völlig neuen Ins-trument Doppik zu wechseln, einer Bilanz einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung. Als Grund nannte er vor allem die enormen Kosten einer solchen Umstellung. So habe die Einführung der Doppik in Hessen einen "höheren dreistelligen Millionenbetrag" verschlungen. Für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben aber sei es egal, wie viel der Englische Garten in München oder das Schloss Neuschwanstein in Füssen wert seien. Die Ermittlung dieser Werte für das Aufstellen einer Bilanz bedeute einen Riesenaufwand.
Der Minister erwähnte auch die Museen und Staatlichen Gemäldesammlungen und meinte, für den Fall einer Bewertung dieser Kunstgegenstände würde er dem "Herrn Kollegen (Kunstminister) Goppel schon jetzt viel Spaß wünschen".
Doch in der Aussprache zeigte sich, dass keiner der Abgeordneten einer Doppik-Einführung das Wort redete. Ebenso einmütig wurde die Erprobung des produkt- und leistungsorientierten Haushalts begrüßt. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Manfred Ach (CSU), sah darin "mehr Möglichkeiten bei der Haushaltsgestaltung".
Sein Stellvertreter, der Sozialdemokrat Jürgen Dupper, sprach von einer sinnvollen Orientierung, die eine "noch bessere Passgenauigkeit" beim Einsatz der Haushaltsmittel ermöglichen könne. Auf eine unvermeidliche Begleiterscheinung wies in diesem Zusammenhang der Grünen-Abgeordnete Thomas Mütze hin. Es werde zwar vieles klarer, "aber es wird auch mehr Papier geben". Finanzminister Kurt Faltlhauser räumte ein, dass das neue System höhere Anforderungen beim Lesen und Kontrollieren stelle und meinte humorvoll: "Hoffentlich graut euch nicht davor."