Eigentlich hatte er sich nach dem ganzen Abiturstress auf Ferien eingestellt. Aber seit dem Bundessieg beim Wettbewerb Jugend forscht steht Alexander Joos' Telefon nicht mehr still. Kein Wunder, wenn einer kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft das Geheimnis der Bananenflanke lüftet. Bananenflanken, das sind die schnellen, krumm geschossenen Bälle, die jeder Torwart fürchtet. Sie haben einen Dreh, einen Spin, oder - physikalisch ausgedrückt - unterliegen durch ihre Eigenrotation der so genannten Magnuskraft. Die Flugkurven solcher Bälle wurden in der Physik bisher falsch vorhergesagt, das haben Alexander und Mitschüler Johannes Burkhart aus Baden-Württemberg herausgefunden. Die beiden 19-Jährigen entwickelten eine exakte Simulation für die Flugbahn von Bällen. Darüber hinaus haben sie die falsche theoretische Herleitung in der Physik revidiert. Wo genau liegt der Haken? "Die Physik geht in ihrer Theorie von einer Flugbahn im reibungsfreien Raum aus", erklärt Alexander. "Das Phänomen, das wir untersucht haben, entsteht aber gerade erst durch die Reibung mit der Luft."
Mit "Ball Spins" und der Bedeutung von rotierenden Bällen im Sport haben Alexander und Johannes sich schon im vergangenen Jahr, beim Internationalen Jugend-Physikturnier im schweizerischen Winterthur beschäftigt. Das Thema war eine der vorgegebenen Aufgaben. Seither beschäftigen sie sich mit der Frage, warum Bälle so fliegen, wie sie fliegen.
Zuerst haben die beiden Abiturienten die Flugkurven von Tischtennisbällen getestet, weil sich die Experimente mit den Abschussmaschinen für das Tischtennistraining relativ einfach durchführen lassen. Inzwischen können sie ihre Formel auf Fußballspieler übertragen. Nicht auf alle natürlich, aber immerhin auf vier Spieler des Freiburger SC, die sich für die Idee begeistern konnten. Die schossen Bälle für die jungen Forscher und die Regel zeigt: Wer seinem Ball einen größeren Dreh verpassen will, der muss ihn nicht stärker anschneiden, sondern einfach stärker dagegen treten. Die Magnuskraft, so konnten die jungen Forscher zeigen, verhält sich zur Fluggeschwindigkeit nämlich quadratisch und nicht proportional, wie es bisher in vielen Physik-Lehrbüchern heißt. Für diese Ergebnisse erhielten sie den Sonderpreis für die originellste Arbeit, gestiftet von Bundeskanzlerin Angela Merkel, selbst Physikerin von Beruf.
Auch die anderen Preisträger haben nicht nur originelle, sondern auch innovative Arbeiten eingereicht: Marcel Schmittfull und Jörg Metzner aus Hessen entwickelten beispielsweise ein neuartiges Messverfahren für den Druck in Schläuchen. Eingesetzt werden könnte es bei der Dialyse. Jessica Maxam und Silvia Hermann aus Mecklenburg-Vorpommern haben gezeigt, dass die Symptome der Lese-Rechtschreibschwäche bei Kindern verschwinden, wenn sie eine spezielle Prismenbrille gegen Winkelfehlsichtigkeit tragen. Bekannt unter i-Pod-Usern ist inzwischen der Bundessieger im Bereich Mathematik, Robert Bamler. Der 19-Jährige hat durch ein selbstentwickeltes Softwareprogramm dafür gesorgt, dass das Online-Lexikon Wikipedia über den beliebten MP3-Player abrufbar ist. Und Matthias Hölzer aus Thüringen erkannte, dass Fliegen nicht nur Krankheiten übertragen, sondern auch heilen können - in ihren Larven und Puppen fand er antibiotische Wirkstoffe.
"Jugend forscht ist ein außerordentlich effektives Instrument zur Förderung des naturwissenschaftlich-technischen Nachwuchses", sagte Uta Krautkrämer-Wagner, Geschäftsführerin der Stiftung Jugend forscht, zum Auftakt des Finales, das vom 18. bis 21. Mai in Freiburg stattfand. In diesem Jahr hatten sich insgesamt 9.603 Schüler und Lehrlinge beworben - mehr denn je. Jugend forscht gilt als der größte Wettbewerb seiner Art in Europa und vergibt Preise in den sieben Fachgebieten: Arbeitswelt, Biologie, Chemie, Geo- und Raumwissenschaften, Mathematik/Informatik, Physik und Technik. Dazu kommen Sonderpreise wie der der Bundeskanzlerin, der des Bundespräsidenten, ein Preis der Bundesforschungsministerin und weitere von Stiftungen und Verbänden. Wettbewerbs-Gründer war 1965 Henri Nannen, der damalige Chefredakteur der Zeitschrift "Stern". Heute fördert das Bildungsministerium das Treffen der Jugendforscher, organisiert wird es aber durch die eigene Stiftung.
Wenn bei Alexander in einigen Tagen der Medienrummel vorüber ist, dann will er tatsächlich Urlaub machen. Aber nur kurz, denn zur Fußball-Weltmeis-terschaft hat er schon eine neue Idee: Die schönsten Lattenknaller und verschossenen Bälle wollen er und Johannes im Nachhinein analysieren. Hätte der eine oder andere nicht doch drin sein können? "Natürlich", sagt Alexander, "werden die Ergebnisse mit Hilfe einer Videoaufzeichnung nicht genau." Optimalerweise bräuchte er für seine Simulation mindestens zwei Mitschnitte von verschiedenen Positionen. Aber ungefähr könne man das trotzdem berechnen. Naja, vielleicht kommen Klinsmann und seine Jungs ja bald selbst zur Physik-Nachhilfe vorbei.