Seit der Entscheidung über die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Anti-Terror-Einsatz in Afghanistan im Jahr 2001 war kein Auslandseinsatz mehr so umstritten. Zwar votierten in der namentli- chen Abstimmung 440 Abgeordnete bei 135 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen für die Kongo-Mision. Doch die streckenweise äußerst scharf geführte Debatte sowie schriftliche Erklärungen von 47 Parlamentariern zu ihrem Abstimmungsverhalten zeigten erneut, dass das militärische Engagement in Zentralafrika bei vielen Bundestagsabgeordneten nach Monaten der Diskussion noch immer große Bedenken auslöst - auch bei seinen Befürwortern.
Diese Bedenken reichen von der prinzipiellen Ablehnung militärischer Interventionen auf Seiten der Linksfraktion bis hin zur Kritik der FDP - beide Fraktionen lehnen sie ab - an den konkreten Modalitäten des Einsatzes. So bezweifelen die Liberalen, dass das auf vier Monate begrenzte Mandat der EU-Truppe zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lage im Kongo führen kann: "Mit der Absicherung von Wahlen kann Stabilität nicht allein erreicht werden", argumentierte ihr außenpolitischer Sprecher Werner Hoyer.
Auch die Grünen, die für den Einsatz stimmten, äußerten Unmut: Fraktionschef Fritz Kuhn griff Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wegen der Vorbereitungen des Einsatzes auf EU-Ebene in den vergangenen Wochen hart an. Jung habe mit unter- schiedlichen Angaben über die Größe des deutschen Kontingentes, die Ziele der Mission und ihre Kosten für erhebliche Verwirrungen gesorgt. Die Einsatzgegner erinnerte Kuhn an den Völkermord in Ruanda und das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft. Dies dürfe sich nicht wiederholen.
Eine Steilvorlage für die Kritiker hatte am Morgen vor der Entscheidung im Bundestag der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) geliefert. Noch bei keinem Auslandseinsatz habe er so viel Ablehnung unter den Soldaten erlebt. Und: "Die Bundeswehr ist nicht vorbereitet auf Afrika."
Vertreter der Regierungskoalition verteidigten den Einsatz und verwiesen auf die Bitte der UNO um Unterstützung zur Stabilisierung des Kongo. Deutschland dürfe sich dem nicht entziehen. Eckart von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU, räumte zwar Schwierigkeiten bei der Vorbereitung ein, doch dürfe dies kein Argument sein, sie abzulehnen. Deutschland habe ein Interesse am friedlichen Verlauf der Wahlen, am Schutz der Menschenrechte und an einer gerechten Nutzung der Rohstoffe im Kongo. Der SPD-Verteidigungspolitiker Walter Kolbow argumentierte, der Kongo nehme für die angestrebte Stabilisierung Zentralafrikas eine Schlüsselrolle ein.
Unbestritten bei Gegnern wie Befürwortern des Einsatzes sind seine Gefährlichkeit sowie die katastrophalen Zustände im Kongo. Noch lange nicht sind alle verfeindeten Milizen entwaffnet. Der fünfjährige Bürgerkrieg kostete schätzungsweise 3,9 Millionen Menschen das Leben. Dessen Grausamkeiten erinneren an Schilderungen des Romans "Das Herz der Finsternis" von Joseph Conrad über die Zustände im Kongo während der belgischen Kolonialzeit. Die meisten der 60 Millionen Einwohner des 2,3 Millionen Quadratkilometer großen Landes sind heute trotz der reichen Rohstoffvorkommen völlig verarmt.
Für die Bundeswehr stellt die Beteiligung an der EU-Mission den neunten laufenden Auslandseinsatz dar. Seine Kosten werden auf 56 Millionen Euro beziffert. Mitte Juli beginnt voraussichtlich die Truppenverlegung; von den 780 Soldaten werden jedoch lediglich 320 Soldaten direkt an ihrem Einsatzort, der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa stationiert, die übrigen als Reserve und für logistische Aufgaben im 850 Kilometer entfernten Libreville, der Hauptstadt des Gabun.