Die neuen Kreise im Freistaat Sachsen gibt es noch gar nicht, aber Namensvorschläge kursieren schon zuhauf. "Holzmichelkreis", "Sorbistan" oder "Sandsteinpark" gehören zu den Absurditäten, die der Aufruf einer Tageszeitung zur Namensfindung hervorlockte.
Im politischen Raum geht es in Sachen Kreisreform weniger humorig zu. Mancherorts ist die Neugestaltung von 1996 noch nicht verdaut, da soll man sich schon wieder umorientieren. Doch die Fakten sprechen eine klare Sprache. Nach der Bevölkerungsprognose für Sachsen werden die durchschnittlichen Einwohnerzahlen in den Landkreisen bis 2020 auf knapp 105.000 sinken. Der Landtag hatte Anfang der 90er-Jahre ein Leitbild verabschiedet, das eine Mindestgröße von 125.000 Einwohnern pro Landkreis vorschreibt. Diese würden im Jahr 2020 nur drei der bislang 22 Kreise erreichen. Deutlich weniger Einwohner bei gleichbleibenden Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zögen zudem eine höhere Verschuldung der Kreise nach sich, zumal 2019 der Solidarpakt II ausläuft. Deshalb will der Freistaat im Zuge der Verwaltungsreform massiv Personal einsparen, einerseits durch Privatisierung und Auflösen von staatlichen Sonderbehörden, andererseits durch Verlagerung von Zuständigkeiten auf die Landkreise und Kommunen. Weniger größere Kreise und kreisfreie Städte seien eher in der Lage, diese Aufgaben zu bewältigen, argumentiert die Staatsregierung.
Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) hat dem Landtag Ende Juni seinen Vorschlag unterbreitet, wonach Sachsen künftig nur noch zehn Kreise und drei kreisfreie Städte haben soll. Lediglich die Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz würden ihren Status behalten; Görlitz, Hoyerswerda, Zwickau und Plauen müssten sich in Landkreise eingliedern. Das Gerangel um den Kreissitz ist damit programmiert. Gleiches gilt für den Zuschnitt der Verwaltungseinheiten. Zwar lockt die Staatsregierung mit Prämien von insgesamt 260 Millionen Euro, wenn die Kreise die Fusionsvorschläge akzeptieren. Doch bislang scheint man sich die nur im Elbland verdienen zu wollen, wo die Kreise Meißen und Riesa/Großenhain sich bereits verständigt haben.
Im Erzgebirge, in der Lausitz und vor allem um Leipzig herum wird zur Zeit heftig um andere als die vom Innenminister vorgeschlagenen Lösungen gerungen. Der gibt sich zwar offen für kreative Vorschläge, aber nur, wenn sie nicht Partikularinteressen dienen. Dazu gehört wohl auch das Bestreben, in der Lausitz und im Leipziger Umland Großkreise mit mehr als 600.000 Einwohnern zu schaffen, die das mühsam erarbeitete Gefüge aus dem Gleichgewicht bringen würden. Besonders die Diskussion in der Leipziger Region sorgt für Zündstoff innerhalb der regierenden CDU-SPD-Koalition. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hatte sich unlängst in einem Thesenpapier zur Kreisreform für einen einzigen Umlandkreis ausgesprochen. Die Messestadt könne damit als "Marke" weit über die Stadtgrenzen hinausreichen und erspare sich umständliche Kooperationen mit mehreren Zweckverbänden im Umland. Die Landtagsabgeordnete Margit Weihnert (SPD) sprang ihm bei und erklärte, die weiteren Verhandlungen mit der CDU über die Verwaltungsreform seien "ernsthaft gefährdet", sollte Innenminister Buttolo bei seiner Ablehnung der Großkreis-Variante bleiben. Dahinter steckt auch das Ansinnen, die vom Koalitionspartner angestrebte Auflösung des Leipziger Regierungspräsidiums zu verhindern. Im Zuge der Verwaltungsreform sollen die drei Mittelbehörden durch zwei sogenannte Landesdirektionen mit Sitz in Dresden und Chemnitz ersetzt werden.
Bis Ende Oktober kann die Diskussion über die Neugliederung der Kreise in Sachsen noch kräftig an Fahrt gewinnen. Dann endet die Phase, in der sich die Kreise über freiwillige Fusionen einigen sollen; danach wird das sächsische Innenministerium dem Landtag einen Gesetzentwurf vorlegen. Mitte 2008 soll die Kreisreform wirksam werden.