Um das Jahr 50 vor Christus brechen zwei Gallier namens Asterix und Obelix in geheimer Mission zu den britischen Inseln auf. Ihr Auftrag: Beistand für ein kleines gallisches Dorf, das den römischen Legionen Caesars noch immer Widerstand leistet. Doch das Unternehmen der beiden droht zu Scheitern: Asterix und Obelix verlieren das mitgeführte Fass mit jenem Zaubertrank des Druiden Miraculix, der den britischen Vettern zu übermenschlichen Kräften verhelfen soll. Asterix muss improvisieren: Aus Wasser und Blättern einer ihm unbekannten Pflanze kocht er einen neuen Trank, von dem er listig behauptet, er verleihe ebenfalls ungeahnte Kräfte. Der gewünschte Placebo-Effekt stellt sich bei den Kriegern auch tatsächlich ein und sie schlagen die Römer in die Flucht. Erst später wird Asterix erfahren, um welche Pflanze es sich gehandelt hat: um Tee.
Die Abenteuer von Asterix und Obelix sind zwar nur ein Fantasieprodukt aus der Comic-Werkstatt der Franzosen Uderzo und Goscinny. Aber wie in allen Geschichten der berühmten Serie steckt auch in "Asterix bei den Briten" im Kern eine historische Wahrheit. Denn rund 1.800 Jahre nach den Britannien-Feldzügen Caesars stellt Tee für die Inselbewohner tatsächlich eine Art Zaubertrank dar. Tee wird für die Engländer zum Wegbereiter und einer tragenden Säule ihres Weltreichs. Und diese wahre Geschichte erzählt der englische Journalist Tom Standage in seinem neuen Buch "Sechs Getränke, die die Welt bewegten". Der Wissenschaftsredakteur des "Economist" - er hat sich bereits mit seinen Büchern "Das Viktorianische Internet" über die Telegrafie und "Der Türke" über den ersten Schachautomaten einen Namen gemacht - liefert seinen Lesern diesmal eine kurzweilige Darstellung über sechs wichtige Epochen der Menschheitsgeschichte und wie diese maßgeblich durch Getränke mit berauschender oder zumindest stimulierender Wirkung geprägt wurden. Standage beginnt in der Frühgeschichte bei den Mesopotamiern und Ägyptern, die die Kunst des Bierbrauens entwi-ckeln und kultivieren. Die ersten historischen Belege für den gerade in Deutschland so beliebten Gerstensaft stammen aus der Zeit um 3400 vor Christus.
Welche große Bedeutung das alkoholische Getränk in den Gesellschaften jener Tage als Ausdruck von Zivilisation einnahm, belegt eine Passage aus dem ersten großen litararischen Werk der Menschheitsgeschich-te - dem Gilgamesch-Epos. Es erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen König Gilgamesch und Enkidu, der in der Wildnis lebt, bis ihn eine junge Frau zivilisiert: "Enkidu (...) trank das Bier, sieben Krüge voll, und er ward heiter. Sein Herz frohlockte und sein Antlitz strahlte. Er wusch sich den zottigen Leib mit Wasser und salbte sich mit Öl - und wurde Mensch."
Weiter schlägt Standage den Bogen von den Weintrinkern der Antike, den Griechen und Römern, über die harten Spirituosen Rum und Whiskey und deren Rolle im Zeitalter der Entdeckungen, bis hin zu den Kaffeehäusern, die als Nachrichtenbörsen und Debattierclubs die Aufklärung und die Französische Revolution prägten.
Zu jener Zeit blühte bereits der britische Tee-Handel: "Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England so gut wie niemand und am Ende des 18. jahrhunderts jedermann Tee trank", führt der Buchautor an. Und die Briten, namentlich die Ostindische Handelskompanie, setzten alles daran, den Nachschub für ihr neues Nationalgetränk zu sichern - notfalls mit brachialen Mitteln. Die Zerstörung der alten chinesischen Kultur und der Aufbau von riesigen Teeplantagen in Indien waren die Folge.
Auch der wohl schmerzhafteste Verlust für das British Empire ist eine Geschichte des Tees: Die amerikanischen Kolonisten wollten in keinem Fall das Teemonopol der Ostindischen Kompanie akzeptieren. Im Jahr 1773 eröffneten sie den Kampf um freien Handel mit der Boston Tea Party, als sie drei Teeschiffe der Handelsgesellschaft stürmten und die Ladung versenkten. Am Ende kam es zum Krieg, der in der amerkanischen Unabhängigkeit mündete. Dies war zugleich die Geburtsstunde einer neuen Weltmacht, deren Aufstieg ein Getränk begleitet, das zum Synomym für das Zeitalter der Globalisierung wurde: Coca-Cola.
Standage rundet sein faktenreiches, im wahrsten Wortsinne flüssig geschriebenes und unterhaltsames Buch mit einem Ausblick auf ein siebtes Getränk ab, das die weitere Geschichte der Menschheit in einem noch viel stärken Maß prägen wird - das Wasser. Neue historische Erkenntnisse liefert Standage sicherlich nicht, aber er bietet einen ungewohnten Blick auf die Historie. Oder mit seinen eigenen Worten: "Wenn Sie beim nächsten Mal ein Glas Bier, Wein oder Whiskey, eine Tasse Kaffee oder Tee oder eine Coca-Cola trinken, denken Sie daran, dass alle dies Getränke über lange Zeiten und Räume hinweg zu uns gekommen sind. Sie enthalten eben nicht nur Alkohol oder Koffein. In ihren sprudelnden Tiefen wirbelt auch Geschichte."
Tom Standage: Sechs Getränke, die die Welt bewegten. Artemis und Winkler Verlag, Düsseldorf/Zürich 2006; 266 S., 19,90 Euro.